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2LÄS I scheint, die Fortdauer de» freien Rohleinenver- I lehr» nach Deutschland während eine- UebergangS- fiadium» fallen zu lassen, andererseits Deutschland diese Forderung nicht zugestehen könne, es wol möglich sei, Laß vom 1. Jan. 1880 bi- zur Vereinbarung eine» neuen Vertrages ein „vertragSloscr Zustand" Platz- greifen dürfte. — Am 29. Nov. begeht Prinz Friedrich Karl, der ruhmreiche Feldherr Preußens und des Reiches, seine Silberne Hochzeit mit der Prinzessin Marie Anna von Anhalt-Destau. Die «Post» feiert diesen Tag durch eine Schilderung der Tugenden- und des gemeinnützigen Wirkens der Prinzessin; dann fährt sie fort: Wenn wir hier von der Frau ausführlicher gesprochen, so geschah es darum, weil ihr Leben, weniger gekannt, sich im Innern der Familie vollzieht. Der Prinz schritt mit seinem Wirken, seinen Erfolgen, seinen Thaten der Ge schichte vor, und diese hat ihm zu dem silbernen Strauße schon den goldenen Lorberkranz um die Stirn gewunden. Der Segen einer Ehe hat auch dieser fünsundzwanzigjäh- rigen in den Kindern nicht gefehlt, aber auch di- Prü fungen des Lebens blieben ihr nicht fern. Die älteste der Prinzessinnen trauert in Soestdyck um den früh Heimge gangenen Gemahl, die Erbgroßherzogin von Oldenburg weilt in Genua bei ihrem Gemahl, dessen Leiden glücklicher weise eine Wendung zum Bessern genommen hat, die Kunde vollen ehelichen Glückes kommt von Bagshot herüber aus England, von der Herzogin von Lonnaught. Von den! prinzlichen Kindern ist nur Prinz Fritz Leopold bei dem Familienfeste gegenwärtig — der lange ersehnt den Aeltern nach dem schleswigschen Feldzuge in die Wiege gelegt ward. Den heißen Segenswünschen der Kinder schließen sich zu diesem Tage die der königlichen Familie, der Stadt Berlin, der Armee, des Landes an. Es liegt ein Segen der Dauer über den Ehen in unserm königlichen Hause — möge er auch waltend sein über dem prinzlichen Ehepaar I v Hamburg, 26. Nov. Die Nachricht, daß das Reichökanzleramt bei dem BundeSrathe die Bewilli gung von 300000 M. für die nächstjährige Weltaus stellung zu Melbourne (für Sydney waren nur 200000 M. bewilligt) beantragt habe, dürfte mit um so größerer Genugtuung begrüßt werden, je erfreu licher die Nackrichten sind, welche über den Erfolg unserer Jndustricproducte zu Sydney herüberdringen. In der That stimmen officielle und Privatnachrichten dahin überein, daß nicht allein die deutsche Ausstellung dortsclbst den besten Eindruck macht, sondern auch schon ganz ansehnliche Geschäftsbeziehungen infolge der Aus stellung angeknüpft worden sind; so ist uns ein hiesiges Geschäft bekannt, welches seine ganze, zur Ansstellung gesandte Collection bereits verkauft iznd große Neu bestellungen erhalten hat. Es ist demnach anzunehmm, daß für Melbourne der Eifer der Beschickung seitens deutscher Industrieller ein ganz bedeutender sein und dadurch dort ein ganz anderes Bild deutscher Gewerb- hätigkeit entfaltet werden wird als in Sydney, für welches die Vorbereitungen ja so überaus eilig getroffen werden mußten. Allerdings sind nun manche Verhält nisse in Melbourne weniger günstig als in Sydney; Victoria hat eine stark schutzzöllnerische Zollgesetzgebung, während Neuslldwales freihändlerisch ist, und Sydney ist recht eigentlich die Hauptstadt der Südsee, in wel cher ja der deutsche Handel bekanntlich eine so große Rolle spielt, sodaß hier die Anknüpfungen zahlreicher sind als in Melbourne. Andererseits ist Melbourne die größere Stadt, und scheint Victoria diejenige Co- lonie zu sein, welche am meisten Expansivkraft besitzt; auch sind die deutschen Colonisten in Australien weit zahlreicher in dem auf Melbourne angewiesenen Theile des Landes. So darf denn immerhin auch hier auf einen schönen Erfolg gerechnet werden. — Nach einer die deutsche Abtheilnng der Ausstel lung in Sydney betreffenden Mittheilung