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Sächsisch eSlaalszeilung den Zreistaat Sachsen Staatsanzeiger für Erscheint Werktag« nachmittag« mit dem Datum de« Erscheinung«tage«. Bejug«prei«: Monatlich 3 Mark. Einzelne Nummern 1b Ps. Fernsprecher. Geschäftsstelle Nr. 21295 — Schriftleitung Nr. 14571. Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Stadtgirokonto Dresden Nr. 140. Ankündigungen: Die 32 mw breite Grundzeile oder deren Raum 30 Pf, di« 66 mm breite Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 60 Pf, unter Ein gesandt 90 Pf. Ermäßigung auf Geschäst-anzeigen, Familiennachrichten u. Stellen- gesuche. — Schluß der Annahme vormittag« 10 Uhr. Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, Verkaussliste von Holzpflanzen aus den Staatsforstrevieren, verantwortlich für die Redaktion: I. B.: vr. Fritz Klauber in Dresden. Nr. 218 Dresden, Freitag, 18. September 1925 Die Besreinngsfeiern im Ruhrgebiet. Die Begrüßung des ReichSpräfideute« in Hamm. Hamm i. Wests., 17. September. Zum Besuch der befreiten Städte des rheinisch- westsälischen Industriegebiete; traf der Reichs Präsident v. Hindenburg heute nachmittag in Hamm rin. Die Reichsregierung und die preußische StaatSregierung waren vertreten durch den Minister für die besetzten Gebiete vr. Fren ken, den preussischen Ministerpräsidenten Braun und d.-n Innenminister Severing. Ein: grosse Menschenmenge hielt seit vielen Stunden die sieben grossen Bahnsteige deS neuen Bahnhofs be- setzt. Der etwa 20 Minuten dauernde Aufenthalt gestattete eine Kundgebung, die zwar nicht im Programme vorgesehen war, aber als besonders gelungen zu be eichnen ist. Kaum war der Zug in die Halle eingefahren, als ein vereinigter Männerchor den Westfalengruß sang. Dann bestieg Oberprosid nt Gronowskt den Sonde:- wagen deS Reichspräsidenten, wo er prominente Persönlichkeiten vorstellte. Der Oberpräsident be- grüßte auf dem Bahnhofe den Reichspräsidenten u. a. mit folgenden Worten: „Die westfälischen Sänger haben Ihnen, Herr Reichspräsident, soeben mit schlichten Worten ihren Gruß entboten. Ebenso schlicht soll mein Willkommen im Lande der roten Erde, zwischen Kohlenhalden und Zechentürmen, im Lande der Arbeit und deS Gewerbefle ßeS sein. Herzlich willkommen, Herr Reichspräsident, im Westfalen- lande!" Sichtlich ergriffen dankie der Reichspräsident: „Ich freue mich, Herr Oberpräsident, daß ich nach Westfale« gekommc» bin. Gebe Gott, daß die schöne Provinz bald wieder bessere Zeit« sehen möge!" Darauf verließ der Reichspräsident den Salon- wagen und betrat unter Begleitung aller Herren den Bahnsteig. Er rief den im Bahnhof: spalier- b ldenden Eisenbahnern, sowie den anderen zu: „Ihr hattet schwere Lage, aber wir wolle» 5lleS tun, kamit d:e Zukunft besser werde", worauf die Antwort ertönte: „Gott gebe eS!" Der Reichspräsident brachte dann ein begeistert aufgenommenes Hoch auf das Vaterland auS. Unter brausenden Hochrufen der Bevölkerung fuhr der Sonderzug sodann langsam au« der Bahn hofshalle. Auf dem weiteren Wege waren die Stationen, sogar die Bahndämme, dicht von Menschen besetzt, die alle ihre Freude über den Besuch des Reichspräsidenten zum Ausdruck brachten. * Die Feier in Bochum. Bochum, 17. September. Die Befreiung? kundgebung im Ruhrgebiet nahm heute ihren Anfang. In Begleitung deS Reichspräsidenten Hindenburg befanden sich der Reich«lanzler, der Reichsminister der besetzten Gebiete und der Ministerpräsident Braun und Innenminister Seve.ing. Der vberprSsident der Provinz Westfale« Sronowsli begrüßte im Namen der Provinz Westfalen den Reichspräsidenten und die Minister und bemerkte in seiner Ansprache, daß die Provinz Westfalen zum dritten Male den Reichspräsidenten begrüßen könne. Gronowski veroies auf die Besuche de« verstorbenen