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ZUR EINFÜHRUNG Im Dezember 1872, während seiner Zusam menkünfte mit den Komponisten des „Mächti gen Häufleins“, traf Peter Tschai kowski den Kunstkritiker Wladimir Stas sow und bat ihn um ein Sujet für eine sin fonische Fantasie. Einige Tage später schlug Stassow Tschai kowski einige Themen vor, darunter Shake speares „Sturm". Im August 1873 schrieb Tschaikowski: „In diesen zwei Wochen habe ich ohne jede Anstrengung, wie von einer übernatürlichen Kraft angetrieben, den .Sturm' ins Unreine geschrieben." Das von Stassow ausgearbeitete und vom Komponi sten sehr genau ausgeführte Programm ent hält einige der wichtigsten Episoden aus dem Märchendrama Shakespeares: Auf einer öden Insel lebt der verbannte Prospero mit seiner schönen Tochter Miranda. Er hat alle Geheim nisse der Magie studiert und ist Zauberer ge worden. Auf sein Gebot erregt der Luftgeist Ariel einen Sturm. Unter den ans Ufer gewor fenen Schiffbrüchigen ist Fernando, der Sohn des Königs von Neapel, der in leidenschaft licher Liebe zur schönen Miranda entbrennt. Sodann schildert die Musik die Prospero un tergebenen phantastischen Wesen: den Luft geist Ariel und den furchtbaren, halbwilden Caliban. Abermals folgt eine Liebesszene. Zum Schluß sagt sich Prospero von seinen Zauberkräften los und verläßt mit allen ande ren die Insel. Die letzten Takte der Fantasie zeichnen das Bild einer friedlichen Meeres landschaft. Die beherrschende Rolle in dem Opus 18 des russischen Meisters spielt das Thema der Lie be Fernandos und Mirandas. Die Musik cha rakterisiert das allmähliche Aufblühen des Ge fühls, von den ersten scheuen Geständnissen bis zur brennenden Leidenschaft. In der Ent wicklung dieser musikalischen Gestalten findet man viel Gemeinsames mit dem Thema der Liebe aus „Romeo und Julia“ und mit vielen inhaltlich analogen Szenen aus den Opern Tschaikowskis. Ludwig van Beethovens 3. Kla vierkonzert in c-Moll op. 37 stammt in seiner endgültigen Gestaltung aus dem Jahre 1802 (Skizzen dazu entstanden al lerdings bereits in früheren Jahren) und wur de mit dem Komponisten als Solisten zusam men mit der 2. Sinfonie und dem Oratorium „Christus am Olberg" am 5. April 1803 in Wien uraufgeführt. Es ist sicher vor allem von der Zeit der Entstehung dieses Werkes her zu begreifen, wenn Beethoven hier im Ver gleich zu den beiden vorhergehenden Klavier konzerten ganz neue Töne anschlägt, diese Gattung unter ganz neue Gesetze stellt: war doch das Entstehungsjahr 1802, das Jahr des erschütternden „Heiligenstädter Testaments“, für ihn durch die menschliche Tragik seiner be ginnenden Ertaubung auch in persönlicher Be ziehung äußerst krisenreich und bedeutungs voll. Aus dem c-Moll-Konzert (schon die Wahl dieser Tonart ist charakteristisch) spricht be reits der gereifte Meister zu uns, der sich in großen, leidenschaftlichen Auseinandersetzu^ gen durch die ihn bewegenden Probleme ^B durchkämpft und sie endlich überwindet. formaler Hinsicht wird dabei in diesem Werk zum erstenmal in der Geschichte des Instru mentalkonzerts das Konzert der Sinfonie an geglichen und auch in der Verarbeitung des thematischen Materials dem sinfonischen Prin zip unterworfen. So wie beim Soloinstrument das Virtuose jetzt vollkommen in den Dienst der inhaltlichen Aussage gestellt wird, wird nun auch das Orchester aus seiner bisher größtenteils nur begleitenden Funktion gelöst — Klavier und Orchester konzertieren im dra matischen, spannungsgeladenen Mit- und Ge geneinander in absoluter Gleichberechtigung. Das plastisch-einprägsame männliche Haupt thema des ersten Satzes (Allegro con brio) setzt sich aus einem aufsteigenden c-Moll- Dreiklang, einem abwärts zum Grundton fal lenden Schreitmotiv und einem ausgesprochen rhythmischen Quartenmotiv zusammen, das besonders in der Coda (hier von den Pauken gespielt) wichtig für die thematische Entwick lung wird. Einen Gegensatz dazu bringt ein schwärmerisches, gesangvolles zweites Thema in der Paralleltonart Es-Dur. Nachdem ddfe Hauptthema die orchestrale Exposition enWP gisch beendet