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Raubvögel einen verwesenden Leichnam. Im Jahre 1877 wurde in dkr Petition-cmnmiMon de« preußischen Abgeard« netenhause« über die RÜckkaus«aeschäste verhandelt, und ia dem Bericht de« Ceheimrath« Jacobi war zu lesen, daß durch ganz Deutschland da« Rückkauf«geschäsl sich wesentlich rermehrt hätte und bi« zu 200 Prvc. genommen würden. Vorgestern hat mir eine Deputation der berliner Rückkauf«- Händler mit Rücksicht aus den gegenwärtigen Antrag einen Besuch abgestattet und mich um «in Gespräch über diese Frage gebeten. Da habrn sie mir selbst mitgetheilt, sie gingen nicht bi« zu 200 Proc., sondern im Durchschnitt bi« zu 80 Proc., und daß in Berlin gegenwärtig über 1000 Rückkaus«geschäste bestehen. Sie gaben als einen wesent lichen Bortheil an, daß e« mit einem Kapital von 5000 Thlrn. betrieben wrrden könne; di« 1000 Geschäft« arbeitrn also mit 5 Mill. Thlrn. , di« 80 Proc. abw«rf«n. In Süd» drutschland stthen die kleinen Sigenthümer auf dem Lande vor der Gefahr einer völligen BefitzverLnderung infolge von Wuchergeschäften. Gin in der kartographischen Abthei- lung de« Großen Seneralstabc« augestellter tüchtiger und fleißiger Lithograph bedurfte eine« Darlehn« zu seiner Berheirathung und wurde an eine Frau gewiesen. Diese Frau sagt: „Ja, ohne Zinsen, aber Sie müssen hier den Schuldschein eine« andern über ein Darlehn von 2000 M. al« Bürge unterschreiben." Infolge dessen wird er verklagt und aus die 2000 M. verurtheilt. Seine Behörde kann keinen Mann dulden, der so abhängig ist durch eine Schuld von 2000 M., er verliert, noch nicht definitiv angestellt, sein Brot. In diesen Dingen liegt nicht alle« an den Per sonen, sondern sehr viele« an den Verhältnissen, denen ab« geholfen werden muß. Die Landeshoheit macht durch Auf- drückuna ihre« Stempel» da» Geld zum Werthmcffer aller andern Werihe, daher steht ihr da» Recht zu, Zin-beschrän- kun^en einzusühren. Die Frage ist nur, wie weit die jetzige Gesetzgebung schon eingewurzelt ist und ob nicht ihrer Be« seitigüng unübersteigliche Hindtrniffr entgtgenstehe». Die Beschränkung der Wechselfähigkeit will ich nicht principiell ablehnrn, aber e» ist überau« schwierig, hier dem Leben entsprechende Bestimmungeis zu treffen. Nach dem Anträge Reichensperger find der große Schuhmacher und der große Grundbesitzer, wenn er nur Landwirthschast treibt, nicht wechselfähig, dagegen wol der kleine Krämer und der kleine Landwirth, wenn er zufällig Lehmboden hat und schlechte Ziegel brennt. Der Staat kann zwar den Zinsfuß be schranken, aber «r kann nicht jedem, der Geld bedarf, auch Geld zu. ein«« beschränkten Zinsfüße verschaffen. Es gibt Fälle, wo theueres Geld werthvoller ist al« gar kein». Ein ' kranker MajoratSerbe muß .us ärztliche« Anrathen nach Aegypten reisen, ohne die Mittel dazu zu besitzen und ohne sie von dem jetzigen Majoratsbesitzer erlangen zu können. Leiht ihm ein Privatmann bi« znm Antritt seiner Erbschaft da« nöthige Geld, so ist ein Zinsfuß von 300 Proc. wol gerechtfertigt, denn hier, wie vielfach, ist der höhere Zins fuß der Ausdruck eine« mehr oder weniger gewagten, an und für sich gerechtfertigten Geschäft«. E» gibt Beamten- darlehnsverrine in der Provinz, die sehr segensreich wirken, die aber durch «inen höhern Zinsfuß ihre zahlreichen Aus fälle decken müssen. Ich bin angeficht« aller dieser Schwie rigkeiten der Ansicht, daß wir nicht bestimmte Vorlagen über die Beschränkung he» Zin«fuße« und dey Wechselfähigkeit machen törmen, souVern da« der Regierung nach eingrpmdtr Enquete überlassen müssen. Erstaunt bin ich ayerding« dar- über , daß die Regierung bisher zu dieser wichtigen Frage keine Slellung genommen hat, und hoffe, daß die« im Laufe dieser Debatte geschehen wird. Wir müssen den Wucher zunächst strafrechtlich treffen, denn er ist unsittlicher al« der Diebstahl und sieht dem Betrug« nahe. Nicht die Ausbeu tung der Noth allein muß strafbar sein, sondern auch die der Nothlage, in welche auch der Begüterte kommen kann. Wir können aus den bereit« angeführten Gründen nicht für den Antrag ReicheUsperger stimmen. Unser Antrag schafft wesentliche Hülfe auf strafrechtlichem und civilem Gebiete; da» Weitere können wir der Regierung überlassen. Auch die Liberalen können für unsern Antrag stimmen, den» ihre freie Gesetzgebung bleibt dabei intact. (Beifall rechts.) Abg. Freund: Darüber ist auf allen Seiten de« Hause«, bei allen Parteien kein Zweifel, daß di^AuSbeutung der wirthschast« lichen Noth höchst bedauerlich ist und beklagenswerthe Di mensionen angenommen hat, daß man dieser Ausbeutung entgegentreten muß mit allen gesetzlich möglichen Mitteln. Nur ist eS erforderlich, daß die Freiheit de« Verkehr« durch etwaige Maßregeln nicht geschädigt wird. Die Art, wie eine Beschränkung der Wechselfähigkeit vorgeschlagen wird, halte ich nicht für angänglich, e« wird da eine Scheidung nach Berufsklassen versucht, welche wol im socialen, nicht aber im Rechteleben existirt. Ueberhaupt halte ich die An träge nicht für zweckmäßig, denn ich weiß au« einer langen Praxi«, daß, auch al- »och da« gesetzliche Zinrmaximmn 'bestand, die Zustände ebenso waren wie heute; da« Volk sagte damals, die Kleinen hängt man, die Großen läßt man laufen.. Ich verspreche mir von solchen Gesetzen wenig. Die Fassung der vorgeschlagenen Paragraphen macht sie mir völlig unannehmbar. Das ist ebenso al« wenn man sagen wollte: „Jede Ausbeutung der Leidenschaften wird bestraft." Mit solchen unbestimmten Worten kann kein Jurist etwa« anfangen. Inzwischen ist folgender Antrag der Abg. Fürst zu Hohenlohe-Langenburg, v. Geß und vr. v. Schwarze zur Vertheilung an die Mitglieder des HauscS gelangt: In Erwägung: 1) daß seit der Aushebung der Wucher« gesetze die Fälle wucherlicher Au«bcutung der Noth, de« Leichtsinn« und der Unerfahrenheit der Schuldner erheblich zugenommen haben; 2) daß von der öffentlichen Meinung die Prüfung der Frage dringend verlangt wird, ob diese Thatsachc eine Folge der Aushebung jener Gesetze sei und ob und inwieweit Abhülfe im Wege der Gesetzgebung ge, boten erscheine; 3) daß zur Entscheidung über die in dieser Richtung eingebrachten Anträge und zur Beurtheilung der Frage, ob die etwa nöthige Abhülfe auf dem Gebiete de« Civilrechte«, insbesondere durch Beschränkung der Wechsel« sähigkeit, sei el in Beziehung auf das Recht zur Ausstellung von Wechseln, sei e« ir. Beziehung auf den Betrag der Wechselsumme, oder auf dem Gebiete des Strafrechte«, oder endlich auf diesen beiden Recht«gebietcn zu erfolgen hat, ein tiefere« Eingehen auf die thatsächlichen Grundlagen, und die rechtlichen, sowie die volk«wirthschaftlichen Gesichtspunkte nöthig ist, beantragen wir: Der R«ich«tag wolle beschließen, dir vorliegenden An träge der Drucksachen einer Commission von 21 Mitgliedern zur Berichterstattung zu überweisen. - - Präsident 0r. n. Forckenbeck erklärt, daß für diesen Antrag auf motivirte Ueberweisung an eine Commission ein Präcedcnz bisher nicht verlieht, auch eia solcher Fall in der Geschäftsordnung nicht vorgesehen sei.' Der Antrag ist erst zur Vertheilung bestimmt worden, nachdem die Antragsteller davon abgestanden haben, über die Motive sub I, 2, 3 eine besondere Abstim mung zu verlangen. Auch