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211 eine drückende, schwüle Stille lag trotzdem auf der Piastenstadt, mit banger Erwartung, mit Furcht oder mit muthiger Hoffnung blickten dir Bürger Kra kau's in die nächste Zukunft. In einem Hinterzimmer des Focht'schen Gast, Hauses war am Nachmittage des 18. Februars eine ziemlich zahlreiche Gesellschaft versammelt; es waren polnische Edelleute, polnische Priester, pol nische Bürger und Beamte aus dem Freigebiet von Krakau, die hier mit den Krakauischen Re- volutionsmännern verhandelten und festsetzlen, daß der lange vorbereitete Aufstand am folgenden Tage im ganzen Freistaat ausbrechen müsse, daß man unter den gegebenen Umständen nicht länger zö gern dürfe. Die Rollen wurden ausgetheilr, je dem sein Angriffspunkt angewiesen und Niemand war in der zahlreichen Versammlung, der das Gelingen des tollkühnen Planes bezweifelt hätte. Die Liebe zum Vaterlande, der Haß gegen fremde Unterdrücker machte sonst scharfblickende Männer blind. Nur durch eine Wand von dem Gemach getrennt, in welchem die Häupter des Aufstandes rathschlag- ten, befand sich ein zierlich eingerichtetes Zimmer, das, mit allen Luxusartikeln unserer Zeil versehen- auf den vornehmen Stand seiner Bewohnerin deu tete und in der Lhat war dieselbe, die Gräfin Luitgard Sokelnicka., mit den Sapieha und Po- niatowsky und vielen andern hohen polnischen Fa milien verwandt. Nachdem in der polnischen Re volution 1831 alle männlichen Verwandten der damals noch sehr jungen Luitgard gefallen, hatte das schöne Kind eine Zufluchtsstätte bei einer al ten Verwandtin in Krakau gefunden und war von dieser in Fremdenhaß und Vaterlandsliebe großgezogen worden. Luitgard war den gegen wärtigen Bewegungen im Kreigebiet nicht fremd, sie kannte die geheimen Pläne der polnischen Pa trioten, ja, sie hatte dem Grafen Adam Bobrows ky- einem der Häupter des Aufstandes, ihre Hand zugesagt im Fach des Gelingens der Jnsurrection. Mit funkelnden Augen und glühenden Wangen hatte Luitgard am Morgen die östreichischen Trup pen einziehen sehen, jetzt hatte sie die Rouleaur herabgezogen, um die Kanonen und Posten der verhaßten Fremdlinge auf dem „Ring", nicht zu erblicken, zornig ballte sie jedesmal die kleine, weiße Hand, wenn ein östreichisches Kommando wort heraufklang zu ihr, wenn die Gewehre der Grenadiere unten auf dem Pflaster raffelten. Luitgard lag in dem malerischen Nationalkostüm -er polnischen Damen auf dem Divan und er wartete ihren Verlobten, den Grafen Adam Bo browsky, von dem sie wußte, daß er nebenan mit den andern Häuptern der Jnsurrection rathschlagte. Da meldete man ihr den Grafen Chmelin, einen Lilthauer, der, bei der Kanzlei des russischen Re sidenten in Krakau angestellt, vielfach in geselli gem Verkehr mit ihr gestanden, aber ihr im höch sten Grade verhaßt war. Graf Ehmelin war durch und durch Russe, obgleich polnisch-lktthauischer Abkunft, deshalb haßte ihn Luitgard als einen abtrünnigen Vaterlandsverräther und haßte ihn um so mehr, .je dringender der Graf dem schönen Mädchen den Hof machte. Luitgard staunte über diesen Besuch, aber um keinen Verdacht zu erregen, vielleicht auch um et was zu erfahren, was den Insurgenten nützlich, nahm sie den verhaßten Grafen an und sprang hastig auf von ihrem Divan, als Graf Chmelin eintrat. Hoch, schlank, königlich gewachsen stand Luit gard vor dem verbindlich lächelnden und sich ver beugenden Grafen, prächtig floß ihr dunkelbraunes Haar nieder über die weißen Schläfe auf die weiße Schulter, stolz und drohend richtete sich der Gluth» blick ihrer großen schwarzen Augen auf den Ein- tretenden, wie abwehrend streckte sich die Mine. Hand vorwärts: „was will der Diener des mos, kowitischen Czaaren bei der Enkelin des Leo Sa pieha?" fragte sie laut und Haß und Verachtung bebten im Ton ihrer Stimme. Der Graf richtete sich lächelnd auf und warf einen staunenden Blick auf die wunderbare Schön- heil der polnischen Jungfrau, dann sagte er ru hig: „mein Fräulein, der Diener des Kaisers von Rußland und Königs von Polen ist zugleich der Diener der Enkelin des tapfer» Leo Sapieha und in Tagen der Gefqhr sammeln sich die treuen Die ner um ihre Herren!" „Sie sind nicht mein Diener, Graf, Sir tra gen nicht meine Uniform! " „Aber eine, in der ich Ihnen nützlicher bin, als in der weiß und rochen!" versetzte der Graf mit seinem unverwüstlichen Lächeln. „Was wollen Sie, Graf, reden. Sie! " befahl jetzt Luitgard herrisch. „Sie bitten, mit mir Krakau zu verlassen; ich gehe als Kourier des Residenten nach Kielce, um die Kaiserlichen Divisionen hierher zu deorder^, Krakau ist für die nächste Zeit kein AüfLNHaU für schöne Damen!" / . Luitgard hatte eine Heftige Antwort de» Lippen, aber sie besann sich und antwortete gleich-