Reichspräsidenten Ebert im März 1923, wo er vor den Wirischaftk- und Arbeiter führern das Gelvbni« ablegte, daß zwischen dem besetzten und unbesetzten Gebiet eine SchicksakSgemeinschaft bestehen müsse. Zum zweiten Male war Ebert am 10. August vorigen Jahres in der Provinzialhauptstadl Münster. Es waren die Doge, wo die Regierung Marx versuchte, den besetzt gewesenen Gebieten die Freiheit wiederzugeben. Nur die vor fünf Jahren etngeleitete Ausland-Politik machte es uns msglick', den Reichspräsidenten und die StaatSminister in Westfalen begrüßen zu können. Der Obe Präsident verwies weiter darauf, daß die Zeit.der Opfer und Entsagung sür un« noch nicht vorbei sei. Die avgemiine Not der Bevölkerung verbiete, ra sckende Feste »u feiein. Nachdem der Oberbürgermeister von Bochum im Namen der Stadt den Reichs- Präsidenten und die Minister begrüßt hatte, nahm der preuhische Ministerpräsident Braun, das Wort. Er erklärte, daß er an diesem Tage an die denkwürdige Tagung des westfälischen Pro- vinzial andtageS zurückdenke, der bald nach Beginn der Ruhrbesetzung in Münster stallfand. Schon damals habe er erklärt, daß der Weg zur Rettung schwer sei. Es sei ihm ein von Herzen kommen des Bedüifnis, dem ganzen 'Westfalenland den aufrichtigsten Dank der preußischen StaatSregierung auszusprechen. Wenn das Ruhrgebiet, erlöst von drückender Fremdherrschaft, heute wieder srel atme« könne, so verdanken wir das gewiß in erster Linie dir Pflichterfüllung und dem Widerstandswillen der Vevöikcrnng. Wir verdanken es aber auch der jielbewußten, vo n ehrlichen Verständigungs- Wilken getragenen Reichsregierung Marx, die durch ihr Auftreten und ihr verantwortungs bewußtes Verhandeln bei der Londoner Konferenz einen völligen Umschwung in dem Lenke« unserer ehemaligen Gegner hrrbeisührte. Die preußische Staatsregierung wird im Inter est« der Bevölkerung von Rhein und Ruhr zum Besten Preussen- und d:S Reiche- zu jeder Zeit Seile an Seite stehen mit feder ReichSregierung, welche die seit der Londoner Konferenz beschritte nen Wege konsequent weitergeht. Unser Volk, das in Ruhe und Friedr» lebe» im) arbeiten will, unser Volk und namentlich auch unsere heule unter größte« Sorge« und Entbehrungen lebende Arbeiterschaft stellt ein so hochentwicktltes Kulturvolk dar, daß es sich niemals als ei» Solonialvolk behandel« lasse« wird. AnaesicktS der wirtschaftlichen Not, welche die weitesten Kreise im Ruhrgebiet bedrängt und angesickis dcr Notwendigkeit eine« schnellen Wiederaufbaus der zerstörten Wirtschaft ist die preußische Staatsregterung bereit, alles zu tun, um der gegenwärtigen Wirtschaftskrise Herr zu werden. Denn nur so wird die preußische Staatsregierung am b-sten und würdigsten ihren aufrichtigsten Dank und ihre uneingeschränkte Anerkennung für die B.völkerung des Ruhrgebietes in die Tat um- setzen können. In Erwiderung der Begrüßungsansprachen führte der Reichspräsident v. Hi«denb«rg folgendes aus: Deutsche Männer und Frane« l Mit auf richtiger Freude grüße ich da« Westfaleulaud, Genf, 17. September. Im verkaufe der heutigen Sitzung des völkerbund-au-schusse« für Abrüstung-- fragen wurde der Antrag der holländischen Delegation auf Schaffung einer besonderen Völker- bundskommission, die die Vorarbeiten zur Ein- berufung einer Abrüstungskonferenz erledigen soll, mit der Massgabe angenommen, daß dieser Ausschuß eine lediglich beratende Tätig keit ausüben soll. Im wetteren Verlaufe der Debatte betonte Deb-ki (Polen), daß da» auto matische Inkrafttreten der Sanktionen al- ein hervorragende- Mittel, den Giundsätzen de» Genfer Protokoll- Wirkung zu verschaffen, an gesehen werden müsse Bei Festlegung der Richtlinien für die Abrüstung-bestim- mungen sei auf die Fähigkeit einzelner Länder, den chemischen Krieg zu