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2148 dir etatSmäßiger Posten jür Zeit sich noch nirgendwo erledigt finde. Biel Ergötzen ruft »S hervor, daß die ministerielle «Zeit», indem fie die Stel lung der Regierung zu den Wahlen bespricht, fich, als auf eine weitere beachtenüwerthe Stütze, auf die Aeußexungen des Grafen v. Schwerin in seinem bekannten Wahlmanifest beruft. Den Grafen v. Schwerin, meint die «Zeit», könne man schon anführen; er sei ein Mann, „dessen Vater landsliebe und Einsicht niemand in Zweifel stellt". DaS ist alles gewiß sehr richtig; aber das Ergötzliche liegt darin, daß im verflossenen Monat in der selben ministeriellen «Zeit» und auS Anlaß desselben Wahlmanifestes deS Grafen v. Schwerin noch zu lesen war, der edle Graf sei ein für den Thron gefährlicher Mann. — Die National-Zeitung bespricht die Verfügung wegen der Wahlen in meist anerkennender Weise. Nur über die in dem Erlasse ertheilte Weisung, daß Beamte, bevor sie ein Mandat annehmen, erwägen sollen, „ob sie sich mit der StaatSregierung dergestalt im Einklänge befinven, um dieselbe in ihren Anträgen und Beschlüssen unterstützen zu können", bemerkt sie: „Unter allen Zeitverhältnissen ist eS für einen rechtlichen Abgeordneten schwer, im voraus zu sagen, ob er drei Jahre lang im Stande sein werde, demselben Führer auf allen Wegen zu folgen. Wie vielerlei Umstände kön nen eintreten und Gesetzentwürfe der verschiedensten Richtung zu Tage för dern: soll nun ein einzelner, der bestimmte Ueberzeugungen hat, sich zur Unterstützung sämmtlicher im voraus verpflichten? Und warum ist es nö- thig, daß ein Regierungsrath in seiner Eigenschaft als Abgeordneter jeder Vorlage der Regierung zustimme? ist eS doch selbst in dem letzten Abge ordnetenhaus« den Herren Landräthen erlaubt worden, gegen das Gebäude- steuer- und das Ehescheidungsgesetz zu stimmen, hat doch überhaupt dieses denkwürdige HauS den, wie man meinen sollte, für immer mustergültigen Beweis geliefert, daß es eine unbedingt zuverlässige ministerielle Schar nun einmal nicht geben kann! Wer aber möchte sich jetzt vollends für die Zu kunft verbargen! Wir sagen ja nicht, daß binnen drei Jahren die Lose über SeiAOder Nichtsein geworfen sein werden; aber manches ändert sich vor unfern Augen, und die Achse müßte zuvor feststehen, um den sichern Kreislauf um sie zu ermöglichen. Bei den nächsten Wahlen ist eine gewisse Freiheit unvermeidlich, und selbst die Abhängigkeit und Anhänglichkeit, die sich so nennen wollte, wäre freie Wahl und Willkür. Die Ministeriellen wer den sich in der Kammer ohne Veranstaltung finden, wie sich in der vo rigen Kammer die Ministeriellen trotz der Veranstaaltung verlaufen und verkrümelt haben." Die «Zeit» sagt über diesen Theil deS CircularS: „Es versteht sich pon selbst, daß die Regierung nicht gewillt sein kann, die Vertrauensbe weise abzulehnen, welche das Land durch Beamtenwahlen ihr zu geben ge neigt ist, oder ihren Organen diejenigen politischen Rechte zu verkümmern, Welche die Verfassung in dem Art. 75 ihnen ausdrücklich verbürgt hat. Der Beamtenstand Preußens hat durch Redlichkeit, Gewissenhaftigkeit, Fleiß und Eachkenntniß von jeher eine so hohe Stellung eingenommen, daß seine Aus schließung auS dem Abgeordnetenhause unfehlbar einer moralischen und gei stigen DiScreditirung der Volksvertretung gleichkommen würde. Eine solche Absicht liegt der Regierung fern. Sic hat überdies auch keinen entscheiden den Einfluß, da sie weder daö active noch daS passive Wahlrecht irgend wie zu beschränken befugt ist. Sie muß aber allerdings wünschen, daß ein Staatsdiener, welcher eine Vollmacht für das Abgeordnetenhaus übernimmt, weder die Obliegenheiten seines amtlichen Berufs vernachlässige, noch mit den Pflichten gegen seine vorgesetzte Behörde in Widerspruch gerathe. Wo die Uebernahme eines doppelten Berufs eine unausfüllbare Lücke in der Wirksamkeit oder einen unauflösbaren Conflict in den Ueberzeugungen des Beamten herbeiführen