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«r. 28V. Ltlp^tg. UVtch. Preis ^eNelgihrlich »oPf. -e»e «i»,«l«e «»»wer DtuWc Mgmtillt Zcitüüg. «Wahrheit sid Recht, Freiheit >»d Gesetz!» 30. November 187», Zuserstr »»» a» »i- «xpr»iti»» t» ««»»,«« M ft,»««. 2»st li,,«,e»«tzr I»r »i« ep«»»»»»tle ro Pf^ »tn »o Pf. Telegraphische Depeschen. * Stuttgart, 28. Nov. Bei der im 15. würtem- bergischen Wahlkreise (Blaubeuren) stattgehabten Wahl eine- RcichstagSabgeordneten an Stelle drS zum BundeSrathSbevollmächtigten ernannten Ober- finanzrathe« v. Schmid wurde Bürgermeister Müller von Ehingen (F.-C.) gewählt. Gegen kandidat desselben war Landrichter Landauer (Centr.) in Ellwangen. *Larl»ruht, 28. Nov. Sitzung der H. Kammer: Berathnng der ans die Thronrede zu erlassenden Adresse. Im Laufe der Debatte erklärte der Minister Turban, die Regierung stimme dem Adreßentwurfe bei und er blickt in demselben «in warmes Echo der Thronrede. Der Präsident des Ministeriums des Innern, Stösser, bewnte, daß die Regierung auf Gehorsam vor dem Gesetz, auch vor dem Examengesetz, bestehe. Der Friede mit der Curie sei von Fall zu Fall zu versuchen, die in der Thronrede ausgesprochene Hcffnung auf einen Ausgleich gründe sich auf Lie Wahrnehmung, Laß die Curie ihre bisherige starre Haltung aufzugebeu scheine. Wen« die« eine Täuschung sei« sollte, so fei die Re gierung daran unschuldig, die bi« zur äußersten Grenze zulässiger Nachgiebigkeit gegangen sei. Da» Laud und die Volksvertretung ertrügen eine in diesem Punkte schwach« Regierung nicht. Die Adresse wurde schließlich mit 38 gegen 12 Stimmen, welche letztere von kleri kalen Kammermitgliederu abgegeben wurden, ange nommen. * Madrid, 27. Nov. Der Ministerrath hat sich für eine Amnestie ausgesprochen, welche für Vergehen in der Presse und für militärische Vergehen erlassen werden soll. »Hart», 28. Nov. Der Gauloi», Organ der Bonapartisten, erklärt die von dem Figaro unh andern Blättern gebrachte» Mittheilnngen über angebliche Unterredungen, welche der Prinz JerLme Napoleon mit hiesigen Berichterstatter» und hohe« Würdenträgern gehabt haben solle, für vollkommen unbegründet, * London, 1?8. Nov. Gras AchuwäfM ift-yeM von der Königin zur Tafel geladen Und wird sich morgen über Paris nach Cannes begeben. * Dublin, 28. Nov. Die Gerichtsbehörde von Sligo beschloß, den Fenier Killen vor die Assisen zu verweisen und denselben einstweilen gegen Caution in Freiheit zu setzen. Da Killen sich weigerte, den Gerichtssaal zu verlaffen, wurde er aus demselben von der Polizei gewaltsam entfernt. London, 28. Nov. Rußland, welches für da« Frühjahr mit verstärkten Kräften einen neuen Borstoß gegen Merw beabsichtigt, sondirt in Teheran bezüglich des Truppendurchzugs durch persisches Gebiet. Ruß land dürfte, wofern Persien das Ansuchen ablehnt, den Durchzug trotz dessen Weigerung vornehmen, wo durch sehr wahrscheinlich neue Verwickelungen hervor gerufen würden. ' (Köln. Z.) * Wien, 28. Nov. abends. Meldung der Poli- tischen Correspondenz au« Belgrad von heute: „Der Fürst hat d»S Entlaflungsgesuch de« Finanzminister« Äovanovie angenommen. Der vormalige Minister präsident Marinovic ist zum serbischen Gesandten in Paris ernannt worden. Der AdreßauSschuß der Skupschtina hat einen Adreßentwurf ange-* nommen, welcher in einem für die Regierung günstigen Sinne gehalten ist." * Wien, 28. Nov. Der «Presse» wird aus Cet- tinje gemeldet: „Bozo Petrovic ist heute von Pod- goriza nach Andrijeviza mit 5 Bataillonen aufge