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oder andere Dokumente. Nach einer Familien überlieferung soll Berwalds zwei Jahre jünge rer, ebenfalls Geige spielender Bruder August behauptet haben, er könne jedes beliebige Violinkonzert spielen, worauf Franz das cis- Moll-Konzert als Herausforderung schrieb. Der Tatsache, daß Berwald keine fortlaufende Opusnumerierung vorgenommen hat, ist es ge schuldet, daß mit der gleichen Nummer op.2 noch zwei andere Werke versehen wurden. Die erste öffentliche Erwähnung fand das Violinkonzert in einer Zeitungsannonce eines Konzertes im großen Börsensaal zu Stockholm am 3. März 1821. Bei diesem Konzert wur den drei Kompositionen Berwalds aufgeführt, sein Bruder spielte das Violinkonzert. Franz Berwald mußte sich in der Stockhol mer Zeitung „Argus" eine herbe Kritik gefallen lassen. Der anonyme Kritiker bezeichnete das Werk als „nach Originalität jagend" und „be strebt, mit großen Effekten zu imponieren". Es sei „absichtlich ... alles Melodiöse verbannt", die „ewigen Modulationen von einer Tonart in die andere" seien unerklärbar, machten einen „so abstoßenden Eindruck" und gönnten über haupt „der Aufmerksamkeit keinen Augenblick Ruhe". Er schrieb weiter: „Sobald eine Melo die anfing, sich zu entfalten, wurde sie schnell unterbrochen, und das Ohr wurde unaufhör lich von den schmerzhaftesten Dissonanzen gemartert, was auf die Dauer fast unerträglich wurde ..." Berwald antwortete dem Rezensenten in der Zeitung „Allmänna Journalen", worauf sich zwischen beiden eine heftige Polemik ent spann, die erst am 5. Mai 1821 folgender maßen von Berwald beendet wurde: „Seiner Rezension, wenn man ihr diese Bezeichnung geben darf, fehlt in jeder Hinsicht der Zu sammenhang, die Übereinstimmung, welche gewöhnlich den Kunstkenner auszeichnen, so daß man Grund hätte, sie ein scherzhaftes Geplapper zu nennen, gedacht als mo mentane Zerstreuung für weniger erfahrene Leser ... Die Musik ist eine Kunst, der vielleicht nur die Zeit eine Grenze setzen kann; - es ist rein unmöglich, sich selbst zu ihrem exklusiven Richter zu erheben ..." Dennoch konnte er nicht verhindern, daß das Konzert in Verges senheit geriet. Zu seinen Lebzeiten wurde es wahrscheinlich nie wieder gespielt. Erst 1903 erklang der erste Satz zum Fest tag der „Musikaliska Akademien" in Stock holm wieder. Es war auch in diesem ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts, als der inter national bekannte Geiger Henri Marteau sich für schwedische Musik zu interessieren be gann, besonders für die Berwaldsche, wes halb er dessen Werke in Schweden und anderen Ländern spielte und dirigierte. 1909 veranlaßte er die Gründung der „Franz- Berwald-Stiftung" in Stockholm, die sich von nun an für Aufführungen und Ausgaben der Kompositionen des Meisters einsetzte. Dem Violinkonzert widmete sich Marteau verständlicherweise besonders. Nun äußerte sich auch die Kritik lobend: „Das Violinkonzert Berwalds unterscheidet sich von den meisten Werken dieser Gattung wohltuend dadurch, daß ihm jegliches gewollt-Virtuosenhafte ab geht. Da gibt es keine gespreizten Violin- passagen, kein konventionelles Floskelwerk, auch die sonst unvermeidlichen Riesenschluß kadenzen fehlen. Alles ehrlichste, lauterste Musik, wobei die Sologeige sich harmonisch in den Rahmen des Orchesters fügt, ohne doch dadurch unselbständig zu erscheinen" (Vossische Zeitung Berlin). Eine andere Zei-