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146 schlSge nur unter der Bedingung gemacht habe, daß die Sequestration auf die an den Staat cedirten Fa- miliengüter dcS Khedive aufgehoben werde. Da diese Bedingung nicht erfüllt worden, sei die Lage dieselbe, die sie vorher gewesen. Der Minister beabsichtigte weitere Schritte zur Aufhebung de» Sequesters, denn eS sei schlechterdings nothwendig, daß bezüglich der Hypothek des Hauses Rothschild eine Regelung ein- trete. Das HauS Rothschild habe erklärt, daß eS ab solut keine Zahlung leisten werde, wenn die Hypothek Glicht geregelt sei. Sobald der Minister von dem Hause Rothschild Zahlung erhalte, würde er den Gläubigern »erhältnißmäßige Zahlungen leisten. Schließlich erklärt der Minister die frühern Anerbietungen de» Unter- paatssecretärS Blum ausdrücklich für nichtig und lehnt jedes Eingehen auf weitere Verhandlungen ab. „Jeder Gläubiger könne thun, was er wolle." * Dresden, 21. Jan. Der zur hiesigen preußi schen Gesandtschaft versetzte Lcgationssecretär Graf Herbert». Bismarck wird demnächst hier eintreffen. Die Strafgewalt des englischen Parlaments über seine Mitglieder. -- Leipzig, 22. Jan. Die den Motiven zu dem Gesetzentwürfe wegen der Strafgewalt des Reichstages Aber seine Mitglieder im Anhänge beigefügten Anfüh rungen über die parlamentarischen Ordnungen anderer Länder sind leider nicht mit veröffentlicht worden. Heber das, was in England in solchen Dingen Brauch ist, gibt eine Schrift Auskunft: „Das englische Parla ment und sein Verfahren", von Thomas Erskine May, Llerk des Hauses der Gemeinen. *) Dieser Schrift «ntnehmen wir folgende Ausführungen (S. 278 fg.): Aeußerungen gegen das Parlament oder eins der Häuser sind verboten. Dergleichen tadelnswerthe Aeußerungen wer den nur in der Leidenschaft gemacht. Zur Ordnung geru fen, muß der Redner den Fehltritt, zu welchem er sich hat Hinreißen lassen, zurllcknchmen oder erläutern, und eine be friedigende Entschuldigung machen. Unterläßt er eS, das Haus in dieser Art zu versöhnen, so wird er mit einem Verweise oder Haft bestraft.. .. Unehrerbietige und schmä hende Aeußerungen über ein Gesetz verdienen gleichen Tadel wie eine gegen da« Parlament gerichtete unschickliche Sprache. Denn darin liegt eine Beleidigung gegen die bei derGesetz- AebuNg Betheiligte». Dergleichen sind auch geeignet, MiS- , achtung gegen das Gesetz in der öffentlichen Meinung zu «xregen.... Die Beschuldigung schlechter oder anderer al« Veic ausgesprochene» Absichten gegen ein Mitglied des Hause«, ' die falsche Wiedergabe der Rede eines andern, die Beschul- , digünsi der Lüge oder Hinterlist, Beleidigung und Be- schmipfung feder Art, all dergleichen ist unparlamentarisch und «fordert sofortiges Einschreiten. . .> - , <! Da« Hays der Gemeinen besteht auf Zurücknahme jeder lbeleidigeitdeu Aeußerung und auf einer Entschuldigung, welche sowol das HauS als das beleidigt« Mitglied befriedigt. Wird die Entschuldigung verweigert, oder will der Velei- ,« digte sich nicht für befriedigt erklären, so beugt das HauS der weitern Verfolgung des Streites dadurch vor, haß es beide Mitglieder dem Sergeant in Gewahrsam gibt. Die Entlastung erfolgt nicht früher, al« bis sich beide dein Hause willfährig zeigen und die Versicherung abgegeben haben, von weitern feindlichen Schritten abstehen zu wollen. Fordert «in Abgeordneter einen andern wegen Aeußerungen, die im Parlament gemacht sind, zum Zweikampfe heräu«, so ist das ein Privilegienbruch und wird al« solcher behandelt, wenn dem Hause nicht eine völlig befriedigende Entschuldigung gemacht wird. Macht ein Mitglied in der Debatte eine Anstoß erregende *) Deutsch von O. G. Oppenheim (Leipzig, H. Men delssohn, 1860). ihm die Achtung selbst derer sichern, die vielleicht an ihm als Herausgeber der „Wolfenbüttler Fragmente" Anstoß nehmen. Bei ihm trifft zu, was sonst selten vorkommen mag, daß in seiner Hand auch die schärfste