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Zur heutigen Vortragsfolge Ludwig van Beethoven: Konzert für Klavier, Violine und Violoncello mit Orchester C-dur op. 56 (Tripelkonzert) Das Tripelkonzert entstand 1803/04 etwa zur Zeit der Komposition des Fidelio, des 4. Klavierkonzerts, des Violinkonzerts oder der 4. Symphonie. Der Originaltitel lautete Grand Concerto Concertanti und umfaßt die Bezeichnung des Gattungstypus, dessen Einfluß in der Werkstruktur besonders deutlich wird: Es ist die Gattung der Sinfonia concertante, die dem Orchester nach erweiterter Concerto-grosso-Tradition eine Gruppe von Solisten gegenüberstellt, im Tripelkonzert also Klavier, Violine und Violoncello dem Orchester. - Man könnte auch sagen, Beethoven bot nach seinem Klaviertrio op. 1 ein weiteres Klaviertrio diesmal mit Orchesterbegleitung an, denn stellenweise hat das Orchester wenig Anteil am Geschehen. Typisch für die Tradition der Sinfonia concertante ist ihr vorwiegend unterhaltsamer Charakter, der allzu große Virtuosität zugunsten eines abwechslungsreichen, leichtfaßlichen Spiels vernachlässigt. Hierzu rechnet es auch, daß Beethoven mit Blick auf die Uraufführungsbesetzung, ausnahmsweise Rücksicht auf die nicht so brillanten Fähigkeiten seines Klavierschülers Erzherzog Rudolph von Österreich nahm. Anspruchsvoller hingegen, in hohen Lagen und mit hohen technischen Anforderungen gespickt, sind die Partien für Solovioline und Violoncello, die Carl August Seidler und Anton Kraft spielten - ihnen konnte Beethoven mehr zumuten, denn sie waren beide Berufsmusiker der Esterhazyschen Kapelle. Konventionell im Sinne der Sinfonie concertante ist die Großform: Der Kopfsatz ist eher gewichtig und marschartig - allerdings erreicht er in der Länge fast die Ausmaße des zeitgleich entstandenen Eroica- Kopfsatzes. Im Tripelkonzert wird statt kontrastierend wechselnder Thematik einer klassischen Sonaten form, dazu gegriffen, vom Ausgangsmaterial das übrige thematische Material abzuleiten bzw. weiter aus zuspinnen, so daß insgesamt in der Exposition, dem ausarbeitenden Mittelteil und dem variierenden Schlußteil, der Kopfsatz insgesamt fünf inhaltlich verwandte Themenbereiche aufweist, die majestätisch und dynamisch inszeniert werden. Besonders kantilenenreich und sensibel ausgedünnt ist der langsame Mittelsatz, der attacca zum Schlußsatz überleitet. Das abschließende Rondo alla Polacca ist ein zwar konventionelles, aber gemäßigt virtuoses Stück, worin die Solisten einzeln und als konzertantes Trio bril lieren. Das Kernstück des Rondo ist ein damals in ganz Europa beliebter Rhythmus, eine Polonaise. Gustav Mahler: Sinfonie Nr.1 D-dur Gustav Mahler, Sohn eines jüdischen Brauers, wuchs im mährischen Iglau auf. Neben einer großen Anzahl von Volksliedern, militärischer und verschiedener Kunstmusik, lernte er das Klavierspiel und Musiktheorie so rasch, daß er bereits im Alter von zehn Jahren sein erstes öffentliches Konzert geben konnte. Ab 1875 studierte er an der Wiener Musikhochschule Klavier bei Julius Epstein, wobei vor allem die Klavierwerke von Beethoven, Chopin, Schubert und Schumann bei ihm einen nachhaltigen Eindruck hinterließen, noch sein erstes überliefertes Werk, das Klavierquartett, reflektiert traditionelle Einflüsse. Ausgehend von der Harmonielehre durch Robert Fuchs und dem Kompositionsunterricht bei Franz Krenn, wandte er sich der Komponistenlaufbahn zu. Inwiefern einige Vorlesungen bei Anton Bruckner prägende Eindrücke hinterließen, ist offen - Mahler widersprach jedoch entschieden der Annahme, er sei Bruckners Schüler gewesen. Im Falle des Trios des 2. Satzes von Mahlers 1. Symphonie sind „hineinge ratene Anklänge” an Bruckner Abglanz dieses Einflusses. Mahler geriet mit dem zeitweilig befreundeten Hugo Wolff in einen Wiener Zirkel, der sich mit Nietzsches Frühwerk, Wagners politischen und philosophischen Ideen und vor allem mit zukunftsweisenden, sozial politischen Fragenstellungen beschäftigte - Interessen, die Mahler, über historische und philosophische Studien an der Universität Wien im Zeitraum von 1877 bis 1880 hinaus, auch im späteren Leben beweg ten. Nach dem Verlassen des Konservatoriums komponierte Mahler 1878 bis 1880 seine dreiteilige Kantate Das klagende Lied, die jedoch erst nach gründlicher Überarbeitung allgemeine Billigung fand. Parallel zu weiteren Kompositionen nach Stoffen aus der Märchen- und Sagenwelt, Liedern und der Oper Rübezahl, begann Mahlers Karriere als Dirigent kleinerer Theaterorchester, zugleich begann Mahler mit der Kompo sition erster symphonischer Werke. In Kassel komponierte Mahler im Kontext einer.unglücklichen Liebe zur Sängerin Johanna Richter 1883 bis 1885 auf eigene Texte den Zyklus „Lieder eines fahrenden Gesellen” und den Beginn der hiermit wesensverwandten 1. Symphonie. Teilweise ging ein verschollenes Gelegenheitswerk, die Bühnenmusik der Trompeter von Säckingen, zunächst als zweiter, „Blumine” betitelter Satz, in das Werk ein. Als Sym phonische Dichtung in zwei Teilen wurde die noch fünfsätzige Originalfassung der D-dur Symphonie am 20. November 1889 in Budapest uraufgeführt: Mahlers Freunde waren beeindruckt, doch seine Gegner intervenierten nach diesem Ereignis stärker denn je gegen ihn. - Ähnlich gespaltene Aufnahme und Ablehnung erfuhr das Werk Mahlers bis in die Mitte des Zwanzigsten Jahrhunderts. Im Reformeifer der Jahre 1893 bis 1896, in denen Mahler seine 1. Sinfonie gründlich überarbeitete und die „Blumine” strich, nannte Mahler sein Werk zeitweilig Der Titan, frei nach Jean Paul, der den Helden