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in beiden Kammern noch zur Berathung kommen känn. Denn, mein« Her» re«, bei dem jetzigen Stande der Dinge thut Eile noth, und .drei Zähre sind in dieser hochwichtigen Angelegenheit ein langer, langer ZMaum, in wel- «hem viel schlimm gemacht werden kann, was nik wieder gut zu machen ist. Haben wir diese« Gesetz, dann mögen, unabhängig vozn Ausland«, Presby terien und Synoden, aus Geistlichen und Laien richtig zusammengesetzt, die inner«, Regierung und Stände aber die äußern Angelegenheiten der Kirche berathen und ordnen. Auf diesem Weg allein sehe ich Heil, sehe ich Rettung für DaS, waß auch ich für den ersten Grundpfeiler des Staat», für die erste Bedingung jedes menschlichen Glücks halt«, nämlich wahre Religiosität, war mer, beseligender Glaube. Bon gemeinsamen Maßregeln der Regierungen dagegen erwarte ich gerade das Gegentheil; denn diese Zeit ist vorüber und kehrt nimmer wieder, wo das Volk einen vfficicllcn Glauben habe« will. Einen schlagenden Beweis dafür bietet die neuere Geschichte Preußens. Als Friedrich Wilhem III-, gewiß in der besten und reinsten Absicht, die lutheri schen und reformirten Bewohner seines Landes zu Einer Kirche vereinigen wollte und dies auf alle mögliche Weise durchzusetzen suchte, da rief er, na mentlich in Schlesien, einen Widerstand hervor, den zu besiegen seine große Macht viel zu gering war, und dessen Folgen seitdem die Ruhe der prote stantischen Kirche von ganz Deutschland gestört haben und leider immer noch stören, ja sie untergraben; denn von dieser Zeit datircn sich erst die großen Zerwürfnisse im Innern unserer Kirche. Bis dahin hatten ja alle Protestan ten, wie verschieden auch ihre Ansichten sein mochten, friedlich neben einan der gelebt. Darum noch einmal: Keine Uebereinkünfte mit den andern Für sten in dieser wichtigsten aller Angelegenheiten! Sachsens protestantische Kirche wird sich kräftig von selbst wieder aufrichten, sobald man ihr nur die Hand bieten und ihr die zu ihrem Leben unerläßlichen zeitgemäßen Zugeständnisse machen will. ' Abg. R «Witz er: Der uns zur Bcrathung vorliegende Paragraph ist die Antwort auf eine Stelle in der Thronrede, welche mit folgenden Worten be ginnt: „Eine ernste Aufmerksamkeit fodert die in mehrfachen Richtungen sich kundgebende Aufregung in kirchlichen Angelegenheiten, welche alle Eintracht zu stören, alle gesetzliche Ordnung, alles Maß zu überschreiten droht." In diesen Worten liegt offenbar ein Vorwurf über das Verhalten des Volks in den kirchliche« Angelegenheiten- Ich vermag in diesen Vorwurf nicht einzu- stimmcn, und ich will es versuchen, das Verhalten des Volk« zu rechtfertigen. Vor nicht langer Zeit, meine Herren, lebte in Sachsen ein Vertrauen, schön und fest begründet, ein fast kindliches Vertrauen zur Regierung. Es ist die ses Vertrauen ungeschwächt geblieben, wenn glcichwol manche Maßregel der Regierung mit den Wünschen des Volks nicht übereinstimmte, wenn man auch zuweilen annehmen durfte, dergleichen Maßregeln seien nicht geeignet, mit der vorgeschrittenen Zeitcultur gleichen Schritt zu gehen- Es ist dieses Vertrauen unerschüttert geblieben, wennglüH- wir von Jähr zu Jahr auf Li« Erfüllung längst gemachter Zusagen warte« mußten. Man entschuldigte das Verhalten der Regierung damit, daß fi«,' sonst freisinnig, Von äußern Einflüfftn g«stört dem Volke nicht die Freiheit in dem Maße gewähren könnt«, wie sie eigentlich wollte. Warum ist dies jetzt anders, warum