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»SS« von Frankreich das Recht geübt haben, die Verhältnisse der Kirche zum Staate zu ordnen, ohne dem römischen Hofe oder der römischen Curie ein Einspruchsrecht zuzugestehen. 2) Ferner wird behauptet, die Bestimmung des Art. 16 der Deutschen Bundesacte, besagend: „Die Verschiedenheit der christlichen RcligionSpar- teien kann in den Ländern und Gebieten des Deutschen Bundes keinen Unterschied in dem Genüsse der bürgerlichen Rechte begründen", sei fol gendermaßen auSzulcgen: „Die Gewissensfreiheit in Deutschland besteht in der Befugniß, zwischen einem der drei anerkannten christlichen Be kenntnisse zu wählen." Als Fundament dieser Auslegung wird angege ben, bei Collationirung der Entwürfe der BundcSacte habe man gefun den, daß in einigen das Wörtchen drei vor dem Worte NeligionSpartcicn stehe, in andern nicht; damit dies nicht zu Mißverständnissen führe, so habe man das Wörtchen „drei" weggcstrichen, woraus folge, daß nur der Uebcrtritt zu einer von den drei Confessioncn erlaubt sei. Wir gestehen, daß wir dieser Schlußsolge nicht gewachsen sind, und nehmen einstweilen den Art. 16 so an, wie er dasteht, nämlich, daß die Zahl der in Deutsch land vorhandenen Ncligionspartcien unbestimmt geblieben ist. 3) Au dem Gebiete des badischen Kirchcnstaatsrechts sind die Verfasser gut be wandert, sie citircn das dritte Organisationöedict vom II. Fcbr. 1803 im Allgemeinen, wohlweislich ohne den hierher bezüglichen Text anzufüh ren; wir wollen ihn ergänzen, er lautet: „h. 15. In Bestellung der Die ner, welche zur Ausübung unserer R^ierungsrechte in staatsrechtlichen, staatswirthschaftlichen und gerichtlichen Kollegien und zu den Balleien der selben angestellt sind, soll durchaus keine Religionsinfluenz für oder wider einen oder den andern Religionsgenossen entscheiden"; tz. 17. dehnt diese Bestimmung auch auf die Vollzugsstellcn aus. Ferner wird das erste Constitutionscdict vom 14. Mai 1807 citirt und ganz richtig ausgeführt, daß in Art. 7 nur die evangelische und katholische Kirche ausgenommen sei, d. h. kirchliches Staatsbürgerrecht habe, alle andern Kirchcngesell- schaften nur geduldet seien, und daß nach Art. 8 die christliche Kirche zu erwarten habe, es werde alle Regierungsgewalt und deren Ausübung in directiver und administrativer Ordnung nur in die Hände von Dienern niedergelegt werden, die aus iheer Mitte sind. Wir fügen noch bei Art. 5: „Jeder Staatsbürger jeden Standes und Geschlechts kann nach eig ner freier Uebcrzcugung von einer Kirche zur andern, von einem Glau- bcnsbekenntniß zum andern übergehen Durch jede Religionsänderung gehen alle kirchlichen Gesellschaftsrechte einer verlassenen Kirche verloren,.... hingegen kann nichts von allgemeinen staatsbürgerlichen Rechten, Ehren und Würden, nichts auch von wirklich angetretenen Amts- oder ortsbür gerlichen Rechten verloren gehen, cs wäre denn, was AmtSrechte betrifft, daß durch besondere Gesetze oder Verträge dazu eine besondere Religions eigenschaft erfodert würde." Diese Gcsetzesstellcn führen zu den Fragen: 1) Ist Prof. Schreiber dem Staate gegenüber als aus der christlichen Kirche oder wenigstens aus der katholischen Kirche ausgetreten zu betrachten? 2) hat der Staat von seiner durch das Ordinariat ausgesprochenen Excommunication Notiz oder gar Anlaß zu nehmen, ihn von seiner Professur zu entfernen? Daß Schreiber der christlichen Kirche noch angehöre, daran wird Niemand zweifeln, der die bekannten Artikel der sogenannten deutsch-katholischen Kirche gelesen und noch nicht vergessen hat, daß „katholische Kirche" nichts mehr und nichts weniger heißt als „allgemeine christliche Kirche". Schrei- bcr's Gegner behaupten dies auch nicht, sie sagen nur, er gehört keiner von den zwei in Baden „aufgenommcnen" Religionsgescllschaftcn an. Dies ist unrichtig, Prof. Schreiber hat erklärt, er bleibe fernerhin bei der ka tholischen Kirche, und daß die von seinen Verfolgern citirtcn Landesgcsehe nicht verlangen, daß er römisch-katholisch sei, das folgt klar daraus, daß sie gar