die Vertheilung soll kein Präjudiz sein. Abg. Reichs - OberhandelSgerichtSrath vr. Dreyer (national-liberal): Ich habe Gelegenheit genug gehabt, «inen Einblick in da« Wesen des Wucher« zu gewinnen, nnd bin der aller letzte, der eine Abhülfe der mir dabei bekannt gewordenen Misstände zurückweisen wollte. Aber wenn ich nach Ab hülfe trachtt, muß ich die wirthschaftliche, die nationalöko nomisch« Seite auf da« gtnaueste trennen von der juristischen Seite der Sacht und von ihrer sittlichen Bedeutung. Ich kann Hrn. v. Kleist darin recht geben, daß da« Geld in beschränktem Sinne eine Waare ist, aber ich kann ihm da hin nicht folgen, daß darum auch der Staat da« unbe schränkte Recht hätte, dt» Spielraum festzustelle», in dem sich da« Geld geschäftlich zu bewegt» haben würde. E« zeigt sich auch diese Schwierigkeit, sobald man versucht, die Maximalgrenze für den Zin« festzusetzen; der eine sagt 8 Proc., der andere meine 15, und die Ansichten können sich nicht vereinigen. An dieser Schwierigkeit, die in den auf- und niedergehenden Handelsbewegungen ihren Grund hat, scheitert der Versuch einer staatlichen Zinstaxe. Ich halte eS weiter für bedenklich und selbst undurchführbar, wenn man heute die Wechstlfähigkeit einschränken wollte aus den Kausmannsstand. Denn durch da« Handelsgesetz buch ist der Begriff de« Kaufmannsstandes so dehnbar ge worden, daß niemand genau sage» kann, hier fängt er an und hier hört er auf. Ich halte es für nöthig, da« Straf gesetzbuch abzuändern; wenn eS so vieles nicht definirt, son dern eS dem richterlichen Ermessen aNheimgibt, so kann man das auch mit dem Begriffe- de« Wuchers thun. Das Be stehen strafgesetzlicher Bestimmungen, die eine Ausbeutung von Noth oder Leichtsinn verbieten, wird viel Gute« leisten. Aber gleichzeitig müßte man dann auch die Frage ins Auge fassen, ob nicht Cantele» zu schaffen find, die eS dem bös willigen Schuldner unmöglich machen, seine Schuld als au« einem Wuchergeschäfte entstanden zu bezeichnen und unter diesem Vorwande sich der Zahlung zu entziehen. Abg. v. Schorlemer-Alst: Nachdem die Gesetzgebung sich auf Gebiete ausgedehnt, wo sie nicht« zu thnn hat — ich erinnere nur an den Lul« turkampf — kann sie auch dem Wucher entgegentreten, gegen den der Abg. v. Kleist mehr Eutrüstung gezeigt al« wirksame Mittel der Bekämpfung nachgewicsen hat. Denn die allgemeine Wechselfähigkeit, die er bestehen lassen will, würde da« beste Mittel sein, um da« Gesetz zu umgehen; gerade die Grundbesitzer wären bester daran, wenn sie die Wechselmittrei unterließen. Die SWckkaufshändKr wollten mir eine Deputation von fünf Männern zusenden ; ich sagte, ich hätte an einem schon genug, und der hat mir dann niit großer UeberredungSgabe nachzuweisen gefuchl, daß 60—80 Proc. nur ein mäßiger Zinsfuß seien, daß ihr Geschäft lediglich die humanitäre Aufgabe habe, den Armen zu hel fen. (Heiterkeit.) Die Gesetzgebung hat zu viel Rücksicht auf den Handel genommen und zu wenig auf die Produc tion. So wie Fürst Bismarck in der Zollpolitik zu seinen alten Grundsätzen zurückgekehrt ist, so wirderauch auf dem Gebiete der Wuchergesetzgebung wieder umkehren. Bon dem Verein westfälischer Grundbesitzer liegt jetzt eine Petition auf Beschränkung der Wechselfähigkeit für diesen Stand vor; man isi dort also nicht so empfindlich gegen diese Zurück setzung hinter andere Stände. Staatssecretär »r. Friedberg: Die Warnung de« Abg. v. Kleist, die Regierung möge der Frage nicht mit verschränkten Armen zusehen, verpflichtet mich, hier die Auffassung darzulegen, die ich als Vertreter des Reichs-Justizamtes anszusprechen berechtigt