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LS4V sich befinde, daß er von der Verwaltung ungerecht behandelt werde. Zwar habe der Hr. Abgeordnete in ganz allgemeinen Bezeichnungen sich gehalten und seine Bezeichnungen in keiner Weise belegt, aber er habe von einer tie sen Niedergeschlagenheit, von einer Unzufriedenheit, von einer Trauer des ka tholischen Volks über die bestehenden Verhältnisse gesprochen; er habe gesagt, daß man von Auflaurern umgeben sei, daß man nicht wisse, ob man an dem einen Tage vor das Oberamt, an dem andern vor dar Criminalgericht beru fen werde; er habe von einem System des Mißtrauens gesprochen, und zwar in einer Richtung, als ob dieses System von der Regierung gehandhabt würde. Wäre die« richtig, so wären es grobe Vorwürfe für die Regierung; wenn sie begründet wären, so wäre allerdings hier der Ort, den Minister entweder in Anklagestand zu versetzen oder jedenfalls Beschwerde bei der Regierung zu erheben- Er hätte aber geglaubt, solche Vorwürfe nicht hören zu müssen, ohne auch Belege dafür zu vernehmen. Auch er sei Abgeordneter gewesen, aber eine solche Sprache hätte er sich nie erlaubt, ohne Belege zu geben- Belege habe er aber von dem Hrn. Abgeordneten nicht gehört, und es bleibe ihm nichts übrig, als ihn aufzufodcrn, zu Belegen zu schreiten, denn sonst sei eS an ihm, über seine Sprache sich zu beklagen. Der rittcrschaftliche Hr. Abgeordnete (Frhr. v- Hornstein) habe von einem Staatskirchenrechtssystem gesprochen. Er (der Minister) wisse nicht, wie man sich über ein Staatskir- chenrcchtssystem beklagen könne, ein Rechtsverhältniß des Staats zur Kirche werde in allen Staaten sich finden, und er glaube nicht, daß in Württem berg gegenüber von der Kirche Grundsätze festgehalten werden, die nicht in gleicher Weise in katholischen Staaten bestehen und dort mit strengerer Con- sequcnz durchgeführt werden als bei uns- Abg. Mack: Er sei misverstandcn worden; er habe die Mißstände be zeichnet, wie sie vom Volke gefühlt werden, aber nicht behauptet, daß sie von der Regierung allein außgcgangen seien, sondern sie nur angeführt, woher sie auch immer kommen mögen. Vorwürfe habe er Niemandem gemacht, aber Daß, waß er vorgebracht, könne er auch belegen. Abg. Wiest: Er trete den von den Rednern vor ihm geäußerten An sichten bei und bestätige, waß der Abgeordnete von Riedlingen über die Stim mung dcß katholischen Volkß in Oberschwaben vorgctragen habe- Der Hr- Minister habe ihn zu Beweisen aufgefodert; er weise ihn auf die Belege hin, welche in einer der letzten Sitzungen über freche verbrecherische Presse vorge legt worden seien. Die. aus der Ulmer Schncllpost und aus hiesigen Blättern von ihm und von Hrn. Dekan v. Strobel vorgelesenen Artikel haben wegen ihrer Angriffe auf die katholische Kirche und Religion das Ehr- und Rechts gefühl aufs tiefste verletzt. Die Waffen dagegen, Organe, fehlen den Katho liken; die Ungleichheit in Concession politischer Blätter bestehe. Aber er gehe nun näher auf den Etatssatz ein und erkläre sich gegen die Form, unter wel cher dem Bisthum, überhaupt der katholischen Kirche die Subsistenzmittel dargebotcn werden; er erkläre, daß solche auch viel zu gering seien. Der innern Unabhängigkeit und Selbständigkeit der römisch-katholischen Kirche müsse auch eine äußere entsprechen. Aber ob von solcher gesprochen werden könne, wenn die Unterhaltung des BisthumS, des Priesterseminars u. s. w. von der beliebigen Exigenz der Regierung, von der beliebigen Verwilligung ödtr Nichtverwilligung der Stände abhänge? Die« widerspreche dcnKirchen- -grfetzen, dem Reichsdeputationshauptschluß von 1803 und der Verfassungs- -Eunde. Durch jenen seien die reichen Stifter und Klöster zwar auch zur Unterstützung der Finanzen der betreffenden Souveraine, aber zunächst zum Unterhalte des Gottesdienstes und Unterrichts und bleibender BisthumSdota- tion überlassen. §. 