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Präsident deS OberkirchenratheS Herme»: E» handelt sich um den Rechtesatz in Theil I de» An- trage«, den ich nur so verstehen kann: Irrlehre wird be gründet auch durch außeramtliche Publikationen. Den Begriff Lehre objektiv gefaßt al« Kirchenlehre, so ist hier die Rede von der suchectiven Lehre de» Einzelnen. Ein Geistlicher, der dem Conflstorium mittheilt, er sei zu katho lischen Ueberzeugungen gelangt, muß entlassen werden, nicht wegen eine« Vergehen», sondern wegen de« Jrrthum», der ihm eine der zu seinem Amte nothwendigen Voraussetzungen geraubt hat. (Zustimmung.) Hier wird der Shnode ange sonnen au«zusprechen, Irrlehre ist ein Thatbestand, der auch in außerordentlichen Publikationen vorliegt. (Rufe: Ja wohl!) Eine rechtliche Begründung habe ich bisher für diese For derung nicht vernommen. Au« dem Allgemeinen Landrecht läßt sich der Begriff einer außeramtlichen Lehre nicht ab leiten; auch können doch z. B. Besprechungen der Geist lichen untereinander rc. nicht Lehre sein. Eine konstante Praxi« der Eonststorien kann für diese Auffassung angeführt werden, daß derartige schriftliche Aeußerungen den That- bestand der Irrlehre nicht consumiren, ohne daß der Geist liche etwa völlig straflos bliebe; im Gegentheil hat das Lonsistorium in Schleswig seinerzeit einem Pfarrer, der sich privatim gegen den Wunderglauben ausgesprochen, wegen öffentlich gegebenen Anstoße« einen strengen Verweis und eine ernstliche Ermahnung zutheil werden lassen. Der An trag erreicht demnach nichts aus dem Gebiete, auf welchem er etwas erreichen will. Die Differenz in dieser Rechts frage zwischen Kirchenregiment und Shnode aber nicht weiter bestehen zu lassen, schlage ich Ihnen vor: Lassen Sie diese Resolution fallen, gewärtigen Sie die weitere Praxis und die Verlegung des neuen Diöciplinargesetzes, die in der nächsten ordentlichen Generalshnode erfolgen soll. Professor Köstlin-Halle kann dem Anträge in der Form nicht beistimmen, billigt aber besten Tendenz durchaus. Es dürfen außeramtliche Aeußerungen eines Geistlichen, die der Lehre widerstreiten, die er von der Kanzel verkündigt, nicht geduldet werden. Auch die Professoren Heß und Erdmann-Breslau sprechen im Sinne der Tendenz deS Antrages; ersterer beantragt, im Hinblick auf die Erklärungen des Präsi denten des OberkirchenratheS zur Tagesordnung über zugehen. Hr. Kleinert zieht seinen Antrag zu Gunsten des Antrages v. Geß zurück. Derselbe wird indeß bei der Abstimmung abgelehnt, der Antrag Eiselen angenommen. Damit ist die Tagesordnung erledigt. Nächste Sitzung Montag 10 Uhr. Tagesordnung: Wahl deS Generalsynodalvorstanves und des GeneralsynodalratheS; Pfarrwahlordnung in zweiter Berathung; Antrag Stöcker wegen der theolo gischen Prüfungen; Antrag Graf Rothkirch rc. Aus der Sitzung am 31. Oct. haben wir .noch nachzutragen, daß die Synode in Beziehung auf die Petition des Fabrikbesitzers Krüger und Genosten be treffend die Tagespreffe folgenden Antrag des Refe renten Grafen v. BiSmarck-Bohlen annahm: Hochwürdige Heneralsynode wolle beschließen: über die Petition de« Fabrikbesitzers Krüger und Genossen zu Branden burg a. H. betreffend die Tagespreffe unter Annahme nach stehender Resolution: in Erwägung, daß die Generalshnode nicht in der Lage ist, auf die Petition Nr. 153 au« Branden burg, betreffend die Presse, wegen ihrer Allgemeinheit näher «inzugehen, spricht dieselbe ihr tiefes Bedauern darüber aus, daß eine iveitverbreitete periodische Presse entschieden t antichristlicher Richtung auf unser Boll einen verderblichen Einfluß ausllbt, und erklärt es daher sür eine Pflicht aller Glieder der Kirche, den Einfluß in jeder Weise, namentlich durch die Förderung der die christliche Weltanschauung ver tretenden Presse, entgegenzuwirken, zur Tagesordnung über zugehen. Schließlich steht