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einem Konzert in Bad Mergentheim schrieb man über Beethoven: „Sein Spiel unterscheidet sich auch so sehr von der gewöhnlichen Art, das Klavier zu behandeln, daß es scheint, als habe er sich einen ganz eigenen Weg bahnen wollen.“ Bald gewöhnten sich die Hörer an diesen „ganz eigenen Weg“, sie begriffen das Neue, sie spürten, daß Beethovens Improvisationen mehr waren als nur Stimmungs bilder des Augenblicks. Der junge Komponist fühlte in sich klar die zu schaffende Form, er improvisierte, und indem er improvisierte, verdichteten sich seine Ein fälle, das Intuitive verschmolz mit dem rein Gedanklichen, das Gefühlsmäßige ging Hand in Hand mit dem Geistigen — Beethovens Improvisationen waren von seinen Kompositionen nicht zu trennen. Johann Schenk, dessen „Dorfbarbier“ einst zu den beliebtesten Singspielen seiner Zeit gehörte, berichtete uns vom Erlebnis eines Beethovenschen Improvisations abends: „Nach einigen Anklängen und gleichsam hingeworfenen Figuren, die er unbedeutsam so dahingleiten ließ, entschleierte der selbstschaffende Genius so nach und nach sein tiefempfundenes Seelengemälde. Von den Schönheiten der mannig faltigen Motive, die er klar und mit überraschender Anmut so lieblich zu verweben wußte, war mein Ohr zur beständigen Aufmerksamkeit gereizt, und mit Lust über ließ sich mein Herz dem empfangenen Eindrücke; während er sich ganz seiner Einbildungskraft dahingegeben, verließ er allgemach den Zauber seiner Klänge, und mit dem Feuer der Jugend traf er kühn in weit entfernte Tonleitern. Nun begann er unter mancherlei Wendungen, mittels gefälliger Modulationen, bis zur himm lischen Melodie hinzugleiten, jenen holden Idealen, die man in seinen Werken häufig vorfindet. Nachdem der Künstler seine Virtuosität so meisterhaft beurkundet, verändert er die süßen Klänge in traurig wehmütige, sodann in zärtlich rührende Affekte, die selben wieder in freudige bis zur scherzenden Tändelei. Jeder dieser Figuren gab er einen bestimmten Charakter und trugen das Gepräge leidenschaftlicher Empfin dung, in denen er das eigene selbst Empfundene rein aussprach. Weder matte Wieder holungen noch gehaltlose Zusammenraffung vielerlei Gedanken, welche gar nicht sich zusammenpassen, noch viel weniger kraftlose Zergliederungen durch fort währendes arpeggieren (worüber das Gefühl des Hörers ein Schlummer überschleicht), konnte man gewahren. In der Ausführung dieser Phantasie herrschte die größte Richtigkeit, es war ein heller Tag, ein volles Licht!“ Beethoven vollendet insgesamt sieben Instrumentalkonzerte mit Begleitung des Orchesters, davon fünf für Klavier. Die Konzerte C-Dur (Nr. i, op. 15) und B-Dur (Nr. 2, op. 19) waren gleichsam ein Abtasten des zu bestellenden Feldes, während das Konzert c-Moll (Nr. 3, op. 37) weit über seine Vorgänger hinausging und zu gleich die Verbindung zu den beiden letzten Konzerten herstellte, den Konzerten G-Dur (Nr. 4, op. 56) und Es-Dur (Nr. 5, op. 73). In diesen beiden Werken bricht Beethoven „rücksichtslos die letzte Brücke ab zwischen sich und der oberflächlichen