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1678 „Serbische und türkische Agitatoren suchen die Bevöl-- kerung des LimgebieteS gegen die Oesterreicher »ufzu- wiegeln." («Post») * Lonstantinopel, 7. Sept. Nachrichten aus Phi- lippopcl vom 5. Sept, zufolge hat die Europäische Commission dep Antrag de« französischen Dele- girtcn Ring bezüglich der Organisation der Douanen angenommen. Die italienischen und russischen Com- missare enthielten sich der Abstimmung. Die Com mission beschloß, nachdem die Tagesordnung erschöpft war, ihre Sitzungen einstweilen bis zu einer seitens der Pforte im Einvernehmen mit den fremden Bot- schaftern zu erlassenden Wicdereinberufung zu vertagen, von dem griechischen Cousul ist an die Commission das Ersuchen einer Interpretation des Art. 20 des organischen Statut« gerichtet worden. Die Frage soll ihrer Bedeutung wegen demnächst in Gemäßheit de« Reglements geprüft worden. Leipzig, 8. September. Unsere Ansicht, daß die Sendung de« General feldmarschalls v. Manteuffel nach Warschau zur Be grüßung deS Kaisers von Rußland mehr und anderes bedeute als eine Ausgleichung von Differenzen, hat sich rasch bewahrheitet. Die persönliche Zusammen- kunft der beiden Kaiser von Deutschland und von Rußland, wozu der Anstoß, wie man vernimmt, vom Kaiser Alexander ausgegangen, straft alle Gerüchte von einer zwischen den beiden Monarchen und ihren Regierungen eingetretenen Erkaltung Lügen, und wir hatten wol nicht unrecht, wenn wir eine Art von Wiederherstellung des Drei-Kaiser-BündnisseS, nur auf etwas anderer Grundlage in Bezug auf die Orient politik, voraussagten. Diese andere Grundlage besteht darin, daß Rußland de» beherrschenden Einfluß auf der Balkanhalbinsel, den eS erst diplomatisch, dann durch den Krieg mit der Türkei zu erreichen hoffte, jetzt mit Oesterreich theilen, vielleicht zu einem grö ßern Theile an diese« wird abtreten müssen, wofern Oesterreich seinen Vortheil recht versteht. Die Be setzung Bosniens und der Herzegowina wird in näch ster Zeit eine wichtige Vervollständigung erhalten durch die Besetzung deS Sandschaks Novibazar, bei welcher man übrigens diesmal, eingedenk der vielen blutigen Opfer, welche das Einrücken in Bosnien gekostet, vor sichtiger zu Werke zu gehen scheint. Auch die ziemlich demonstrative Annäherung deS Beherrscher« von Montenegro, der sonst immer für einen einfachen Schleppenträger der russischeu Politik galt, an den wiener Hof ist sicherlich nicht ohne Be deutung. Für Deutschland ist eine größere Ausbreitung de« österreichischen Einflusses im Osten neben dem rus sischen, und selbst unter Zurückdrängung dieses letzter», jedenfalls vortheilhaft, und darum hat Fürst Bismarck dieselbe begünstigt. Nebengedanken, wie die Neue Freie Presse sie ihm unterlegt, etwa als speculire er bei der immer stärkern Verstrickung Oesterreich-UngarnS in die Angelegenheiten deS Ostens auf eine Annexion der deutsch-österreichischen Länder an Deutschland, liegen ihm gewiß fern. Deutschland hat in und mit sich so viel zu thun, daß es eine Thorheit wäre, an die Auf nahme noch weiterer neuer, zum großen Theil dem eigentlich deutschen Wesen fremder oder entfremdeter Elemente zu denken. Hack" (Spitzname für daS Gelbe Fieber) kam im Jahre 1855 zum ersten mal nach Memphis. Die Bewohner starben wie Fliegen dahin, aber sie wurden durch andere ersetzt, und alle Spuren des Unglücks waren in wenigen Monaten verwischt. Im Jahre 1867 kam „Yellow Jack" zum zweiten mal. Wieder wüthete er in den Mauer» der Stadt, aber.die Bewohner ließen sich auch diesen zweiten Besuch nicht zur Lehre dienen. Alles blieb beim alten. Im Jahre 1873 kam „er" zum dritten mal und hauste schrecklicher, entsetzlicher als jemals; 3000 Personen starben damals von etwa der dreifachen Einwohnerzahl