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-Au- Wieo vom 5. Sept, berichtet die Neue Fröre Presse - HcMe Vormittag wurde in Rotner'« Buchhandlung »a« daselbst in Separatausgabe erschienene Gedicht Goethe'«: „Da« Tagebuch", im Auftrage der Slaat«- anwaltschaft mit Beschlag belegt. Al« mau dem coufi»- eilenden Beamten erklärte, daß bereit« vor vielen Jahren in Berlin eine Separatau-gabe erschienen sei, meinte er lächelnd: „Ja, wa» erscheint nicht alle« in Berlin!" Ver stimmt wurde der Beamte nur durch die ihm klar gestellte Thatsache, daß da- „Tagebuch" sogar in der Goedeke'schen L»«gabe von Goethe enthalten sei. E« blieb jedoch bei der Beschlagnahme — die wunderlichste Lonfi-cation, welche im Nachmärz wol in Wien vorgekommen sein mag. Wenn der alte Seheimrath hätte erleben können, von Regierung- Wegen au« „SittlichkeitSzründen" gemaßregelt zu werden, so würde da« sür seine mannichfachen Leben-erfahrungeu eine heitere Bereicherung gewesen sein. — Nachschrift. Um 12 Uhr mittag« theilt mau uns mit, daß die Lonfi-cation auf nachträgliche Verfügung der Staat-anwaltschaft wieder aufgehoben wurde, da Hr. Ro-ner einen Band Goethe, welcher da« „beanstandete" Gedicht enthielt, zur betreffenden AmtSstelle sendete und dadurch die Rücknahme der Maß regel bewirkte. Wäre es bei der Lonfi-cation verblieben, so hätten sich die wiener Buchhandlungen auf eine sörm- liche Razzia nach allen Werken gefaßt machen müssen, dir über den Ton für höhere Töchterschulen hiuauSstreben. Al« komisches Detail von der Lonfi-cation wird erzählt, daß der sungirende Beamte den Buchhändler auch nach dem Mannscript gefragt habe, daß dasselbe aber leider nicht ge funden werden konnte. Schweiz. Der augSburger Allgemeinen Zeitung berichtet man aus Basel vom 3. Sept.: „In den heutigen Verhand lungen der Evangelischen Allianz zeigte eS sich, daß die pietistische Gläubigkeit nicht geeignet sein wird, dem Staate auS seinen Nöthen herauszuhelfen. Hr. v. Putt- kamer wird wohl thun, wenn er in der Wahl seiner Ministerialräthe nicht zu viel Gewicht auf diese Quali tät legt, sonst könnte er bald noch rathloser dastehen als sein Vorgänger. ES handelte sich um «die Lebenö- bedingungen der christlichen Schule im heutigen Staate«. Der erste Referent, Pfarrer Zillesen aus Rheinpreußen, glaubte Nachweisen zu können, daß dieselbe durch den modernen Staat aufs äußerste gefährdet sei, und die Kirche zur Selbsthülfe aufrufen zu dürfen. Er empfahl als Rettungsmittel Aufhebung des staatlichen Schul- monopolS, ein freies Zusammensteuern, eine «heilige Kriegssteuer» der gläubigen Christen zur Begründung neuer Schulen, Bildung eines echt christlichen Lehrer- standes, den die gegenwärtigen Seminare nicht liefern, iu neuherzustellenden Anstalten, und somit die Schaffung eines specifisch kirchlichen Schulwesen» gegenüber dem staatlichen. Dabei ließ er aber unerörtert, welchen Eindruck ein solches Auftreten der protestantischen Kirche auf die römische machen und ob der Staat, indem er dieser die gleiche Freiheit einräume, sich nicht die Je suiten noch ärger auf den Hals lade als je zuvor. Unglücklicherweise hatte man als Correferenten nicht einen bewährten deutschen Schulmann, sondern den Vorsteher einer solchen freien Schulanstalt in Bern, Hrn. v. Lerber, gewählt, welcher die Ansichten seines Vorredners nicht nur vollständig billigte, sondern auch zur Christlichmachung der Schule das sehr problema tische Mittel täglichen Bibellesens empfahl, weil die Bibel das lehrreichste Schulbuch sei, das eS gebe. Trotzdem aber empfahl er, sich darauf gefaßt zu machen, daß der atheistische Staat kommen und der Humanis mus und die Menschenvergötterung die Gottentfrem- dung vollenden werde. Somit würde also dem Staate durch dieses Heilmittel wenig gedient sein. Hr. E. v. Pres- sense auS Paris, der, wie man glaubwürdig erzählte, die ihm zugedachte Stelle in dem