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2149 «Nor Italien sehr schnell die andern Provinzen überflügeln könnte. Auch hier mischt sich dvr UltramontaniSmuS ein. Die Absicht des Erzherzogs, da« gesammte Schulwesen neu zu organistren und der vereinigten Akademie zu unterstellen, hat bei ihm und beim Grafen Thun Schrecken erregt. Man wollte deutsche Wissenschaft in Italien verbreiten, und ist deshalb, nur deshalb dem Plane deS Erzherzogs entgegen. Die Bevölkerung NorditalienS, nament lich Mailands, war so bestürzt über die Abreise des Erzherzogs, daß die amtliche Mailänder Zeitung einen BeruhigungSartikel zu Wringen für nöthig hielt und seine baldige Rückkehr annonrirte. Der Erzherzog ist in derThat wieder in Miramare eingetroffen; ob er auf seinem Posten bleibt, hängt davon ab, daß man ihm die Befngniß ertheilt, die nöthigen und vielfach versprochenen Reformen auch thalsächlich durchzuführen." — AuS Meran vom 24. Oct. wird der «Zeit« geschrieben: „Am 20. Oct. ist der einige Tage zuvor hierselbst verstorbene KreiSgerichtSrath Cla- sen auS Ukcrmünde durch den Hofprediger Snethlage zur Ruhe bestattet worden — ein Fall, der hier biöjetzt einzig dasteht, indem bisher keinem Protestanten die Begleitung eines Geistlichen seiner Kirche hatte werden dürfen. Dieser hielt zunächst im Tranerhause eine kurze Ansprache und an der Gruft die Liturgie nach evangelischem RituS." Schweiz. AuS Genf vom 27. Oct. schreibt man der Kölnischen Zeitung: „Die FlwchtlingSfrage, welche einen ernstlichen Conflict zwischen dem schwei zer Bundesrathe und dem Staatsrathe von Genf in Aussicht stellte, ist faktisch geschlichtet; die fünf compromittirtesten Flüchtlinge verlassen freiwil lig Genf, indem die übrigen hier verbleiben können." Italien. Sardinien. Auch im Königreich Sardinien hat die jüngste Mili- täraushebung in sanitätlich-statistischer Beziehung zu traurigen Wahr nehmungen geführt. Von 52068 Militärpflichtigen wurde die größere Hälfte dienstuntauglich, befunden. In der Provinz Turin mußten 40 Proc., in der Provinz Saluzzo 44>«nd in der Provinz Aosta gar 60 Proc. zurück- gewiesen werden. Neapel und Sicilien. Man schreibt der Kölnischen Zeitung auS Neapel vom 23. Oct.: „Man hat das Vorhandensein der Note deS Hrn. Carafa an die wiener Regierung in Abrede gestellt. AuS bester Quelle er fährt man jedoch, daß der König von Neapel eine dem Inhalte dieser Note ähnliche mündliche Antwort auf die Vorstellungen gegeben hat, welche der General Martini im Namen der österreichischen Regierung in Neapel ma chen ließ. «Mir ist eS vollständig gleichgültig», so lauteten des Königs Worte, «ob die.Beziehungen meiner Regierung zu den Westmächten wie der ausgenommen werden oder nicht; denn mein Land genoß nie einer grö ßern Ruhe, alS die Repräsentanten dieser beiden Mächte in Neapel waren und sich ohne Aufhören bemühten, eine gewisse Aufregung zu unterhalten. Ich sehe daher nichts, waS mich die Unterbrechung der diplomatischen Be ziehungen bedauern lassen könnte, und ich habe keinen Grund, um eine Er< Neuerung derselben herbeizüführen. Ich mische mich übrigens weder in die Angelegenheiten Oesterreichs, noch in' die Frankreichs oder Englands, und ich bin deshalb erstaunt, daß sich dieselben ohne Unterlaß um die meinigen bekümmern.»" — Der Kölnischen Zeitung schreibt man aus Genf vom 27. Oct.: „AuS neapolitanischem Militärdienste heimgekehrte Schweizer theilen mit, daß sic nicht mehr in Neapel blieben, weil es eine Unmöglichkeit für die jetzige Regierung sei, sich zu halten. Nur noch die Schweizertruppen seien dem Könige wirklich treu, indessen die italienischen Regimenter dem Erb- prinjen anhängen und beabsichtigen, eine Revolution zu Gunsten deS letz- tern zu machen. Täglich deshalb Reibungen zwischen den Truppen; die Schweizer, von den übrigen Truppen und den Bürgern gehaßt, wagen