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Nr. 3 Der Disput im Tempel Jesus lehrte im Tempel. Hingewandt zum Volk und zu seinen Jüngern sagte er: „Auf dem Lehrstuhl Mose sitzen die Schriftgelehrten und Pharisäer. Beachtet gut und tuet alles, was sie euch sagen. Doch, handelt nicht ihnen gleich! Denn sie reden, aber tun’s nicht. Sie binden wohl unerträgliche Bürde und legen sie den Menschen auf den Hals, sie selbst hingegen wollen keinen Finger daran rühr’n. Wehe euch, schriftgelehrte Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr das Himmelreich vor den Menschen verschließt. Ihr scheinet gleich übertünchten Gräbern, die wohl von außen sauber sind, doch innen voller Totenbein und allen Unrats. Wehe euch, schriftgelehrt’ Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr den Propheten Gräber bauet, der Gerechten Grabmale schmücket und saget: „Wären wir gewesen zur Zeit unsrer Väter, wir hätten uns gewiß nicht beteiligt an dem Mord dieser Männer in Gott.“ O ihr Heuchler! So gebt ihr über euch selber Zeugnis, daß ihr deren Kinder seid, die die Propheten getötet. Wohlan denn, ihr erfüllet auch jetzt das Maß der Väter! Ihr Schlangen, ihr Otterngezüchte! O sagt, wie wollt ihr der höllischen Verdammnis entrinnen? O seht, ich sende zu euch nun Propheten und Gerechte. Manche werdet ihr töten, etliche kreuzigen, und andre geißeln lassen in den Synagogen und werdet sie von Stadt zu Stadt voll Haß verfolgen, auf daß über euch kommen mag all das unschuldige Blut, das auf Erden vergossen, vom Blute an des frommen Abel bis auf das Blut des Zacharias, den ihr mit Arglist getötet habt zwischen Tempel und Altar. Wahrlich, ich sage euch, daß solches alles kommen wird über dieses Geschlecht. Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt. Siehe, wie oft wollt ich deine Kinder versammeln, wie eine Henne ver sammelt ihre Brut unter den Flügeln! Und ihr habt nicht gewollt. So wisset, eures Hauses Stätte wird euch wüste sein, denn ich sage euch, ihr werdet mich nicht sehen von jetzt an bis zu dem Tage, da ihr sprecht: Gelobet sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ Wird auch mir dereinst das Glücke, zu schau'n den sel’gen Tag, zu schau’n deine liebliche Schönheit? Wann gehst du ein in mich, du mein einz'ger, himmlischer Trost? Ich harre dein ohn’ Unterlaß und mit fiebernder Ungeduld! Wann seh’ ich dich, du einzig Ziel meines Begehrns und meiner Freude? Kann denn mein Glück auch vollkommen sein, wenn es mir nicht gegeben, deine Glorie ewig zu schau’n? Das ist’s wonach meine Seele seufzt mit Inbrunst und in Hunger nach dir. Welche Wonne wird einst mich durchglüh’n, wenn heiliger Rausch mich erfaßt in deiner Wohnung hoch im Himmel, an diesen Strömen der Freude, nach denen durstet bei Tag und bei Nacht mein Gemüte! Doch bis nun, o mein Gott, sind mein Brot nur heiße Tränen, muß warten auf den sel’gen Tag, so meiner Seele ich kann sagen: Da ist dein geliebter Gemahl! Nr. 4 Das Heilige Abendmahl Am Tag der süßen Brote setzt Jesus sich zu Tisch und die zwölf Apostel mit ihm. „Es hat mich herzlich verlanget, dies Osterlamm mit euch zu essen, ehe denn ich leide. Denn ich sage euch, ich werde davon nicht mehr essen, bis daß es werde erfüllet im Reiche Gottes.“ Da Jesus erkannte, daß seine Zeit kommen, aus der Welt zu gehn, zu seinem Vater, wie er hatt’ geliebt die Seinen auf Erden, so liebte er sie bis ans Ende. Und beim Abendmahl (schon hatte Satan dem Judas Ischariot ins Herze gegeben, daß er ihn verriet) ward Jesus betrübt in seinem Geist und sprach zu seinen Jüngern: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: einer unter euch wird mich verraten!“ Und der Jünger, den Jesus liebte, neigt sich zum Meister und sprach: „Herr, wer ist’s?“ Und Jesus antwortete: „Der ist’s, dem ich den Bissen eintauche und gebe.“ Und er tauchte den Bissen ein und gab ihn Judas Ischariot. Und als Judas den Bissen genommen, fuhr der Satan in ihn. Da sprach Jesus: „Was du tust, das tue bald!“ Judas ging sogleich aus dem Saal. Und es war Nacht. Und Jesus nahm das Brot, er dankte und brach es und er reichte es ihnen hin und sprach: „Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Das tut zu meinem Gedächtnis!“ Und hernach gab er ihnen den Kelch und sprach: „Dieser Kelch ist das neue Testament in meinem Blut, das für euch vergossen wird.“ Dann, als sie den Lobgesang gesprochen hatten, ging er hinaus an den Ölberg und seine Jünger folgten nach. Nr. 5 Gethsemane Als sie kamen hin zum Hof Gethsemane, da sprach er zu den Jüngern: „Setzt euch nieder hier, ich gehe hin und bete.“ Und nahm zu sich Petrus, Jacobus und Johannes und fing an zu zittern und zu zagen und sprach zu ihnen: „Meine Seele ist betrübt bis in den Tod. Bleibet hier und wachet.“ Und ging ein wenig fürbaß, fiel auf die Erde nieder und betete, daß, so es möglich wäre, die Stund’ vorüberginge. Und sprach: „Abba, Vater! Es ist dir alles möglich. Laß diesen Kelch von mir gehen. Doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst!“ Und er kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend und sprach zu Petrus: „Simon, du schläfst! Vermochtest du nicht eine Stunde zu wachen? Stehet auf! Wachet und betet, daß ihr nicht in Versuchung fallet.“ Zum andernmal ging er wieder hin, betete und sprach: „Vater! Vater! Vater! Ist es nicht möglich, daß dieser Kelch von mir gehe, ich trinke ihn denn, so geschehe dein Wille!“ Und er kam wieder zu den Jüngern und fand sie schlafend abermals, denn ihre Augen waren voll Schlafs und sie wußten nicht, was sie ihm antworteten. Er ließ sie und ging abermals hin und betete zum dritten Mal: „Vater! Willst du, so nimm diesen Kelch von mir. Doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst.“ Er kam zum dritten Mal und sprach: „Ach, schlafen wollt ihr und ruhen? Es ist genug! Die Stunde ist da, daß des Menschen Sohn den Sündern überantwortet wird.“ Und als er noch redete, da kam Judas und mit ihm eine große Schar mit Schwer tern und mit Stangen. Alsbald trat er zu Jesus und sprach: „Rabbi, Rabbi“ und küßt’ ihn. Die aber legten ihre Hände an Jesum und griffen ihn. Und Jesus sprach: „Ihr ginget aus wie zu einem Mörder, mit Schwertern und mit Stangen, mich zu fangen. Im Tempel bin ich täglich bei euch gewesen und habe gelehret, und ihr habet mich nicht gegriffen. Doch dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis.“ Und die Jünger verließen ihn alle und flohen.