ist das alte, lange bewährte Vertrauen nicht mehr vorhanden? Ist vielleicht da«> sächsisckj« Volk, das die Regierung selbst ein verständiges nannte, nicht mehr dasselbe? Ein flüchtiger Blick auf die Geschichte der letzten Zeit wird uns vielleicht die Alntwort darauf geben. Es ist «ine schöne Eigcnthümlichkeit detz sächsischen Volks und ein schöner Charakterzug desselben, daß cS sich stets als den treue sten Freund der protestantischen Freiheit angesehen, sich berufen gefühlt hat, den Protestantismus zu behüten und zu bewachen. Wenn wir von diesem Gesichtspunkt aus unsern Blick auf Das richten, was in jüngster Zeit von der ewigen Feindin der protestantischen Kirche geschehe«, wenn wir uns ins Gedächtniß zurückrufen, wie die römische Kirchcnhoheit die lange Friedenszeit trefflich dazu benutzte, ihre gesunkene Macht über die Geister der Menschen wieder zu erlangen, und mit welchen Mitteln sie das that, wenn wir uns an Has Treiben der Jesuiten, jener unchristlichen Körperschaft erinnern, und an die traurigen und schmachvollen Folgen, die daraus erwachsen sind, wenn wir uns in das Gedächtniß zurückrufen, daß in unserer Zeit, in dem gebilde ten 18. Jahrhundert, ganz in unserer Nachbarschaft die alten Bedrückungen der Protestanten wieder beginnen, wenn wir sehen, was die römische Kirche, nicht um den, Frieden der Menschheit zu fördern, sondern um den Frieden ber Menschheit zu stören, gethan hat, und was selbst in unser Vaterland herübergriff — denn wer wollte läugnen, daß auch in Sachsen Dinge vorge kommen sind, die nicht mit der christlichen Idee der Liebe vereinbar sind — wenn wir uns, meine Herren, auf der andern Seite an Das erinnern, was felbst im Schoose des Protestantismus vorgegangen ist, und sehen, wie auch Hier eine im Finstern schleichende Partei auftauchte, die den besten Willen "zeigte, das Aufstreben des Geistes mit allen Kräften und nicht immer mit ehrlichen Mitteln zu unterdrücken, wenn wir dies Alles zusammenhalten, wer möchte sich dann noch wundern, daß eine Besorgniß, die,protestantische Kirche möchte nicht nur neuen Angriffe« ausgesetzt sein, sondern auch selbst in Ge fahr kommen, wer möchte sich wundern, daß eine solche Besorgniß im Volke tiefe Wurzel geschlagen hat? Ich wundere mich nicht, und sollten wir da« Wolk tadeln, daß eS mit einer nie gesehenen Freudigkeit einer Bewegung ent gegenkam, welche aus einem entfernten Theile des Auslandes kam, aber sich schnell über ganz Deutschland hinwälzte, daß cs mit Freude, Jubel und Bru derliebe Diejenigen ausgenommen hat, die aus längst gefaßter Uebcrzeugung aus der römischen Kirche ausgetreten sind? Sollte cs uns befremden können, daß dies Alles so geschah? Gewiß nicht. Die Besorgniß für die Erhaltung, für den Fortbestand des protestantischen Geistes Mußte erwachen, die Freude «her das Ereigniß, das wir vor unsern Augen vorübergehen sahen, mußte groß sein- Fragen wir uns nun: was hat das Ministerium gethan, um diese nicht unbegründete Besorgniß, um die Mißstimmung, die daraus erwachsen mußte, zu beschwichtigen? Es hat die öffentliche Meinung gänzlich unbeach tet gelassen, es hat —auch dies muß ich hier sagen — die Deutsch-Katholiken mit ihrer Bitte um Schutz in ihrer Gottcsvereyrung von der Thür gewie sen, c« hat die Besprechungen der theuerstcn Interessen der Menschen sowol in Wort als in Schrift mchr als jemals beschränkt, c« hat die Hand endlich selbst an den zartesten Theil der Menschen, an das Gewissen, gelegt, indem cS ganz