organisieren und ihre Industrie für den Krieg-bedarf umzugestalten, zu berücksichtigen. Munch (Dänemaik) beantragte die Einsetzung einer Unterkommiss ton, brren Arbeiten der von Loudon (Holland) be antragten völkerbundskommission für die Vor arbeiten zur Abrüflung-konserenz als Grundlage de«'n sollen. Er verirat ferner den Stand- punkt, d>ß nur eine vollständige ^icheihett durch grüße ich die Bevölkerung der roten Erde, die heute wieder als freies Volk auf freiem Grunde steht. Daß ich diesen ersten Gruß aus der Stadt Bochum an Sie richten kann, deren Ehrenbürger ich bin, ist mir eine besondere Genugtuung. Ich tanke Ihnen, Herr Oberpräsident, und Ihnen allen für de« freundlich»« Empfang, den Sie mir und den mit mir hier anwesenden Herren der Reichs- und Preußischen StaatSregierung be reitet habe«; wir nehmen diesen Gruß gern entgegen als die Bekundung Ihrer Treue zum Staat und Reich, als das Zeichen unver brüchlicher Zusammengehörigkeit. Sie haben das Bekenntnis zu unlös barer Volksgemeinschaft in harter Zeit durch die Tat abgelegt! Dessen gedenke ich mit bewegten Herzen mit allen Deulschen in tiefer Daukbarteit und Anerken nung. Ihre Treue zu Heimat und Vater land ist im Feuer der Rot gehärtet und ge stählt worden und wird — drsfen sind wir überzeugt — auch in aller Zukunft sta«d- haiten. Oftmals in der vergangenen, für Sie so schweren Zeit haben wir Ihnen auS der Ferne unseren Gruß, «nfere freudige An erkennung nnd unseren innige« Da«k zuge- rufe« nnd Ihnen Treue um Treue gelobt. He«te find wir hierher gekommen, um Ihne« Auge i« Auge und Hand in Hand persönlich diesen Dank zu bekunde«. Mit Recht betonen Sie, Herr Oberpräsident, daß das Volk West falens vor dem Richtcrstuhl der Geschichte gut bestehen wird. Was «S geleistet hat im stillen Dulden und tapsere» Ausharren, wird uns und späteren Geschlechtern ein Bei spiel und eine Mahnung treuer hin- gebender Liebe zum Vaterland sein. Dieser Mahnung gedenkend, lassen Sie unS rufe«: Unser geliebtes deutsches Vaterland, eS lebe hoch! Nach Beendigung seiner Rede war der Reichs' Präsident noch lange Zeit Gegenstand be" geisterter Huldigungen. Er begrüßte dar' auf die Bergknappen, die bei der letzten furcht baren Grubenkatastrophe in uneigennütziger Weise ihr Leben aufs Spiel gesetzt hatten, um den ver- uiglückien Kameraden zu helfen. Er trat an mehrere Personen der Rettungsmannschaften heran, sprach mit ihnen und drückte ihnen die Hand. Tarauf sangen di: Bergmannsknappen das Berg- mannSlied, an das sich noch weitere Lieder an- schloffen. Hierauf begab sich der Reichspräsident zum Balkon deS ParkhauseS, wo ihm erneut von einer unabsehbaren Menge begeisterte Huldigungen dargebracht wurden. Auf dem Wege zum Bochumer vollständige Abrüstung zu erreichen sei. Engberg- Schweden trat dem Anträge Apponyi- auf sofor- tige Aufnahme der Vorarbeiten für die Abrüstung«- konferenz bei und regte eine Untersuchung darüber an, ob die Ausrufung deS Generalstreikes im Falle eines Angriffskriege- als ErgänzunzSmaßnahme der Sankiionen in Betracht komme. Markowi sch- Jugoslawien begrüßte die gegenwärtigen Verhand lungen Lb.r den Sicherheitspakt. Hurst-England erklärte, die Abrüstungskonferenz könne erst nach Regelung der Siche,heittfrage einberufen werden. * OdligatsrischeRechtsprechung deö inter nationale« Gerichts. Genf, 17. September. Der Recht«au-schuß der völke bundsversamm- lunz har auf Grund eine- schweizer schen Antrag-« einstimmig eine Resolution angenommen,durch die der Generalsekretär de- Völkerbundes ausge fordert wird, sich Mit den Staaien in Verbindung zu s tz.n, die der it» Vie Klausel über die obtiga- lor'sche Rechtiprechung des internationalen Gerichts hof» ni Haag unterzeichnet haben, da ntt si: beim Ablauf eer ersten fünfjährigen Fr'st