bin, ohne damit den Entscheidungen der verbündeten Regiernngen zu präjudiziren. Trotz der sachlichen Erörterungen der Abg. Reichensperger und v. Schorlemer meine ich nicht, daß die Gesetzgebung gut thun würde, wenn sie auf dem von Reichensperger eingeschlagenen Wege den wirklich vorhau- denen Nothstand z» beseitigen unternähme. Daß ein solcher vorhanden ist, erkenne ich auch wol an, und ich habe mich schon vor Monaten genöthigt gesehen, mich darüber zu in- formiren, ob die Aufhebung der Wuchergesetze wirklich da hin geführt habe, daß ein exorbitanter Wucher getrieben worden, und ob der vorhandene Nothstand eine unmittelbare Folge der allgemeinen Wechselfähigkeit ist. Die Antworten, welche mir darauf gegeben sind, Ihnen heute mitzutheileo, wäre verfrüht; denn ich hoffe, Sir werden die-vorliegen den Anträge einer Commission überweisen, mit der die ver bündeten Regierungen Hand in Hand zum AnSlrag der Frage zu kommen bemüht sein werden. Aber ich fürchte, daß, wenn Sie nach dem Vorschläge de« Abg. Reichensperger eine gesetzliche ZinStaxc einsühren und die Wechselfähigkeit beschränken, Sie da« Erreichbare nicht erreichen, weil zu viel von der Gesetzgebung verlangt wird. Der Hauptübel stand liegt in der wucherischen Ausbeutung der Noth; hier muß der Hebel angesetzt werden, um, wenn möglich, abzu- ' helfen. Thun wir das, so machen wir keinen Eingriff in die- seit 50 Jahren befolgte Entwickelung unserer Cimlgesetz- gebung; wir bemühen uns dann, die Sache im Strasgefetz- buche zu regeln, das ich auf diesem Gebiete für lückenhaft halte. (Beifall.) Möglich, daß auch nach dieser Ergänzung die von den Vorrednern geschilderten Misstände nicht auf hören; und es dürfte die Frage späterer Gesetzgebung sein, ob wir nach dem ersten Schritte noch ergänzende Schritte, vielleicht auch in der Livilgesetzgebung, zu thun haben. Die Regierung wird die Anträge prüfen, und vielleicht wird sich in der Commission eine Vereinbarung erzielen lassen, die wenigstens die schroffsten Misstände beseitigt. (Beifall recht«.) 1 Abg. v. Geß: Die Anträge erregen mancherlei Bedenken. Ma» müßte dem Wucher durch die Errichtung guter Creditinstitute ent- gegentreten. In Betreff der vorgcschlagenen Slrafbestim- mungen ist e« schwer, deu Thatbestand de« Wucher« genau zu fixireu, wenn m,u uicht dem Richter ore« blued« gebe» will. Dieser Anforderung entsprechen die gestellten Anträge nicht überall, dir eine Commisfiou gründlich prüfen muß. Abg. Frhr. v. Marschall: Der Antrag Reichensperger sei zwar schneidig, aber auch zweischneidig. Beim Wucher komme viel aus die subjektive Absicht an, da müsse der Richter größern Spielraum für sein Urtheil haben. Er constatire mit Freuden die allseitige Bereitwilligkeit de« Hauses, dieser Frag« näher zu «retrn. Die Anträge werden fast einsummig einer Com mission von 21 Mitgliedern überwiesen. Nächste Sitzung Dienätag. Tagesordnung: Inter pellation Witte; Nahrungsmittelgesetz; Vogelschutz. Deutsche- Reich. X Berlin, 31. März. Heute ist dem Bundes, rathe der Bericht der Tarifcommission mit ausführ lichen Motiven zugegangen, und morgen soll ihm der Gesetzentwurf betreffend die Erhebung einer statistischen Gebühr für ein- und ausgehende Waaren, welchen er in voriger Woche der Tarifcommission überwiesen hatte, von letzterer wieder zugestellt werden. ES befinden sich dann sämmtliche die Finanz- und Zollpolitik be treffende Gesetzesvorlagen, welche deni Reichstage in dieser Session zugehen sollen, in den Händen de« BundeSratheS: die über die Tabacksbesteuerung, die über die Erhebung der Brausteuer und der Zolltarif nebst dem Gesetzentwurf über die