leitenden Ausschüsse nicht angenommen, weil er darin nicht mit Bismarck- Bohlen zusammensitzen wollte, brachte in sehr lebhafter französischer Rede die Sache in ein praktischeres Gleis, indem er statt der in Frankreich so sehr verbreiteten klerikalen Schulen die Errichtung von Laienschulen em pfahl. Hofprediger Baur auS Berlin suchte das MiS- trauen gegen den modernen Staat zu mildern, indem er die Meldung machte, daß eben Sühneversuche zwi schen Staat und Kirche im Werke seien. Nur vor der Communalschule warnte er wegen ihres NivellirenS zwischen den Confessionen, und glaubte dies thun zu müssen im Namen der Gewissensfreiheit, der Familien, des Vaterlandes, deS gesammten Unterrichts und deS Lehrerstandes, der dadurch charakterlos (!?) gemacht werde. Diese Antipathie gegen Communal- oder Si multanschulen erklärt sich auS einer Jdentificirung der Confesston mit der Religion, welche wol dem Princip deS KatholiciSmuS, nicht aber dem des Protestantis mus entspricht. Nur dadurch konnte der Herr Hof- prediger sich zu der Behauptung gedrungen fühlen: die Simultanschule sei ein «Unsinn», weil sie un- pädagogisch sei. Gerade die gesunde Pädagogik em pfiehlt sie. Graf Bismarck-Bohlen redete vom christ lichen Staate und theilte somit die Befürchtung von der Entchristlichung der Schule durch den Staat nicht. Der unter Falk von der Leitung des preußischen Schul wesens zurückgetretene Geheimrath Wiese brachte die Bedeutung des Staates für die Schule noch mehr zur Anerkennung» indem er zeigte, daß Preußen haupt sächlich durch seine Leitung deS Schulwesens sich sein? politische Stellung errungen habe. Leider war die Zeit zu kurz um diesen erfahrenen und umsichtigen Manu noch weiter diese Ideen entwickeln zu lassen. Nach mittag» Word« noch von vr. Bachofner, Semiuar- director in Zürich, über die Bildung christlicher Lehrer Vortrag gehalten und vom Pfarrer Fliedner au» Madrid Mittheilung über die Evangelisatiou in Spa nien gemacht, worau» hervorging, daß an der Zer setzung des spanischen KatholiciSmuS eben von ver schiedenen Seiten her (Protestanten, Baptisten, Metho- disten, Presbyterianer rc.) tüchtig und nicht aussichts los gearbeitet wird." Italien. Während auf der einen Seite die Broschüre de- Obersten v. Haymerle in Italien große Auf regung veranlaßt hat, finden sich dort doch einsichtige Stimmen, welche ihre Berechtigung zugestehen. So sagt die Perseverauza: „Eine Großmacht — und Oester reich vermöge der besonder» Eigenthümlichkeiten seine- staatlichen GefügeS mehr al» jede andere — kann nicht jeden Tag diesen oder jenen Theil ihres Besitze» von einer andern Macht in Frage stellen lassen. Die andere Macht kann ihr den Besitz streitig machen, aber das will sagen, daß sie jederzeit bereit ist, auf dem Schlachtfelde zu fechten, und daß sie den Vorsatz hat, die guten Beziehungen, welche sie bisher mit dem erster» Staate unterhielt, zu brechen. E» ist kindisch und einer Regierung wie eines Volkes, die man ernst nehmen soll, geradezu unwürdig, zu gleicher Zeit zu wollen und nicht zu wollen, einerseits die freundschaft lichsten Beziehungen zu der bewußten Macht zu wün schen, andererseits unausgesetzt daran zu erinnern, daß man die Absicht habe, eines TageS von der gedachten Macht die Abtretung einer oder zweier Provinzen zu verlangen. Um auf unsern Fall zu kommen: die ita lienische Regierung thut unrecht, wenn sie durch ein« beklagenswerthe zweideutige Haltung dem österreichischen Cabinet Veranlassung gibt, nicht nur Beschwerden wegen der Kundgebungen zu erheben, die iu Italien gegen Oesterreich stattfinden, sondern den Verdacht zu hegen, daß die Regierung nicht weit von einer Theil- nahme an diesen Kundgebungen entfernt sei." — Garibaldi ist, wie mitgetheilt wird, nach Caprera zurückgekehrt. Diese Rückkehr war, wie verlautet, keine freiwillige, die Regierung schaffte vielmehr den alten Revolutionshelden