82 der Verfassung verordne di« Ausscheidung und Ver waltung eigner, diesen Zwecken ausschließlich gewidmeter KirchenfondS- Schon auf dem Landtage von 1820 seien die Württemberg zugefallenen Kirchengüter zu einem Ertrage von 300,000 Fl. und der 1800 widerrechtlich zum Staats gut eingezogene vorderösterreichische ReligionsfondS zu 15,000 Fl. angenom men worden, allein Beides habe sich um die Hälfte vermehrt, sodaß der Er trag mindestens auf 075,000 Fl. jährlicher Einkünfte angenommen werden könne. Aber was werde nun auf die Bedürfnisse der katholischen Kirche ver wendet?. Blos je 145,000 Fl. jährlich. Und doch habe sic noch viele wesent liche Bedürfnisse. Es fehlen eigne Lehrstühle für Geschichte und Philosophie für die Zöglinge des Wilhelmsstifts; es fehle ein 8emi,mrium puei-onim, welches das Concil von Trient vorschreibe. Doch alles Das gehöre in eine besondere Motion. Abg. Schmidt von Rottenburg: Der Hr. Abgeordnete von Riedlingen habe von Niedergeschlagenheit und Kummer des katholischen Volkß gesprochen. Es sei wol nicht zu bezweifeln, daß di« Lheilnahme an dem bedauerlichen Krank- heitszustandc unsers Hrn. Bischofs, dessen der Hr. Abgeordnete hierbei er wähnt habe, auch beim Volk allgemein sei. Zm Uebrigen aber werde Das jenige, was der Hr. Abgeordnete von der Stimmung des katholischen Vol kes gesagt habe, sich aus die Geistlichen, und zwar auf einen kleinern Theil derselben, beschränken. Er wolle, um diese Ansicht zu bescheinigen, nur Eins anführen. Es sei als ein Grund jener Stimmung angeführt worden, die Geistlichen ständen gegenwärtig Lage lang vor den Oberämtern und Ober- amtsgerichtcn, um verhört zu werden; er könne sich nichts Anderes denken, als daß damit diejenigen Geistlichen gemeint seien, welche wegen Ausfällen gegen die andere Consession in ihren kirchlichen Vorträgen zur Verantwor tung gezogen werden. Wo nun ein solcher Fall eintrete, da sei es nicht die Staatsregierung, noch die Oberaufsichtsbchörde, welche dazu Veranlassung gebe, sondern die Geistlichen selbst. Zn dem Strafgesetze stehen gewisse Ar tikel; werde dagegen gefehlt, und finde sich dazu ein Kläger, so haben die Gerichte cinzuschreitcn; werden Beschwerden über stattgehabte Verletzungen außergerichtlich erhoben, so bleibe nichts übrig, als sie durch die zuständige Behörde, die gemeinschaftlichen Oberämter, untersuchen zu lassen. Und der Hr- Abgeordnete selbst werde ihm vielleicht zugeben, daß in dieser Beziehung von manchen Geistlichen sehr gefehlt worden sei. Das Alles berühre aber das Volk nicht. Der Frhr. v. Hornstein habe bemerkt, daß die Verhandlun gen zwischen der Staatsregierung und dem bischöflichen Ordinariat über die kirchlichen Differenzen bereits länger dauern, als der Wiener Congreß gedauert habe; darauf müsse er erwidern, daß vielleicht gerade der Zustand des Hrn- Bischofs, von welchem vorhin die Rede gewesen, hierbei von Einfluß sei. Zm Uebrigen sage er dem edlen Freiherrn seinen Dank, daß cs ihm diesmal gefallen habe, den katholischen Kirchenrath in so glimpflicher Weise zu behan deln. Seit einigen Jahren bediene man sich, besonders von Seiten einer obscuren Presse, gegen jenes Collegium eines Tones, der in der Lhat neu sei; der katholische Kirchenrath indessen sei, so viel er wisse, der Meinung, daß er sich außer der Tragweite der von dieser Seite kommenden Angriffe befinde; der katholische Kirchenrath werde nichts zu bereuen und nichts zu bedauern haben, als wenn er jemals aufhören könnte, in seiner Richtung und in sei nen Bestrebungen der alte katholische Kirchenrath zu sein. (Fortsetzung folgt.) Wissenschaft "Vrüssrl, im Mai. Zn der Sitzung der belgischen Akademie der Wis senschaften ain 1. März stellte sich der, wie bereits (Nr. 90) gemeldet, aus Spanien zurückgekehrte Generalarchivar Gachard die Aufgabe, einem vor zwßi Jahren sn mehren deutschen Blättern erschienenen Aufsatze „Ueber die letz ten Lebenktage des Kaisers Karl V." einiger daselbst vorgekommenen Jrrthü- mer wegen) entgcgenzutreten. Jener Aufsatz berief sich auf ein Dokument, -daß der deutsche Verfasser in Berlin zu Gesicht bekommen haben mußte und dar Hr- Gachard in Spanien selbst näher und ruhiger zu besichtigen Gelegen heit hatte. Don TomaS Gonzalez nämlich, den Ferdinand VIl. mit der Her stellung der von den Franzosen in Unordnung gebrachten Archive von Siman- tÄS beauftragt hatte, hatte eine Compilation von allen darin befindlichen, auf den Aufenthalt Karl'ß im Kloster Vuste bezüglichen Actenstückcn veran staltet, Vie nach seinem Lode in die Hände seines Bruders übergingen. Die