und wei- testgchende Wahrheit nichts Verletzendes, ja selbst wieder etwas Beruhigendes und Versöhnendes hat — gleich jenem Speer in der alten Fabel, der die Wun den heilte, die er schlug — und zwar darum, weil Messing sich nie des Besitze» einer Wahrheit überhebt, nie unduldsam ist gegen Andersdenkende, wofern nur diese nicht Unduldsamkeit üben, endlich weil man deut- kich erkennt, wie es ihm immer nur um die Wahrheit ganz allein, nicht um den egoistischen Triumph seiner Meinung als der seinigen, viel weniger noch um äußern Ruhm oder Bortheil zu thun ist. Lessing war, was nicht alle Dichter und nicht alle Denker sind, neben dem Dichter und Denker auch ein Mann im vollsten Sinne des Wortes, ein Charakter. Gr hatte einen schweren Kampf mit dem Leben zu be ziehen, und er hat ihn rühmlich bestanden. Er ward nicht kleinmüthig, wie lange er auch angestrengt ringend gegen Schwierigkeiten aller Art um eine Stellung im Leben und in der Literatur kämpfen mußte, und er ward dann nicht übermüthig, als er sich eine solche er kämpft hatte. Nie hat er sich herbeigelaffen, den Großen zu schmeicheln oder sich nur in ihre Nähe zu drängen, aber dem wahrhaft Großen, wo immer er «s fand, auf dem Throne oder im Bürgerhause, hat «r stets gern und ohne falschen Stolz gehuldigt. Ein aufrichtiger Bewunderer der Regententugenden und Oer Ruhmesthaten Friedrich'» de» Einzigen, war er Aeußerung, so sind diese Worte sofort zu vermerken. Ver langt ein Mitglied deren Niederschrift, so wird der Sprecher, fall« es der Wille des Hauses ist, dem Llerk hierzu An weisung ertheilen. Be, Störungen der Debatte durch Zwischenrufe kann der Sprecher die Störer „zur Ordnung" rufen, und wenn die« ohne Erfolg bleibt, sie namhaft machen und dem Hause die Rüge überlasten. E« geschah auch, daß der Sprecher einen solchen Ordnungsstörer anwies sich zu entfernen. Bei einer groben und fortgesetzten Ordnungsstörung wurde der Be treffende nicht nur angewiesen, sich zu entfernen, sondern man beschloß auch, daß er wegen seines ordnungswidrigen Betragens zur Hast gebracht werden solle. Vergehen solcher Art in einem Ausschüße werden dem Hause berichtet, damit es das Nöthige vo,tehre. In gewöhnlichen Fällen ist die Verletzung der Ordnung des Hauses klar und wird von dem Sprecher sofort, ohne Aufforderung, gerügt; in andern Fällen wird er dazu auf gefordert. Er entscheidet ohne weiteres und fordert die wider die Ordnung Verstoßenden aus, sich dem zu fügen, was er für Regel erklärt. Fehlt eS an einer bestimmten Vor schrift, dann überläßt der Sprecher dem Hause die Ent scheidung. Das Aufstehen des Sprechers ist das Zeichen allseitigen Schweigens und das Aushören jeder Debatte. Abgeordnete, welche sich nicht schweigend verhalten, werden von der Mehr heit des Hauses mit lautem Rufe „Orcksr" zur Ordnung gerufen. Es gilt als Regel, daß das Mitglied, über besten Be nehmen Erörterungen stattfinden sollen, sich während der Debatle entfernt, lieblich ist es, dasselbe die erhobene Anschuldigung mit anhören zu lassen und seine Entschul digung zu vernehmen; dann muß es das Hau« verlassen. Ausstoßung aus dem Parlament, zugleich mit Un fähigkeitserklärung zur Wiederwahl, zunächst für die laufende Sitzungsperiode, kam früher (noch in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts) vor, doch kehrten sich die Wähler in dem einen Falle (gegen Wilkes) nicht daran; sie wählten den Ausgestoßenen wieder; das Unterhaus stieß ihn wieder aus. Noch früher (im 16. und 17. Jahrhundert) finden wir auch Beispiele von Ausstoßung mit Verhängung gänzlicher Wahlunfähigkeit. Doch werden solche Fälle als Ueber- schreitungcu der Befugnisse seitens des Unterhauses be trachtet, weil Ein Hau» allein nicht einen Grund der Wahlunfähigkeit schaffen kann, der nicht vom Gesetze aufgestellt ist. „Die Ausstoßung", sagt May (S. 56), „bleibt in der Regel für solche Vergehen Vorbehalten, welche Mitglieder unfähig machen, einen