der Köl nischen Zeitung sind nach dem Kataloge die 695 deut- . scheu Aussteller in 137 von 566 hier in Betracht kom- menden Ausstellungsklaffen vertreten, eine Leistung, die außer England keine andere Nation aufzuweisen hat. In der Kunstabtheilung speciell dürfte nächst England das Deutsche Reich am stärksten vertreten sein. — Das vorab als selbständige Broschüre gedruckt vorliegende dritte Kapitel eines demnächst in Berlin bei F. Luckhardt erscheinenden Buches führt den Titel: „Die zehn Gruppen der Socialdemokratie." Der Verfasser, ein „praktischer Bürger", macht die liberalen Gesetzgebungsexperimente für die jetzt ein getretenen wirthschaftlichcn und sittlichen Calamitäten verantwortlich und schlägt dann seine Heilmittel vor. „Man setze", ruft er, „dem Materialismus das con- crete Christenthum, der Socialdemokratie die strengste, aber auch wohlwollendste Ordnung, dem Manchester- thum den Schutz der Arbeit, der falschen Humanität das Rechtsbcwnßtscin, dem Liberalismus rationelle Ana- ' lysen und Kriterien seiner Schöpfungen gegenüber." (?) Preußen. x SerUn, 28. Nov. Der K. 28 deS Gesetzes vom 21. Oct. 1878 gegen die gemein- ' gefährlichen Bestrebungen der Socialdemokratie hat folgenden Wortlaut: Für Bezirke oder Ortschaften, welche durch die in 8-1, Absatz 2 bezeichneten socialdemokratischen Bestrebungen mit Gefahren für die öffentlichen Sicherheit bedroht sind, können von den Centralbehörden der Bundesstaaten Anordnungen, soweit sie nicht bereits landesgesetzlich zulässig sind, mit Ge nehmigung de» BundeSrathe» für die Dauer von längsten» einem Jahre getroffen werden. Der heutige StaatS-Anzeiger veröffentlicht die Be kanntmachung des preußischen StaatSministeriums wegen Verlängerung deS BelagerungSstandcS auf Ein Jahr. di.o.o. Bertin, 28. Nov. Die gestrige erste Sitzung der Schanksteuercommission nahm nach ausführ licher allgemeiner Besprechung den eigenthümlichen Ver lauf, daß, nachdem die Berathung sich speciell auf den Z. 1 des Gesetzentwurfes, und zwar auf dessen erste- Alinea, gerichtet hatte, dieser Theil des §. 1, der eigentlich den Kern des ganzen Gesetzes enthält, bei der Abstimmung mit großer Majorität abgelehnt wurde, ohne daß daraus noch mit Sicherheit zu folgern wäre, daß die Mehrheit der Commission geneigt sei, das ganze Gesetz abzulehnen. ES war vorher ein Amende-' ment mit großer Mehrheit angenommen worden, wo nach die Steuer auf den Branntwein beschränkt, nicht auf Bier und andere Getränke ausgedehnt werden solle. Ein anderes Amendement, den Kleinhandel auch mit Branntwein freizulaffen und nur den Ausschank zu treffen, war gegen große Majorität gefallen. Nun war mit dem Alinea, wie eS sich so gestaltete, fast niemand in der Commission recht zufrieden, und so siel es in der Abstimmung; allein die Berathung über die zwei andern Alinea wird diesen Abend wieder auf ! genommen, und eS ist wol möglich, daß der ganze Paragraph für die Besteuerung des Ausschankes und Detailverkaufes von Branntwein allein doch schließlich noch eine Majorität findet. In der Sitzung der Eisenbahncommission am 28. Nov. begründet nach Verlesung der Protokolle der beiden letzten Sitzungen der Generalreferent 0r. Hgmmacher die von ihm vorgelegte Formulirung der finanziellen Garantien. Abg. v. Hüne erklärt namens der CentrumSfraction, daß man im großen und ganzen mit den gemachten Vorschlägen einverstanden sei, daß man aber verlange, daß die Gesetzesvorlage betreffend' die finanziellen Garantien angenommen sei, ehe die Verträge mit den Eiscnbahngesellschaften in Kraft tre ten; dem entsprechend müßten also die Eingangsworte der Hammacher'schen Anträge geändert werden. Der Minister der öffentlichen Arbeiten erklärt, daß diesem Verlangen, das er als MiStrauenSvotum betrachte, nicht stattgcgeben werden könne, weil damit das Zu standekommen der Verträge thatsächlich unmöglich ge macht werde. Auch aus