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Donnerstag. - Nr. 58. -— S. März I8S4 Di-Zeitung erscheint mit Ausnahme de« Montag« täglich und wird Nachmittag« 4 Uhr au«- gegeben- Peet« für da« Viertel jahr >'/, Lhlr.i jede ein zelne Nummer 2 Ngr. DcuWc MWiciilt Zeitung. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Beseh!» Zu beziehen durch alle Postämter de« Zn- und Auslände«, sowie durch die Ervekition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Hnsertionigebühr für dcnRaum einerZcile 2 Ngr. Preußens Stellung in der orientalischen Frage. Die officielle Preußische Correspondenz sagt: „Je näher eine entschei dende Krists in der orientalischen Frage heranrückt, um so mehr dürfen wir uns Glück wünschen, daß Preußen, durch eine ebenso loyale als unabhän gige Politik, den unmittelbaren Einflüssen eines Kampfes entzogen ist, der, allen Vermittelungsversuchen zum Trotz, an Ernst und Umfang zu wachsen droht. Wer dem Laufe der jüngsten Verhandlungen mit unbefangenem Blicke gefolgt ist, der wird nicht in Abrede stellen können, daß die preußische Politik — und das sichert ihr alle nationalen Sympathien — eine Selbstän digkeit bewährt hat, gegen welche das Drängen von außen machtlos blieb. Allein die preußische Politik — so national sie ist — bietet dem Argwohn des Auslandes keinen Raum, weil sie die Endziele ihres Strebens: Wahrung der deutschen Interessen und des europäischen Gleichgewichts, offen procla- mirt und weil sie diese Ziele nicht als getrennte, sondern als innig verbun dene auffaßt. Preußen hat seine Stellung zu den streitenden Parteien durch feine Mitwirkung bei den Wiener Conferenzen klar bezeichnet und dürfte dieselbe.auch über die Dauer der letztem hinaus festhalten. Es hat, im Vereine mit Oesterreich, den westlichen Mächten die Hand geboten, um durch einen Vergleich ebenso sehr den Besitzstand und die Unabhängigkeit der Pforte als die dem christlichen Cultus im osmanischen.Gebiete gebüh renden Rechte sicherzustellen. Obwol nun die wiener Vereinbarungen ih ren Hauptzweck nicht erreichten, so behalten sie doch die Bedeutung eines Zeugnisses für die Uebereinstimmung der vier westlichen Mächte in ihren Be- strebungrn zur Erhaltung des Gleichgewichts und des Friedens in Europa — eine Uebcreinstimmung, deren Bedeutung mit jenen erfolglos gebliebenen Versuchen nicht abgeschlossen ist. Allein wie aufrichtig auch das Einverständ- niß der vier Regierungen über die Grundlagen eines ehrenvollen Compro- miffes zwischen Rußland und der Pforte war: die Wiener Protokolle enthal ten nichts von einer Verpflichtung zur bewaffneten Einmischung in den orientalischen Streit, sondern lassen jedem der betheiligtcn Staaten die Frei heit, die seiner Stellung entsprechendsten Mittel zur Aufrechthaltung jenes Programms in Anwendung zu bringen. Am allerwenigsten sind, unsers Bedünkens, die deutschen Großmächte zur solidarischen Theilnahme an allen aktiven Maßregeln verbunden, welche die beiden westlichen Regierungen, theils noch im Laufe der wiener Friedensverhandlungen, theils nach dem Fehlschlägen derselben, aus einseitiger Entschließung in Vollzug gesetzt haben. Wenn in jüngster Zeit ungeziemende Zweifel in Bezug auf die Unabhän gigkeit Deutschlands lautgeworden sind, so scheint uns der Augenblick sehr geeignet, um nach allen Seiten hin den Beweis zu führen, daß diese Unab hängigkeit eine vollkommene ist. Die deutschen Regierungen haben, bei aller Pie tät für ihren langjährigen Verbündeten, keinen Anstand genommen, die Unab hängigkeit der Pforte gegen die weitgreifendcn Ansprüche desselben mit dem ganzen Gewicht ihres moralischen Ansehens