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147 de» Lbg. Luciu- halte auch die Negierung für un zweckmäßig; eine Compctenz des Reiches zur Einwir kung auf daS UuterrichtSwcsen existire nicht, und etwa in Frage kommende Interessen der Post- und Tele- graphcnverwaltung würden genügend durch die Ber- ireter deS Handelsministeriums gewahrt werden können. Abg. vr. Cohn erklärte, daß er den Antrag wegen Ueberweisung auch der landwirthschaftlichen Schulen an das CultuSministerium zurückziehe, ohne jedoch die Motive, die ihn zu der Stellung des Antrages ver anlaßt haben, als völlig unbegründet anzuerkcnnen. Der Minister vr. Friedenthal trat dieser letzten Ansicht entgegen und entwickelte mit Bezug auf seine früher» Erklärungen noch einmal die Nothwendigkeit, di« landwirthschaftlichen Schulen bei dem Ressort deS landwirthschaftlichen Ministerium« zu belassen, da ihnen hier allein eine gedeihliche Entwickelung gesichert sei. . Abg. Lucius stellte zu dem Vorschläge der Com mission daS Amendenient, der als Beirath fungirenden Commission insbesondere auch die Frage der Berech tigung zum einjährigen Militärdienst zur Begutachtung zu überweisen. Abg. Miquel erklärt sich mit diesem Zusatze ein verstanden und empfahl im übrigen die Annahme der CommissionSbeschlüste, deren Hauptbedeutung er in der Zuziehung von Vertretern des Handwerkerstandes in den Beirath fand, da Preußen gerade in der Ent wickelung der Handwerkerschulen hinter allen andern Staaten weit zurückgeblieben sei. Abg. Techow schloß sich dem Vorredner an, wünschte jedoch den weiter gehenden Antrag der Budgetcommis- fion, welcher die organische Einrichtung eines obersten UntcrrichtSratheS fordert, in die mildere Form zu klei den, daß dem Unterrichtsminister anheimgegeben werde, die Zweckmäßigkeit einer solchen Einrichtung in Er- wägung zu ziehen. Der RegierungScommiffar Geheimrath Greiff er klärte namen« des Unterrichtsministers, daß derselbe dem technischen Unterrichtswesen die sorgsamste Pflege augedeihcn lasten werde, fall» der Antrag auf Ueber weisung Annahme finden sollte. Die unbedingte For derung eines obersten UnterrichtSratheS halte er für unzweckmäßig, da die Erfahrung die Nothwendigkeit eines solchen Organ» noch nicht nachgewiesen habe. Gegen die vom Abg. Techow vorgcschlagene mildere Fassung habe die Unterrichtsverwaltung kein Bedenken. Abg. Virchow, al» Urheber des Anträge» wegen Ein richtung de» obersten UnterrichtSratheS, erklärte sich mit der Fassung deS Techow'schen Antrages vollkom- : men einverstanden, da ihm nicht» ferner gelegen, al» dem UnterrichtSminister durch seinen Antrag ein ge wisses MistraueuSvotum zu geben. Er wünschte nur, daß das Ministerium bei der Sammlung des Mate rials zur Beurtheilung der Erfahrungen, die man in andern Staaten mit einer solchen Behörde gemacht habe, namentlich auch die Erfahrungen Italiens be rücksichtige. Die Anträge der Budgetcommission wurden hier auf, soweit sie sich auf die Einrichtung eines Unter- richtsratheS bezogen, in der Fassung des Abg. Techow, im übrigen aber unverändert genehmigt. DaS HauS erledigte sodann die einzelnen Special positionen deS auf das technische Unterrichtswesen be züglichen Etats. Abg. Rickert nahm hier zunächst aus dem Statut der technischen Hochschule Veranlassung, der Regierung sein Bedenken auszusprechen, daß die wichtige Aus bildung von Schiffsbautechnikern nicht in genügender Weise vorgesehen sei. Geheimrath vr. Wehrenpfennig erwiderte, daß in dem Statut zunächst nur die allgemeinen Abtheilungen festgestcllt worden seien, während die Gruppirung der selbe» dem später» Regulativ Vorbehalten bleibe. Hieraus erkläre sich, daß die Schiffsbautechnik, die . keine besondere Abtheilung für sich bilde, in dem Statut nicht erscheine; die