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Donnerstag. Nr. 433. 2. December 18S2. «Wahrheit uud Recht, Freiheit und Sesetzl» Zn beziehen durch alle Postämter de» In- und Auslandes, sowie durch die Expedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Ansertionsg-rü-» für den Raum einer Zeile 2Ngr. Leipzig. Die Zeitung --M- Dtutschc Mgtmmc Zcitung Vrei« für das Viertel, >ahr 1'/, Thlr.; jede ein zelne Nummer 2 Ngr. Die Zoll- und Handelsfrage. /X Berlin/ 30. Nov. Von neuem wird die Stellung, welche Preu, ßen in der Zollvereinsangelegenheit einhält, durch den Passus be- stätigt, welcher sich in der gestern vom Ministerpräsidenten zur Eröffnung der Kammersession gehaltenen Rede auf diese Angelegenheit bezieht. Die Erhaltung des Zollvereins und seine Entwickelung auf Grundlage des mit Hannover am 7. Sept. 1851 abgeschlossenen Vertrags wird nach wie vor als Ziel der Regierung bezeichnet, zugleich aber werden alle zur Erreichung dieses Ziels von auswärts gestellten Bedingungen, insoweit sie die Interessen Preußens und die segensreiche Entwickelung des gesammten Zollvereins ge fährden sollten, mit Entschiedenheit verworfen und hierfür die Zustimmung des Landes, welche sich bisher ungetheilt kundgcgcben, von neuem in An spruch genommen. Daß die Regierung dieser vollen Zustimmung versichert sein kann, bewies die einstimmige laute Beifallsbezeigung, in welche die zahlreich versammelte Landesvertrctung nach Anhörung dieser Stelle der Rede ausbrach. Wenn in der Eröffnungsrede das Bedauern ausgcdückt wird, daß der in der letzten Sitzung genehmigte Scptembervertrag „noch nicht all- seitig" den Anschluß gefunden, welcher geeignet wäre, der Entwickelung des ganzen Zollvereins eine für alle Zweige der Industrie und des Handels hoff- nungsreiche Zukunft zu verbürgen, so erhellt hieraus, daß der Anschluß cini- ger deutschen Staaten bereits erfolgt ist, wie dies auch die Mitthcilung der Preußischen Zeitung vom 28. Nov. hinsichtlich des Thüringischen Zoll- und Handelsvereins bestätigt. (Nr. 431.) Hieraus, in Verbindung mit dem oben bezeichneten Entschlusse, auf dem als allein ersprießlich erkannten Wege unter allen Umständen fortzuschreiten, werden die gegenwärtig der preußi- scheu gegenüberstehenden deutschen Regierungen und die österreichische zwei fellos entnehmen können, welches die alleinigen Bedingungen und Grund- lagen sind, auf denen die so viel gerühmten Annäherungs- und Verständi gungsversuche zu einem Resultate führen können, und daß Preußen entschlos sen ist, einer Wiedervereinigung des bisherigen Zollvereins und einem Han delsverträge mit Oesterreich auf andern als den am 30. Aug. ausgesproche nen Bedingungen, ganz unbedenklich die Bildung eines norddeutschen Zoll bundes ^vorzuziehen und, dem entsprechend, einen von dem gegenwärtigen sehr merklich abweichenden, nur auf das System der Finanzzölle begründe ten Tarif aufzustellen. Daß Hannover, d. h. der bisherige Steuerverein, einer auf dieser Basis zu begründenden Handclseinigung abgeneigt sei, ist unrichtig, sowie auch die Mitthcilung eines angeblichen berliner ^-Corre- spondenten des Wiener Lloyd — wonach „man" in Hannover nur auf die erste günstige Gelegenheit warte, um „auf der Grundlage günstiger Pro positionen" mit Oesterreich und den Coalitionsregierungen die nur vertagten Unterhandlungen wieder anzuknüpfen — ganz und gar, wie mau zu sagen pflegt, aus den Fingern gesaugt ist, wenn anders unter dem „man" in Han nover die dortige Regierung und nicht etwa blos dieser oder jener in öster reichischem Interesse thätige Agent oder Scribent