Sitz im Par lament einzunehmen und, falls sie straflos ausgingen, das Ansehen des Parlaments zu beeinträchtigen geeignet sein würden. Man stieß Mitglieder aus, welche sich am offenen Aufruhr betheiligt, welche sich schuldig ge macht hatten des Meineids, des Betruges, der Be stechung bei Ausübung der Pflichten eines Mitgliedes des Hauses oder w^eÄ Schmähungen, mch Vergehen gegön Vas Haus' selbst., Man ließ in der Regel den Abgeordneten an seinem Platze erscheinen, bevor der Beschluß seiner Ausstoßung gefaßt ward." Der Fall, der ganz neuerdings im preußischen Ab geordnetenhause vorgekommen, wo der Präsident sich außer Stande erklärte, eine Privatperson außerhalb des Hauses gegen beleidigende Aeußerungen eines Mit gliedes zu schützen, findet nach englischem Parlaments- rechte seine Erledigung auf andere Weise. Nämlich durch die Fiction, daß die Verhandlungen des Parla ments nicht öffentlich seien, folglich auch die Aeußerun gen der Mitglieder nicht bekannt würden. „Veröffent licht ein Parlamentsmitglied seine Rede" (wir lassen wieder May sprechen, S. 104), „so wird der Druck als eine mit den Verhandlungen des Parlaments in keinem Zusammenhänge stehende Veröffentlichung an- doch nicht blind gegen die Ausartungen gewisser von dem großen Könige zu einseitig gepflegter GeisieSrich- tungen. So hoch er das echt deutsche Wirken Friedrich'» als Regent verehrte, so unerbittlich war und blieb er gegen die von demselben leider bevorzugte und nach geahmte fremdländische Geschmacksrichtung, und eS konnte ihn darin auch nicht beirren, daß er sich damit wahrscheinlich die Gunst des großen Königs und eine ihm selbst zusagende feste Lebensstellung in Berlin ver scherzte. Diese so stolze und dabei doch so bescheidene Mau- neStugend Lessing'», sein unbestechlicher Forschertrieb, seine Selbstlosigkeit in der Aufsuchung und Bertheidi- gung der Wahrheit — möchten doch diese edelsten Eigenschaften eine» hervorragenden Genius von ihm sich vererben auf die, welche in seinen Bahnen wan deln, sei eS auf den Gebieten ästhetischer und philo logischer, oder auf denen philosophischer und religiöser Kritik.' Und möchte in diesem Sinne das Wort in Erfüllung gehen, welche» nach Lessing'S Tode Goethe sprach: „Da du noch lebtest, verehrten wir dich al« einen der Meister. Da du geschieden, gebeut über die Geister drin Geist!" Aus Berlin berichtet die «Post»: „Professor Eduard Meyerhrim ist in der Nacht vom 17. zum 18. Jan. im 71. Lebensjahre gestorben. Ein unheilbare» Nervenleiden hat seinem thätigen Leben ein Ziel gesetzt. Man darf ihn als den Begründer der berliner Genremalerei bezeichnen, die sich zwar im Laufe der Zeit in technischer Hinsicht weit von ihm entfernt, der ihn aber niemal« an GemüthStiefe übertroffen hat. Professor Meyerheim ist der Vater zweier Söhne, Franz und Paul, die sich schon jetzt in der Ge- gesehen." ES werden mehrere Erkenntnisse englischer Gerichtshöfe angeführt, welche in solchen Fällest den wegen Privatbeleidigung Angeklagten verurtheilten — nicht, weil er die Beleidigung im Parlament ausge sprochen, sondern weil er sie veröffentlicht hatte. Na türlich unterliegt dem gleichen Schicksal auch jeder Dritte, der eine solche beleidigende Aeußerung auf eigene Hand zu veröffentlichen wagen würde. Berichte über Parlamentsverhandlungen sind in England nicht ohne weiteres straflos wie bei unS; nur die auf aus drücklichen Befehl eines der Häuser veröffentlichten Be richte sind eS, auch diese erst seit dem berühmten Falle Stockdale gegen Hansard, der sich im dritten und vierten Regierungsjahre der Königin Victoria zutrug, wo bekanntlich der Drucker des Parlaments wegen eines auf Befehl des Unterhauses veröffentlichten Be richts, durch den eine Privatperson sich beleidigt fand, von dem Gericht verurtheilt und gefangen gesetzt ward, was das Unterhaus seinerseits als einen Privilegien bruch betrachtete und an dem Gerichtsdiener, der jenen gefangen