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Frankenberger mchrichtsblatt und Bezirksanzeiger. Amtsblatt der König!. AmtShauptmannschaft Flöha, des König!. Gerichtsamts und des Stadtraths zu Frankenberg. Erscheint wöchentlich drei Mal. Vierteljährlich H Mark- Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Posl-Ep'ttnwne» Bekanntmachung, Abänderungen des Regulatives über Trauungen, Taufe« und Begräbnisse in der Parochie Frankenberg betreffend. Der hiesigen Kirchengemeinde wird andurch bekannt gemacht, daß vom 1. Januar d. I. an das Regulativ über Trauungen rc. in der Weise eine Abänderung zu erleiden hat, daß für Kirchentrauungen (ohne Gesang) und Kirchentaufen nach der einfachsten — agendarischen — Form Gebühren nicht mehr z« zahlen sind. Für Trauungen 2. Klaffe ist nur dann 1 Mark zu entrichten, wenn Gesang gewünscht, wird. Für Trauungen 1. Klasse und für Taufen 1. und 2. Klasse (Haustaufen) bleiben die bisherigen Gebührensätze bestehen. Aus Antrag des Herrn Cantor soll ferner um mancher Unzuträglichkeiten willen bei allen öffentlichen Beerdigungen der Gesang vor dem Hause und die Begleitung des Leichenconductes durch die Cantorei und Surrende nach dem Gottesacker in Wegfall kommen. Dagegen verbleiben die Begleitung durch die Geistlichen und einen Kreuzträger, sowie der Gesang und die übrigen Handlungen auf dem Gottesacker. Frankenberg, den 17. Januar 1876. Der Kirchenvorstand. - R. Lesch. Politische Wochenschau vom 7. bis 14. Januar. LI. k. 6. Die eben abgelaufene Woche war in jeder Hinsicht und für viele Länder eine po litisch im höchsten Grade bewegte. Verhältniß- mäßig am ruhigsten verlief sie' in unserm deut schen Vaterlande. Aber auch hier herrschte leb hafte Bewegung. Der Zeitungskrieg wurde fort gesetzt nicht allein über die Frage, ob das Reich die Bahnen erwerben solle oder nicht, sondern auch namentlich über die künftige Parteigruppirung in unfern Parlamenten und über die Bildung einer neuen Bismarckischen Partei. Wie viel an diesen, jedenfalls mit großer Hartnäckigkeit in Umlauf gesetzten Gerüchten wahr sei, ist schwer zu sagen. Cs ist indeß davon Notiz zu nehmen, daß die Nordd. Allg. Ztg., das angebliche Organ der angeblich in der Bildung begriffenen konservati ven Partei, in sehr hohem Tone die liberale Presse, auch die nur liberal angehauchte, und die liberalen Parteien, selbst diejenigen, von denen ein großer Theil bedenklich nach rechts gravitirt, abkanzelt. In Berlin tritt am 16. Januar der preußische Landtag zusammen, um alsbald dem Reichstage für einen Monat den Platz wieder zu räumen. Nach Schluß des Reichstages beginnen die Einzellandtage in Preu ßen, Baiern und Sachsen ihre Arbeiten neu. Auch der mecklenburgische Landtag, dieses un romantischste Stück Mittelalter ist zusammenbe rufen worden.*) Von einer Beseitigung dieses beschämenden Anachronismus, von einer Verfas sungsreform ist in dem Berufungsschreiben trotz *) Der mecklenburgische Landtag ist auf den 16. Februar dieses Jahres durch folgendes famose, altväterische Decret einberufen worden: „Wir geben euch" (die Anreden stet« kleingedruckt) „hiermit zu vernehmen, daß Wir beschlossen haben, einen allgemeinen Landtag in Unserer Stadt Stern berg halten und denselben am 16. Februar 1876 eröffnen zu lassen; citiren, heischen und laden euch demnach hier mit gnädigst und wollen, daß ihr Abends vorher, näm lich am 15. Febr. 1876, euch alldort persönlich einfindet, und nach gebührender Anmeldung die am folgenden Tage in Unserem Namen zu publicirende Landtagsproposttion geziemend anhören, den darüber zu haltenden gemeinsamen Berathungen und Beschlußnahmen beiwohnen, auch vor erfolgtem LandtagSschlusse ohne erhebliche Ursache euch von dannen nicht entfernen solltet. Ihr möget nun erscheinen und daselbst bleiben oder nicht, so sollet ihr in jedem Falle zu Mem, was auf solchem Landtage beschlossen werden Wird, gleich anderen Unserer getreuen Landsassen und Unter- thanen verbunden und gehalten sein." — An diesem Stil spürt man's wirklich nicht, daß wir uns im letzten Viertel de« 1S. Jahrhundert» befinden. vorhergegangener Versprechungen nichts gesagt. Wie lange noch werden die Mecklenburger, das deutsche Volk und sein Bundesrath mit den mecklenburgischen Junkern Geduld haben? Die Justizkommission des