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Landtags - Beilage zur Sächsischen Staatszeitung. Nr. 16. Beauftragt mit der Herausgabe: Hofrat Doenge» in Dresden. 1916. Landtagsverhandlungen. I. Kammer. 6. öffentliche Sitzung, Mittwoch, den 12. Januar. Am Regierungstische:Hr. Staatsministervvr.vr.-In8. Beck und die Herren Regierungskommissare Geheimer Rat Dr. Schelcher und Regierungsrat vr. Knüpfer. Präsident Oberstmarschall vr. Graf Vitzthum v. Ea- städt, Exzellenz, eröffnet die Sitzung 12 Uhr 14 Minuten nachmittags. Entschuldigt ist Hr. Generalmajor v. Kospoth wegen düngender Geschäfte. Den Vortrag der Registrande übernimmt Hr. Dom herr vr. v. Hübel. Zweiter Punkt der Tagesordnung: Antrag 'zum mündlichen Berichte der dritten Deputation, die Staats haushaltsrechnung der Kasse der Oberrechnungs- kammer zu Kap. 36 des ordentlichen Staatshaushalts- ctats für 1914 betreffend. (Drucksache Nr. 10.) Berichterstatter Oberbürgermeister Keil: Es liege den Ständen die Prüfung dieser Rechnung auf Grund des 8 11 Abs. 3 des Gesetzes über die Oberrechnungs- kammcr ob, nachdem die Rechnung vorher vom Herrn Präsidenten der Oberrechnungskammer geprüft sei. Es handle sich also nicht um die allgemeine Prüfnng in, Rahmen des Rechenschaftsberichtes, sondern nn, eine dieser voransgehende Prüfung, die bei anderen Rechnungen die Oberrechnungskammer selbst -u besorgen habe. Lie Deputation habe diese Rechnung geprüft und zu ihrer Be friedigung dabei festzustcllen gehabt, dass Bedenken gegen die Rechnung nicht zu erbeben seien. Man finde bei einigen Titeln Überschreitungen des auf das Jahr 1914 fallenden gemcmjahrigen Betrags; das seien aber keine Etatüberschreitungen — vorläufig wenigstens nicht —, da ja in, zweiten Jahre der Periode, in, Jahre 19l5, bei den betreffenden Titeln noch Einsparungen Vor kommen köniiten. Er könne deshalb namens der Deputation Vor schlägen: Tie Kan,nier wolle beschließen: „Die Staatshaushaltsrechnung der Kasse der Oberrechnungs- kammer zu Kap. 36 des ordentlichen Staatshaushalts-Etats auf das Jahr 1914 nach erfolgter Prüfung für festgestellt zu er klären." Die Kammer genehmigt einstimmig diesen Antrag. Dritter Punkt der Tagesordnung: Antrag zum mündlichen Berichte der vierten Deputation über die Petition der Firma Siegel L Haase in Grün hainichen u. Gen. um Ersatz des durch die Tal sperre bei Neunzehnhain verursachten Schadens. (Drucksache Nr. 11.) Berichterstatter Rittergutsbesitzer v. Altrock: Ter Petition liege folgender Sachverhalt zugrunde. Zum Lcngefeldcr Forstrevier gehöre die Flur Neunzehnhain mit dem Lautenbachtale. Der Lautenbach nehme das gesamte Nieder schlags- und Quellwasser, das der Forst abgebe, auf und habe es bisher bei Reifland der Flöha und weiter der Zschopau zugeführt. Es sei Tatsache, daß diese Wassermengen infolge des reichen Forstbestandes sehr große seien, dauernd im ganzen Jahre flössen und daher besonders in der trockenen Jahreszeit die Wassermenge der Flöha günstig beeinflußten. Durch die Wasserkraft des Lauten baches und der Flöha würden feit mehr oder weniger langer Zeit, bis auf 100 Jahre zurück, zahlreiche gewerbliche Anlagen be trieben, in denen sehr bedeutende Kapitalien für Landcrwerb, Wasserbauten und Fabrikanlagen festgelegt seien, und die ganze zahlreiche Jndustriebcvölkerung der dortigen Gegend sei mit ihrem Verdienst auf diese Anlagen angewiesen. In den letzten Jahren sei der Betrieb dieser Anlagen nun dadurch