offen erklärte, aus der uns zugesichertcn Gewissensfreiheit sei weiter Nichts abzuleitcn, als daß Jeder denken könne, was er wolle, eine Gewissens freiheit, welche alle Märtyrer des ChristenthumS mit in den Lod genommen habe«. Die religiöse Freiheit, wetz»« Hoeren, ist aber, wie bi« politische, ein den Menschen von Gott gegebne«« Hffileg«» Recht. Wer ß« antastet, um sie weiter z» peschränken, als die Erhaltung der öffentlichen Ordnung «» unum gänglich nothwendig macht, der versündigt sich schwer «y seinrnMitmcnschen, «end hat. die Folgen allein zu verantworten, welche au» ihrer Vertheidigung «nöglicherweise erwachsen können, zur Vertheidigung dieser Freiheit ist aber Jedermann verpflichtet. Ich glaube daher, man thut dem Volk unrecht, wenn nM e« tadelt, daß cS so tief« Besorgniß gefaßt hat, man thut dem Volk unrecht, wenn man es um deswillen tadel», daß eS «in welthistorisches Ereigniß der Zeit mit Freude, ja mit Jubel begrüßte, man thut ihm unrecht, «enn man e» tadelt, daß es auch jetzt noch glaubt, daß das Ministerium der Gewissensfreiheit zu nahe getreten ist. Ich bin überzeugt, wenn die Regie rung es aufgtbt, dem Strome der geistigen Bewegung unserer Zeit entgegen- zutreten, wenn sie Vertrauen faßt zum Volk und nicht Mistrauen, wenn sie dem Volk zeigt, daß dessen theucrstc Interessen auch ihr thcuer sind, und daß sie den Willen hat, diese Interessen zu schützen, ich bin überzeugt, daß dann daS Vertrauem.bM »ykder und gewiß zurückkchre« wird; denn der Cha rakter des sächsischenxMMvhät sich nicht verschlimmert, im Gegentheil, er hat sich veredelt- Da« Volk hat die angestammte Liebe zur Regierung nicht vergessen, man pflege sie nur. Ich werke daher, und kann nicht ander-, dem Deputationsgutachtcn bcipflichte«. StaatSminister v- Könnerih: Ich erlaube mir noch auf eine Aeuße- rung deS ehrcnwerthcn Abg. Ziegler etwas zu erwähnen. Der geehrte Ab geordnete stellte nicht gerade einen Antrag an das Ministerium, sondern er erwähnte nur als Wunsch, daß die Regierung einer solchen Besprechung nicht beiwohn«« möge. Das Ministerium will ganz offen gegen die geehrte Kam mer sich aussprechen. Ob eine solche Besprechung stattfinden werke? weiß ich nicht. Wenn aber eine solche unter den protestantischen Regierungen statt- huben sollte, so werden Sie der Regierung Sachsens, der Wiege der Re formation, das sonst die Direction der evangelischen Angelegenheiten in ganz Deutschland hatte, und da die evangelische Kirche nicht eine auf einen bestimmten Stand begrenzte ist, gewiß nicht verdenken, an einer solchen Be sprechung Theil zu nehmen; allein von vcrbindlichcn Verhandlungen kann hier bei nicht die Rede sein- StaatSminister v. Wietersheim: Auf die Rede deS ehrcnwcrthenAb geordneten au« Chemnitz gehe ich nicht weiter ein, weil die Zeit dazu dann sein wird, wenn das betreffende Decrrt an di« verehrte Kammer gelangt, da her ich. nur kurz Folgendes hier bemerke: Ob die Negierung im Sinne der öffentlichen Meinung gehandelt, ob sic dcm Strome der Geister entgegenge- tretcn sei, lasse ich dahingestellt; von anderer Seite her ist ihr gerade der entgegengesetzte Borwurf gemacht worden, daß man der öffentlichen Meinung viel zu viel nachgegebcn habe. Nur Eins hat sie gethan, sie hat an den Vorschriften der Verfassung-urkund« streng festgehalten. Es wird künftig die Zeit kommen, sich darüber auszusprechen, und die verehrte Kammer dann daß Recht und die Pflicht haben, wenn sie sich überzeugen sollte, daß die Ver- faffungSurkunde