würde, da muß das alte Gebot entscheiden, daß nie mand zweien Herren dienen könne. Die Regierung darf diese Fragen nur dem Gewissen der Beamten zur Lösung übergeben und hat sich daher auf eine Andeutung ihrer Ansicht beschränkt, um sich überall innerhalb des Be reichs ihrer Befugnisse zu halten." — Dem Nürnberger Korrespondenten wird aus Berlin geschrieben: „Die vor einiger Zeit von dem Frankfurter Journal gebrachte Nachricht, sämmt- ltche Temme'sche Schriften seien in Preußen verboten, wurde zwar von der Kreuzzeitung demcntirt oder vielmehr durch die Mittheilung abgeschwächt, die Romane Temme's seien nicht «im allgemeinen», sondern nur in den Leihbibliotheken verboten. Wir können jedoch auf Grund genauer Erkundi gungen versichern, daß die Maßregel unmittelbar aus dem Ministerium des Innern hcrvorgegangen ist. Man erzählt sich, daß ein bekannter Nath die ses Ministeriums, dem neuerdings bei den Wahlen eine Stellung zugewie- scn ist, sich in einer der Erzählungen Temme s porträtirt glaubte und hier auf dem Minister des Innern das VcrbotSdecrct zur Unterzeichnung vor- legte, was denn Hr. v. Westphalen auch sofort that. Uebrigens ist es be kannt, daß unter dem Ministerium Westphalen auch indirecte Bücherverbote ergingen, indem dasselbe lithographirte Schreiben an die Buchhändler er ließ, worin cs hieß, «das Ministerium würde cs ungern sehen, wenn Sie sich mit dem Vertrieb des und des Vuchcö befaßten» re. Daß ein solches Schreiben als eine Verwarnung, ja als ein Verbot selbst angesehen wurde, ist natürlich." — Der Frankfurter Postzeitung schreibt man auS Thüringen vom 27. Oct.: „Dic Mitglieder der Freien Gemeinden beginnen wieder sich zu rcgcn. So beabsichtigen dieselben in Magdeburg, die polizeilich aufgelöste Freie Gemeinde von neuem zu constituiren, ein gleiches ist zu Nordhausen, > Halberstadt re. im Werke. Ueberdies wird aber auch dem demnächst zu wäh lenden preußischen Landtage eine Eingabe der sämmtlichcn Gemeinden einer freier» religiösen Richtung au» dem Königreiche Preußen vorgelegt werde», in welcher um Ertheilung corporativer Rechte an die betreffenden Gemein den und damit um Beseitigung der bishts «wSgeübten polizeilichen Beauf sichtigung gebeten werden soll." — AuS Barmen vom 27. Oct. wird der Elberfelder Zeitung geschrie ben: „Heute ist ein Sendling der in Württemberg wurzelnden Sekte, die sich «Verein der JerusalemSfreunde» nennt, von hier polizeilich ausgewiesen worden. Unter dem officiellcn Titel eines Evangelisten Halts sich derselbe hier längere Zeit aufgehalten, und eS soll ihm gelungen sein, verschiedene Bewohner unserS Thals für die Sekte zu gewin.uen und denselben die Ab sicht der Auswanderung nach Palästina beizubringen." Oesterreich. Litvien, 28. Oct. Man irrt im AuSlande, wenn man glaubt, daß die klerikalen Ansprüche und Bestrebungen eine Aufregung hcrvor- gerufen. Im Gegentheil ist die Lroßc Mehrheit der Bevölkerung diesen Be-, strebungen gegenüber gänzlich indifferent und betrachtet dieselben mit dem selben Gleichmuth, als ob es sich um ganz fremde Zustände handeln würde. Es liegt aber gerade in dieser Gleichgültigkeit der Bevölkerung eine Wahr heit, die man an gewisser Stelle nicht übersehen sollte. Die große Mehr heit unserer Bevölkerung ist nämlich in den joscphinischen Anschauungen erzogen, die den klerikalen Bestrebungen nichts weniger als günstig sind. Obgleich nun seit Jahren große Anstrengungen gemacht werden, die Jugend in entgegengesetzter Richtung zu bearbeiten, so scheint der Erfolg den kle rikalen Bestrebungen doch kein günstiger gewesen zu sein, und ich glaube auch nicht, daß Oesterreich, mit Ausnahme einiger LandeStheile, jemals ein günstiger Boden für die mittelalterlichen Tendenzen einiger Bischöfe sein wird. In einem Lande, wo die Beamten, daS Militär und die überwie gende Mehrheit der Bewohner den ultramontanen Anschauungen entgegen sind, ist auch gar nicht zu befürchten, daß die klerikalen Uebergriffe zu weit gehe» werden. Man