innerhalb zweier Monate. Die Stadt war nur ein einziger Leichcnhof. Ein Novemberfrost vertrieb endlich die Fieberfurien au« der Stadt, und — 14 Tage darauf zählte Memphis mehr Einwohner als jemals. Wieder blieb alles beim alten. Die Einwohner kümmerten sich nicht um daS vergangene Elend, sie dachten nur an daS Kommende. Ihr einziges Streben war Erwerb. Da blieb denn auch nach der furchtbaren Epidemie von 1873 Memphis ebenso schmuzig, morastig und elend, wie eS vorher war. Kein Hahn krähte um den Zustand der Stadt. Die Folgen waren vorauszusehen. Das Jahr 1878 kam und mit ihm die fürchterlichste und ekelerregendste Strafe, die eine Stadt jemals zu überstehen hatte. Zum vierten mal hatte sich da« Gelbe Fieber in den Straßen, den Häusern, den Sümpfen und Kothlöchern von Memphis eingenistet und wüthete in einer Aus dehnung, die jeder Beschreibung spottet. Von den 60000 Einwohnern der Stadt flohen 40000 von dannen, 19000, darunter 12000 Schwarze, blieben zurück. Von diesen 1S000 wurden 18000 auf das Die Stellung und Haltung der liberalen oder so genannten BerfaffungSpartei in Oesterreich bietet gegen wärtig manche Analogien mit derjenigen der liberalen, insbesondere der national-liberalen Partei im Deutschen Reiche. Auch diese Partei ist aus einer maßgebenden Majorität, was sie lange im österreichischen Reichs- rathe war, in eine oppositionelle Minderheit verwan delt. In ihrem Wahlaufrufe macht sie offen Front gegen daS CoalitionSministerium Taaffe; zugleich aber erklärt sie, in allerhand wichtigen und dringlichen Re formfragen activ, anstoßgebend vorgehen zu wollen. Jndeß scheint sich ein linker Flügel der Partei von derselben neuerdings trennen und auf ein mehr radi- cale« Programm hin bei den Wahlen agitiren zu wollen. Die Feier deS SedantageS ist allerwärt« in Deutsch land, soweit uns Nachrichten darüber vorliegcn, in gewohnter festlicher Weise und mit unverminderter, ja theilweise, wie hier in Leipzig, mit noch erhöhter Theilnahme und Begeisterung begangen worden, ein erfreuliches Zeichen, daß die pessimistische Stimmung, die in manchen Kreisen sich regte und die au« Un» muth über die unbefriedigende innere Lage auch der nationalen Erhebung einen Dämpfer aufsetzen wollte, von dem gesunden Sinne unser« Volkes zurückgewiesen wird. Den Engländern, welche ihr Berhältniß zu Jakub- Khan als für längere Zeit in befriedigender Weise ge regelt betrachteten, ist eine üble Täuschung widerfahren. Gelegentlich eine« Aufstande« afghanischer Regimenter, die ihren rückständigen Sold forderten, wurde auch ein Angriff auf die gerade in Kabul befindliche englische Gesandtschaft gemacht und weiß man noch nicht, was au« ihren Mitgliedern, an deren Spitze der in der letzten Zeit vielgenannte Major Cavagnari steht, ge worden ist. (S. Neueste telegraphische Depeschen.) Deutsche- Reich. AuS Berlin vom 6. Sept, wird der Magde- burgischenZeitung geschrieben: „Die Alexandrowo- Entrevue bringt in Erinnerung, was Fürst Bis marck über daS Drei-Kaifer-Bündniß sagte, als hier vor sechs Jahren die Kaiser von Oesterreich, Deutsch land und Rußland zusammengetreten waren. Bon einem Drei-Kaiser-Bündniß ist seitdem immer die Rede gewesen, obwol der Reichskanzler dem damaligen Stadt verordnetenvorsteher Kochhann und einer städtischen Deputation, die ihm da« Diplom als Ehrenbürger von Berlin überreichten, gesägt hatte: «Nicht« ist so falsch, als von einem förmlichen Bündniß der drei Kaiser zu reden. Die drei Monarchen sind hier zu sammengekommen, um sich über bestimmte Angelegen heiten zu verständigen, und die Thatsache dieser Zu sammenkunft ist ja an sich außerordentlich werthvoll; ich bin der letzte, die Bedeutung der Entrevue zu unterschätzen. Nur gewinnt man von der Natur und dem Zwecke dieser Zusammenkunft eine ganz falsche