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Puccini in die Welt der Oper wollte. Puccini selber schrieb: „Der Allmächtige berührte mich mit seinem kleinen Finger und sagte: Schreib für das Theater - denk dran, nur für das Theater!“ Wahrscheinlich liegt es an Puccinis Hauptbeschäftigung mit der Oper, dass die „Messa di Gloria“ nach ihrer Premiere 72 Jahre lang nicht mehr aufge führt wurde, trotz ihrer unzweifelhaften Qualität und der stürmischen Auf nahme bei der Premiere. Das Manuskript blieb bis 1952 unentdeckt, als der Musikwissenschaftler Pater Dante del Fiorentino es bei seinen Forschungen für eine Puccini-Biografie in Lucca wieder ans Tageslicht brachte. Puccini schrieb die „Messa di Gloria“ im Alter von erst 22 Jahren als Abschlussarbeit am Musikinstitut von Lucca. Sie ist ein Jugendwerk, aber sie zeigt die große Reichweite seiner musikalischen Kenntnisse. Sie ist in die üblichen fünf Sätze aufgeteilt: Kyrie (Herr, erbarme dich), Gloria (Ehre sei Gott), Credo (Ich glaube), Sanktus (Heilig, heilig, heilig) und Agnus dei (Lamm Gottes). Die „Messe für vier Stimmen und Orchester“, wie sie ursprünglich benannt war, erhielt ihren Titel „Messa di Gloria“ durch den wundervollen zweiten Satz, das „Gloria“, das vom Umfang und Gehalt her das gewichtigste Stück ist. Puccini hat in der Partitur der Messa zwei bereits 1878 für den gleichen Fest tag komponierte kirchenmusikalische Stücke verarbeitet: ein Motetto und ein Credo. Die Komposition war ursprünglich als großes Vokalwerk konzi piert. Die endgültige Besetzung jedoch weitete das Ganze auf drei Solostim men, vierstimmigen Chor und großes Orchester aus. Damit schuf Puccini seine erste umfangreiche Arbeit, in der er bewusst die modernen Ausdrucks mittel seiner Zeit verwendete. Den vertrauten Umgang mit der festlichen Chormusik verbindet er mit einer persönlichen Auffassung von einem kir chenmusikalischen Stil, der Verdi-Einflüsse erkennen lässt. Hier verarbeitet er das Hauptthema meisterhaft mit dem Anfangsthema des „Gloria“ unter Einhaltung strenger Formen des Kontrapunkts (besonders deutlich in der aufwendigen Fuge „Cum Sancto Spiritu“. Hier zeigt sich die in ihren ursprünglichen Umrissen bereits festgelegte Empfindung für Melodien und ein Klangstil, der schon die außerordentliche Meisterschaft der späteren Orchestration enthüllt. Puccini hing besonders an diesem Frühwerk, ein Beweis dafür, dass er dieser jugendlichen Komposition, in der er bereits ein hohes Maß an Technik und Ausdruck erzielte, besondere Bedeutung beilegte. Anklänge an die Messa sind später in Puccinis Opern zu finden. Im 2. Akt der „Manon Lescaut“ zum Bei spiel erscheint tatsächlich fast das gesamte Agnus Dei mit nur ganz geringen strukturellen Veränderungen, die zur Anpassung an die Gattung Oper not wendig waren.