verstanden werden soll. Die diplomatische Natur dieser Nachricht verräth sich übrigens schon hinlänglich dadurch, daß man in Hannover, um nur überhaupt Unterhandlungen wieder anzuknüpfen, erst annehmbare Propositionen erwarten wolle und doch „nur auf die erste günstige Gelegenheit" warten soll, um diese Unterhandlungen anzuknüpfen. Wer Unwahrheiten zu verbreiten beabsichtigt, sollte wenig stens geschickt genug sein, innere Widersprüche zu vermeiden. Aus der zu- verlässigsten Quelle kann ich Ihnen mittheilen, daß die hannoversche Re gierung, welche Wendung auch die Zollvereinsangelegenheit nehmen möge, treu zu Preußen zu stehen beschlossen hat. Die augenblicklich zu erwar tende Haltung steht mit diesem Entschlusse, wenn überhaupt, nur in einem scheinbaren Widerspruche. — Das Preußische Wochenblatt sagt: Wir wünschen dringendst, daß die preußische Negierung entschieden festhalte an Dem, was sie vor dem Beginne der schwebenden Wirren gewollt, wie an Dem, was sie ebenso ent schieden nicht gewollt hat. Sie hat gewollt: Aufrechthaltung des seit 20 Jahren bestehenden Zollvereins, Erweiterung des letztern durch den Anschluß der Nordsceländer, Verständigung des also erweiterten Zollvereins mit Oester reich über einen auf gegenseitige Erleichterung der Verkehrsverhältnisse ge gründeten Handelsvertrag. Sie hat nicht gewollt: Verwandlung des Zoll vereins in eine unter österreichischer Influenz stehende Zollgruppe, Anerken- gung österreichischer Suprematie über die Zoll- und Handelsinteressen Preu ßens und seiner Zollverbündcten. Wir würden es für eine bcklagenswerthe Schwäche halten, wenn die preußische Regierung unter irgendwelcher Ver hüllung und Bemäntelung jetzt zustimmen wollte zu Dem, was sie bisher verneint hat. Aber wir würden es nicht minder beklagen, wenn jetzt ver neint werden sollte, was früher bejaht war, und wir würden für solche Sinnesänderung darin keinen genügenden Grund finden, daß bis vor kur zem einige unserer bisherigen Zollverbündcten Das wollten, was wir nicht wollten. Vergessen wir vor Allem nicht, daß die Reihenfolge, in welcher Das, was Preußen will, verwirklicht werden soll, immer nur eine Frage der Zweckmäßigkeit bleibt, die als präjudicicll angesehen werden mußte, so lange fich dahinter von der andern Seite her die Absicht versteckte, Preu ßen zu Dem, was es nicht wollte, hinüberzuleiten, die sich aber erledigt, wenn vorab die Erreichung des Gesammtresultats feststeht, indem cs dann für die Sache höchst gleichgültig wird, ob dieses Resultat in der Formel s -I- b -t- o oder b o a sich darstelle. — Aus Weimar vom 25. Nov. schreibt man dem Frankfurter Jour nal: Der österreichische Gesandte, Baron v. Koller, hat sich auch hier auf gehalten, um, wie verlautet, die großherzogliche Regierung zu bestimmen, den Zollvereinsvertrag mit Preußen noch nicht abzuschließen. Seine Be mühungen sind aber auch hier wie in Braunschweig ganz ohne Erfolg ge wesen, da der Vertrag um Erneuerung des Zollvereins mit Preußen von den Thüringischen Staaten jetzt definitiv abgeschlossen worden ist. Deutschland. Frankfurt a. M., 26. Nov. Man schreibt der Hannoverschen Zei tung: Der hannoversche Hauptmann der Artillerie, Siemens, welcher eine Shrap Neueinrichtung erfunden hat, die zur Erhöhung der Vertheidi- gungsfähigkeit von Festungen wesentlich beitragen soll, hat, ohne einen per sönlichen Vortheil zu beanspruchen, diese Erfindung dem Deutschen Bunde überlassen, um dem Vaterlande damit nützlich zu werden. Wir hören, daß die Bundesversammlung dem Hauptmann Siemens, der auch sonst schon durch Verbesserungen