brochen, um sich mit Mukhtar-Pascha in Andre- jeviza zu begegnen und die Cooperativübergabe PlavaS und GusinjeS zu bewirken." Nacht» 12 Uhr trifft die Nachricht aus Berane ein, Mukhtar-Pascha sei von den Arnauten getödtet und sein Gefolge maffakrirt worden. (Wiederholt.) * London, 28. Nov. DaS Rruter'sche Bureau läßt sich au« Konstantinopel von gestern melde«, sowol der türkische Botschafter in London wie der ««Mche Botschafter in Konstantinopel hätten dem Minister des Auswärtigen Sawa« -Pascha erklärt, Lord Salisbury sei jetzt überzeugt, daß die türkische Regierung keinerlei Absicht habe, in ihrer Politik Eng land gegenüber eine Aenderung eiutreten zu lassen, SawaS »Pascha habe ausreichende Beweise von dem aufrichtige^ Wunsche der Pforte gegeben, die Reform zur Ausführung zu bringen und keine Politik zu be folgen, die den Interessen Englands im Orient ent gegen sei, * London, 28. Nov. Wo dem Rruter'sche« Bu reau au« Sonstautiuopel «trgBeru gen^bet wird, ist in dem Ministerrath« beschlossen worden, alle« auf- zubiete«, um ein direkte« Einverstäudaiß mit Gvipche». land über die Regulirung der türkisch-griechischen Grenze herbeizuführen. Die Absicht, die griechische Frage den europäischen Mächten zur Entscheidung zu untäbreiten, wurde äufgegeben. E« dürfte demnächst «in»-««« Mtzung Ler grächisch-türftschiA Commission anberaumt werden. * Neuzork, 27, Nov. Hiesigen Zeitungen wird aus Montreal gemeldet, daß die englische Regierung jn Canada ein Reservecorps von 10000 Miliz- svldaten gebildet habe zum activen Dienste in Canada oder erforderlichenfalls auch im Auslande. Eine wichtige Entscheidung des Reichs- Patentamtes. * Leipzig, 29. Nov. Es ward bereits gemeldet, wie das Reichs-Patentamt unlängst einen für die deutsche Eisenindustrie höchst wichtigen Beschluß gefaßt hat durch Ertheilung eines Patents für ein neues Ver fahren zur Entphosphorung des Roheisens. Ueber den thatsächlichen Hergang berichtet die Weser-Zeitung fol gende« Nähere: Die Entscheidung des Patentamtes über den Antrag de« Hörder Bergwerks- und Hüttenvereins und der Rheinischen Stahlwerke in Ruhrort als Rechtsnachfolger de« Hrn. S- G. Thoma« aus Ertheilung eines Patents auf das von dem letztern erfundene Verfahren zur Entphosphorung de« Roheisens ist in der Hauptsache wenigstens zu Gunsten der Antragsteller ausgefallen, wenn das Patent auch nicht in dem ursprünglich beantragten Umfange ertheilt worden ist. Mit Rücksicht auf die Wichtigkeit des Gegenstandes hatte das Patentamt die sämmtlichen Betheiligten zu der Bcr- haudlung geladen. Daß unter den obwaltenden Verhält nissen d» Interessenten, welche gegen die Ertheilung de« Patents Einspruch erhoben, Beschwerde gegen die getroffene Entscheidung einlegen werden, ist selbstverständlich. Den obengenannten Rechtsnachfolgern de« Erfinders war früher schon ein Patent auf da« Verfahren zur Herstellung der basischen Ziegel, welche bei der Entphosphorung zur An wendung kommen, ertheilt worden. Gegen diese« Patent ward aus Grund de« 8- 10, Nr. 2 des Patentgesetze« An trag auf Nichtigkeitserklärung «ingereicht; das Patentamt (beziehentlich dessen siebente, speciell zur Entscheidung dieser Anträge berufene Abtheilung) hat aber diesen Antrag zu rückgewiesen. Segen diese Entscheidung steht den Antrag stellern nach. Z. 32 de« Pateutgesetze« die Berufung an da« Reichsgericht offen, welche ebeufall« nicht aulbleiben dürftt. Die endgültige Erledigung dieser Streitfragen wird dem nach noch eine Weile auf sich