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12 Werkbeschreibungen/Textautor: Dieter Kölmel Wolfgang Amadeus Mozart Kyrie d-Moll KV 341 Am Hof der Salzburger Fürsterzbischöfe nahm die Kirchenmusik verständlicherweise einen besonderen Rang ein. Kein Wunder also, dass Wolfgang Amadeus Mozart, der in diese Tradition hineingeboren wurde und vom Vater auch schon in frühester Jugend mit den verschiedenen Stilen der Kirchenmusik vertraut ge macht wurde, zeit seines Lebens immer wieder Kir chenmusik schrieb: Messen, Motetten, Kantaten, Of fertorien, bis hin zu jenem d-Moll-Requiem, über dem er starb, und das von Schülern, insbesondere von Franz Xaver Süßmayr, vollendet wurde. Zu den großartigsten Zeugnissen von Mozarts Kir chenmusikschaffen gehört jenes ebenfalls in d-Moll stehende Kyrie aus dem Jahr 1781, von dem die Mozart-Forschung überzeugt ist, dass Mozart es während seines Aufenthalts in München anlässlich der Uraufführung seiner Oper Idomeneo, die er selbst leitete, geschrieben hat. Die geradezu opu lente Besetzung von je zwei Violinen, Violen, Flöten, Oboen, Klarinetten und Fagotten sowie vier Hörnern, zwei Trompeten, Pauken, Bass und Orgel spricht für die Richtigkeit dieser Annahme. In diesem Kyrie ist es Mozart gelungen, die Tiefe des Ausdrucks, wie er sich in der dramatischen Kompo sition des Idomeneo erstmals verwirklicht hatte, auf die Kirchenmusik zu übertragen. Die Einheitlichkeit der Form ist hier zur Einheitlichkeit des Stimmungs ausdrucks geworden, wie Karl Gustav Feilerer in sei nem im Laaber Verlag erschienenen Buch „Die Kir chenmusik Wolfgang Amadeus Mozarts“ schreibt. Dreiteilig fließt der Satz in ernstem Ausdruck ohne strenge thematische Gliederung dahin. Harmonik und Chromatik, Melodik und Dynamik zeichnen eine leidenschaftliche Deutung des Kyrie-Rufs, getragen von einem lebhaften und homophonen Chorsatz gegenüber dem selbstständigen Orchestersatz. Litaniae de venerabili altaris Sacramento Es-Dur KV 243 „Ich habe Gott immer vor Augen, ich erkenne seine Allmacht, ich fürchte seinen Zorn: ich erkenne aber auch seine Liebe, sein mitleiden und Barmherzickeit gegen seine Geschöpfe. Er wird seine Diener niema- len verlassen“. Mozart an seinen Vater im Brief vom 23./25. Oktober 1777 Der liebe Gott war in Wolfgang Amadeus Mozarts gesamtem Leben und Schaffen stets eine feste Größe; ihn hat er wohl als die wirkliche, einzig gül tige Instanz über sich betrachtet und demutsvoll ak zeptiert (weit weniger dessen irdische Stellvertre ter). Mögen die frühen Versuche in dieser Richtung noch auf „Anregungen“ des geschäftstüchtigen Va ters zurückzuführen sein, der aus eigener Erfahrung sehr wohl wusste, dass neben den Fürsten und Herr schaftshäusern auch der Klerus ein einträgliches Fortkommen sicherzustellen in der Lage war, so ist der Ausgangspunkt für seine späteren kirchlichen Kompositionen, die zahlreichen Messen, Vespern, Litaneien, Oratorien, geistlichen Singspiele und Kan taten bis hin zum Requiem, an dem er noch auf dem Sterbebett arbeitete, über den Broterwerb hinaus Ausdruck einer tiefen Gläubigkeit. Kirchenmusik der Mozart-Zeit war keine Sache des persönlichen Glaubensbekenntnisses; sie war, wie alle andere Musik jener Zeit, in erster Linie gesell schaftliche Konvention, für die es feste Schemata und Regeln gab. Auch Mozart hatte sich in seiner Kir chenmusik an die vorgegebenen Abläufe und Regeln gehalten. Der Katholizismus jener Zeit war getragen von der unerschütterlichen Festigkeit gottgewollter Ordnung. In der für das damalige Österreich charak-