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Wir bedauern das im Interesse der gesamten deutschen Eisen- und Stahlindustrie im Hinblick auf ihren Wettbewerb mit dem Auslande nicht minder, als im Interesse des Eisenerzbergbaues an der Lahn, Dill, Sieg und im Briloner Be zirk; denn in letzterer Hinsicht können wir nur wiederholen, daß die im Jahre 1902 zur Unterstützung dieses Eisenerzbergbaues ein geführte Frachtermäßigung für Eisenerz die mit ihr beabsichtigte Wirkung erst dann in vollem Umfange ausüben kann, wenn auch die Kalksteinfrachten für den Hochofenbetrieb all gemein herabgesetzt werden. Im Gegensatz zur Minette — so haben wir wiederholt aus geführt —, die für das zu erblasende Roheisen hinreichend Kalk enthält, erfordern die aus den genannten Revieren herstammenden Erze einen hohen Kalksteinzuschlag. Wenn dem Erzberg bau an der Lahn, Dill, Sieg und im Briloner Bezirk der Wettbewerb mit der Minette ermög licht werden soll, muß die Fracht für das Roh material,- das zur Verhüttung der dortigen Eisensteine unentbehrlich ist, ebenfalls herab gesetzt werden, und dies scheint um so mehr gerechtfertigt, als andere Rohstoffe schon erheb lich niedrigere Frachten genießen, als sie der Kalkstein zurzeit zu tragen hat. Unser unter dem 17. Mai 1904 an den Herrn Minister der öffentlichen Arbeiten betreffs einer Frachtermäßigung für Eisenvitriol gerich tetes Gesuch ist unter dem 10. Juni 1904 ab schlägig beschieden worden. Die mit der Antwort betraute Eisenbahndirektion Kassel hat unserer Meinung nach unzutreffende Gründe für die Ab lehnung ins Feld geführt, wenn sie zunächst meint, die „grundsätzliche Voraussetzung eines | allgemeinen wirtschaftlichen Bedürfnisses für die beantragte Frachtermäßigung“ sei nicht vor- | handen. Schon wenn der Handelswert einer Ware so niedrig ist, daß er durch die Durch- 1 Schnittsfracht bis zu den Verwendungsorten mehr als aufgezehrt wird, kann und darf die Ware ' nicht eine so hohe Fracht haben. So liegt aber 1 die Sache bei Eisenvitriol. Bei einem Erlös von - 1,20bis höchstens 1,50für 100 kg ist z. B. von Hamm i. W. nach dein Königreich Sachsen, einem der wichtigsten Absatzgebiete, I jetzt eine Fracht zu zahlen, die je nach der | Lage des Empfangsortes zwischen 1,50 6 j (Leipzig) und 1,92 J (Hof) für 100 kg schwankt, während nach dem von uns für Eisenvitriol be- | antragten Spezialtarif III die Fracht 0,98 bezw. 1,25 • betragen würde. Zu jenem Spezialtarif I werden aber bereits „allerlei Abfälle und Ab- | gänge“ sowie „Düngemittel“ gefahren. In die- selbe Kategorie ist Eisenvitriol zu rechnen. Hier bei kommt aber, wie wir bereits in der Eingabe an den Herrn Minister hervorgehoben haben, noch die Zwangslage in Betracht, in der die Draht industrie bei der Herstellung von Eisenvitriol I sich befindet; sie muß dieses infolge der gewerbe polizeilichen Vorschriften herstellen, auch wenn sie es überhaupt nicht verkaufen könnte und auf den Schutthaufen werfen müßte. Die Frage der Renta bilität -wird von der Behörde völlig ausgeschaltet bei ihrem Verlangen, daß die schwefelsäure- und eisenoxydulhaltigen Abgänge gesammelt und durch Eindampfen kristallisiert werden müssen. Wie unrentabel aber die Herstellung von Eisen vitriol für die Drahtindustrie ist, beweisen die Vorgänge in Altena. Die dortigen Drahtziehereien ließen die Beizlaugen trotz des früheren Verbots der Behörde in die Lenne abfließen, weil sie bei Herstellung von Eisenvitriol gar zu wenig auf die Kosten kämen. Nach vielfachen Be strafungen ist es den Altenaer Drahtziehereien schließlich gestattet worden, die Beizlaugen wöchentlich einmal in die Lenne laufen zu lassen. Außerdem aber nimmt die Erzeugung von Eisenvitriol immer mehr zu; denn der Draht verbrauch und damit die Drahtherstellung wächst von Jahr zu Jahr, und so steigert sich auch von selbst die Gewinnung von Eisenvitriol. Sie beläuft sich bei den deutschen Drahtwerken zur zeit auf jährlich 20 000 t. Der Vertrieb so großer Mengen in der Nähe der Erzeugungsorte ist ein Ding der Unmöglichkeit, und das Eisen vitriol muß also auf weitere und weite Ent fernungen versandt werden. Da nun die Land wirtschaft dazu übergeht, Eisenvitriol zur Ver tilgung des Unkrauts — Ackersenf und Hede rich —- zu verwerten, so wird für diese Zwecke eine um so größere Menge zur Verwendung kommen, je billiger sich die Fracht gestaltet. Auch die deutsche Landwirtschaft würde es mithin freudigst begrüßen, wenn durch Gewährung der Fracht des Spezialtarifs III der Bezug von Eisenvitriol erleichtert würde. Was den Einwand der Direktion Kassel betrifft, daß Eisenvitriol auch in chemischen Fabriken erzeugt werde, so handelt es sich auch hier fast ausschließlich um ein Nebenprodukt. Als Haupt produkt wird in diesen Fabriken Eisen vitriol nur für photographische Zwecke hergestellt. In diesem Falle ist es aber chemisch rein, stellt sich viel teurer und wird keinenfalls waggon weise zum Versand gebracht. Die bei weitem größte Menge Eisenvitriol — etwa neun Zehntel der deutschen Gesamterzeugung — liefert die deutsche Drahtindustrie. Auch hat die deutsche chemische Industrie gegen eine Frachtermäßigung für Eisenvitriol nichts einzuwenden. Um zu verhüten, daß auch ausländisches Eisenvitriol auf deutschen Bahnen zur Fracht des Spezialtarifs III befördert wird, was bei einer Versetzung in letzteren Tarif zuträfe, empfiehlt sich ein Ausnahmetarif für Eisenvitriol von allen inländischen Produktionsorten nach dem In- und (sofern das bei den ausländischen Bahnen erreichbar) Auslande unter Berechnung der