genommen, dadurch ahndete, daß esdensel- ben durch seinen Sergeant at arms in das Parla« mentSgefängniß einsperren ließ. Vorn preußischen Landtage. «Lerlin, 21. Jan. Das Abgeordnetenhaus ver handelte in seiner heutigen Sitzung über daS technische Unterrichtswese». Nach dem Anträge der Budgetcommission empfahl der Berichterstatter Abg. Graf Limburg-Stirum,' unter Belassung der Navigations , Steuermanns- und Schiffer schulen bei dem Ministerium für Handel und Gewerbe der Uebertragung des gewerblichen Unterrichtswesen» auf das Cültusministerium in der von der Regierung vorgeschlagenen Weise zuzustimmen. Abg. Frhr. v. Heereman trat diesem Anträge ent- ' gegen, nicht allein weil ex die Leitung des Schulwesens in der Hand des gegenwärtigen Cultusministers mit Rücksicht auf den Culturkampf überhaupt nicht gut- heißen könne, sondern weil er auch die Belassung de» gewerblichen Unterrichts bei der Bauverwaltung aus technischen Gründen für zweckmäßiger halte. Dem Vorschläge der Budgetcommission auf Einsetzung einer ständischen Commission aus Mitgliedern des Cuftus-- Ministeriums, des Handelsministeriums und Bertrrterrr des Gewerbe- und Handwerkerstandes zur Begutachtung wichtiger Verwaltuügsfxagen des technischen Schul wesen» könne ex nur beistilnmen; dagegen empfehle er die MHME E hm'-be«» Mg^ gestellten Amendements, welches "ästch Biertreter htt ReichÄehör- den in jene Commission hineinziehen «olle.Eine solche Vermischung vyn Staats- und Reichsangelegen heiten führe zu deq größten Unzuträglichkeitem Der RegicrungScommissar Geheimräth Jacobi er widerte, daß das technische Unterrichtswesen au» in- nern Gründen nur entweder demjenigen Ministerium,, welches die allgemeinen Fragen des Handels und der Gewerbe zu entscheiden habe, oder dem Cultusmini- sterium unterstellt werden könne. Nachdem durch die. jüngsten Reffortveränderungen das Handelsministerium in nähere Verbindung mit der Verwaltung der Reichs angelegenheiten gebracht worden sei, bleibe keine an dere Wahl übrig als die Uebertragung des technischen Schulwesens auf das Cultusministerium. Den Antrag, schichte der berliner Malerei einen Namen erworben haben, der dem ihre« Vater« Ehre macht. Paul Meyerheim Hal vor zwei Jahren da« Bildniß de« Verstorbenen mit einer Meisterschaft gemalt, die in jedem Zuge von der. Liebe und Verehrung zeugt, welche der Sohn dem Vater zollte. Da« berliner Publikum konnte damal« auf der akademischen Kunstausstellung in die wohlwollenden Züge de« guten alten Meisters blicken, der die Ziele seiner Kunst noch nicht in augenblendender Technik, sondern in geistiger Vertiefung sah. Professor Meyerheim, ein geborener Danziger, war seit 1830 in Berlin ansässig und Mitglied der königlichen Akademie der Künsie." — In Leonberg (Würtemberg) hat da« freche Auftreten, der Bettler die dortigen städtischen Vertretung^ veran laßt, zum Schutze der Einwohner wieder ein OÄWeschenk einzuführen; e« wurde aber zugleich festgesetzt daß nur solche es erhalten, welche eine Stunde lang HM gesägt oder gespalten haben, wozu im untern Rathhausraume Holz, Sägen und Beile bereit gehalten wurden. Da» Ergebniß eine« Monats ist folgende«: Gearbeitet haben 203 Mann; hiervon erhielten nach ihrer Wahl je 20 Pf- 177 Mann und Suppe mit Fleisch 26 Mann. Der Zu lauf hat seit Einführung diese« ArbeitSgeschenkes merklich abgenommen. Im vorigen Winter kamen in jedem Monat durchschnittlich 572 Mann zum Geschenk gegen 203 Mann diese« Jahre«. BiSjetzt wurden 12 Raummeter Holz gesägt und gespalten. Am liebsten arbeiteten die Würtemberger, ihnen nahe kamen die Baiern, am wenigsten gern griffen nach den dortigen Erfahrungen Norddeutsche und Oester reicher zu. — Die Erzählung der Berliner Börsen-Zeitung über in Berlin durch Hrn. Frantz aufgefundene, bisher verloren geglaubte musikalische Werke Johann Sebastian Bach'« wird von anderer gutunterrichteter Seite im Leipziger Tage blatt für erfunden erklärt.