ser bot das kostbare Convolut verschiedenen auswärtigen Regierungen, aber zu einein übermäßigen Preise und daher vergebens an, und daß Manuseript kam wieder nach Spanien zurück, wo es Hr. Gachard besichtigte und von Wo auß es endlich nach Paris ins Ministerium der auswärtigen Angelegen heiten wanderte, nachdem der Besitzer desselben seine Federungen bedeutend heruntergestellt hatte. Dem Verfasser des deutschen Aufsatzes zufolge war Juan Vasquez de Molina Secretair des Kaiser« und übersandte in dieser Eigenschaft der Prin zessin Donna Zuana die gewöhnlichen Nachrichten über ihren Vater. Juan Vasquez war aber vielmehr StaatSsecretair der spanischen Reiche und resi- dirte bei der Regentin in Valladolid- Der kaiserl. Secretair, der nebst dem Majordomus Luis Luijada die Prinzessin, meist durch Vermittelung jenes Vas quez, benachrichtigte, war Martin de Gaztelu- Ferner hätte Karl V. noch 500 Bedienten in seiner Einsamkeit um sich behalten. Dies ist durchaus falsch, denn Hr. Gachard fand in den Archiven von Simancaß die officielle Liste der 20 Personen, die der Kaiser in seinem Dienste behielt, und der übrigen, die entlassen wurden. Der deutsche Berichterstatter behauptet eben so irrig, im Manuscripte des Lomas Gonzalez Briefe des Enkels, Don Carlos, an seinen Großvater gesehen zu haben. Dergleichen existiren weder in der Sammlung von Staatk - und Familienpapieren zu SimancaS, noch im citirten Manuscript, wohl aber Briefe von Don Garcia de Lolcdo, Ayo d. h. Gouverneur des Prinzen. Der; selbe will/ immer in demselben Documente, eine Menge Briefe Philipp'S ge sunden haben, worin sich dieser über seine allzu große Jugend und seine Un erfahrenheit beklage, und seinen Vater beschwöre, das Kloster zu verlassen, und «Kunst. um das Gcepter wieder zu ergreifen. Er scheint die Worte der Vorrede zu seinem Documente nicht beachtet oder nicht verstanden zu haben. Dort heißt es: „ES ist gesagt worden und wird noch allgemein geglaubt, daß Karl, deß Klosterlebens müde, mehrmals aus seiner Einsamkeit zu treten den Wunsch gehegt, daß eS aber sein Sohn nicht bewilligt habe. Dies ist dermaßen falsch, daß der König mehr als einmal durch Briefe und durch Mittelspersonen, die er aus Flandern schickte, seinen Vater dringend bat, das Kloster zu verlassen, in dem ihm gefälligen Orte zu wohnen und sich mit der Leitung derjenigen Angelegenheiten zu befassen, die mit dem Zustande feiner Gesundheit verträg lich wären (^ gno so eneargara «le la äireooion äs los negovios gue tuersn vompatlkles con el eslaäo äs SU saluä)." Die Worte des Gonzalez: „Karl beschäftigte sich in Vuste mit allen Angelegenheiten, die er im In teresse des StaatS und für den bessern Ruf seines Sohnes zu behandeln für gut fand", werden also verdreht: „Karl blieb Kaiser bis zu seinem Lode; niemals gab er die Leitung des Staats auf, indem er sowol für Philipp als für andere Mitglieder seiner Familie weise und ausführliche Vorschriften dicti- rend nicdersetzte." Diese letztere Behauptung zu widerlegen, citirt Hr. Ga chard unter Anderm einen Brief vom 3. Mai 1558, den er in SimancaS ge sehen und worin Martin Gaztelu dem Juan Vasquez meldet, daß der Kaiser beschlossen habe, am Anfänge seiner Depeschen den Litel „Kaiser" aufzugeben, und ihm befohlen, neue Siegel anfertigen zu lassen, ohne Krone, Adler, gol denes Vließ rc. Der belgische Geschichtsforscher nennt einige Angelegenheiten, die ihn bis zu seinem Ende besonder« beschäftigten, worunter hauptsächlich die zwischen Alba und Paul IV. getroffene, von Karl bitter getadelte Ucbcrein- kunft, ferner das Umsichgreifen der lutherischen Lehre, sogar auf spanischem Boden, und in Bezug auf diesen letztern Punkt werden au« bisher unbekann ten Quellen einige Facta erzählt, auf die wir ihres Interesses wegen zurück zukommen gedenken. Wer auch der Schreiber des erwähnten deutschen Auf satzes gewesen sein mag: er hat die im Auslände so sehr gerühmte Gründ lichkeit der deutschen historischen Kritik gewissermaßen bloßgestellt, und "wir beeilen uns, die vom Auslande gemachten Berichtigungen im Namen der hi storischen Treue dem betreffenden Publicum zu übergeben. Verantwortliche Rcdaction: Professor Büla«. Druck und Verlag von M. W. ivroShau» in Leipzig.