nicht mehr auSzugehen, sobald es dunkelt." Portugal. Nach einem Schreiben vr. Livingstone'S an den Bischof von Orford vom 22. Juni, welches die Edinburgh Review mittheilt, haben die Einge borenen am Zambezeflusse (an der Ostküste von Afrika) alle Portugie sen aus der Gegend verjagt, weil letztere auf den französischen Negerhan- delSplan tingegangen waren, und den Landsleuten Livingstone'S drohte es ebenso zu gehen, weil man sie anfangs für Portugiesen hielt. „Man sicht daraus", bemerkt Daily News, „waS die Eingeborenen der Ostküste von dem französischen EmtgrationSgeschäft halten, sowie daß Dom Pedro s Re gierung in ihren afrikanischen Ansiedelungen schlecht bedient wird und mit korrupten Beamten gesegnet ist." Frankreich. Paris, 28. Oct. Der Kampf über Mortara nimmt noch immer zu: die Streiter vermehren sich. Jetzt tritt Hr. Havin, der Hauptredactcur des Siicle, wie er bei außerordentlichen Gelegenheiten zu thun pflegt, mit der ihm eigenen Feierlichkeit für die Familie in die Schranken. Der Arti kel deS Hrn. Havin ist nicht viel besser, als sonst die Auslassungen aus dieser wenig gewandten Feder sind: er sagt nichts, waS nicht schon von andern viel besser gesagt worden wäre; allein er , begegnet dem Vorwurfe der «Presse», daß die beiden liberalen Organe Journal des Debats und Siecle sich heuchlerisch auf den kanonischen Standpunkt stellen, um von da auS die Gewaltthat von Bologna zu bekämpfen, daß sie nicht gerade heraus den KatholiciSmus mit all seinen Konsequenzen, wie . sie es doch innerlich thun, verwerfen. Hr. Havin erklärt nun, daß der Siecle den Kinderraub allerdings vom kanonischen Standpunkte aus bekämpft, aber nur um zu zeigen, daß die Handlungsweise^ NomS und seiner Angehörigen von der Kirche selbst, der sie zu dienen vorgeben, verworfen wird, daß der Siecke aber im Widerspruche mit allen Satzungen, mit allen Vorschriften und Beschlüssen für Freiheit deS Glaubens, für den Bestand und die Unantast barkeit der Familie und deS väterlichen Rechts Lanzen brechen werde, wie er immer Lanzen gebrochen hat. Der Univers, durch den heiligen ThomaS in die Enge getrieben, sucht sich vergebens aus derselben hcrauSzusophisti- siren, und geht in dem Unsinn, zu welchem er allerdings gezwungen wird, so weit, zu erklären, daß der Knabe Mortara, obgleich erst acht Jahre alt, daS Urtheil besitzt, welches der heilige Thomas von den Kindern fordert, daß sie, selbst gegen den Willen ihrer Aeltern, getauft werden könnten. Während aber dieser Streit, der schon wochenlang wüthet, mit einer Lei denschaft geführt wird, die schon seit lange in der öffentlichen Meinung sich fühlbar gemacht, scheint man, einlaufenden Berichten zufolge, in Rom be dacht zu sein, der zu solcher Größe angewachsenen Frage eine höchst uner wartete Lösung zu geben. Die Regierung deS Vatican soll nämlich die Familie Mortara durch Versprechungen sowol als Drohungen dahin zu bringen suchen, daß sie zu dem Geschehenen ihre Zustimmung gebe und jeder fcrnern Klage, jedes ferner» Schritts gegen die Entreißung veS Kna ben sich enthalten werde. Man will hier sogar wissen, daß diese Bemühun gen der päpstlichen Regierung bereits von einem glänzenden Erfolge ge krönt sind und daß sich die Familie vollkommen zufrieden mit der Gewalt- that erklärt. Wir unsererseits meinen, ob wir gleich die Möglichkeit dieser überwältigenden Einwirkung von feiten Roms zugeben müssen, daß die Nachricht von der Metamorphose der Familie Mortara, obgleich sie alS officiell bezeichnet wird, jedenfalls der Bestätigung bedarf. — Der Constitutionnel bringt die Nachricht, und nach wciterm Verneh men mag er mit derselben recht haben, daß die Regierung der Königin Victoria dem Cabinet von Kopenhagen eine Note habe zukommen las sen, in der es demselben neue Concessionen anräth; zugleich aber habe die britische Negierung in