in der Bedienung der Artillerie einen begründeten Ruf sich erworben, vor kurzem ihre volle Anerkennung und ihren Dank für seine Erfindung und deren uneigennützige Ucberlassung ausgesprochen hat. — Man schreibt der Allgemeinen Zeitung aus Frankfurt a. M. vom 27. Nov.: Unter dem Bundesmilitärbevollmächtigten ist in jüngster Zeit die Schrift: „Ugurios, kortisiostion permmwntö, ^rs6ös modernes »IIs- manUs. bituUs8 8ur iss plss68 6s et ä'HIm, geooinpsgnses Us plsns et OetgjMs. ^veo 4 plZneii68 in 8. prix 20 ?r.", die in Paris kürzlich herausgckommen, Gegenstand der Besprechung gewesen. Es mußte dieselbe sowol unter den mit dem Festungswcsen betrauten Ingenieurs, die niemals einen ausländischen Genieoffizier zur Besichtigung der Werke zuge lassen, wie unter den Mitgliedern der Militärcommission selbst das höchste Interesse erregen und müßte zugleich die tiefste Entrüstung Hervorrufen, wenn Das, was für die Vertheidigung des Vaterlands in tiefstem Geheimnisse seit Jahrzehnden vorbereitet wurde, durch vcrrätherische Hand der Oeffentlichkeit wäre übergeben worden. Glücklicherweise hat es sich denn doch ergeben, daß es sich mit diesem Buche wie mit dem im Jahre 1850 über Rastatt hcr- ausgegebenen verhält: die Plane und Einrichtungen der Festungen find da durch nur so weit bekannt geworden, als sie dem Auge jedes Laien auch sonst sichtbar sind, ohne dadurch dem belagernden Feinde, der diese Kenntnißnahme empfängt, irgend einen tiefergehenden Nutzen zu gewähren. Man wird sich natürlich hüten, die Unrichtigkeiten über die Auffassung und die Verkehrt heiten in der Darstellung zu widerlegen, sondern das Buch in der Ueber- zeugung seiner Unschädlichkeit in gutem Glauben seine Wege gehen lassen. ^Berlin, 30. Nov. Die Anrede des Ministerpräsidenten, mit welcher er gestern die Kammern im Namen des Königs eröffnete, erfährt in allen politischen Kreisen eine sehr verschiedene Auffassung. Insbesondere vermißt man jede Bezugnahme auf die Stellung Preußens zu den aus wärtigen Mächten, die man sonst in allen Eröffnungsreden legislativer Körper zu finden pflegt und in den früher» auch hier nicht vermißte. Es fehlt nicht an Deutungen, welche darauf hinausgehen, daß den Kammern fortan keinerlei Einmischung in die auswärtige Politik zustehen solle. Diese Interpretation würde begründet erscheinen, wenn ihre Voraussetzung zuträfe; solange man aber die Staatsausgabcn von den Kammern bewilligt erhält, wird man die auswärtige Politik der Regierung einer Kritik derselben nicht entziehen können. Sodann hat die Stelle der Anrede über die Neubildung der I. Kammer, die Andeutung, daß eine Thcilung der Gewalt mit dem Königthum in Preußen sich nicht vertrage und daß cs die Regierung für ihre Pflicht^erachte, nur in diesem Sinne die weitere Entwickelung der Ver fassung zu fördern, alle diejenigen Besorgnisse und Bedenken wegen einer weit über die Neubildung der I. Kammer hinausgehenden Revision aufs neue hervorgerufcn, welche man durch den kürzlichen Ausgang der Krisis im Ca- binet schon beseitigt wähnte. Will man das Princip der Thcilung der Ge walten— dessen stricte Durchführung wir kaum heilsam, noch weniger aber thatsächlich in Anwendung finden — in Bezug auf die l. Kammer dahin modificircn, daß die Mitglieder derselben lediglich von der Krone ernannt werden, so wird man auch conscquentcrweise die Umbildung der II. Kam mer nach diesen Grundsätzen vornehmen müssen. Hier aber liegt, wir kom men immer wieder darauf zurück, der ganze Schwerpunkt der Revisions frage und es wird sich wesentlich darum handeln, nach welcher Seite hin