folgender von den Herren Kölling und Zöckler gestellter Antrag auf der Tagesordnung: Hochwürdige Generalsynode wolle beschließen: den Evan ¬ gelischen Oberkirchenrath zu ersuchen, bei den laut könig- > licher Eabinet»ordre vom b. Febr. 1855 von ihm zu er stattenden Gutachten in Beziehung auf Bekenntniß und Lehre der anzustellenden Professoren der Theologie, den Generalsynodalvorstand in Gemäßheit de« Z. 36 der Ge neralsynodalordnung jedesmal zuzuziehen. Der Antrag wurde mit einem Amendement des Professors Geß, das Wort „jedc-mal" zu streichen, angenommen. Deutsche- Reich. Aus Berlin vom 1. Nov. berichtet der RelchS- Anzeiger: „Se. Mas. der Kaiser und König trafen heute Mittag 12 Uhr 40 Min. auf dem Hamburger Bahnhofe hierselbst wieder ein und fuhren von dort nach dem Palais." — Die Kölnische Zeitung schreibt: „Die Nachrichten aus Varzin über das Befinden unsers Reichskanz lers lauten fortwährend ungünstig. Fürst Bismarck leidet an empfindlichen Schmerzen und Bülow's Tod hat ihn trübe gestimmt. Er äußerte sich unter an- derm, wenn das so fortdauere, würde er Bülow's Schicksal haben." — In „Karl Ritter'S Briefwechsel mit P. Fr. C. Hausmann", dem ausgezeichneten Mineralogen, findet sich als Beigabe ein Brief des VatcrS des Reichs kanzlers Fürsten Bismarck an Hausmann, dessen be rühmter Name den Studenten Bismarck nach Göt tingen gezogen hatte. Dieser Brief, auf dessen erster Seite von der Hand Hausmann'S geschrieben ist: „Ausbezahlt den 14. September an Herrn v. Bis marck. Hausmann", lautet: Wohlgeboren» Herr, hochzuverehrender Herr Professor! Durch die Freundschaft meine« Vetters, de« Geh. Finanz- rath Kerl, ist mein Sohn, welcher in Göttingen studirt, so glücklich, Ew. Wohlgeboren Güte empfohlen zu sein und in dieser Hinsicht werden Sie es gütigst entschuldigen, daß ich mich mit nachstehender ergebenster Bitte an Sie wende. Mein Sohn hat nämlich seit 5 Wochen nicht geschrieben und wir sind sehr bekümmert, daß ihm etwa« Uebles zuge- stoßen, welches ihn daran behindert. Meine gehorsamste Bitte an Ew. Wohlgeboren geht nun dahin, daß Sie die Güte hätten, zu meinem Sohne zu schicken (welcher in der Rothenstraße beim Bäcker Schuhmacher wohnt) und sich ge fälligst erkundigen ließen, wie es ihm geht und was die Ursach' sey, daß er so lange nicht geschrieben. Ich ersuche Ew. Wohlgeb. inständigst mir die Ursach seines Schweigens nicht zu verhehlen, es ist wol möglich, daß er bey seinem raschen und lebhaften Temperament, etwas auf die Finger bekommen hat; sollte er aber krank sein, so bitte ich den besten Arzt so in Göttingen ist zu seiner Herstellung zu be nutzen. Da letzteres der Fall sein kann, und er nicht im Stande sein könnte, sein Geld selbst in Empfang zu neh men, so füge ich 50 Rthlr. mit der ergebensten Bitte bey, ihm ftlbige gefälligst einhändigen zu lassen. Ew. Wohlgeb. werden gewiß einen bekümmerten Vater entschuldigen u. bitte ich die Versicherung meiner dankbaren Anerkennung Ihrer Güte zu genehmigen. Ich habe die Ehre mit der vollkommensten Hochachtung zu sein Ew. Wohlgeb. ganz ergebenster Diener F. v. Bismark. Kniephof bei Naugardt in Pommern d. 25st. August 1832. — Die Kölnische Zeitung hatte es jüngst als auf fällig bezeichnet, daß Großfürst Konstantin bei seiner Durchreise durch Berlin den kaiserlichen Hof nicht besucht habe. Das Journal de Saint-Peters- bourg constatirt dagegen, daß Großfürst Konstantin, der sich bekanntlich in Paris den Fuß bedeutend ver letzte, deshalb unterwegs keinen Besuch abstatten konnte; er sei bandagirt gewesen und habe in der ihm ärzt ¬ licherseits in Pari- im Waggon bereiteten Lage mög lichst belassen bleiben müssen. Erst in Petersburg sei der Verband durch einen GipSverband ersetzt worden. — AuS Berlin vom 31. Oct. schreibt man der Weser-Zeitung: „Es herrscht augenblicklich in den ober sten Regionen der österreichischen Regierung