ungünstig beeinflußt worden, daß die Stadt Ehemnitz den allergrößten Teil des Wassers vom Lautenbachtale für sich in Anspruch genommen habe. Tie Talsperre sei dann im Lautenbachtale an der fiskalischen Grenze oberhalb der sogenannten Klatschmühlc er baut worden, und von dieser Talsperre aus führe eine Leitung nach dem 13Km entfernten Einsiedel mit der Talsperre, die dort für Ehemnitz vorhanden sei. Tie im Lauteubachtal selbst bis zur Ein mündung in die Flöha vorhandenen Wasserkraftanlagen seien von der Stadt Ehemnitz teils entschädigt, teils aufgekauft worden. Oberhalb der Talsperre sei das Vorbedingung für den Bau ge wesen, unterhalb der Talsperre seien die Wasserentschädigungen ohne Rechtsverbindlichkeit von der Stadt Chemnitz geleistet worden. Lie vorliegende Petition gehe nun von Triebwcrksbcsitzern ans, deren Anlagen weiter unten an der Flöha erbaut feien. Es fehle ihnen etwa 20 000 edm Wasser täglich in, Sommer, und die Aus gaben, die sie infolgedessen für Kohlenbeschaffung Hütten, ergäben kapitalisiert rund 500 000 M. Ehemnitz habe diese Entschädigung verweigert. Landgericht und Oberlandesgericht hätten die an gestrengte Klage abgewiesen. Aus beiden Urteilen gehe klar her vor, daß ein rechtlicher Anspruch der Petenten sowohl der Stadt Chemnip als auch den, Staatsfiskus gegenüber nicht bestehe. Tie Petenten hätten sich mit dem ergangenen gerichtlichen Urteil abgefunden und bäten nun die Hohe Kammer, Billigkeits gründe für ihre Forderung gelten z„ lassen und ihren Ein fluß dahm zu richten, daß der Staatsfiskus, wenn auch nur teilweise, Ersatz für den gehabten Schaden gewähre. Tie vierte Deputation habe die vorliegenden Verhältnisse eingehend geprüft. Sie verkenne nicht, daß die Petenten eine Schädigung erfahren haben, und müsse zugeben, daß eine weitere Verfolgung des eingeschlagenen Verfahrens die Veranlassung zu bedenllichen Folgen für ganze Landstriche des Erzgebirges werden könne. Die Stadt Chemnitz könne keine Vorwürfe treffen. Die vierte Deputation sehe sich aber auch nicht veranlaßt, wegen des Ver haltens der Staatsregierung besondere Vorschläge zu machen. Der Staatsfiskus habe über sein Eigentum nach den Bestimmungen des Wassergesetzes verfügt, und es liege im Wesen dieses Gesetzes, daß der einzelne vor öffentlichen Interessen zurückstehcn müsse. Der Vorgang habe sich unter der Herrschaft des alten Wasser gesetzes abgespielt. Im neuen Wassergesctz sei durch die Bestim mung des § 1 Ziffer 2 in Verbindung mit § 40 Ziffer 1 ein Mittel gegeben, tiefgehenden Schädigungen der vorliegenden Art vorzubeugen. Unter Berücksichtigung dieser Tatsache schlage die vierte Deputation vor, die Petition auf sich beruhen zu lassen. Die Kammer beschloßt einstimmig demgemäß. Vierter Punkt der Tagesordnung: Anzeigen der vierten Deputation über zwei für unzulässig erklärte Peti tionen. (Drucksachen Nr. 12 und 13.) Berichterstatter Wirkt. Geh. Rat Sammerherr ». Schönberg, Exzellenz: Es sei die Petition, das Leben und Treiben in Dresden be- ticsscnd, ^anf Grund von 8 23» der Landtagsordnung wegen und die Petition des Hilfsbahnsteigschaffners Paul Arno Beckmann in Ebersbrunn bei Zwickau un, Versetzung in einen früheren Rechtszustand auf Grund von §23« der Landtagsordnung, weil der Gegenstand nicht zum Wirkungskreise der Stände gehöre, für unzulässig zu erklären. Es bewendet bei diesen Anzeigen. Nach Verlesung und Genehmigung des Protokolls wird die Sitzung 12 Uhr 36 Min. geschlossen. II. Kammer. 