einer sehr zart abgefaßten Communication in Han nover angedeutet, daß man durch jene Note, die in Kopenhagen übergeben ist, sich nicht zu allzu hoch gespannten Hoffnungen verleiten lassen möge. Der Constitutionnel theilt diese Nachrichten mit einiger Genugthuung mit, läßt aber dabei den Umstand unbeachtet, daß cS sich für Deutschland nicht um Hoffnungen, sondern um tractatmäßige Rechte handelt. (Zeit.) — Der Neuen Preußischen Zeitung wird aus Paris vom 27. Oct. ge schrieben: „Die Directoren der literarischen Blätter sind gestern in officieller Weise dahin bedeutet worden, daß sie keine commerziellcn Annoncen veröffentlichen dürfen, es sei denn, daß sie ihre Blätter stempeln lassen. — Die Regierung hat beschlossen, die Frankirung der Briefe obligatorisch zu machen. Ein hierauf bezügliches Gesetz wird in der künftigen Session vorgelegt werden." — Graf Montalembert hat im «Corrcspondant» einen Artikel unter der Ueberschrift: „Ou llodnt sur l'lnäo au Lurlemout suglais", veröffent licht, der mit den Worten beginnt: „Es gibt Geister, für welche die Ruhe und das Stillschweigen nicht das höchste Gut sind; es gibt Soldaten, welche besiegt, verwundet, gefesselt und zu einer tödlichen Unthätigkeit verurtheilt, sich an dem Anblick der Kämpfe und Gefahren anderer trösten und wieder- bcleben — ich gehöre zu jenen Leuten; aber ich habe ein Mittel gegen daS Uebel gefunden, an dem zu leiden heute so wenig anständig erscheint. Wen» ich fühle, daß sich der Marasmus meiner bemächtigt, wenn eS mir in den Ohren klingt von dem Gesumme der Vorzimmcrjournalisten oder von dem Getöse der Wülhigen, die sich einbilden, unsere Herren zu sein oder unS hinters Licht zu führen, wenn ich unter der Last einer mit servilen Miasmen geschwängerten Atmosphäre ersticke, dann cile ich nach dem freien England, um hier ein Lebensbad zu nehmen." Hr. v. Montalembert erhebt sich mit einem beredten Zorne gegen die Verächter Englands und insbesondere gegen die angeblich „katholischen" Blätter, welche unablässig Krieg gegen England predigen und mit blutgieriger Freude jede, wahre oder falsche, Nachricht von Unglücksfällcn der Engländer in Indien veröffentliche». Diese Erklä rungen des Hasses zwischen der Schilderung von der Einweihung einer Kirche und der Erzählung einer Erscheinung der heiligen Jungfrau ver gleicht Hr. v. Montalembert mit dem Schrei des Schakals zwischen dem Murmeln eines erfrischenden Baches und dem Girren eiuer Taube in einer orientalischen Nacht. Der Politik des Kaisers in Sachen der englischen Al lianz läßt der Verfasser in einer Note Gerechtigkeit widerfahren: „Ich bin der Meinung, daß daS Lob ohne Werth und ohne Würde da ist, wo die Kritik nicht erlaubt ist. Aber ich bin des Servilismus nicht verdächtig, in dem ich der muthigen Ausdauer Anerkennung zolle, mit welcher das Gou vernement des Kaisers ein Bündniß aufrecht erhält, dessen Bruch seine Po pularität gewiß vermehren, aber den Interessen Frankreichs einen schreckli che» Stoß gebe» würde." Hr. v. Montalembert nimmt nicht bloS die eng lische Negierung, sondern auch die zu Grabe getragene Herrschaft der Ost- indischen Compagnie in Schutz. „Kein französischer Publicist", sagt er, „hat das Recht, die Politik Englands zu brandmarken, bevor er sich über die Verbrechen der französischen Politik während der Revolution und deS Kai serreichs ausgesprochen hat, nicht über die, wie sie ihre Gegner, sondern über die, wie sie ihre Vertheidiger schildern. Hr. Thiers z. B. Man möge noch so sehr in den verdächtigsten Artikeln der englischen Diplomatie for schen, man wird nichts finden, was auch nur von weiten« der Zerstörung der Venetianischcn Republik und der DiebSfalle von Bayonne gliche." * Paris, 29. Oct. (Telegraphische Depesche.) Der heutige Moniteur ent hält den officicllen Bericht und das kaiserliche Decret über dir Organisa-