der Commission wird der Antrag des CentrumS bekämpft, von conservativer Seite wird sogar di« Forderung der Extrahirung einer Erklärung der Krone als unthunlich bezeichnet, man könne nach den Erklärungen der Minister daS Ver trauen haben, daß die Garantieforderungen, welche ja in sich so berechtigt, ja so selbstverständlich seien, in kürzester Frist durch Vorlage eines Gesetzentwurfes er füllt werden würden. Das Centrum verwahrt sich dagegen, daß sein Antrag ein MiStrauenSvotum gegen das Ministerium sein solle, ebenso wenig solle es eine Form der Ablehnung der Eisenbahnverträge sein. Minister Maybach erklärt, daß er in den vorgeschla genen Garantien geradezu einen Fortschritt erblicke, daß die Staatsregierung sich schon aus innern Grün den gezwungen sehen würde, die hier ausgesprochenen Gedanken zu realisiren, nur sei die von seilen deS Centrums verlangte Art der Ausführung physisch un möglich. Der Antrag des Abg. Hüne wird mit 12,gegen 8 Stimmen (Centrum, Polen und Fort schritt) abgelehnt, darauf die Eingangsworte nach Vor schlag des Referenten mit 17 gegen 3 Stimmen in folgender Fassung angenommen: Die Commission wolle beschließen: ihre Zustimmung zu dem Gesetzentwürfe „betreffend den Erwerb mehrerer Pri- vateisenbahnen für den Staat" von der Zusage der könig lichen StaatSregierung abhängig zu machen, daß dieselbe dem Landtage noch in gegenwärtiger Session, jedenfalls bei dessen nächstjährigem Zusammentritt, einen Gesetzentwurf vorlegt, der folgende Grundsätze feststellt. Die übrigen Vorschläge deS Generalreferenten wer den nach längerer DiScussion über jeden einzelnen Passus, wobei einige wesentliche principielle Abän derungen vorgenommen werden, festgestellt; da aber die präcisere Formulirung Vorbehalten bleibt, »ersparen wir uns den Wortlaut der gefaßten Beschlüsse, bis diese im authentischen Texte vorliegen. Um 2'/^ Uhr geht die Commission zur Berathung der wirthschaft- lichen Garantieforderungen auf Grund des bereits be kannten Programms über. Abg. v. Hüne bringt namens der CentrumSfraction zwei Anträge ein, welche die Tendenz haben, Abweichungen von den Normal tarifen abhängig zu machen von der Zustimmung des Landtages, während bekanntlich die bisherigen Vor schläge nur verlangen, daß dem Landtage die Normal tarife jedes Jahr als Anlage zum Etat vorgelegt werden und daß Abweichungen von diesen Tarifen nur zulässig seien nach Anhörung (nicht Zustimmung) der Eisenbahnräthe. Die Hüne'schen Anträge werden aus der Commission heraus wie von den Vertretern der StaatSregierung bekämpft, unter Hinweis auf die Rechte deS Reiches in der Tariffrage, auf die mangelnde Sachkenntniß der Volksvertretung in der hier vorlie genden Materie rc. Die Excmplisicirung auf Baiern sei unzulässig, denn erstens sei Baiern in Bezug auf seine Tarife vom Reiche unabhängig, zweitens be schränke sich die Mitwirkung der bairischen Volksver tretung faktisch nur auf die Personentarife, denn bei den Gütertarifen würden gesetzlich nur Maximalsätze festgestellt und zwar Sätze von solcher Höhe, daß der Verwaltung die freieste Bewegung gelassen würde. Hierauf wird die Sitzung auf morgen vertagt. In der Unterrichtscommission stand am 28 Nov. die vielbesprochene elbinger Schulfrage auf der Tagesordnung. Der Referent Graf d'Haussonville wies nach, daß die ministerielle Entscheidung darauf basirt sei, daß der Magistrat nicht nachgewiesen habe, wie die Simultanisirung der dortigen Schule erhebliche Bortheile für das dortige Schulwesen habe. Formell sei daher correct, materiell ebenso auf dem Boden, den die preußische Unterrichtsverwaltung stets gewan delt, entschieden. Er beantragt Uebergang zur Tages ordnung, weil 1) die Umwandlung nicht genehmigt sei, eine Verletzung der Rechte der städtischen Behörden somit nicht vorliege, 2) die Entscheidung in Ueberein stimmung mit den Gesetzen erfolgt sei. Der Unter- staatSsecretär v. Goßler