warten lassen. Die National-Zeitung fügt dem hinzu: Diese Entscheidung hat in technischen Kreisen eine un gewöhnliche Aufmerksamkeit erregt. Der Entdecker de« i« England eingeführten Verfahren«, Thoma», hat seine Ent deckung an zwei deutsche Werke, die Hörder Hütte und di» Rheinischen Stahlwerke, abgelaffen, sodaß diese mit »u« zweifelhafter Befugniß seine Erfindung anweuden. Wie wir hören, zahlen diese als Entgelt eine bestimmte Abgabe von jeder Lonne, die sie nach diesem Verfahren Herstellen. Die Übrigen Stahlwerke Westfalen» waren zusammen«- treteu und hatten dem Erfinder eine Summe von 3 Mill. M., in zehn Jahren zahlbar, geboten, wenn er ihnen die Aus übung dieser Erfindung gestattete- Der Erfinder stellte in dessen Ansprüche, die sich auf 5 Mill. M. belaufen habe» sollen. Da sich somit die Verhandlungen zerschlugen, ginge« di» Werle zur Erwägung der Frage über, ob sie nach Lage per Gesetze nicht ermächtigt seien, auch ohne Zustimmung tze« Erfinder« dessen Verfahren auzuwenden und dem in zwischen do« „der Hörder Gesellschaft rmchgefuchteu Patent zu widerspreche»: T« hatten nämlich in deutschen Blätter« vor Nachsuchung des Patent» Beschreibungen de« Verfah rens gestanden, von denen deutsche Ingenieure erklärten, sie könnten an der Hand dieser Beschreibungen das Verfahren ausführen. Damit wäre der Anspruch auf die Ertheilung eines Patents verwirkt gewesen. Das Patentamt hat den Anspruch auf Ertheilung eines Patents al« begründet an erkannt, scheint also von der Anschauung auszugehen, daß die vorzeitig in deutschen Blättern verbreiteten Beschrei bungen technisch unzureichend gewesen seien. *) *) Die betreffenden Bestimmungen de» Patentgesetze» vom 2b. Mai 1877 lauten: „8. 1. Patente werden er theilt für «neue» Erfindungen, welche eine gewerbliche Ver-- werthung gestatten. 8- 2. Eine Erfindung gilt nicht als «neu», wenn sie zur Zeit der auf Grund diese« Gesetzes erfolgten Anmeldung in öffentlichen Druckschriften bereit« derart beschrieben oder im Jnlande schon so offenkundig benutzt ist, daß danach die Benutzung durch andere Sach verständige möglich erscheint." Musikalisches aus Leipzig. ** Leipzig, 28. Nov. Wenn wir in dem siebenen GewandhauSconcert von der vom Orchester sehr schön vorgeführten „Hebridrn"-Ollverture Mendelssohn's und den Gesangsvorträgen: Arie aus „Odysseus" von Max Bruch: „Hellstrahlender Tag" sowie die beiden Lieder „Stille Thränen" von Schumann und „Suleika" von Schubert, absehen, so müssen wir sagen, daß das übrige nicht über die Grenze deS heitern Genusses, die wei tern Solovorträge kaum über die Grenze des bloßen Amüsements hinausreichten. Wirklich Genuß bereitend war die Vorführung der Symphonie „Ländliche Hoch zeit" von Karl Goldmark. Diese idyllische Symphonie «der besser gesagt dieses symphonische Idyll (denn eine Symphonie im strengen Sinne kann das Werk weder feinem formalen noch seinem innerlichen Wesen nach genannt werden) hätte schon vor zwei Jahren im hie sigen Gewandhause, wo es unter Direction des Com- ponisten zu Gehör kam, einen sehr guten Erfolg fand auch gestern wieder die warme Theilnahule und der . Zuhörerschaft. Da» Opus kündigt sich als ein Tongemälde an; jedoch idealisirt der Componist seinen Stoff und gibt eine frische, von Gemüth und einem gewissen Humor (Humor im edler» Sinne) getragene Schilderung der Hauptmomente des im Titel bezeichneten ländlichen Festes, keineswegs nur eine grob realistische, platte Nachbildung oberflächlicher und kunstunwürdiger Aeußer- lichkeiten. DaS