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O sieh das göttlich Lamm hinweggeführt von Sündern. O sieh das Lamm ohn’ Makel, das klagelos erduldet, hinnimmt, daß man ihm abzieht sein lockig Vlies, so reine. O sieh das Gotteslamm, das ohn den Mund zu öffnen, bedeckt sich sieht mit Schande und dulden muß, daß man ihm ins Gesicht schlägt und scham los sich erdreistet, ihm zu speien ins Antlitz. Das ist der Mensch, der ohne Sünde lebt. Das ist Gottsohn, der trägt all unser Leid. Das ist Gottsohn beschwert mit unsrer Schmach. Das ist der Heiland, der durch seinen Tod Erlösung uns bringt aus unsrer tiefen Not. II. Teil Nr. 6 Meditation Was soll ich sagen? Was soll ich tun? Wo, ach wo kann ich finden den Geliebten? Wer wird bringen mir gute Botschaft? Wer wird ihm künden, wie ich mich verzehr in Lieb’ zu ihm? Mein Herz und alle Sinne vergehen. Wohin eil ich, um den Bräutgam bald zu sehn? Alle Freud ist in mir erstorben. O mein Seelentrost, was wären ohne dich der Himmel und die Erde? Ich begehr nur noch dich. Meine Hoffnung liegt bei dir. Ja, ich suche nur dich, mein ganzes Herze sehnt sich, dein lieblich Angesicht zu schauen. Ich hebe die Augen zu den Bergen. Woher wird kommen mir Hülf? Die Hülfe kommt von Gott dem Herrn, der Erd’ und Himmel erschaffen. Er kennt nicht Schlummer noch Schlaf, so er bewachet seine Kinder. Denn der Ew’ge beschattet dich zur Rechten. Des Tages wird stechen dich kaum der Sonne Strahl, und das Mondlicht auch nicht des Nachts. Alles Böse hält er von dir und wacht ob deiner Seele. Nr. 7 Jesus vor dem Hohenpriester Und sie führten Jesum zu dem Hohenspriester Kaiphas. Dahin zusammenkom men waren alle die Schriftgelehrten und Ältesten. Die Hohenpriester aber suchten falsch Zeugnis wider Jesum, auf daß sie ihn töteten. Und es stunden etliche auf, die gaben falsch’ Zeugnis wider ihn, sprachen also: „Er hat gesagt: Ich will den Tempel abbrechen, der mit Händen gebaut ist, und in drei Tagen einen anderen bauen.“ Aber dieses ihr Zeugnis stimmte nicht überein. Hernach stund auf der Hohe priester und trat mitten unter sie und horchte Jesum aus: „Antwortest du nichts zu all dem, das diese zeugen wider dich?“ Aber Jesus antwortet nichts. Da fragte der Hohepriester abermals und sprach: „Bei dem lebend’gen Gott, ich beschwöre dich, daß du uns sagest, ob du seist Christus, der Sohn des Hochgelobten?“ Jesus aber sprach: „Du sagest’s. Denn ich bin’s. Doch, wahrlich, ich sage euch, es wird von nun an geschehen, daß ihr sehen werdet des Menschen Sohn sitzen zur rechten der Kraft. Ihr werdet sehen ihn kommen in den Wolken des Himmels.“ Nach diesen Worten zerriß der Hohepriester seinen Rock. „Er hat Gott gelästert! Was bedürfen wir noch weiteres Zeugnis? Sieh, ihr habt jetzt gehöret die Gotteslästerung. Was dünket euch? „Wir habens selbst gehört aus seinem Munde. Er verdienet den Tod.“ Da fingen etlich an, zu spei’n ihm ins Antlitz. Und sie verdeckten sein Gesicht, schlugen mit Fäusten auf ihn ein, spieen ihn an und verhöhnten ihn: „Christ! Errate, wer eben dich schlug!“ Mein Gott und Heil, wie konnten Menschen dich richten mit solcher Härte, solchem Haß einen Tod dir bereiten so schändlich und grausam? An wem liegt die Schuld, die den Tod dir gebracht? Die Sünde mein verschuldet deine Leiden und meine Bosheit deine Todespein. An mir liegt die Schuld deiner Schmerzen und deiner Qualen so grausam schwer. Christ, hab Mitleid mit uns! Christ, erbarm’ dich mein! Nr. 8 Jesus vor Pilatus Jetzo führeten sie Jesum vor Pilatus. Und es war früh. Und sie gingen nicht in das Richthaus, auf daß sie nicht unrein würden, sondern Ostern essen möchten. Da kam Pilatus zu ihnen heraus, und sprach: „Was für Klage bringt ihr wider diesen Menschen?“ „Wäre er kein Übeltäter, hätten wir ihn dir nicht überantwortet.“ „So nehmet ihr ihn hin und richtet ihn nach eurem Gesetz!“ „Wir dürfen niemand töten, dieses Recht liegt bei dir, des römischen Kaisers Diener.“ Da ging Pilatus wieder in das Richthaus, rief Jesum und sprach: „Bist du der Juden König?“ „Redest du das von dir selbst, oder haben dir’s andere von mir gesagt?“ „Bin ich Jude? Dein Volk hat dich mir überantwortet. Was hast du getan?“ „Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden kämpfen für mich. Aber nun ist mein Reich nicht von dannen.“ „So bist du doch ein König?“ „Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, daß zeugen ich soll für die Wahrheit! Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme!“ „Was ist Wahrheit?“ Da er dies gesagt, ging er wieder hinaus zu den Juden und spricht: „Ich finde keine Schuld an ihm. Ihr habt aber eine Gewohnheit, daß ich euch auf Ostern übergebe einen Häftling; sagt, wollt ihr, daß ich euch losgebe der Juden König?“ Alle schrieen: „Nein! Nein! Nicht den! Barabbas!“ Barabbas aber war ein Mörder. Da ließ Pilatus Jesum greifen, um ihn zu geißeln. Und die Kriegsknechte flochten eine Krone von Dornen und setzten sie auf sein Haupt und legten ihm an einen Mantel von Purpur und sprachen: „O sei gegrüßet, Judenkönig!“ und gaben ihm Backenstreiche. Da ging Pilatus wieder hinaus und sprach zu ihnen: „Sehet ich führe ihn heraus, daß ihr erkennet, daß ich keine Schuld an ihm finde.“ Also ging Jesus heraus und trug eine Dornenkrone und einen Purpurmantel. Und Pilatus spricht: „Sehet, welch ein Mensch!“ Als sie ihn sahen, da ergrimmten sie und schrien: „Hinweg!“ „Was hat denn dieser Übles getan?“ „Hinweg! Schlag ans Kreuz ihn! Laß ihn kreuzigen! Wir haben ein Gesetz, nach diesem hart’ Gesetz trifft ihn der Tod, weil er sich gemacht zu Gottes Sohn.“ „Soll ich ihn kreuzigen, euren König!“ „Wir haben keinen König, denn den Kaiser.“ Er überantwortete ihn, daß er gekreuzigt würde. Es war aber der Rüsttag auf Ostern, wohl um die sechste Stunde.