13. öffentliche Sitzung am 18. Januar. Am Regieruugstische: Se. Exzellenz Staatsmiuister v. Seydewitz, sow'e die Regierungskommissare Geh. Räte Elterich, Vr. Schelcher, ferner Geh. Rat Vr.-Ing. Krüger, Geh. Baurat Toller und Oberfinanzrat Friedrich. Präsident vr. Vogel eröffnet die Sitzung um 11 Uhr 6 Min. mit folgender Ansprache: Ehe tvir heute, m. H., unsere Landtagsarbeit nach der Weih- „achtspause wieder aufnehmen, lassen Sie mich Ihnen allen ein glückliches neues Jahr wünschen. Es ist heute der 18. Januar, der Geburtstag des Deutschen Reiches. Im Namen seines Kaisers verkündete damals Bismarck dem deutschen Volke die Übernahme der kaiserlichen Würde in dem Bewußtsein der Pflicht, in deutscher Treue die Rechte des Reiches und seiner Glieder zu wahren, den Frieden zu erhalten und Deutschland, gestützt auf die einige Kraft seines Volkes, in seiner Unabhängigkeit zu verteidigen. In mehr als vier Jahrzehnten haben drei deutsche Kaiser den Frieden erhalten, bis endlich die Mißgunst und der Haß des feind lichen Vierverbandes ihm dies unmöglich machte und das Schwert in die Hand drückte. Wir stehen nun heute noch in diesen: furchtbaren Weltkampfe. Aber wie auf den 18. Januar damals schon 10 Tage später der Fall von Paris folgte und am 24. Februar die Einleitung der Friedensverhandlungen, so dürfen wir wohl wünschen und hoffen, daß auch das Jahr 1916 das Friedeusjahr werde, daß wir iu diesen: Jahre den endgültigen Sieg und einen ehrenvollen Frieden erlangen. Seitdem wir auseinandergingen, sind erfreuliche neue, wichtige Nachrichten aus Osten zu uns gedrungen. Von den Dardanellen und Gallipoli sind die Engländer und Franzosen durch die Tapferkeit der Türken vertrieben worden, und unsere Verbündeten, die Österreicher, haben in ruhmreichen: Angriffe den Lowtschen und die Hauptstadt Cetinje erobert. Heute ist die erste Friedensnachricht insofern eingctroffen, als Köllig Nikita Österreich um Frieden gebeten und sich zur voll ständigen Streckung der Waffen bereiterklärt hat. Und, m. H., au: letzten Sonnabend ist bereits der erste Balkan zug von Berlin nach Konstantinopel quer durch Sachseu hindurch- gcfahren, ein freudiges Zeichen der nie ruhenden Kulturarbeit für den kommenden Friede,:. Also hoffen und wünschen wir, daß das Jahr 1916 uns wirklich den ersehnten ehrenvollen, den furcht baren Opfern entsprechenden Frieden von langer Tauer bringen möge. (Bravo!) Was immer aber auch kommen möge, wir, Deutschlands Söhne, unsere Helden im Felde und wir in der Heimat, werden durchhalteu bis zu diesen: endgültigen Ziege und bis zu diesen: ehrenvollen Frieden, einig, treu und unermüdlich. Und dies, m. H.: Einig, treu und unermüdlich sei auch die Losung für die Fortsetzung unserer Landtagsarbeit! (Allseitiges Bravo!) Hierauf erfolgt der Bortrag der Registrande. Entschuldigt ist Abg. Hofmann (konf.) von: 18. bis 20. Januar, ferner für heute Abg. Demmler (soz.) wegen dringender Geschäfte. Nach der Begrüßung des nach längerer Krankheit wieder erschienenen Abg. Sindermann (soz.) und Ver eidigung des neugewählten Abg. Born (kons.) durch deu Präsidenten wird in die Tagesordnung eingetreten. Punkt 1: Allgemeine Vorberatung über das König!. Dekret Nr. 14, mehrere Eiscnbahnangelegenheiten betreffend. Das Woxt erhält zunächst Ltaatominister v. Seydewitz (nach den stenographischen Niederschriften): Meine sehr geehrteil Herren! Gestatten Sie mir, den: Ihnen vorliegenden