ziemlich unsanft nach seinem ein same» Felseneilaud. Garibaldi fing nämlich an sehr unbequem zu werden; er deckte mit seinem populären Namen eine sehr bedenkliche Dimensionen annehmeode revolutionäre BewHMg; Pie Lage war ernst genug, wenn sich bestätigen sollte,' wa» ein wiener Blättern zugehender Brief erzählt. ES heißt da: „Ich bin in der Lage, Ihnen eine sehr bemerkeuSwerthe und ganz authentische Nachricht zu geben, von welcher natürlich die italienischen Journale kein Sterbenswörtchen ver lauten kaffen. ES ist gemeldet worden, daß die großen Militärmanöver, welche zwischen Neapel und Coprauo stattfinden sollten, abgesagt, und daß die bereits zu- sammengezogrnen Truppen wieder dislocirt worden sind, weil der Typhus iu bedenklicher Weise unter ihnen zu grassiren angefangen habe. Nun kann ich Ihnen mit Bestimmtheit mittheilen, daß die Besorgnisse wegen der verheerenden Krankheit mit der ergriffenen Maß regel absolut nichts zu schaffen gehabt haben; der Typhus war nicht stärker, al» er gewöhnlich in diesen Gegenden zu sein pflegt. Das Krieg-Ministerium hatte vollständige Kenntuiß von den GesundheitSverhältniffen der Oertlichkeit, als «S die Hinverlegung der Manöver beschloß. Die wahre Ursache der Auflösung de« La ger» ist ein schlimmer Fall von Auflösung der DiS- ciplin, welcher dort vorgekomme» ist. Eine republikanisch gesinnte Jnfanteriecompagnie hat auf eine monarchisch gesinnte Compagnie geschossen; es hat auf beiden Seiten Verwundet« und Todte gegeben; denn der Kampf war sehr lebhaft. Natürlich wurden nun sofort alle Vorkehrungen getroffen, Schweigen über den bösen Vorfall zu breiten, und «S ist deshalb schwer, die nähern Einzelheiten desselben zu erfahren; dennoch hoffe ich, Genaue- in Erfahrung bringen zu können und werde Ihnen dann sofort Mittheilung darüber machen." — AuS Mailand vom 3. Sept, schreibt man dem Schwäbischen Merkur: „Nachdem vollkommen über weisend in der vierzehntägigen Schlußverhandlung vor dem hiesigen Tribunal aufgestellt wurde, daß in den Tagen vom 16. und 23. März keine Spur von Rebellion zu entdecken sei, wurden die meisten Ange klagten, die noch überdies nach ihrer Gefangenschaft schrecklich vyn den Quästursoldaten miShandelt wur den, als der Rebellion schuldig verurtheilt und zwar zu außerordentlich hohen Strafen, acht der Angeklag ten zu drei Jahren Gefängniß. Ein unbeschreiblicher Tumult mit Geschrei und Weinen herrschte im Saale, der von der großen Anzahl Carabinieri nicht beruhigt werden konnte. Der Präsident wollte räumen lassen und rief auS: «Achtet man auf diese Weise die Auto rität?» Eine Stimme erwiderte: «Ueben Sie Gerech tigkeit und wir werden Sie achten.» I» der ganzen Stadt ist die größte Aufregung und in der Nacht vom Montag auf de» Dienstag wurde von unbekannter Haod der über dem Triiunalthore stehende Spruch deS Filangieri: «Der Schrecken de» UebelthäterS muß die Sicherheit de» Unschuldigen schützen», mit onvcr- tilgbarer Tinte au-gestrichen. Vergebe»» schickte ge stern die Obrigkeit einige Arbeiter, um die Schwärze zu entfernen, sic muß zu andern Mitteln schreiten und die ganze Stelle übermalen lassen. Unbegreiflich ist e», daß die nicht weit davon entfernte Schildwache nicht« bemerkte. Unsere ganze Stadt, von der Un schuld der so schwer Berurtheilten überzeugt, ist m großer Aufregung, und zwar Aristokraten und Demo kraten, Gemäßigte und Fortschrittsmänner; im Cafe Cova, dem Hauptorte der Aristokraten, wie in den Bierhallcn herrschte Bestürzung und alle halten das Urtheil unheilbringend, da» schwere Folgen nach sich ziehen wird. Wollte man das Ansehen und die Hal tung de» Präfecten und Quästor» dadurch retten, so täuschte man sich gewaltig; eine Freisprechung hätte wieder versöhnt; jetzt aber ist die öffentliche Stimme gegen dieselben, al» die Urheber der Skandale, ganz empört und beide werde» wol von ihren Würden ab gerufen werden