eine nicht unbedeutende Neigung, aus dem diplomati schen Corps diejenigen zu entfernen, die der Inti mität deS Zusammengehens mit Deutschland unfreund lich gcgcnüberstehen. In erster Reihe ist das natür lich Graf Beust, der seither wol auf dem pariser Bot schafterposten ziemlich unschädlich war, der sich aber doch nunmehr kaum eignen wird, ein Bündniß zu ver treten, das ihm und seinen tiefeingefleischten Leiden schaften so sehr zuwider ist; vollends ist Paris für diese Frage einer der wichtigsten Plätze, da eS gerade darauf ankomml, das Bündniß auch für den Fall dauerhaft zu erhalten, daß die gesuchte Annäherung zwischen Frankreich und Rußland stattfinden sollte. Graf Beust wird also dem Vernehmen nach in den Ruhestand treten, welchen Schritt er hoffentlich niemals rückgängig macht. Außer ihm wird der österreichische Botschafter bei der Hohen Pforte, Graf Franz Zichy, seinen Posten verlassen. Er war es vornehmlich, der das Einvernehmen mit Rußland cullivirte, und auch er eignet sich daher nicht zum Vertreter auf einem so wichtigen Posten. UebrigenS ist er weniger ein Deut schenhasser, als vielmehr durch seine Vergangenheit etwa- für die Zukunft beeinträchtigt." — Die Berliner Börsen-Zeitung bemerkt: „Wie uns aus London berichtet wird, sind die sämmtliche« 20-Markstücke, welche dort nach und nach sich an gehäuft hatten, nunmehr theils auf dem Umwege über Rotterdam und Hamburg, theils aber auch direct nach Berlin zurückgcflossen, sodaß bei fernern Goldbezie hungen von London her nunmehr nur Barrengold ab gegeben werden kann." — Auf Grund deS Reichsgesetzes vom 21. Oct. 1878 wurden verboten die Nummern: 4. „Le köril social", 5. „Ls Lombat pour la Vis", 6. „La SooiSts cksvant les Tribuns»*" und 7. „La tzuestion sooialo" der von der Librairie du ProgreS in Paris herauS- gegebenen zweimal im Monat^erscheinenden periodischen Druckschrift: „Ousstions soeialvs, L la torlös cks Lous psr un Komme cku ?euple." — Der Reichs-Anzeiger enthält eine Verordnung be treffend das Verbot der Einfuhr von Reben und sonstigen Theilen deS Weinstocks. Die Verordnung tritt mit dem Tage ihrer Verkündigung (31. Oct.) in Kraft. — Von Or. G. Nachtigal geht dem Deutschen Mon- tags-Blatt die folgende Mitthcilung zu: „Aus Malta eingcgangenes Telegramm meldet, daß die RohlfS'- sche Expedition die Oasengruppe Kufara erreicht und durchforscht habe, aber daselbst auSgeplündert sei. Die Mitglieder derselben, Hofrath Gerhard Rohlfs und vr. Anton Stecker, sind infolge dessen nach Ven- ghasi zurückgekehrt, hoffen aber, daß die türkische Provin zialregierung den Schaden ersetzen werde." Preußen. Ueber das ExposL des Finanz ministers Bitter im Abgeordnetenhause bemerkt die National-Zeitung: Wir sind weit entfernt, unsern Finanzzuständen gegen über Schwarzseherei zu treiben. Auch sind uns die 47 Mill. M. Deficit, die wir allerdings nicht leicht nehmen, nicht die ' * Leipzig, 1. Nov. Der Anfang unserer Concert- saison ist sehr reichlich mit Klavierconcerten gesegnet. Der Beethoven-Spieler Bonawitz beglückte uns allein mit 3 Matineen und 2 Soireen, trug 15 Beethoven'sche Sonaten und über ein Dutzend Werke anderer Ton- . dichter vor, und das alles ohne Noten nach dem Ge- dächtniß! Nach Bonawitz setzte uns Hr. Grünfeld aus Wien in einer MatinLe durch seine riesige Technik in Erstaune«, und gestern Abend berief uns Woldemar v. Pachmann ins Gewandhaus, uni uns eine Anzahl Klavierwerke vorzutragen. Pachmann war uns schon vom vergangenen Früh jahre her aus seiner Matinöe bekannt. Das damals über ihn gewonnene Urtheil hat auch gestern Bestäti gung gefunden. Er ist eine echte warm- und innig- fühlende Künstlernatur und gebietet über einen hohen Grad technischer Virtuosität. Dies bekundete er gleich " anfangs in Bach'S „Locoato" und Fuge v-moll, welche von Tausig noch mit diversen Schwierigkeiten auSge- stattet