Dekret 14 einige kurze Begleitworte vorauszuschicken. Die gesamte Stellungnahnw, die ganze Politik der Staats regierung in allen ihren Teilen ist seit Beginn des Krieges durch aus auf den einen Gesichtspunkt eingestellt: in dem uns auf- gezwungenen Weltkrieg mit allen Mitteln durchzuhalteu bis zum siegreichen Ende. Demzufolge müssen, was den Staatshaushalt änlangt, einerseits die Staatsmittel mit besonderer Vorsicht ver waltet werden, um sie für die Zivecke des Turchhaltens zur Ver fügung zu haben, anderseits aber müssen die Staatsmittel dort verwendet werden, wo sie im Rahmen der Staatsaufgaben zur Überwindung der Kriegsfolgen dienen. Demzufolge hatte die Regierung bei der Beschlußfassung darüber, ob man noch mitten im Weltkrieg an den Bau „euer Eiscnbnhnlinieu herantreten und Mittel für sie im Etat anfordcrn solle und dürfe, ernstlich zu erwägen, ob es nicht richtiger sei, jetzt zur Schonung der Staatsmittel von solchen Neubauten und der Anforderung von Mitteln für solche ganz abzusehen, zumal die Neubaulinien in der Regel eine angemessene Rente nicht erbringen und ihr Nutzen, den inan in: wesentlichen in der wirtschaftlichen Hebung der betreffenden Landstriche zu suchen hat, meist erst nach Jahrzehnten einzutreten pflegt. Es handelt sich also um Ausgaben, die die Schuldenlast des Staates vermehren, ohne daß ihnen auf absehbare Zeit ent sprechende Einnahmen gegenüberstehen. Sie wollen aber bedenken, daß die Staatsschulden infolge des Krieges ohnehin schon in ganz ungewöhnlicher Weise angestiegeir>sind und noch ansteigen werden, einmal desha'b, weil der Staat die regelmäßigen im Etat vor gesehenen Ausgaben zu Vermeidung von schweren Stockungen im Handel und Gewerbe fast unverändert aufrechterhäit, während gleichzeitig die wesentlichsten Staatseinnahmen, so insbesondere die Steuern, und darunter vornehmlich die Einkommen steuer, ebenso wie die Staatsbetriebe, und darunter in erster Linie die Staatscisenbahnen, wesentlich geringere Einnahmen ergeben, als veranschlagt war. Sodann aber bringt der Krieg noch große Neuausgaben mit sich, so vornehmlich an Zuschüssen für Bezirks verbände und Gemeinden, an Unterstützungen für arbeitslofe Textilarbeiter, an Darlehen aller Art. Die hierdurch entstehenden großen ungedeckten Mehrausgaben gehen zu Lasten des Schuldenkontos, und zwar sind sie teilweise unmittelbar in den außerordentlichen Etat für die laufende Periode eingestellt, teils werden sie dem Schuldenkonto in der Weise zu- fallen, dak das Defizit des Etats, das bereits für die abgeschlossene Periode eingetreten ist und aller Voraussicht nach auch bei dem bekanntlich mit dem größten Optimismus ausgestellten laufenden Etat sich ergeben wird, aus den bereiten Mitteln des Staates, d. i. aus dem Staatsvermögen, und mithin zu Lasten de- Schuldenkontos gedeckt werden muß. Dabei weist der außerordentliche Etat der laufenden Periode bereits jetzt und ohne Rücksicht auf die weiter zu erwartenden Etatausfülle im ganzen die erhebliche Summe von 65^ Mill. M. auf und steht somit nur wenig hinter den mit 75'/, Mill. bez. 76'/r Mill. M. abschließenden außerordentlichen Etats der beiden Vorperioden 1914/15 und 1912/13 zurück. Auch ist, wie ich schon früher mitteilte, zu erwarten, daß der außerordentliche Etat der laufenden Periode durch Übernahme neuer Ausgaben für die Elektrizitätsversorgung des Landes noch weiter beträchtüch an steigen wird. Der Teil der laufenden Ausgaben, der