Volltext Seite (XML)
Freitag. Dt- L^<»»s « fch«i»t isqtich ,»><! m»l u»d «Kd. V»V«rh«l in L«ip»ig Növmlttag« l l Uhr, Abend» * Ubr; in Dresden Abend» t Uhr, Vormittag« 8 Uhr, V«is für do« Vierteljahr H Thlr.i jede etnjelne Stim mer l Ngr. Zweite Nukgatr. Abends S Uhr. S3. Mai 18SL. —Nr 2«4. -— Deutsche Mgemeine Zeitung. -Wahrheit uud Recht, Freiheit und Gesetz!» Zu beziehen durch alle Pog- Lmter de« In- und Au«l«ndr<, sowie durch die Erpeditionen in Deipzig (Querstraße Nr. 8) uud Dresden (bei E. Höckner, Neustadt, An der Brücke, Nr. I). Insertion-,ebühr für den Raum einer Zeile 8 Ngr. Die Zukunft des deutschen Adels. — „Die Zukunft dcS deutschen Adels, vom aristokralisch-conservativen Standpunkt", daS ist der Titel eines SchriftchenS, welches darum einige Aufmerksamkeit verdient, weil eS ein Symptom neben manchen andern ist von den in einer großen und noch immer einflußreichen Classe unse rer Gesellschaft sich regenden Ideen und Bestrebungen. Der Verfasser (Wie man sagt, ein Graf Görtz) verhehlt sich nicht, daß der Adel gegen- wärtig in einer miSlichen Stellung sich befinde, zurückgestoßen von dem Bürgerthume, welches ihn mit argwöhnischen Augen betrachte, von der Bureaukratie, welche sich über ihn und auf seine Kosten erheben wolle und erhoben habe, theilweise selbst von den Fürsten, welche nicht wag ten, sich rückhaltlos auf ihn zu stützen, anS Furcht, seine Unpopularität z« Heilen. Dazu endlich komme noch die Eifersucht des niedern gegen den hohen Adel, deS landsässigen gegen den ehemaligen Reichsadel, die Allfdringlichkeit deS werthlosen TitularadelS, endlich die unbehagliche und precair« Stellung der nachaeborenen Söhne des MajoratSadelS. Gleich- wol steht der Verfasser die Sache des Adels keineswegs als verloren <m, wenn derselbe nur die rechten Mittel zu seiner Wiedergeburt wähle. „Die Geschichte des ehrwürdigen Deutschen Reichs", meint er, „der deut schen Nation, die nicht immer so dastand wie jetzt in ihrer Erniedrigung, weist auf eine ehrenvollere Zukunft deS deutschen Adels hin als die, welche die Murrer unS brschieden haben wollen," Nur dürfe der Adel selbst „den Fortschritt, der die Grundregel der ganzen Schöpfung ist, nicht allein verleugnen". Der Verfasser geht von der Voraussetzung anS, daß die Erfahrung der letzten Jahre sowol das „französisch-deutsche re- präseutatlv-constitutionell-monarchische System", als „moralisch-todt" ge zeigt, wie auch der Bureaukratie den Todesstoß versetzt habe, indem diese weder in den Stürmen der Revolution, noch in den Zeiten der Reak tion probehaltig, vertraueneinflößend erfunden worden sei. Darauf nun baut der Verfasser seine Hoffnung für den Adel. „ES geziemt nicht dem Adel, diese harte Lehre der Geschichte schadenfroh auSzubeuten, wohl aber auf die ritterliche Hingebung, die durch Tradition in dem Abkömmling alter Geschlechter lebt, hinzuweisen, diese Hingebung dem monarchischen Brinkip in einer schweren, gefahrdrohenden Zeit darzubieten. Ja, wir scheuen unS nicht, selbst vor das Volk als Bewerber um sein Vertrauen neben die Bureaukratie zu treten; wir berufen uns auf die LandeStheile, welche unsern Vorfahren unterthan waren, auf die Achtung, welche Ab stammung von ,ritterlichen Aeltem, die von Geburt auferlegte Verpflich tung, sich hervorzuthun, dem Vaterlande zu dienen, in dem Unparteiischen erweckt." Freiheit sei, wie jeder edlen Natur, so auch dem Adel Heuer, der sich von Natur „edel" nenne. Sein Beruf sei es, „die ihm ver wandten Kreise deS Volks zu hegen und zu