hat, beginnt in der an Ausein andersetzungen und Spannungen reichen, die Themen meisterhaft verarbeitenden großen Durchführung das intensive Wechselspiel der beiden Partner, das schließlich noch nach der Kadenz des Solisten in der Coda eine letzte Steigerung erfährt. Schon rein durch seine Tonart E-Dur hebt sich das folgende, innig-schöne Largo merklich von den Ecksätzen ab. Der dreiteilig angelegte Satz, von dem eine gelöste, feierlich-ruhevolle Stimmung ausgeht, setzt solistisch ein; das zu erst vom Klavier vorgetragene Thema ist von ELENA BASCHKIROWA, Tochter des prominenten Mos kauer Pianisten Dmitri Baschkirow, der zwischen 1958 und 1972 wiederholt mit der Dresdner Philharmonie musizierte, studierte in der Meisterklasse ihres Vaters am Tschaikowski-Konservatorium in Moskau. Bald trat sie selbst sehr erfolgreich als Solistin mit verschie denen sowjetischen Orchestern auf und widmete sich intensiv der Kammermusik, insbesondere als Duo- Partnerin Gidon Kremers, mit dem sie bei zahlrei chen internationalen Festspielen konzertierte und auch Schallplatten einspielte. In den letzten Jahren ent wickelte sich ihre internationale solistische Karriere weiter, indem sie mit Dirigenten wie Zubin Mehta, Sergiu Celibidache, Riccardo Chailly, James Judd und anderen zusammenarbeitete. klassischer Größe und Erhabenheit. Im Zwie gespräch mit dem Orchester wird es dann durch das Soloinstrument mit feinem, filigran haften Figurenwerk umspielt. Harfenähnliche Arpeggien des Klaviers umranken im Mittel teil des Largos den Gesang der Flöten und Fagotte, bis in der Reprise wieder die Orna mentik des begleitenden Soloinstrumentes, jetzt noch reicher angewendet, kennzeichnend wird. Der lebhafte, humorvoll-energische Finalsatz, ein Rondo, führt in die Haupttonart c-Moll zurück. Wiederum beginnt der Solist mit dem Hauptthema, das zupackend-trotzige Züge trägt und im Verlauf des Satzes im geistvol len Dialog zwischen Orchester und Klavier mit Varianten immer wieder auftaucht, wobei in teressante harmonische Rückungen, eigenwil lige Modulationen charakteristisch sind. Nach AÜaer zweiten kurzen Kadenz des Klaviers fin- B ein Wechsel von Takt, Tempo und Tonart Witt. Die stürmische Coda ( 6 / 8 -Takt, Presto) schließt in strahlendem C-Dur schwungvoll und glänzend das Konzert ab. Dmitri Schostakowitsch war neun zehn Jahre alt, als er zum Abschluß seiner Stu dien am Leningrader Konservatorium (1925) seine 1. Sinfonie f-Moll o p . 10 schrieb; sie wurde am 26. Mai 1926 in Lenin grad uraufgeführt und als der „höchstmögli che Ausdruck des Talents“ bezeichnet. Der er ste Satz beginnt mit einer längeren Einleitung (AI leg retto), deren Klangcharakterbetont kam mermusikalisch ist. Solistisch und im Dialog musizieren hier die Instrumente. Den Haupt teil (Allegro non troppo) eröffnet ein marsch artiges Thema in der Solo-Klarinette, das im weiteren Verlaufe zunehmend seine in ihm steckende Kraft und Zuversicht offenbart. Es erscheint in den verschiedensten Orchester gruppen und ist ständig gegenwärtig. Den ly rischen Kontrast dazu bildet eine graziös und munter emporschwingende Walzermelodie, zu erst von der Flöte angestimmt. In dem durch führungsartigen Mittelteil verdichtet sich das musikalische Geschehen, wobei die einzelnen Themen- und Motivteile konflikthaft gegen übergestellt werden. Mit einem Rückgriff auf die Einleitung klingt der Satz heiter und ge löst aus. Ein sprühendes und wild dahinjagendes Scherzo folgt als zweiter Satz (Allegro), des sen Ausdruck durch sein Thema umrissen wird. Lockere melodische Diktion und virtuoses Pas sagenwerk herrschen vor. Von besonderem Reiz sind hierbei auch die „Einlagen“ des Kla viers. Die eigenwillige liedhafte Gestaltung des Mittelteils hebt sich davon scharf ab, er führt in eine andere Klangwelt. In der Wieder holung des A-Teils tritt das Klavier noch be stimmter hervor. Der dritte Satz (Lento) beeindruckt durch sei nen erhabenen und nachdenklichen Ausdruck. Kantables und expressives Melos in den Holz bläsern und Streichern, Trauermarschintona tionen, aber auch Signalmotive in den Blech-