Vorstellung, wenn man au« ihr deducirt, daß so etwas wie ein Schutz- und Trutzbündniß zu Stande kommen soll. DaS heißt die Dinge total verkennen. Die drei Monarchen sind entschlossen, in allen Fragen, welche eine Interessengemeinschaft erkennen lassen, zu sammenzuhalten und für die Aufrechterhaltung de« Friedens in Europa einzustehen. Allein keine der drei Mächte ist irgendwie gebunden, jede hat nach wie vor Krankenlager geworfen. Nahezu alle Bewohner hatten die furchtbare gelbe Krankheit durchzumachen, und von diesen 18000 starben innerhalb zweier Monate 5000. DaS geschah vor etwa neun Monaten. Sechs Monate nachher, zur Zeit unser« Besuchs der Stadt, zählte Memphis wieder 60000 Menschen, und heute, weitere drei Monate nachher, ist diese Zahl wieder auf 20000 herabgesunken. Wieder ist Memphis vom Gelben Fieber heimgesucht, und die grauenhaften Scenen deS vergangenen Jahres spielen sich tagtäglich wieder aufs neue ab. In der abgelaufenen Woche raffte die Krankheit 51 Personen hinweg. Professor Nordenskjöld telegraphirt aus Joknhama vom 3. Sept.: „Alle» wohl an Bord. Verließen da» Winter quartier am 18. Juli, passirten da» Ostcap am 20. Juli; segelten von dort nach der Lawrencebai, Port Clarence, Beringsland. Keine Krankheit, kein Skorbut an Bord. Die Vega befindet sich in ausgezeichnetem Zustande." Den Hamburger Nachrichten schreibt man aus Stock holm vom 4. Sept.: „«Keine Mittheilung wird für den Augenblick von der civilistrten Welt mit mehr allgemeiner und aufrichtiger Freude begrüßt werden als die glückliche Ankunft Nordenskjöld'« in Jokuhama», sagt Snallposten. -Ueber 13 Monate sind jetzt verflossen, seitdem die kühnen Entdecker ihre gefahrvolle Reise antraten. Die Expedition ging am 25. Juli 1878 von Trom»ö ab und bestand au» dem Lhefsschiffe Vega, gefolgt vom Dampfschiffe Lena sowie in kürzerer Zeit von den Dampfschiffen Expreß und Fraser. Am 28. Aug. wurde die Lenamündung erreicht und von hier aus setzte die Vega die Reise allem fort. Ueber den Verbleib dieses Schiffes gingen die ersten Nachrichten vor vier Monaten ein. Die wissenschaftliche Ausbeute dieser Reise muß absolut sehr reich sein und die praktische Aus beute erweist sich jetzt schon als nicht weniger bedeutend. ihren freien Willen. Sie haben sich Freundschaft ge lobt, aber sie schließen kein Bündniß ab.» So weit Fürst Bi«marck, und die Thatsachen haben gelehrt, daß er mit seinen nüchternen Angaben im Rechte war. Sowie das «bischen Herzegowina» zu einer orientalischen Krisis sich zusammenspitzte, erweiterte Bismarck seine zwanglosen Glossen durch die Mitthei lung an parlamentarische Freunde auf einer Reichstags SonnabendSsoirie, das Reich würde, wenn Rußland und die Türkei in Krieg kämen, sorglich darauf achten, daß Oesterreich nicht gefährdet würde, und auf die Frage eine« freiconservativen Abgeordneten, waS aus dem Drei-Kaiser-Bündniß würde, erwiderte der Kanz ler: «Drei-Kaiser-Bündniß? DaS besteht nicht.» Später hat der orientalische Krieg und nach ihm der Congreß bewiesen, daß Bismarck mit seiner Defimtiou de« Verhältnisse« der drei Mächte zueinander im Rechte war: Deutschland und Oesterreich ließen Ruß land allein in den Krieg ziehen, und nach dem Kriege wurde ihm bedeutet: Du darfst nicht österreichische Interessen verletzen, denn dadurch würde» deutsche Interessen verletzt." Ein anderer berliner Correspondent desselben Blattes sagt: „Ueber die Kaiserbegegnung in Alexandrowa be wahrt man tiefes Stillschweigen, welches, wenn nicht alle« täuscht, auch nicht gebrochen werden wird. Man wünscht in dem bedeutsamen Acte nur den privaten Ausdruck freundschaftlicher Gesinnung zwischen den beiden Monarchen zu sehen. Inzwischen ist r« zweifel los, daß Fürst Bismarck von dem Vorgänge Kenntniß hatte. E« heißt — wie weit mit