Tongemälde besteht aus fünf Sätzen, deren einzelne Ueberschriften lauten: 1) „Hochzeits marsch" (Variationen), 2) „Brautlied" (Intermezzo), 3) „Serenade" (Scherzo), 4) „Im Garten" (Andante), 5) „Tanz" (Finale). Schon die Variationen des ersten Satzes geben gleichwie die Haltung der übrigen Sätze dem Werke weniger einen symphonischen als vielmehr einen suitenmäßigen Charakter. In Bezug auf die Charakteristik wüßten wir kaum einem dieser Sätze den Vorzug vor dem andern zu geben. Der in idealster Stimmung gehaltene Satz ist Nr. 4, welcher uns im Geiste die Liebenden in stiller Zurückgezogenheit von dem lauten Treiben des Festes, das Hangen und Ban gen ihrer Seelen, für welches gerade die Musik die tiefsten und wahrsten Ausdrucksmittel hat, vorführt. In prächtigem Gegensätze zu diesem zarten, sinnigen Tonstllcke steht das Finale, das nicht eigentlich ein Tanz im enger» Sinne (wie man aus der Ueberschrift schließen könnte), sondern überhaupt eine Schilderung des dahinbrausenden tollen Festjubel« ist, in den humo ristisch mehrmals der mahnende Ruf des Nachtwäch- terhornS hineinklingt. Reiner Wohlklang, Einheit und Abgerundethcit der Grundanlage sowie fein überlegte und mit größter technischer Kenntniß ausgefllhrte In strumentation, welche die charakteristisch entworfenen Tonbilder erst in das rechte Licht stellen, sind die for malen, Noblesse und Frische, Unmittelbarkeit der Er findung dagegen die geistigen Hauptvorzüge, denen das Goldmark'sche Werk seine wahlberechtigte, beifällig auf genommene Wiederaufführung zu danken hat. Infolge seiner reich ausgeführten und feinen Orchestration stellt dasselbe an das Bläser- wie an das Streichorchester ziemliche Ansprüche, und cS erübrigt daher nur noch, den ausübenden Herren die vollste Anerkennung aus zusprechen für die höchst animirte Executirung. Die Ausführung der obenerwähnten Gesangsvor träge hatte Frl. Emma Gaspary aus Wiesbaden übernommen. Die junge Dame gebietet über gute Stimmittel; jedoch haben viele Töne noch etwa» Har tes, Scharfes und infolge eines falschen Ansatzes stellen weise HohlcS. Hauptsächlich war Frl. Gaspary in der Arie an ihrem Platze, obwol gerade da in den Stellen, in denen sie sich gehen ließ, die eben ange- deuteten Mängel besonders hervortraten. Für den Liedvortrag fehlt eS Frl. Gaspary an der nöthigen feinen Detaillirung. Man kann nicht sagen, daß der selbe ohne Wärme gewesen wäre, aber es mangelte ihm die höhere geistige Belebung, der ideale Hauch; Wort und Ton gingen nicht ineinander auf; cs machte den Eindruck, als sei die Sängerin innerlich von dem Sinne der zu Grunde liegenden Dichtung noch nicht so recht ergriffen und durchdrungen gewesen. WaS die Violinvorträge des Hrn. Säuret betrifft, so läßt sich selbstverständlich gegen die eminente Fertig keit dieses Künstlers nichts einwenden, wohl aber gegen die Wahl seiner Vorträge, deren erster in einem fünf- sätzigen Concert von Benjamin Godard bestand. Weder ! die Composition noch der Vortrag derselben machte ' einen besonders soliden Eindruck. Erstere ist zwar nicht geistlos und ungeschickt in ihrer Zusammensetzung zu nennen, sie ist aber ein Gemenge von allen Mög lichem und erinnerte lebhaft an jene mit groben Farben gemalte» bunten Bilderbücher, in welchen Lie Phantasie ohne Geschmack und Wahl unvermittelt aus einem Extrem in das andere, von den gewöhnlichsten Possen (man erinnere sich der Canzonetta) plötzlich wieder zu > irgendeiner Schauergeschichte überspringt. Nicht viel.