nach dem Ihnen vor liegenden ordentlichen Etat durch Steuererhöhungen gedeckt wer den soll, ist zur Schonung der Kräfte des Landes während der Kriegszeit bekanntlich für jetzt nur äußerst gering bemessen und steht noch keineswegs im rechten Verhältnis zu der bevorstehenden enormen Zunahme der Schulden, und ich glaube schou hier be merken zu sollen, daß die Landessteuern nach dem Kriege zur Deckung der sich dann einstellenden Mehrausgaben sowie ins besondere zur Verzinsung und Tilgung der vermehrten Staats schulden in ganz anderer Weise werden erhöht werden müssen, als es Ihnen jetzt vorgeschlagen wird. Dabei darf nicht unerwähnt bleiben, daß die gegenwärtige Zeit zur Aufnahme von Schulden ungewöhnlich ungünstig ist, da das Geld jetzt teuer ist' und langfristige Anleihen im Interesse des Freihaltens des Marktes für die Reichsanleihen zurzeit nicht ausgenommen werden können, der Staat sich also mit Aufnahme schwebender Schulden durch Diskontierung oder Lombardierung von Schatzanweisungen behelfen muß. Für die Ausführung von Bauten konmit jetzt noch besonders in Betracht, daß es bekanntlich zurzeit bei der Staatseisenbahru- Verwaltung an geeignetem Personal für die nötige spezielle Pro jektierung der Bauten sowie für die spätere Banbeaufsichtigung fehlt. Auch sind die Baustoffe jetzt ungewöhnlich teuer und die Fährlöhne, soweit Fnhren überhaupt zu haben sind, außerordent lich hoch. Sehr wichtig ist auch der Gesichtspunkt, daß durch Einleitung von Staatsbauten jetzt den verschiedenen Kriegsindustrien die Arbeitskräfte nicht entzogen werden dürfen. Tas gleiche gilt von der jetzt auch vielfach Mangel an Arbeitskräften leidenden Land wirtschaft, die bei der ihr obliegenden Aufgabe, die gesamte Be völkerung mit Einschluß der Kriegsindustrie und des Heeres zu er nähren, an Wichtigkeit gegenüber der uninittelbaren Kriegsindustrie kaum zurückstehen dürfte. (Bravo! rechts.) Wenn sich gleichwohl die Regierung ungeachtet aller entgegen- stehenden Bedenken entschlossen hat, neben umfänglichen Her- stcUnngcu an bestehenden Eisenbahnen auch Mittel für einige Neubaulinien, und zwar nicht nnr zweite oder weitere Raten, sondern Reuforderungen für noch nicht bewilligte Linien einzu stellen, so ist das vornehmlich in der sicheren Annahme geschehen, daß wir auf den Eintritt eines günstigen Friedens noch während der bekanntlich zwei Jahre andauernden Etatperiodc rechnen können, welchenfalls ja ein Teil der soeben gestreiften, den Neu bautei: entgegenstehenden Hindernisse entfallen würde. Daß sich freilich alle angeführten Bedenken alsbald mit dem Äriegsschluß erledigen werden, :st nicht zu erwarten. Insbesondere steht dahin, ob die Preise der Baustoffe sofort wieder auf die normale Höhe sinken werden. Auch wird inan wohl noch längere Zeit mit hoher Verzinsung der Staatsschulden und mit teurem Gelde zu rechnen haben. Ferner weiß heute noch niemand, welche Aufgaben nach Kriegsschluß an deu Staat für Heilung der Kriegsschüden und insbesondere an die Staatseisenbahnverwaltung wegen etwaiger Vervollständigung des Netzes in strategischem Interesse herantrcten werden. Demgegenüber war aber für die Entschließung der Regierung maßgebend, daß man Gegenden, denen Bahnbauten seinerzeit von der Regierung in Aussicht ge stellt worden waren und die zu entsprechenden Opfern, insbesondere zu unentgeltlicher Bereitstellung des Areals bereit find, nicht all zulange auf die ersehnte Bahnverbindung ivarten