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386 Stahl und Eisen. Zur Berggesttznovelle. 25. Jahrg. Nr. 7. legt werden? Dabei habe z. B. ein Berliner Blatt die Stirn, zu schreiben, die Arbeiter, von denen wegen Beschimpfung Anklagen erhoben würden, schienen sehr feinfühlig geworden zu sein, da solche harten Worte doch tagtäglich vorkämen, dasselbe Blatt, das während des Aus standes nicht genug davon zu berichten wußte, wie das feine Ehrgefühl der Arbeiter durch die Zechenbeamten mißachtet würde! Die Preußische Staatsregierung und insbeson dere der Handelsminister hätten beim Beginn des Ausstandes angesichts der Übertreibungen, in denen sich der größte Teil der Tagespresse bezüglich angeblich vorhandener Mißstände ge fiel, die Pflicht gehabt, zunächst die Beamten des Oberbergamts Dortmund in Schutz zu nehmen und darauf hinzuweisen, daß angesichts der gewissenhaften Tätigkeit dieser Beamten das Einreißen so grober Mißstände völlig zu den Unmöglichkeiten gehöre. Das würde korrigierend auf die öffentliche Meinung gewirkt haben. Das sei nicht geschehen ; wohl aber habe dieselbe Regierung noch vor Abschluß der amtlichen Untersuchung einen Gesetzentwurf in Aussicht gestellt, durch den den Mißständen abgeholfen werden sollte, die noch gar nicht festgestellt waren! Das Inaussichtstellen dieses Gesetzent wurfs ermutigte die Ausständigen, verwirrte weite Kreise des Publikums und bewahrte die Sozialdemokratie vor einer ihr sonst sicheren Blamage, da höchstwahrscheinlich der Ausstand ohne dieses Eingreifen der Regierung noch eher zu Ende gegangen sein würde, als es tatsäch lich der Fall war. Die Regierung habe nunmehr den Gesetz entwurf eingebracht, dessen Wirkungen der Berichterstatter namentlich vom Standpunkte der Kohlen-Konsumenten eingehend darlegt, um dann nachfolgenden Beschlußantrag namens des Präsidiums einzubringen:. Die aus Anlaß des jüngsten Bergarbeiterausstandes vom „Verein für die bergbaulichen Interessen im Ober bergamtsbezirk Dortmund“ dringend gewünschte und seitens der Staatsregierung eingeleitete Untersuchung der niederrheinisch-westfälischen Gruben hat bisher das Ergebnis gehabt, daß irgendwie bemerkenswerte Mißstände nicht festgestellt werden konnten, daß somit der Ausstand auf den in Betracht kommenden Gruben ein unberechtigter war und sich die öffentliche Meinung in völligem Irrtum befand, als sie das Bestehen solcher Mißstände als sicher annahm. Wir zweifeln nicht, daß die Untersuchung auch der übrigen Gruben, — eine Untersuchung, die wir mit dem Bergbaulichen Verein für dringend wünschenswert halten, damit nicht nur von einem Teilergebnis gesprochen werden kann —, dasselbe Resultat haben wird. Um so mehr beklagen wir es, daß die Staatsregierung schon vor Abschluß dieser Untersuchung zu einem gesetzgeberischen Ein griff die Hand geboten hat, den wir für unnötig und schädlich ansehen müssen. Die Annahme des Gesetzentwurfs in der vorliegen den Fassung würde die Gestehungskosten unserer heimischen Kohlengruben wesentlich verteuern und da mit auf der einen Seite den deutschen Wettbewerb gegen die ausländischen Kohlen erschweren und ander seits eine Verteuerung der heimischen Kohlen natur gemäß zur Folge haben. Bedauern wir das erstere im Interesse unserer vaterländischen Produktion, so halten wir das letztere im Interesse der heimischen Verbraucher für gefahrvoll und erheben als Kon sumenten Einspruch gegen eine Gesetzgebung, die ohne Not die Kohle, das Brot der Industrie, verteuert und damit die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie auf dem Weltmarkt aufs schwerste be einträchtigt. Ferner sind wir der Ansicht, daß durch die Ein führung obligatorischer Arbeiterausschüsse eine Stärkung der sozialdemokratischen Organisation auf der ganzen Linie herbeigeführt werden wird, die eine fortgesetzte Beunruhigung des heimischen Bergbaues zur Folge haben muß, die aber auch sämtlichen anderen Industriezweigen und dem Allgemeinwohl die schwersten Schädigungen zufügen wird. Ganz abgesehen von den unerfreulichen Erscheinungen, die durch die vermehrten Wahlen erfahrungsgemäß hervorgerufen werden, können solche auf dem Wege des geheimen und direkten Wahl rechts zustande gekommenen Arbeiterausschüsse die Quelle des Unfriedens zwischen Arbeitgeber und Arbeit nehmer werden, da erfahrungsgemäß bei solchen Wahlen die unzufriedenen Elemente leicht die Oberhand über die ruhigen gewinnen. Aus allen diesen Gründen sprechen wir uns gegen den Gesetzentwurf aus und bitten den Landtag, ihn abzulehnen. Wenn schließlich darauf hingewiesen wird, daß der Bergbauliche Verein durch sein Verhalten den Ausständigen gegenüber an diesem Gesetzentwurf die Schuld trage, so müssen wir gegen eine solche An schauung lebhaften Widerspruch erheben. Der Berg bauliche Verein, der keinen unmittelbaren Einfluß auf die Gestaltung des Arbeitsvertrags der einzelnen Zechen mit ihren Arbeitern ausübt, hat mit vollem Recht eine Verhandlung mit der Siebenerkommission abgelehnt, die eine rechtmäßige Vertretung der zudem unter Vertragsbruch in den Ausstand eingetretenen Bergarbeiter nicht darstellte und die Führung, wie der Verlauf des Ausstandes zeigt, durchaus nicht in der Hand hatte. Ohne das Eingreifen der Staatsregierung wäre der Ausstand mindestens ebenso früh, wenn nicht früher beendet worden, wie es tatsächlich der Fall ge wesen ist. Wir können darum das Verhalten des Berg baulichen Vereins in dem den niederrheinisch-west- fälischen Zechenverwaltungen frivol aufgedrängten Kampfe nur für durchaus berechtigt und angemessen erklären. Zu dem Gesetzentwurf betr. Stillegung von Zechen werden wir in unserer Hauptversammlung Stellung nehmen. Nach eingehender Erörterung, an der nament lich in der Darlegung der fachtechnischen Seite sich Bergrat Kleine beteiligte, während die übrigen Mitglieder des Vorstandes und des Aus schusses beider Körperschaften die allgemeinen Gesichtspunkte in einer dem Berichterstatter durchaus zustimmenden Richtung erörterten, wurde der Antrag einstimmig angenommen. Er ist inzwischen dem Landtage überreicht, in dem diese gewichtige Stimme der niederrheinisch westfälischen Industrie hoffentlich nicht ungehört verhallen wird.