rechtzeitig ihre Unterschrift erneuern. Abrüstungsfragen in Genf. Hauptbahnhof bildeten 27000 Mitglieder von Ver einen Spalier, die dem Reichsobrrhaupie begeistert zujubelten. Um 7 Uhr 29 Minuten erfolgie die Abreise nach Esten * Die Feier in Essen. Essen, 17. September. Um 8 Uhr wurde zu Ehren des Reichspiäsi- denten im Kaiserhos ein parlamentarischer Bier abend gegeben. O^erbürgermeisier vr. Brach, begrüßte das Retchsoberhaupt als Ehrenbürger dec Stadt, bewillkommneie den Reichskanzler vr. Luther und die übrigen Minister und sprach die Hoffnung aus, daß das rheinisch-westfälische In dustriegebiet sich bald wieder von den schweren Schäden der Besatzungszeit erholen möge. Un mittelbar darauf erhob sich der Reichskanzler vr. Luther und führte etwa folgendes aus: Tie Reise, auf der das Reich durch sein Oberhaupt vertreten wird, bedeutet einen Bor- gang von großem Schwergewicht innerhalb des mühsamen Wiederausbaues unseres Vaterlandes. Eine Besserung, die w>r mit Hellen Augen an- sehen dürfen, ist in den letzten Jahren ein getreten. Ter Oberpräsident von Westfalen hat die Anregung ausgesprochen, es möchte doch das, was das Ruhrgebiet bestanden und erlitten hat, festgehalten werden als ein wertvoller Teil der Geschichte des deutschen Volkes. Alles was politisch in den letzien Jahren geschehen ist, ist doch stets geschehen im Hinblick auf die Frage: Wie bekommen wir end. lich das Ruhrgebiet, das gegen Recht, Gesetz und Vernunft besetzt ist, wieder frei? Die un lösbare Schicksalsgemeinschaft zwi schen dem Ruhrgebiet und dem deutschen Volke ist uns in neuer Gestalt noch deutlicher vor Augen getreten. Wir sehen jt-tzt, daß im Ruhrgebiet die Hochentwicklung industriellen Lebens nur möglich ist auf der Grundlage eines gesunden deutschen Wirtschaft- lebens. Tas Schicksal des Ruhrgebiets, die un gemeinen Schwierigkeiten, die es in wirtschaft licher und sozialer Hinsicht eiduldet, werden von Berlin nicht etwa gleichgültig und nebensächlich angesehen. Für mich als allen Essener Bürger- meister ist es eine besondere Genugtuung, daß ich Sie bitten darf, mit mir zu rufen: Der ganze Ruh,bezirk Glückauf! Beim heutigen parlamentarischen Abend nahm der Reichspräsident Gelegenheit, im Gespräch mit den führenden Männern des rheinisch-westfälischen Industriegebiete- deren Nöte und Wünsche kennen zu lernen. Demokrate» und NeichSschulgesetz- entvurf. Dre - den, 18. September. In einer Mitgliederversammlung de- Vereins der Deutschen Demokratischen Partei sprach Minister a. D. Professor vr. Seyfert über den neuen Reichsschulgesetzentwurf. Anschließend entspann sich eine lebhafte Aus sprache, in der sich auch die Vertreter der Kirche gegen da- Gesetz wandten und besonders Geheim rat Menke-Glückert, Pfarrer Mensing und vr. Zangenberg im Sinne deS Referenten sprachen. ES kam zum einstimmigen Beschluß nachstehender Entschließung: Die Deutsche Demokratische Partei erhebt schärfsten Einspruch dagegen, daß der ver öffentlichte Entwurf zu einem Reichsschulgesetz Gesetzeskraft erlangt. Sie erblickt in ihm eme schwere Gefährdung der Hoheit de« Staate- auf dem Gebiet der Schule und den Versuch, die Bestimmungen der Reich«. Verfassung einseitig zugunsten der Be- kenni-schule umzubiegen. Wir. halten fest daran, daß die für alle gemeinsame Bolkeschule die Regelschule für das ganz« Reich sein soll, fordern zugleich aber, daß die nach Artikel 146,2 zu- gelassenen Schulformen loyal, aber unter allen Umständen al« Staatsschule durchaeführt werden. Der Entwurf macht entgegen den Bestimmungen der Reich«verfaffung, die Bekenntnisschule zur all gemeinen Schule unv räumt den «irchengesell- chaften eine Macht über diese ein, daß sie tatfäch- ich zur Ktrchenschule wird, in der nicht nur Rel gionSunterricht. ionoern der gesamte Schul-