lassen möchte. Vor allen: aber erschien cs, wie ich schon in der Etatrcde be merkte, angezeigt, Bauarbeiten verschiedener Art schon jetzt wahrend des Krieges nach Möglichkeit vorznbereiten, um im Bedarfs fälle, d. h. bei Eintritt von Arbeitslosigkeit, wie sic beim Zurück- strömen der cingezogenen Mannschaften nach Kriegsende immer hin möglich ist, die Füglichkeit znr Beschaffung von Arbeiten für diese Mannschaften zn haben. (Sehr gut! rechts.) Ter gleiche Gesichtspunkt gilt für die Mehrzahl der in den außerordentlichen Etat aufgenommenen Anforderungen für neu in Angriff zu nehmende Herstellungen an bestehenden Bahnen. Hiernach kann die Einstellung von Mitteln für noch nicht be gonnene Bauten und insbesondere an ersten Raten für Ncubau- linien nicht als eine Zusage auf alsbaldigen Baubeginn während des Krieges, vielmehr im wesentlichen nur als Bewilligung von Berechnungsgeldern angesehen werden, die für den Fall des Ein tritts von Arbeitsmangel oder bei Vorhandensein günstiger Finanz verhältnisse nach Beendigung des Krieges aufzuwenden sind. Selbstverständlich hält sich der Betrag, der für Neubaulinien eingestellt ist, dieses Mal in mäßigen Grenzen. Er beläuft sich im ganzen auf rund 3s4 Mill. M. Immerhin erscheint dieser Betrag nach Lage der Verhältnisse und zumal im Vergleich mit den:, was andere Staaten zurzeit für Eisenbahnneubauten an- forderu, als recht beachtlich. Man muß sich gegenwärtig halten, daß cs sich bei den Einstellungen keineswegs nm günstige Kapital anlagen handelt, an die man auch in ungünstigen Zeiten hera:^ treten könnte, sondern um einen Akt der besonderen Fürsorge für die betroffenen Gegenden und vornehmlich für die Arbeiterschaft des Landes. Was die einzelnen, neu zur Bewilligung vorgeschlagenen Linien anlangt, so wird zunächst die Verbindungsbahn Ober cunewalde—Löbau nur geringen Verkehr und demgemäß auch auf absehbare Zeit keine Bctriebsüberschüsse erwarten lassen. Sie wird aber doch von der Gegend dringend gewünscht, und in der einen oder andern Weise wird sie auch wohl zur Hebung deS Verkehrs und des Wohlstandes jenes Landstriches dienen. Daß auch für diese Bahn die unentgeltliche Stellung des Areals ver langt werden muß, bedarf keiner Hervorhebung, und zwar wird auf dieser Bedingung bestanden werden müssen, auch wenn etwa seinerzeit ein Bedürfnis zur alsbaldigen Ausführung infolge Ein tritts von Arbeitslosigkeit sich geltend machen sollte. Unter den: Gesichtspunkte der Verschaffung von Arbeits gelegenheit bei Eintritt von Arbeitslosigkeit wird auch die Fort setzung des Industriegleises in: Pöhlhachtale bis Königs walde schon jetzt vorgeschlagen. Diese Linie stellt, wie Ihnen bekannt, den Anfang einer Linie Plattental—Annaberg Ladestelle dar, ans die Regierung und Ständeversammlung im letzten Land tag im Wege eines Kompromisses zum Ausgleich der Interessen der Stadt Annaberg einerseits und des KönigSwalder TaleS anderseits zugekommen sind. Die wechselnde Konjunktur der im Annabergcr Gebiete heimischen Posamentenindustrie kann die baldige Inangriffnahme dieser Linie angczeigt erscheinen lassen. Zunächst konnten die Vorarbeiten nur für die Talftrecke Platten tal—Königswalde fertiggestellt werden. Als dritte Ncubaulinie wird in einem späteren Eisenbahn dekrete noch die Teilstrecke Radeburg—Priestewitz nachfolgen. Die Vorarbeiten hierzu sind im vorigen Sommer, und zwar im Ge« lände auSaekührt worden: ibre Bearbeitung aber war bisher noch