Regierung sei aber bestrebt, Diesen wichtigen Theil des technischen Unterrichts nach Drästen zu fördern. Ein Novum des Statuts der ^technischen Hochschule sei der Versuch, die FacultäiS- einrichtung der Universität zum ersten mal auf solche Schalen zu übertragen. - Auf die Anfrage des Abg. Hornemann erwidert der Geheimrath Wehrenpfennig, daß der Name einer „technischen Hochschule" dem berliner Institut durch aus nicht den Charakter einer Centralanstalt gegen über den parallelen Instituten in Aachen und Hannover zu geben bestimmt sei. Den Polytechniken in Aachen und Hannover wird demgemäß nach dem Anträge Hornemann gleichfalls die Bezeichnung technischer Hoch schulen gegeben, und der Etat im übrigen unverändert bewilligt. ' Im Anschluß an denselben kam der Bericht der Unterrichtscommission über die Reform des Gewerbe schulwesens zur Berathung. Es handelt sich in dem- selbcn vorzugsweise um die Streitfrage, ob die höhere Gewerbeschule mit neunjährigem CursNS berechtigt sein soll, ihren Abiturienten den Zutritt zur Staatsprüfung für das Maschineningenieurwesen und für das Hochbau- und Bäuingenieurfach zu gewähren. Mehrere Peti tionen aus Architektenkreisen sprechen sich mit Ent schiedenheit gegen einen solchen Schritt auS, da durch eine Beseitigung der Bedingung des MaturitätSexamen» an einem humanistischen Gymnasium die Stellung der Architekten gegenüber den übrigen höher» Berufskreisen hcrabgedrückt werde. Der Berichterstatter Abg. v. Bunsen hob dagegen hervor, daß diese Auffassung auf einer falschen Schätzung der neuen höher» Gewerbeschule beruhe, die, wen» auch ohne Latein, im übrigen thatsächlich den Charakter einer vollen Realschule trage und durch die höhere Ausbildung im Zeichnen, in der Mathematik, de« Naturwissenschaften, den neuern Sprachen rc. die beste Vorbildung für die Techniker des Baufaches gewährleiste. Abg. Windthorst-Meppen hielt die Concurrenz der höhern Gewerbeschule mit der Realschule für die letztere nicht unbedenklich. Glaube man, daß das Latein für die technische Ausbildung überflüssig sei, so möge man eS aus der Realschule entfernen, nicht aber neben der Realschule mit Latein noch eine solche ohne Latein be gründen. Unter allen Umständen sei eS nicht rathsam, der Entschließung de» neuen Ressortchefs vorzugreifen und jetzt eine Entscheidung zu treffen, bevor der CultuSminister Gelegenheit gehabt habe, die Frage zu prüfen. Er beantragte daher die Ueberweisung der Petitionen an die Regierung zur nochmaligen Er wägung. RegierungScommiffar Geheimrath Jacobi erklärte namens des HandelSminister», daß er nur mit schwerem Herzen einen Entschluß gefaßt habe, welcher den Wün schen zahlreicher und angesehener Techniker widerspreche; eine große Zahl der letzter» habe sich jedoch im ent gegengesetzten Sinne ausgesprochen, und da er selbst fest überzeugt sei, daß die von der Regierung vor geschlagene Reform den Bedürfnissen entspreche. Geheimrath Bonitz bemerkt dem Abg. Windthorst, daß der CultuSminister allerdings bereits die vor liegende Frage geprüft und die Erklärung abgegeben habe, daß die Entscheidung des Handelsministerium» durchaus der Tendenz des künftigen Unterrichtsgesetzes entspreche. Abg. Seyffardt drückte seine große Befriedigung über den Umschwung in den Ansichten der Regierung aus, welcher den Bedürfnissen der technischen Ausbil dung mehr als bisher gerecht werde. Geheimrath Wehrenpfennig erklärte, daß bisher nur drei Commune» sich bereit gezeigt hätten, ihre bisherigen Gewerbeschule» zu technischen Mittelschulen zu machen, während der bei weitem größte Theil eine neunklassige Gewerbeschule herzustelle» beabsichtige. Abg. Rauthe wünscht, daß der Staat die Hälfte der Kosten für die Einrichtung der technischen Mittel schulen tragen