weist den historischen Hergang der Sache nach, rechtfertigt die ministerielle Verfügung nach Lage der Sache, weist das Neue in der Petition (Mischung der katholischen mit den evangelischen Leh rern sei vortheilhaft für die Schule und die Kinder könnten in der Simultanschule in Bezug auf den ka tholischen Religionsunterricht besser versorgt werden) als haltlos nach. Der Correferent Abg. Or. Gneist zeigt zunächst, wie es confessionelle Schulen fast gar nicht, sondern fast nur gemischte Schulen, welche nach be stehendem Schulrecht als öffentliche gemeinsame Schu len anzusehen seien, gebe. Er zeigt, wie für die Pro vinz Preußen für die Verwaltung dieser Schulen ein codisicirtes Verwaltungsrecht in der Schulordnung von 1845 vorhanden sei, wonach die Genehmigung de» Ministers in Schulsachen nur Vorbehalten bleibe bei Gehaltsfragcn, wie aber die Gestaltung des Schul wesens den collegialischen Regierungen mit den Ma gistraten übertragen sei. So habe nun Elbing auch verfahren, bis der Minister das Vorgehen der Stadt inhibirt habe, in der Meinung, die vorgesetzte Regie rungsbehörde habe bisher die Stadt nur gewähren, kaffen. Dem sei nicht so, die betreffende Behörde, die kraft ihrer gesetzlichen Competenz in der Frage einzig entscheidende Behörde habe die Frage zum definitiven Abschluß gebracht. Der Minister dürfe aber als Auf- sichtSinstanz in gesetzlich geordnete Verhältnisse nicht eingreifen, geschehe das, dann seien sämmtliche Schul- verhältniffe stets abhängig vom jeweiligen Minister. In Elbing habe sich nun der Minister an Stelle der Regierung gesetzt und entschieden, wo er nur zu be aufsichtigen habe. Elbing sei also in seinem Rechte. Außerdem sei es nach den Opfern, die Elbing für sein Schulwesen gebracht habe, auch billig, in der Weise nicht zu verfahren. Er beantragt, die Petition der Regierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Nach dem verschiedene Redner dagegen und dafür aufge treten, wurde die weitere Berathung auf Montag vertagt. Die Budgetcommission begann in Gegen wart des Ministers v. Puttkamer und zahlreicher Ver treter des CultuSministeriums die Berathung des Cul- tusetats (Referenten Abg. Virchow und v. Heereman). Bei Kap. 116: Katholische Geistliche und Kirchen, wurde von den Mitgliedern deS CentrumS der An trag gestellt, den Gehalt des altkatholischen Bischofs zu streichen, eventuell denselben als künftig wegfallend zu bezeichnen oder wenigstens den Gehalt unter ein be sonderes Kapitel, nicht unter das Kapitel „katholische Geistliche und Kirchen" zu stellen, da Bischof Rein kens als ein katholischer nicht anerkannt werden könne. Der CultuSminister erklärte sich gegen die Streichung der Position und auch gegen die Veränderung de» Titels. Der Bischof ReinkenS sei staatsseitig aus drücklich anerkannt und unter Zustimmung der Lan- deSvertretung sei der Gehalt festgesetzt. Man solle im übrigen in die Entwickelung der altkatholischen Be wegung nicht eingreifen, sondern abwarten, zu welchem Resultat dieselbe komme. Die Anträge des CentrumS wurden nach längerer DiScussion gegen die Stimmen dieser Herren abgelehnt und auf Antrag des Referen ten in den Text des Titels statt der Worte „für einen neuen katholischen Bischof" gesetzt die Worte „für einen Bischof". Erledigt wurden ferner die die Gymnasien, Universitäten und das Elementarschulwesen betreffen den Kapitel. Der vom Centrum gestellte Antrag, 18000 M. für vier neue Kreisschulinspectoren in den Kreisen Tilsit, Schlochau (oder Tuchel), Waldenburg und Esten abzusetzen, wurde mit großer Majorität abgelehnt. Die Vermehrung des Lehrcrcmeritenfond» um 300000 M. wurde genehmigt. — Die Neue Preußische Zeitung bemerkt über die Eisenbahngarantien: „Schon heute ist anzuneh- mcn, daß die Grundzllge dieses Entwurfes zwischen den entscheidenden Parteien feststehen und demgemäß erhalten bleiben, um so mehr, da auch die königliche