zu vertreten; allein sic dürfen eS den Mäch ten, deren Einfluß in Konstantinopel entscheidend ist und deren Flotten das Schwarze Meer beherrschen, überlassen, dem bedrohten osmanischen Reiche be waffneten Schutz zu leihen, während sie durch ihre Haltung sich das Recht be wahren, unter günstiger» Umständen Worten der Versöhnung nach beiden Sei len hin Eingang zu verschaffen. Wir haben den aufrichtigen Wunsch, daß auf der Grundlage dieser selbständigen Politik die bisher so glücklich bewahrte Eintracht zwischen Preußen und Oesterreich sich immer mehr und mehr be festige, damit sie auch dann sich bewähre, wenn die Ereignisse denselben ein entschiedeneres Vorgehen für di^ Interessen Deutschlands und für das Gleich gewicht Europas zur Pflicht Wachen sollten. Was Preußen insbesondere betrifft, so ist, unter den gegenwärtigen Verhältnissen, dessen zuwartende Stellung zwischen den streitenden Parteien allein im Stande, dem Mittlern Europa den Frieden zu erhalten. Sobald es seine Waffen für den Osten oder für den Westen erhebt, zieht es unfehlbar den Krieg von den Ufern der Donau an die des Rhein oder der Weichsel. Dies kann aber weder Deutschland noch das übrige Europa wünschen. Darum hoffen wir, daß Sr. Majestät Negierung ebenso wol der Pflichten eingedenk sein wird, welche sie als europäische Großmacht zu erfüllen hat, als der Verantwort lichkeit, welche ihr die besonder» Interessen Preußens und Deutschlands aus erlegen." Deutschland. Preußen, t Berlin, 7. März. In der vielbesprochenen Schrift „Zur Neutralitätsfrage" wird darauf hingewiesen, daß Pozzo di Borgo in der vertraulichen Depesche an den Grafen Nesselrode vom 16. Oct. 1825, in welcher er den russischen Operationsplan in der orientalischen Frage ent wirft und die Nothwendigkeit darlcgt, Oesterreich mit Gewalt an der Durch kreuzung dieses Plans zu hindern, durchaus darauf gerechnet habe, daß das preußische Cabinet sich nicht dagegen stemme, vielmehr durch das Dcr- charren in einer freien und freundschaftliche» Stellung zu Ruhland diesem die Anwendung von Zwangsmitteln gegen Oesterreich möglich mache. Die Gewinnung des preußischen Cabinets zu dieser Nolle sei unerläßliche Vor bedingung gewesen. Gegenwärtig schlägt nun diese Vorbedingung nicht nur in das Gegentheil um, sondern Rußlands ganze Lage ist mit derjenigen vor einem Vicrteljahrhundert gar nicht vergleichbar, indem es, augenblick lich wenigstens, fast ganz Europa theils als activen, theils als passiven Gegner sich gegenüber sieht. In dieser für die europäischen Völker günsti gen Wendung der Dinge, deren Bedeutung und Tragweite in Bezug auf die künftige Unabhängigkeit vieler derselben von Rußland noch unübersehbar ist, liegt aber auch die Garantie, daß der Krieg local bleiben, dir Lösung und der Friede hingegen europäisch sein werden. Bevor es noch zum Zu sammenstoß der Waffen gekommen ist, hat Rußland bereits eine große Niederlage erlitten, welche darin besteht, daß der bisher sich allgewaltig und unwiderstehlich geglaubte Einfluß Rußlands auf Deutschland, Oesterreick und andere Länder Europas seine Grenze und sein „Bis hierher und nickt weiter!" zum Heile der deutschen und europäischen Entwickelung gefunden hat. Wenn aus Petersburg von der großen Missstimmung des Kaisers Nikolaus gemeldet wird, so mag die Erkennung der Täuschung, worin man. sich daselbst, namentlich hinsichtlich Preußens und Oesterreichs, befunden halte, zu dieser als ungewöhnlich geschilderten verdrießlichen Stimmung viel leicht das Meiste bcigetragen haben. Alle Berechnungen und weitgehenden Plane der russischen Politik scheinen durch die Stellung, welche die