müssen. Man vergißt alle ander» Neuigkeiten, sogar die unerträgliche Hitze von 33 Grad, und beschäftigt sich einzig mit diesem schweren Falle." Krankrelch. »Pari«, 6. Sept. In Angers tagt em „Verein der Werke". Bischof Freppel entwickelte in seiner dort gehaltenen Ansprache, daß dieser Verein sich die Lösung der socialen Frage durch die Kirche zum Ziele gesteckt habe. Der Fabrikant Harmel entwickelte „die Chri- stianisirung der Fabrik" in ausgiebigster Weise. Die Fabrikherren, Arbeiter und die beiderseitigen Familien bilden einen Verband; die Kinder werden auf gemein schaftliche Kosten unterhalten und unterrichtet; die Un- verheiratheten bilden einen Cooperativverband und haben gemeinschaftliche Wohnung und Kost; die Fabrik hat einen cooperativen Confumverein und eine gegeü- seitige UnterstützungSanstalt. Der Fabrikherr verpflichtet sich der Kirche gegenüber, den Arbeiter „ohne Zwang" zur Erfüllung seiner kirchlichen Pflichten zu brittgen; die Mädchen werden den Nonnen, die Knaben den Jgnorantinern überliefert. Den Schlußstein des Baues bildet ein „CooperativcomitL", an dessen Spitze ein vom Bischof bezeichneter Geistlicher steht, der über alle», wa» sich auf Politik und kirchliche Lehre und Zucht bezieht, da» entscheidende Wort zu spreche» hat. Die» das Programm des bereit» über ganz Frankreich au»gespannten Netzes, mit welchem die Kirche oder vielmehr der Jesuitenorden das französische Volk vom Liberalismus zum SyllabuS zurückzuführen unternom men hat. Die Republique francaise widmet dieser Sache heute eine Betrachtung, die mit dem leidigen Tröste schließt, nach den Reden in Angers wisse Frank reich nun wenigstens, woran man sich zu halten habe und wa» unter der „Christianisirung der Arbeit" zu verstehen sei. Das Journal des DebatS aber schreibt: „Die liberale Partei kämpft jetzt nicht blos für die Vcrthcidiguug der Republik, sie vertheidigt die moderne Gesellschaft, die weltliche Gesellschaft, die westliche Gesetzgebung, kurz, alle Güter, die sie seit 400 Jahren unter allen Regierungen und Staatsformen verthei- digte; zwei Feinde stehen einander gegenüber, aber es handelt sich jetzt nicht blos noch um Republik oder Monarchie, sondern um Revolution und Contre- revolution." In der Probenummer des neuen Blattes „Ln avant", de« Organs deS Prinzen Napoleon, heißt eS: „Vorwärts I So war der Ruf unserer Sol daten, wenn sie unter der Führung ihre» großen Feld herrn dem Siege entgegenstürzten. So ist der Ruf aller derjenigen, die, wie wir, die Erinnerung an eine glorreiche und glückliche Vergangenheit mit der Hoff nung, sie bald zurückkommen zu sehen, und mit dem Entschlusse, mit alle» ihren Anstrengungen dazu bei zutragen, bewahrt haben. So ist auch der Ruf, den heute alle edelmüthigen Herzen ausstoßen bei dem schmachvollen Zustande der Machtlosigkeit und der Er niedrigung, auf den die Republikaner uns herunter gebracht haben." — AuS Paris vom 6. Sept, berichtet man der Kölnischen Zeitung: „Baron Taylor ist diesenMorgen gestorben. Derselbe war einst berühmt als Reiseschrift steller, Senator und Mitglied des Institut». Er ward am 15. Aug. 1789 in Brüssel geboren und gehörte einer englischen Familie an, die sich in Frankreich ein gebürgert hatte. Er machte seine Studien in Paris, zeichnete fleißig unter Leitung des Malers SuvL. Unter der Restauration wurde er Artillerieoffizier, Adjutant de» Generals d'Orsay, schrieb in den Mußestunden Theaterstücke, machte Reisen und wurde 1824 könig licher Commissar der Comtdie franxaise- Unter Karl X. und LouiS Philipp wurde er wiederholt zu kunsthistori schen Sendungen im Orient verwandt. Seine Haupt werke sind: «I.V8 vo^ggo8 pittoreaquoa et romantiques cke l'anvienne krsnee» (1820—54), an deren Aus stattung die ersten Künstler Frankreich« mitwirkten; dann seine «Malerischen Reisen in Spanien, Portugal und an der afrikanischen Küste» (1826)^; «Syrien,