Reichstages hat seit ihrem Wiederzusammentreten am 7. Januar ihre Arbeiten mit ganz besonderem Fleiße ge fördert. Von den Beschlüssen, welche in den täglichen zwei Sitzungen gefaßt werden, verdie nen namentlich hervorgehoben zu werden derje nige, welcher die Freigebung der Advokatur und der, welcher die Errichtung großer Schöffenge richte zum Inhalt hat. Gegen letztere Institu tion haben alle sechs der Fortschrittspartei an gehörenden Mitglieder der Justizkommission ge stimmt. Das Hauptthema der Woche war die orien talische Frage. Frankreich und Italien haben zwar den Andraffy'schen Reformvorschlägen vor behaltlos zugestimmt, aber England ist aus seiner Reserve noch immer nicht ganz herausgetreten, während der Sultan gar nichts von den Vor schlägen wissen will und die Intervention zu rückzuweisen droht. Ueber die Haltung Englands und die Kühnheit des kranken Mannes wurden zahllose Leitartikel, Correspondenzen, Depeschen und Gerüchte dem Zeitungsleser vorgetischt, ohne daß bis jetzt sich ein Jota jan der Situa tion geändert hätte. Indessen gewinnt die Aus sicht Raum, daß England sich nicht isoliren werde. England hat durch seinen jüngst mit Tunis abgeschlossenen Vertrag poch festeren Fuß auf der nordafrikanischen Küste gefaßt. Die Eröff nung des Parlaments soll dieses Mal durch die Königin in Person eröffnet werden. Man schließt daraus auf eine besonders wichtige Parlaments session. Die Türkei hat den Aufstand in der Herze gowina noch immer nicht bezwungen. Die Re gierung der Pforte entwickelt einen demonstra tiven Eifer, die in ihrem letzten Jrade gemach ten Versprechungen zu erfüllen oder wenigstens den Schein zu erwecken, als wäre sie dazu im Begriff, Erfolg dürfte sie schwerlich suchen. Die Intervention der Großmächte ist unabwendbar geworden, Bemerkenswerth ist noch, daß der Januarcoupon eingelöst worden ist. In Oesterreich verfolgte man mit begreif licher Spannung den Verlauf der orientalischen Wirrungen. Ist ja Oesterreich als Nachbarland der Türkei außerordentlich an einer befriedigen ¬ den Lösung der orientalischen Frage betheiligt- und hat doch eben deshalb die österreichische Diplomatie zu den Lösungsvorschlägen die Ini tiative ergriffen. Es scheint, als solle Oester reich mit diesem Theile seiner auswärtigen Po litik mehr Glück haben, als mit seiner inneren Politik. In Pest tagten österreichische Kabinets- minister und ungarische oft und geheimnißvoll, sie trennten sich aber, ohne einen Ausgleich zwi schen den beiden Reichshälften zu Stande ge bracht zu haben. In kritischer Lage befindet sich auch Frank reich. Die Wahlen stehen unmittelbar bevor und Buffev will die nöthigen Arrangements tref fen. Ueber diese konnte keine Einigung erzielt werden, und so bedeutend waren die Differenzen, daß eine Sprengung des ganzen Kabinets bevorzu stehen schien. Inzwischen hat man sich doch wieder geeinigt, und der Präsident der Republik selbst hat durch eine ganz unerwartete Proklamation ziemlich plump sich für die Politik Buffet's erklärt. Das benachbarte kleine Belgien hat un ruhige Tage hinter sich Arbeiteraufstände wur den stündlich erwartet, das ist gewiß. Ebenso gewiß ist, daß Truppenbeförderungrn nach dem bedrohten Gebiet stattgefunden haben: ob es aber auch zu ernstlichen Zusammenstößen gekommen, wie sensationslustige Correspondenzen mehrfach gemeldet, das ist vorläufig noch nicht festgestellt. Die zahlreichen Waffenverkäufe zu auffallend billigen Preisen hatten allgemeine Aufmerksam keit erregt, und die Regierung, die sorglos schien, hatte vielleicht die nöthigen Vorbereitungen still und geschickt getrGen,' Ausbrüche überall gleich im Keime zu erstipen. In Italien-sind Victor Emanuel's unüber legte NeujahrStzrüße an seine Armee vergessen worden, seit Re Galantuomo vorbehaltlich der späteren Zustimmung der Kammern durch eine Kabinetsordre sich selbst mit einer halben Million Lire beschenk! hat. In Griechenland ist die Kammer auf 2 Wochen vertagt worden, weil — eine beschluß fähige Anzahl Deputirter nicht zusammen zu bringen war. In Serbien ist die jSkupschtina dem von Griechenland gegebenen Beispiele gefolgt und hat das frühere Ministerium wegen Budgetüberschrei tung in Anklagezüstand versetzt. In der transatlantischen großen Republik hat die demokratische Partei des Repräsentanten-