möge. Abg. Lucius hält für ein ebenso wichtige» Moment die Berechtigung zum einjährigen Dienste. Die Fortsetzung der Berathung wurde bi» Mitt woch 11 Uhr vertagt. Deutsches Reich. X Berlin, 21. Jan. Ueber die von mehrer» Blät tern gebrachte Nachricht, daß der Reichskanzler den Gesetzentwurf betreffend die Strafgewalt des Reichstages zurückziehcn werde, ist in zuständigen Kreisen nichts bekannt. Heute hatte das StaatSmini- sterium eine Sitzung im Conferenzzimmer deS Abge ordnetenhauses. Wie man hört, handelte eS sich in derselben unter anderm um die Stellung deS StaatS- ministeriums zu dem Gesetzentwürfe über die Straf gewalt deS Reichstages und zu dem im Abgeordnctcn- hause vorliegenden Anträge über diesen Gegenstand. — Bei Besprechung der Frage wegen Abänderung der Geschäftsordnung kommt die (LaSker'sche) Berliner Autographirte Correspondenz zu einem ganz ähnlichen Resultat wie wir, indem sie sagt: „Es ver dient vielleicht erwogen zu werden, ob nicht bei beson ders gravircnden Fällen die Entziehung des Wortes sofort beim ersten Ordnungsrufe eintreten und ob nicht der Präsident, ohne erst an da» HauS eine An frage richten und dessen Entscheidung abwarten zu müssen, selbständig das Wort entziehen könnte. ES ist für den Präsidenten ungemein schwer, sein Urtheil über die Ausübung seiner amtlichen Befugnisse unter eine Abstimmung des Hauses zu stellen, und anderer seits ist das HauS kaum in der Lage, ohne mit seinem Votum zugleich die Absetzung des Präsidenten zu de- cretiren, einem Redner das Wort zu lassen, dem der Präsident dasselbe zu nehmen beantragt. Ohne zu sagen, daß dies schon als das äußerste DiSciplinar- mittel volle Wirkung ausüben würde, ohne zu sagen, ob eS rathsam wäre, dieses Mittel bei uns cinzufüh- ren, möchten wir damit nur die Linie andeuten, in der überhaupt solche Dinge sich bewegen können." Die National-Zcitung stimmt dem bei, indem sie ihrer seits schreibt: „Die alsbaldige Entziehung des Wortes durch den Präsidenten ohne weitere Anfrage an das HauS gegenüber einem Redner, der sich grobe Aus schreitungen gestattet, scheint uns zunächst jede weitere Maßregel überflüssig zu machen, sie hat in dieser Hin ¬ sicht etwas vom Ei deS Columbu». Ruht ein solches Mittel in der Hand des Präsidenten, so gelingt es vielleicht einem Redner» welcher der Ordnung deS Hau se» spotten will, ein Epigramm in die Versammlung zu werfen; allein eine systematische Verhöhnung, wie sie bisjetzt stattfinden konnte, ist dann ausgeschlossen." Fast wörtlich dasselbe, wa» wir in unserm gestrige» Leitartikel gesagt haben. Berlin, 21. Ian. Eins der beliebteste» Argumente gegen die Behauptung, daß die Wiederein führung von Getreide- und Biehzöllen Brot und Fleisch vertheuern werde, ist der Hinweis auf die „That- sache", daß durch die Aufhebung der Mahl- und Schlacht steuer Brot und Fleisch nicht billiger geworden seien. Mit dieser angeblichen „Thatsache" hat eS eine eige»- thümliche Bewandtniß. In jeder lebhaften Debatte ist e» ein beliebter Kunstgriff, Dinge, die man nicht be weisen kann, mit der Phrase „wie allgemein bekannt" oder einer ähnlichen Redewendung über alle» Zweifel hinauszuheben. Jene „Thatsache" schmeckt stark nach diesem Verfahren. Uns wenigstens ist nichts davon bekannt, daß sie durch statistische Belege bewiesen sei. Auch wenn dies aber der Fall wäre, so würde sich immer noch einwenden lassen, daß ohne die Aufhebung der Schlacht- und Mahlsteuer die Preise für Fleisch und Brot, infolge der eingetretenen Entwerthung des Geldes, höchst wahrscheinlich noch gestiegen sein würden. Und wer auch das nicht gelten lassen will, der möge sich doch die Frage vorlegen, ob die „Thatsache", daß die Abschaffung der Schlacht- und Mahlsteuer auf die Fleisch- und Brotpreise ohne Einfluß