keine römisch-katholische Kirche kennen oder auch nur einmal diese Bezeichnung gebrauchen, was auch nach der Zeit, in welcher sic erlassen wurde», und nach den damaligen Verhältnissen der katholischen Kirche in Baden gar nicht denkbar wäre. Für den Staat bleibt daher das Zer- würfniß zwischen Prof. Schreiber und dem Ordinariat ein geistliches Ge- zänke, von dem cr keine Notiz zu nehmen hat und in das er klugerweise sich nicht mischen wird. Prof.Schreiber ist Christner erklärt: „Ich halte mich zur katholischen Kirche, und das muß dem Staate genügen; wollte er alle Diejenigen als Scktirer verfolgen und vom Staatsdienst ausschlie- ßcn, die nicht alle einzelnen Glaubenslehren der Kirche annehmen, zu welcher sie sich halten, so müßten wir schleunigst ein Jnquisitionsgericht errichten und mindestens drei Viertel aller Staatsdiener ausmcrzen. Aber nicht blos in Baden, überhaupt in Deutschland ist dieser Satz längst an erkannt und praktisch, und wer die Geschichte Dalberg'S, des Coadjutors von Mainz und nachherigen Fürsten Primas, wer jene von Wessenberg etwas näher kennt, der wird nicht behaupten wollen, daß Abweichung von einzelnen Glaubenslehren oder dem Ritus staatsrechtlich zum Scktirer mache. Prof. Schreiber ist weder aus - noch zurückgetreten, er ist bei sei nem früher» Glaubensbekenntniß geblieben und bei der Kirche, welche un sere Staatsgrundgcsetze als die katholische bezeichnen; daß cr in neuer Zeit nicht weiter geht und nach dem Verlangen seiner Gegner römisch-katho lisch wird, kann der Staat ihm um so weniger zum Vorwurf machen, als cr ihm seine jetzige Dienststellung gerade mit Rücksicht auf seine Glau- bcnSrichtunq angewiesen hat, und als er selbst, und wol aus guten Grün den, in allen Staatsgrundgesetzcn nur von einer katholischen, nicht von einer römisch-katholischen Kirche spricht. Die zweite Frage beantwortet sich leicht. Excommunication ist eine Kirchenstrafe, verfügt von der Kirchengcwalt zur Besserung eines oder mehrer ihrer Mitglieder: dem Ausgeschlossenen kann die Thcilnahme an kirchlichen äußern Handlungen verwehrt, aber die Glaubcnsacnosscnschaft nicht genommen, cr kann nicht gegen seinen Willen zum Scktirer gemacht werden. Für den Staat bleibt er bei seiner Kirche, so lange cr nicht freiwillig zu einer andern übertritt. Wollte der Staat von der Exeom- munication Anlaß nehmen, den Professor Schreiber von seiner Stelle zu entfernen, so würde er damit dem Ordinariate daS Recht einräumen, je den ihm unangenehmen StaatSdiencr von seiner Stelle zu vertreiben, er würde aber auch die Bestimmungen dcS Dieneredicts vom 3V. Jan. 18IS, H^5, ungebührlich auödehnen oder vielmehr die darin liegenden Rechte des StaatsdienerS kränken, da weder hier noch im tz. lv von einer Abwei chung vom Kirchcnqlaubcn als Anlaß zur Dienstentlassung mit oder ohne vorausgehcnde ÄcsserungSversuche die Rede ist. Die Frage, ob Prorec tor Schwörer befugt war, eine von der Staatsbehörde genehmigte Vor lesung Schreiber's cinzustcllen, ohne dem Senat und dem Kurator, die mit ihm in derselben Stadt wohnen, vorher Kcnntniß von seinen Beden ken gegen die Vorlesung zu geben, bedarf keiner Erörterung: eS ist dies eine brutale Handlung der Leidenschaftlichkeit und Eigenmacht, welche der wohlverdienten Strafe hoffentlich nicht entgehen wird. Schreiber hatte seine Vorlesungen angeschlagen, aber noch nicht begonnen, wie konnte ihm da sein Recht zu den Vorlesungen unter dem Vorwand entzogen werden, er misbrauche sie dazu, kirchliche Irrlehren vorzutragen? Seine Absicht, Ethik zu lesen, und seine Declaration an den Erzbischof waren lange Zeit vor dem Anschläge der Vorlesungen am Schwarzen Brete dem Prorector bekannt, dieser hatte also Zeit, seine Bedenken gegen Schrciber'S Vor träge, wenn cr deren hatte, den kompetenten Behörden vorzutragen. ES scheint allerdings, man wollte abermals einen Versuch machen, wie weit die badische Regierung anmaßliche Uebergriffe geduldig hinnehme. — Der Bremischen Zeitung wird aus Frankfurt a. M. vom 14. Mai geschrieben: „Die hessischen Prinzen von der kasseler Linie, Er