Grund, lassen wir dahingestellt — der Reichskanzler habe den Rath er- theilt, eS möge die Begrüßung der Souveräne einen Charakter tragen, welcher die Voraussetzung eminent politischer Consequenzen von vornherein ausschließen müßte. Unbeschadet dieser Auffassung beharrt die po litische Welt dabei, der Kaiserzusammenkunft in dem polnischen Grenzstädtchen eine wesentlich politische Grund lage beizumeffen." Die Neue Preußische Zeitung verwahrt sich da gegen, als habe sie über die Bedeutung der Kaiser zusammenkunft in Alexandrowa ganz und gar geschwiegen, sie erinnert daran, daß sie bereits am 3. Sept, zu den ersten telegraphischen Mittheilungen über die Kaiser zusammenkunft in Alexandrows sofort bemerkte: „Die dort stattfindende gegenseitige Begrüßung der beiden innig befreundeten Monarchen ist sicherlich beiderseits durch den Wunsch herbeigeführt, ihrem FreundschaftS- verhältniß von neuem einen öffentlichen Ausdruck zu gehen. Um so mehr begründet erscheint die Hoffnung, daß diese persönliche Begegnung der beiden Kaiser auch jeden Schein verwischen werde, als seien in der letzter» Zeit zwischen den maßgebenden Stellen Rußlands und Deutschland« ernste Misstimmungen oder gar bedroh liche MiSverhältnisse entstanden. Wir glauben uns auf sehr gute Gründe zu stützen, wenn wir die Ueberzeugung hegen, daß in der jetzigen Monarchenzusammenkunft eine neue gewichtige Friedensbürgschaft enthalten ist." In mehrer» Blättern findet sich nachträglich noch folgendes Privattelegramm aus Berlin vom 5. Sept.: „Bon zuverlässiger Seite erfahre ich, daß die Bezie hungen zwischen Deutschland und Rußland wenigsten« bis vor kurzem im höchsten Grade gespannt gewesen sind- Sowol Gortschakow wie Bismarck reichten ihre Entlassung ein, jedoch ist über die Annahme der einen wie der andern Dimission nichts bekannt." Für Sibirien hat Nordenskjöld eine neue Zukunst eröffnet und unternehmende russische Kaufleute haben schon begon nen, ganz neuen Erwerbsquellen die Bahn zu brechen. Man baut Schiffe (sowol Segel- als Dampfschiffe) in Sibirien, ladet sie mit Produkten de» Lande» und sendet sie im Som mer nach Europa, wo sowol Schiff al» Ladung verkauft werden. Im Herbst reist die Mannschaft über Land nach Hause und im nächsten Frühjahr geht eine neue Expedition mit neuen Schiffen und neuen Ladungen von Sibirien ab.»" — Die diesjährige Versammlung de» Deutschen Ver ein» für öffentliche Gesundheitspflege, die in den Tagen de» 15., 16. und 17. Sept, in Stuttgart statt finden wird, verspricht eine besonder» interessante zu werden, da ein Thema zur Verhandlung kommt, das mehr al» alle sonstigen hygienischen Fragen im letzten Jahre die Semüther bewegt hat, die Schutzmaßregeln gegen die vom Auslande drohenden Bolksseuchen Pest und Cholera, und da da» Hauptreferat hierfür der Mann übernommen Hal, der wol die erste jetzt lebende Autorität auf diesem Gebiete ist, und auch selbst die mit so großem Erfolge zur Einschränkung der Pest au der untern Wolga getroffenen Maßregeln an Ort und Stelle kennen gelernt hat, Hr. Geh. Medicinalrath Pro- feffor vr. August Hirsch in Berlin. Kaum minder inter essant dürfte übrigens auch der zweite Tag werden, indem hier eine für Deutschland zur Zeit noch brennendere Frage zur Verhandlung kommt über die Anforderungen der Hy giene in Kost- und Logirhäusern. Die unglaublichen Mis- stände auf diesem Gebiete, wie sie vielfach neuerdings auf gedeckt worden sind, erheischen gebieterisch Abhülfe und werden die Berathungen und Beschlußfassungen des Verein- sicher mit dazu verhelfen, eine weit strengere Beaufsichtigung dieser Wohnstätten des ärmsten Theiles der Bevölkerung zu erzielen, wie solche in Frankreich und England besteht und dort so bedeutend zur Hebung der Gesundheit dieser Bevölkerung-klasse beigrtragen hat.