gewesen, wirklich zu dem Schluß berechtige, daß die Einführung von Getreide- und Viehzöllen von derselben Einflußlosig- keit sein würde. Die Erfahrung läßt vielmehr das Gegentheil annehmen. Jeder, der das praktische Leben kennt, weiß, wie leicht die Preise, sobald nur der lei seste Grund, ja nur ein Borwand dazu gegeben ist, in die Höhe gehen, wie überaus schwer sie aber von einer einmal erreichten Höhe wieder herabsinken. Wen» die Getreide- und Viehpreise steigen — und das müssen sie, sofern die Absicht eines „Schutzes der einheimische» Landwirthschaft" überhaupt erreicht werden soll —, so ist nicht allein selbstverständlich, daß Bäcker und Fleischer den von ihnen gezahlten Mehrbetrag auf die Consu- menten abwälzen werden, sondern e» liegt auch durch aus in- der Natur der Sache, daß die infolge dessea eintretende Preissteigerung von Brot und Fleisch im Kleinverkauf erheblich größere Verhältnisse annehme» wird, als durch die Verthcuerung de» Rohmaterial» an und für sich bedingt wäre. Da» alles ist so klar, daß man schlechterdings nicht begreift, wie darüber noch gestritten werden kann. Zu rechter Zeit werden eben die Wirkungen einer am 1. Dec. vo» der Stadt Stuttgart eingrführten Bier- und Fleischsteuer bekannt. Die Auflage auf Bier betrug O,vs M. pro Hektoliter; im Kleinverkauf aber stieg der Bterpreis infolge dessen derart, daß sich das Hektoliter um volle 2 M. ver- theuerte. Auf 100 Kilo Fleisch wurde eine Abgabe von 6 M. gelegt; die infolge dessen eingetretene Preis steigerung des Fleisches im Einzelverkauf aber reprä- sentirt eine Bertheuerung von durchschnittlich 12 M. pro 100 Kilo. Eine schlagendere Widerlegung des aus der Abschaffung der Mahl- und Schlachtsteuer in den preußischen Städten hergenommenen argumentum a contrario ist nicht denkbar. Die gänzliche Un haltbarkeit der in dem Schreiben de« Reichskanzler» an den sächsischen LandeSculturrath entwickelten Moti- virung des Zolls auf landwirthschaftliche Producte al» einer Ausgleichung gegenüber der von dem inländischen Produceuten zu entrichtenden Grund- und Gebäude steuer ist bereits nachgewiesen worden. Angenommen aber, die Motivirung wäre richtig, so würde die logische Folge stin, daß alle unsere exportirenden Landwirthe zu der Forderung einer entsprechenden Rückvergütung der von ihnen gezahlten Steuer berechtigt wären. Noch mehr aber: jenes Ausgleichungssystem, in Bezug auf die Landwirthschaft angewandt, würde nothwendig auch der Industrie gegenüber platzgreifen müssen. Alle un sere exportirenden Industriellen würden demgemäß auch- eine Rückvergütung ihrer Gewerbe- und Gebäudesteuer' verlangen können. Damit würden wir in ein System von Exportbonificationen hineingerathen, welches, vo» seiner wirthschaftlichen Seite ganz abgesehen, den finan ziellen Erfolg der neuen Zollpolitik wieder aufheben würde. An derartigen ungeheuerlichen Consequenze» erkennt man wieder einmal, daß die schlimmsten Theo- - retiker die sogenannten Praktiker find. — Aus den Ergebnissen der TabackSenquete führen^ wir folgende interessante statistische Ergebnisse an: Es sind im deutschen Zollgebiet im Jahre 187? abge- seht worden: 4,982046 Mille Cigarren, darunter Noch nicht 200000 Mille Ligaretten, ferner 751614 Ltr. -Nanchtaback, 126247 Ltr. Schnupftaback und ungefähr 50000 Ltr. Kau-- taback. Die Zahl der Tabacksverbraucher hat die Enquete nicht ermittelt; man nimmt sie nach anderweiten Schätzungen allgemein auf 8—10 Mill. Köpfe an, nahezu die Hälfte der gesammten männlichen Bevölkerung; es entfallen durch schnittlich auf jeden einzelnen etwa 500 Ligarren, 8 Pfd. Rauchtaback, 1 7, Pfd. Schnupftaback und ', Pfd. Kautaback. Der Verbrauch de« weiblichen Geschlechts fällt der Landes» sittc gemäß nicht in« Gewicht, verausgabt sind für diese»