ben des zu Frankfurt vor mehren Jahren verstorbenen Landgrafen Fried rich, Oheims des Kurfürsten Wilhelm II., sind am lv. Mai zu Rumpen- Heim bei Hanau eingetroffen, wo sich nach beendigter Parlamentssession auch der Herzog von Cambridge nebst Gemahlin einfindcn soll. Allem Ver- muthen nach dürfte daselbst eine Familienberathung über die Zuständigkeit einer demnächstigen Wiedcrvcrmählung des Prinzen Friedrich statthabcn, der nicht blos als präsumtiver Thronerbe von Kurhcssen, sondern auch we gen seiner Aussichten auf die Krone Dänemarks eine in politischer Hin sicht wichtige Partie ist. Dcsfallsige Anträge, hieß cs unlängst, waren von Seiten der Familie, der seine verstorbene Gemahlin angehörte, ge macht worden; und da nun in dem Augenblicke die Frau Großfürstin He lene von Rußland nebst ihren beiden Töchtern (Maria, geb. 9. März 1825, und Katharina, geb. 28. Aug. 1827) wol schon in Bad Ischl, wohin sich in diesen Tagen auch der Herzog von Nassau begeben wollte, angekommen sein dürfte, so ist in hiesigen Kreisen von einem doppelten Vermählungsprojecte die Rede, wodurch, kommt es zur Ausführung, zwei russische Prmzessinnen berufen werden würden, die Throne deutscher Svu- verame zu thcilen." ! Z Braunschweig, 20. Mai. Nachdem bereits die Ergänzungswah- ilen für den bevorstehenden fünften ordentlichen Landtag, dessen Eröff nung nach Maßgabe der neuen Landschaftsordnung von 1832 im Novem ber d. I. zu erwarten ist, angeordnet Fnd (Nr. 135), wird nunmehr erst der Landtagsabschied für den vierten, zum 4. Nov. 1842 berufen gewesenen Landtag untcrm 6. Mai durch die neueste Nummer derGesctz- und Verordnungssammlung bekannt gemacht. Sein Inhalt nimmt wenig Interesse in Anspruch, um so weniger, als alle den Ständen voraeleat gewesenen und von ihnen genehmigten Gesetze schon publicirt und in Wirk samkeit getreten sind. Die meisten derselben betrafen, wie bekannt, die veränderten Zollverhältnisse Braunschweigs und finanzielle Maßregeln. Ei nige andere Gesetze, die aus dem Landtage hervorgeganaen, wie etwa das über das Verbot des Handels mit Meßwaaren nach Proben, daS über das Halten von Feldtauben und das über die Eide der Juden sind nur von sehr untergeordnetem Interesse. * Frankfurt a. M., 20. Mai. Am 23. Mai findet in dem Sa lon der Mainlust die erste vorbereitende Versammlung zum Zwecke der Gründung einer deutsch-katholischen Gemeinde in Frankfurt statt. Dem Vernehmen nach haben bereits 70 Männer, zum größten Theile Familienväter, ihren Entschluß ausgesprochen, an diesem Werke Theil zu rehmen, und es dürfte diese Zahl nach der ersten Versammlung sich noch bedeutend vermehren.— In Offenbach wurde gestern zu Ehren Kerb- ler's ein großes Banket gegeben, welchem über 300 Personen beiwohn ten. Heute war Kerbler in Frankfurt, und eine große Anzahl warmer Anhänger der kirchlichen Reform veranstaltete ihm zu Ehren ein Festmahl im Römischen Kaiser. Es heißt, Kerbler werde bei der ersten Versamm lung hiesiger Anhänger der deutsch-katholischen Sache zugegen sein. Preuße«. Berlin, 20. Mai. Heute Vormittag um 11 Uhr fand die große Parade der hiesigen Truppen vor dem Schlosse statt. Sie war eigent lich auf den 17. Mai angesetzt, mußte aber wegen des an diesem Tag anhaltenden Regens abbestellt werden und wurde auf heute angescht. Der König, in dessen Gefolge sich die Prinzen und auch die jetzt auf Ein ladung deS Prinzen Karl hier zum Besuch weilenden sardinischen Marine offiziere befanden, ritt zuerst bei den aufgestellten Truppen vorüber und nahm sodann die Parade von der Infanterie, Cavalcric und Artillerie ab. Um 12'/, Uhr war daS kriegerische Schauspiel geendet. Die Königin und die Prinzessinnen hatten ihm auch beigewohnt. Das Wetter, schon die ;anze Zeit über rauh und kalt, hatte sich zu der Paradezeit aufgehellt und >licb auch noch nachher heiter. Heute Abend findet für die Truppen im Opernhause auf Befehl des Königs eine Vorstellung statt; Donizetti'S „Tochter deö Regiments" und Tänze werden zur Aufführung kommen. Gestern war in Potsdam Parade und Mittags großes Diner beim Kö-