übertreten worden sei, dies zu rügen. Abg. Heubcrer: Ich habe über diesen 8 6 alltrding« so Manches auf dcm Herzen, jedoch will ich mich auf Weniges beschränken, weil un« noch Gelegenheit zum AuSsprcchcn gegeben wird. Ich bin keiner von Denjenigen, die irgend einem Zwang außer dem, der durch das Zusammenleben von Men schen und durch die unbedingt nothwendige Ordnung des Staats herbeigeführt wird und darum nöthig ist, hold sind, sondern ich liebe in politischen Din gen die Freiheit, so weit sie nur möglich ist. Desgleichen kann ich natürlich auch keine Gebundenheit in religiöser Beziehung gut heißen und mich nicht zu der Idee verstehen, daß irgend eine Regierung oder ein Einzelner daS Recht habe, andere Menschen ihres Glaubens halber zu tadeln oder ihre Ge wissensfreiheit zu beschränken. Ich kann mich auch ebenfalls gleich dcm Ab geordneten au« Chemnitz nicht damit einverstanden erklären, daß der 8- 32 der VerfassungSurkunde sich allein auf diejenige Gewissensfreiheit beziehen solle, die sich innerhalb des menschlichen Gedankenreichs ausübcn läßt. Ich finde in der That keinen vernünftigen Grund, warum ich denjenigen meiner Mitmen schen mit schelcn Augen anschen sollte, der zum himmlischen Bater einen an dern Weg einschlägt als ich. Ich gestehe offen, ich könnte mit jedem Men schen die innigste Freundschaft schließen, wenn er nur sonst ein guter Mensch ist, wenn er auch eine ganz verschiedene religiöse Ueberzeugung in sich trägt. Mit diesem 8- 0, mit dessen Fassung ich mich natürlich vollkommen einver standen erkläre, ist auch gesagt, daß die Religiosität nicht durch eine Be schränkung oder vielleicht durch dogmatische Formen befördert werden könne. Nun, meine Herren, wer möchte im Allgemeinen sich nicht einverstanden er klären mit dem Eingänge dieses Paragraphen, wer möchte läugnen, daß Re ligion und Glaube die Grundpfeiler eines jeden StaatS sein müssen; wer möchte aber auch läugnen, daß Religion und Glaube, wenn sie durch be stimmte Dogmen und Formen dem Menschen aufgczwungcn werden, ohne in seinem Herzen begründet zu hin, keine Religiosität, sondern Irreligiosität und JndifferentiSmus hervorbringcn. Ich kann das beweisen, indem ich län gere Zeit unter Katholiken gelebt habe- Wenn etwa die hohe StaatSregie- rung oder auch Mitglieder der geehrten Kammer der Meinung sein sollten- daß z. B- eben in katholischen Ländern vermöge der starren religiösen For men und deS äußern anziehenden CultuS wahre Religiosität herrsche, so muß ich sagen, daß das ein gewaltiger Jrrthum ist. Nirgend findet man weni ger Religiosität als dort. Man findet die Kirchen häufig leer, häufig nur mit ältern Personen gefüllt. Woher kommt das? Weil der Mensch Das jenige, was ihm aufgezwungen wird, wenn cs nicht mit seiner innern Ueber zeugung harmonirt, sofort aufzugcben bereit ist. Ich habe daselbst Männer von den höher» bis zu den niedrigsten Ständen kennen gelernt und habe ge funden, daß sie Das, was mit ihrem Innern nicht übereinstimmt, bei Seit« legten und zum Jndifferentismu« griffen. Daher glaube ich bewiesen zu ha be», daß es nicht gut sei, wenn man religiösen Dogmen zu sehr huldigt, oder das Princip ausstellt, daß es durchaus nicht anders gehe, namentlich nicht für da« niedere Volk, als daß Glaubensbekenntnisse und sonstige Glaubens lehren unbedingt in enge dogmatische Formen eingehüllt sein müßten. Fortsetzung folgt.) Verantwortliche Redaction: Professor Bülau. Druck und Verlag von F. M. Broekhau» in Leipzig.