Erhebung einer stati stischen Gebühr. Die beiden ersten der genannten Vor lagen unterliegen bereits der Erörterung deö Bundes- ratheS. WaS den Zolltarif betrifft, so ist derselbe schon vor einigen Tagen den verbündeten Regierungen mitgetheilt worden. Es kann daher angenommen wer den, daß im Laufe der Woche neben der Berathung der beiden innern Steuern auch die Berathung des Zolltarifs im BundeSrathe erledigt werden wird. Es ist dies um so mehr zu erwarten, als die Regierungen in der Tarifcommission durch Commissare vertreten waren und durch dieselben über den Gang und die Ergebnisse der Berathung auf dem Laufenden erhalten wurden. Unter Voraussetzung dieses Verlaufe» der Geschäfte wird man zngeben müssen, daß in acht Tage» dem Reichstage sämmtliche Vorlagen unter breitet sein können. Daraus ergibt sich, wie berechtigt der Wunsch ist, daß der Reichstag seine Berathungen nicht durch eine zu lange Ferienpause unterbrechen möge. — Ein hiesiges MontagSblatt bringt über die künftige Verwaltung von Elsaß-Lothringen eine Reihe von Mittheilungrn, welche jedoch lediglich eigene Combinaticnrn aus den bekannten Erklärungen de» Reichskanzlers sind. Die dabei angeführten Personal- notizcn sind nichts als mehr oder weniger begründete Gerüchte. — Die Erklärung de» Grafen Beacons field über die englische Handelspolitik macht hier nicht geringe- Aufsehen. In der abendlichen Zusammen kunft bei dem Reichskanzler am letzten Sonnabend bildete die erwähnte Erklärung den Hauptgegenstand- der Unterhaltung der politischen Gruppen. bl.l^.6. Berlin, 31. März. Der BundeSrath wird, wie schon gemeldet, am Mittwoch in die Bera thung der Beschlüsse der Zolltarifcommission ein treten, doch wird diese Berathung wahrscheinlich nur einen formalen Charakter haben. Den ReichStagS- abgeordneten sollen, wie es heißt, dir Zoll- und Steuer- Vorlagen alsbald in die Ferien nachgesandt werden. — Die Ermittelungen wegen der Ausstellungen in Sidney und Melbourne sind jetzt so weit gediehen, daß die von den Abg. Witte-Rostock und Stephani- Leipzig eingebrachte Interpellation morgen beantwortet werden kann. Inzwischen hört man, daß der hier eingetroffene deutsche Consul in Sidney, Hr. Sahl, zum deutschen Commiffar für die dortige Ausstellung er nannt ist. Ob auch ein deutsches Kriegsschiff zur Repräsentation des Reiches nach Sidney gehen wird, ist noch unentschieden. Es scheint der Gedanke erwogen zu werden, den zur Zeit in den chilenischen Gewässern weilenden Prinz Adalbert, an besten Bord sich be kanntlich der zweite Sohn deS Kronprinzen, Prinz Heinrich, befindet, nach Australien zu beordern. — Mit Bezug auf die jetzt vielbesprochene Frage, ob die Zollvorlagen vom Reichstage an eine Com mission verwiesen werden sollen oder nicht, bemerkt die National-Liberale Correspondenz nnterm 31. März: „Wey die Praxis deS Reichstages kennt, nach welcher jede irgendwie verwickelte Vorlage, namentlich aber die jenigen Gegenstände, zu deren vollständigen Beurthei lung technische Specialkenntniffe nöthig sind, einer Commission zur Vorberathung überwiesen werden, der wird einigermaßen erstaunt sein, daß diese Frage über haupt ernstlich gestellt werden konnte. Der Gedanke liegt nahe, daß diejenigen, welche sie stellten, von der CommissionSberathung eine Beleuchtung der neuen Zoll politik befürchten, welche die zur Zeit in weiten Kreisen vorhandene Begeisterung für dieselbe bedenklich ernüch tern könnte. DaS wollen sie freilich nicht Wort haben; nach ihrer Erklärung geht ihre Besorgniß lediglich da- hin, daß die CommissionSberathung das Zustandekom men deS neuen Taris» in verderblicher Weise vrr-