vertreten"; Tyrannei da gegen sei jede Herrschaft, die in daS Leben deS Volks gewaltsam ein greife, nach Launen oder Hirngespinnsten seine natürliche Entwickelung störe, möge sie nun GünstlingS-, Beamten-, Majoritäten- oder Pöbel herrschaft genannt sein. Recht und Pflicht de^ Adels sei eS, die Grund sätze der „Erhaltung", der „Treue gegen den Fürsten und das Princip, daS ihn trägt", von materiellen. Dingen aber die wichtigsten Interessen doS Grundbesitzes, mit dem der wahre Adel unauflöslich verwachsen sei, W vertreten. Er schließe sich „nach oben an den Thron, nach unten an den Kern deS Volks, den Bauernstand", an, „desseü natürlicher Vertre ter und Berather er ist". Diese Anführungen genügen wol, uns erkennen zu lassen, daß wir <S hier durchaus mit jener Auffassung des Adels und seines Verhält nisses zum Volke zu Hun haben, welche in einer patriarchalischen, pa- trimonialeN Schutzhrrrlichkeit deS erstem über das letztere die Aufgabe des Adels und daS Wohl deSGanzen begründet findet. Von diesem, Standpunkte aus find die Vorschläge zu beurtheilen, welche der Verfas ser für die Zukunft de» Adels macht, und es kann uns nicht beirren, wenn Manches darin auf eine höhere, freiere Ansicht von dem Verhältnisse deS Adels zum Staate und zum Bürgerthume hinzudeuten scheint. Die Idee deS englischen Adelsinstituts, die hier und da anklingt, erscheint immer nur in trüber Mischung mit jener patrimonialen Auffassung. Rach des Verfassers Ansicht nun gebührt dem deutschen Adel: 1) Vertretung des Landes in den Ersten Kammern der deutschen Staaten, sowie in dem Oberhause eines deutschen Parlaments, wenn die natürliche Entwicke lung uns auf ein solches führen sollte. Ebenso wohlberechtigt erscheint der Adel in Provinzial- und kreisständischen Versammlungen, wie sie Heils bestehen, Heils als Gegengewicht gegen die nach dem repräsenta tiven System gebildeten Centralkammern sich als nothwendig erweisen werden (!). 2) Vorzugsweise Berufung des Adels und des stabilen Grundbesitzes (der damit verschmolzen werden soll) zur Localverwaltung, nach dem Muster der preußischen („leider auch dermalen muthwillig über Bord geworfenen") Landrälhe. Der Verfasser findet hierin eine Nach ahmung deS englischen Zolk-government, „wovon ja der Liberalismus und die Bourgeoisie so viel sprechen". Der „Liberalismus" würde gegen eine solche Berufung deS großen Grundbesitzes zur Localverwaltung, auf dem Lande (denn für die Kreise deS industriellen Lebens findet selbst der Verfasser andere Einrichtungen nothwendig), nach dem Vorbilde der eng lischen Friedensrichter (nicht der preußischen Landräthe) vielleicht weniger einzuwenden haben, unter zwei Voraussetzungen, die aber zur Zeit eben nicht vorhanden sind: erstens wenn diese großen Grundbesitzer keinerlei andere Vorrechte als solche politische besäßen und beanspruchten; zweitens wenn unser Adel in. der Mehrzahl seiner Glieder durch sein Verhalten im öffentlichen und socialen Leben hinlängliche Garantie dafür gegeben hätte, daß, wenn ihm eine solche Gewalt anvertraut wäre, er diese nicht im eigenen oder im Interesse seines Standes, sondern nur im all gemeinen, nicht eigenmächtig oder nach Gunst, sondern jederzeit nur als das gewissenhafte und unbeugsame Organ deS Gesetzes, der Gerechtig keit und Volkswohlfahrt gebrauchen würde. Aber wie viele Männer auS dieser Classe würde man wol bei uns finden, welche gleich jenem englischen Friedensrichter Hardwicke einen Capital» der königlichen Garde, den Neffen eines Herzogs, zu der höchsten