deut schen Großmächte eingenommen haben, durchkreuzt worden zu sein. — Der Prinz von Preußen, welcher wegen Unwohlseins mehre Tage das Zim mer und das Bett zu hüten gezwungen war, befindet sich jetzt wieder in der Besserung. In Betreff des großen vaterländischen Festes, wel ches hier zur Feier der silbernen Hochzeit des Prinzen und der Prinzessin von Preußen am 11. Juni d. I. vorbereitet wird, kann mitgetheilt werden, daß dasselbe einen sehr großen Anklang in den hiesigen verschiedenen Schick ten, der Gesellschaft findet. In das Damen-Comite', welches zur Ausfüh rung der zu dieser Feier angeordneten Verloosung von Gegenständen weib licher Handarbeit zum Besten der invaliden Krieger zusammengctretcn ist, sind außer vielen andern angesehenen Damen der Hauptstadt aus den ver schiedensten Ständen auch die Gemahlin des Ministerpräsidenten v. Man teuffel, die Gräfin Brandenburg, die Gemahlin des Generals v. Wrangel und die Frauen anderer hochstehender Männer eingetreten. Aehnlichc Co- mite's von Frauen und Jungfrauen sollen im gesammten preußischen Staate gebildet werden, da man dabei im Auge hat, daß, sollten ernste Ereig nisse cintreten und Preußen gezwungen sein, die Waffen zu ergreifen, in Bezug auf die Pflege der Verwundeten rc. eine gleiche weibliche Thä- tigkeil sich sofort entfalten könne, wie eine solche ruhmvollen Anden kens in den Freiheitskriegen sich so segensreich erwiesen hat. Das Fest der silbernen Hochzeit des Prinzen von Preußen bietet eine will kommene Veranlassung, der Organisation solcher Comite's im ganzen Staate als Ausgangspunkt zu dienen. — Die Angabe, daß eine anderweitige Be setzung der Stelle des Ministers des Innern erfolgen werde, tritt ge genwärtig mit größerer Bestimmtheit in den hiesigen höher» Kreisen hervor- Indessen dürfte vor Schlnß der gegenwärtigen Kammerperiode eine Acnde- rung in der Leitung des Ministeriums des Innern nicht einlreten. — In Betreff des von dem Präsidenten v. Gerlach cingereichten Entlassungs gesuchs ist darauf hinzuweisen, daß das gegenwärtige Entlassungsgesuch be reits das dritte ist, welches Hr. v. Gerlach, seit derselbe die Rundschau für die Neue Preußische Zeitung schreibt, eingereicht hat. Hr. v. Gerlach soll in der jüngsten Zeit ernstlich darauf aufmerksam gemacht worden sein, daß seine publicistische und amtliche Thätigkeit sich von mehr als einem Stand punkte aus nicht füglich vereinbaren lasse. ttBerlin, 6. März. Nach neuern Nachrichten über die skanhi.na- vischen Angelegenheiten zeigt" sich Rußland jetzt etwas geneigter, die schwedische Neutralität anzuerkennen. In einer Note vom 6. Jgn. an Hr». v. Plessen, dänischen Gesandten in Petersburg, hatte Graf Nesselrodc in Erwiderung der dänischen Notifikation vom 22. Dec. sich über die dä nische Neutralität günstig ausgesprochen. Das anderweitige Verengen, Schweden solle seine Häfen schließen, ward russischcrseits mit dem Hjnweic auf die verschiedene geographische Lage motivirl. Schwedens Widerstand und eifrige Rüstungen sind bekannt. Auch jetzt noch, trotz Rußlands schein barer Neigung zum Nachgeben, werden in Stockholm die Vorbereitungen zur eventuellen Vertheidigung fortgesetzt. Aber diplomatisch scheint die An gelegenheit für Schweden jetzt günstiger zu liegen. — Für die wunderbare, aus guter Quelle stammende Nachricht, daß Rußland nach Wien ^euc, aber ihrer Natur nach wieder völlig unannehmbare Vorschläge habe Ae^gn- gcn lassen, möchte ich nicht die Verantwortlichkeit übernehmen. Sojste sick die Quelle auch diesmal bewähren, so soll wahrscheinlich Zeit d-pstt zu gewinnen versucht werden. — Oesterreich soll sick der Annahme hes bc-