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heit zu virtuoser Entfaltung gibt. Das Hauptthema dieses Satzes erklingt zu erst in der Soloflöte. Während die ersten beiden Sätze des Konzertes durch eine breite Entwicklung der Melodik gekennzeichnet sind, so gewinnt das mit reißende Finale (Allegro scherzando) seine Überzeugungskraft vor allem aus seinen rhythmischen Energien. Der Kraftstrom, der von dieser Musik ausgeht, ist bezwingend. Rachmaninow hat übrigens das klavieristisch ungemein dank bare Werk selbst verschiedentlich in Deutschland gespielt. Neben Maurice Ravels wohl volkstümlichstem Werk, dem „Bolero", errang auch die brillante, betörende und farbige Orchesterkomposition „La Valse" (Der Walzer) einen dauernden Publikumserfolg. Das ursprünglich für Serge Djagi lews „Russisches Ballett" geschriebene, j’edoch von diesem abgelehnte Werk nannte der Komponist „Poeme choreographique" — choreographische Dichtung; es erlebte 1921 in Paris seine Uraufführung. In Ravels autobiographischer Skizze ist darüber zu lesen: „Ich habe dieses Werk als eine Art Apotheose des Wiener Walzers aufgefaßt, mit dem sich in meinem Geiste die Vorstellung eines phan tastischen Wirbels verbindet Ich stelle diesen Walzer in den Rahmen eines kaiserlichen Hofes um 1855", d. h. in die Zeit üppigster Prachtentfaltung im französischen Kaiserreich Napoleons III. und der Welterfolge des Wiener Wal zers. In der Partitur ist außerdem noch folgendes vermerkt: „Wirbelnde Wolken schwärme lassen in Durchblicken Walzerpaare flüchtig erkennen. Allmählich zerstreuen sich die Wolken, man gewahrt einen ungeheuren, von einer sich drehenden Menge bevölkerten Saal". Dem phantastischen Wirbel, diesem Rausch der Klänge, der Melodien und Walzerrhythmen, den die Komposition entfaltet, vermag sich niemand zu ent ziehen. Es ist ein sinnlich leuchtendes Tongemälde von genießerischer Lebens lust, in dem Elemente des klassischen Wiener Walzers mit französischem Esprit serviert werden. In den drei Abschnitten der Komposition erlebt man zunächst gleichsam die Geburt des Walzers, der sich aus verschwimmenden, ungewissen Klängen formt; dann wird man in die Atmosphäre eines Ballsaales versetzt. Die Klänge werden immer betörender, anmutiger, graziöser, immer unentrinn barer. Schließlich, im letzten Abschnitt, ereignet sich ekstatisch, bis zur Raserei gesteigert, was Ravel einen phantastischen Wirbel nannte. Noch einmal peitscht der Walzerrhythmus die Ballgäste auf; dann bricht die Erregung in keuschen- der Hast j’äh ab — „der Walzer als Zerrbild einer Welt, deren brutale Wider sprüche sich dem Komponisten seit dem ersten Weltkrieg immer beunruhigender offenbarten." (M. Pommer). Dr. phil. habil. Dieter Härtwig Nächstes Konzert: Mittwoch, den 28. 9. 1977, 19.30 Uhr „Melodien aus Operette und Musical" Preis des Programmheftes: 0,25 M in/9/92 JtG 059 11 77