durch daS Gesetz vorgeschrie benen Strafe deS Arbeitshauses wegen MiShandlung eines Polizei dieners verurtheilen möchten? Die Garantien, welche nach des Verfassers Wunsch der Adel dem Staate bieten soll, damit dieser solches Vertrauen in seine Hand lege, erfüllen nur zum Theil die erste der von uns geköderten Bedingungen. Die zweite könnte nur die Zeit erfüllen, denn bisher hat der Adel ein solches Vertrauen nicht erreicht. Die bestimmten Vorschläge deS Ver fassers sind nun folgende: 1) Innigste Verschmelzung deS deutschen Adels mit dem stabilen Grnndbesttz, so zwar, daß nicht allein nur der auf sta bilen (d. h. fideicomnilffarischen) Grundbesitz fundirte Adel die Geltung eines solchen behält, sondern auch umgekehrt fideicommissarischer Grund besitz von einer gewissen Größe zum Eintritt in den Adel berechtigt. „Gewisse Beschränkungen" freilich sollen hierbei, so billig als nothwen- dtg" sein, z. B. „unbescholtener Charakter, wo nicht Auszeichnung, und Einstimmung deö bestehenden Adels, welche aber ohne triftige Gründe nicht verweigert werden könnte". 2) Die Begründung einer erblichen Pairie oder eines neuen „RrichsadelS", als „Spitze des ganzen Adels und mit diesem organisch verbunden" (also doch noch neben und aHitir jener!), wohin unter allen Umständen die Familien des bestehenden ho hen Adels zu setzen wären. 3) Vorrechte deS Adels sollen sein: s) da schon erwähnte Recht der Vertretung, auSgeübt durch jene Pairie und durch corporative Vertretung des Adels in den Kammern der Provin zialstände der Einzelstaaten ; b) Autonomie und Freiheit deö Aufenthalts in allen deutschen Bundesstaaten (nach der Bundeöacte), der privilegirte Gerichtsstand in peinlichen Sachen, wenigstens für diePairie (juäioinw parium), wo möglich aber auch „StandeSgertchte für den gejammten Adel"(ü). „Desgleichen ist eS unanständig (!!!), den Adel an seinem Stammsitze der Polizeigewalt unterzuordnen, die noch, vor drei Jahren vielleicht von ihm- ernannt wurde." „Bundeörechtliche Garantie dieser Rechte deS Adels gegen Eingriffe der Einzelstaaten. M< Steuerfreiheit (gegen Entschädigung), den privilegirtsn Gerichtsständ en Civilsachen, die Militalrfreiheit und die Reste obrigkeitlicher: Rechte, die der Mol noch besitze, will der Berfafstr^-die? buudeSgesotzlichen Rechte deS hohen Adels ! unbeschadet — bezüglich deS niedern, „dem gefräßigen Zeitgeist als Opfer hinwerfen". Ferner hält er für nöthig 4) die Ablegung der Adelstitel seitens der jüngern Söhne; doch soll deren Namen und Wappen auf ihren Ursprung Hinweisen, sodaß z. B. ein jüngerer Sohn deS Grafen v. Schönburg zu Hartenstein sich „Schönburg zu Hartenstein" nennen würde. Der Gedanke eines wirklich organischen UebergangeS vom Adel zu den andern Ständen (wie er jener Einrichtung in England zu Grunde liegt) ist freilich bei dem Verfasser so wenig vorhanden, daß er sich viel mehr in echt continental-aristokratischer Weise darüber so ausspricht: „Wir sind nicht sehr besorgt, daß der Abkömmling eines edlen Geschlechts sich so leicht zu einem Stande verirren werde, der ihn dem Verkehr mit aristokratischen Kreisen entschiedet entfremdet; wenn wir gleich denNach- geborenen hierin völlig freie Wahl lassen, so glauben wir doch, daß die angestammten Anschauungen eS ihnen sehr erschweren werden, z. B. sich der Industrie im engern Sinne und dem Kaufmannsstande zu widmen, welche Stände dadurch, daß sie eine andere Spitz-, die Geldaristokratie, haben, durch eine weite Kluft (!) von denen entfernt sind, welche als ihre