ist darum auch hier im ganzen sehr indifferent gegen dic von einigen fanatischen Journalisten gepredigte Priesterherrschaft und läßt die frommen Herren im stillen gewähren. DaS große Publikum glaubt nämlich noch immer, daß cs dic frommcn Herren nicht ernst meinen, und kann überhaupt nicht begreifen, wie man in unserer Zeit mit solchen An forderungen reussiren zu können glaubt. In dieser Indifferenz des größern Publikums liegt aber auch die Mahnung, die Sache nicht aufs Acußerste zu treiben, und glaube ich, daß man gut thun würde, sich die Einmischung in die Preßgesetzgebung aus den, Sinne zu schlage», weil dem großen Hau fen endlich doch einmal die Augen aufgehcn können. H von der österreichischen Grenzt, 26. Oct. Die jetzt in der öster reichischen Armee staltfindenden Bewegungen werden zwar von der Presse möglichst ihrer drohenden, beunruhigenden Natur entkleidet, aber doch nicht ganz demcntirt. Und wie sehr sie auch niit der neulich angekündigten Re- duction sowie niit der bekannten Finanzlage des StaatS im Widerspruch zu stehen scheinen, so erklären sic sich doch leicht aus der gegenwärtigen Con- stellation der ganzen Politik. In der That sieht sich Oesterreich jetzt an seinen beiden verwundbarsten Seiten, in Italien und an der türkischen Grenze, mit Angriffen, wenigstens mit Beunruhigungen bedroht. In Italien ver mehrt Frankreich sein römisches Occupationsheer und macht aus Civita- Vecchia eine starke französische Festung und einen KriegShafen, während Sardinien fortwährend in seiner drohenden Stimmung und Stellung Oester reich gegenüber verharrt. An der Donau aber wird die dem griechischen Glauben und Rußland anhängende Bevölkerung der Türkei immer unruhi ger, während der Zar in seiner unversöhnlichen Stimmung gegen Oester reich bleibt, wie man dies neulich in Warschau gesehen hat. Eine solche politische Lage, im Osten und Westen den Planen zweier Großmächte gr- genübergestellt, welche beide die Macht wie den Willen haben, Oesterreich zu schaden, räth diesem, auf seiner Hut zu sein und für mögliche, bereits drohende Fälle die Armee zu seinem Schutz bereit zu halten. Zwar steht England noch auf Oesterreichs Seite, allein wie ohnmächtig der englische Schutz für dasselbe bei Landkriegen ist, hat die Erfahrung gezeigt. Was hat Eng land Oesterreich in den Kriegen von 1792 —1809 genützt? ES hat die ihm nachtheiligcn Friedensschlüsse von Campo-Formio, Luneville, Presburg und Wien und die damit verbundenen großen Länderverluste nicht verhin dern können. Gleiches würde auch jetzt stattfinden, wenn cs auch, wie zu hoffen steht, Frankreich und Rußland nicht gelingt, England in ihr pro- jectirtcs Netz einer Tripleallianz zu verstricken. Ob Preußen, ob die mitt ler» und kleinern deutschen Staaten, die ihrer Natur nach jeden Krieg fürchte», das Schwert für Oesterreich in einem Kriege ergreifen würden, welcher in Serbien, Siebenbürgen und am Po, also fern von den deutschen Grenzen, geführt werden, wenigstens beginnen würde, das steht dahin. Den» die neue preußische äußere Politik hat sich noch nicht ausgesprochen. Erwägt man dazu, daß die Stimmung der Ungarn und Italiener seit 1848 noch keineswegs eine andere geworden, daß man auch durch das Cöncordat den Samen der Unzufriedenheit selbst in den Erbstaaten auSgestreut hat, so er scheint es ganz erklärbar, wenn Oesterreich an einem möglichen Vorabende großer Begebenheiten sein Heer nicht weiter reducirt, sondern für etwaige Fälle in Bereitschaft hält. — Der Berliner Börsen-Zeitung schreibt man auS Wien vom 26. Oct.: „Graf Gyulay ist der directe Antagonist des aufgeklärten, gerechten Erz herzogs Mar und der Reichsrath in Wien contrecarrirt alle Maßregeln des Prinzen. Man hat ihm Versprechungen gemacht und er, als ehrlicher Mann, glaubte denselben und theilte sie dem ihm anvertrauten Volke mit. Jetzt will man die Durchführung der verheißenen Verbesserungen hintertrei ben; man fürchtet, daß unter der aufgeklärten Negierung deS Erzherzogs