ist. Die Romanze aus Chopin'S K-moll-Con- cert, von Reinecke für den Sologebrauch bearbeitet, begann er zwar etwas hölzern und trocken, bald aber erwärmte ihn die herrliche Tonpoesie dieses Werkes derartig, daß sein Anschlag, seine Tongebung beseelter wurde und die Passagen lieblich schön dahinperlten. In seinen früher hier zum besten gegebenen Borträgen documentirte sich Pachmann als tüchtiger Liszt-Spieler. Als solcher bewährte er sich auch diesmal in dessen ^ktuäs cks Oonoerl Oss-ckur". DaS schwierige Passage- wcrk, das wie Arabesken eine schöne, getragene Can- tilene umschlängelt, wußte er meisterhaft vorzutragen. Er spielte noch eine Menizet Op. 17 von Moszkowski, MendelSsohn's Phantasie Op.28, Chopin'S Etüde Op. 10, Nr. 3, „La closks ckes ggonisants" von Schubert- Liszt und einen Militärmarsch von Schubert-Tausig. Der anhaltende Beifall und Hervorruf von feiten deS Publikums veranlaßten ihn zu einer dankbar aufge nommenen Zugabe. Unterstützt wurde der Concert- geber durch unsern Violoncellvirtuosen Hrn. Schröder, welcher ein für Cello arrangirteS Nocturne von Chopin und eine „ölusells" von Perrin so meisterhaft repro- ducirte, daß er den nicht enden wollenden Beifall eben falls mit einer Zugabe beruhigen mußte. Die erste Kammermustk-Abendunkerhaltung, Sonn abend, 1. Nov., hatte eine zahlreichere Zuhörerschaft herbeigezogen, als wir sie bisher im ersten Cyklus dieser Soireen zu sehen gewohnt waren. Das Pro gramm war allerdings dazu angethan, eine besondere Zugkraft zu üben, denn eS zeigte uns eine geschloffene Phalanx der größten Meister des Quartett- und Kammerstils. Joseph Haydn'S Trio Nr. 1 in 6-ckur für Piano forte und Streichinstrumente, gespielt von den Herren Kapellmeister Reinecke, Concertmeister Röntgen und Schröder, eröffnete den Abend. Obgleich in diesem Trio alles technisch vollendet zur Erscheinung kam, so können wir doch nicht sagen, daß alles absolut zu sammengegangen wäre. Der Klavierspieler zeigte eine auffallende Eilfertigkeit und Unruhe in seinem Vor trage, die den Genuß einigermaßen beeinträchtigte. Nicht das Geringste dagegen haben wir einzuwen den gegen die Ausführung der Variationen für Piano forte in L-ckur, Op. 142, von Franz Schubert, welche durch Hrn. Reinecke in entzückender Weise zur Dax stellung gelangten und rauschenden Beifall hervorriefen. Weniger schien das Publikum sich durch die kunstvolle, feine thematische Filigranarbeit des hier lange nicht mehr gehörten Beethoven'schen Streichquartetts in L8-ckur, Op. 127, erwärmt zu fühlen, so tüchtig das selbe auch von den Herren Röntgen, Bolland, Thümer und Schröder vorgeführt wurde; was nicht wenig sagen will, da es sowol in der Technik wie im Zusammen, spiel seine großen Schwierigkeiten hat. Dagegen übte die letzte Nummer, das Quintett für Streichinstrumente in 6-woIl von W. A. Mozart, diese unerschöpfliche Quelle von Liebenswürdigkeit und Gemüth, wiederum seinen unwiderstehlichen Zauber. Außer den bei dem Beethoven'schen Quartett betheiligten Herren wirkte hier noch Hr. Pfitzner (zweite Viola) mit. - Leider ist auS dem Kreise der an den Kammermustk- abenden betheiligten Herren in Hrn. Haubold, den der Tod zu früh von seinem Wirken abrief, ein hochver dientes Mitglied geschieden. Wir bewahren dem treff lichen Künstler, der sich sowol als Lehrer seiner Kunst wie als ausübender Musiker hier in gleich hohem Grade verdient gemacht hat, ein bleibendes und ehren des Andenken. Al» auf ein sehr werthvollc» Werk machen wir auf- merksam auf die „Physische Erdkunde. Nach den hinter- laffenen Manuskripten Oskar Peschel'» selbständig bear beitet und herausgegeben von Gustav Leipoldt" (Leipzig, Duncker u. Humblot). Es ist eine Hinterlassenschaft de» leider zu früh verstorbenen bedeutenden Geographen Peschel, die hier für die Wissenschaft der Geographie in danken«- werther Weise verwerthet wird.