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DRESDNER PHILHARMONIE Donnerstag, den 10. Dezember 1970, 20.00 Uhr freitag, 11. DtmiwbeF 1970, 00.00 Ulu Festsaal des Kulturpalastes Dresden 3 ZYKLUS-KONZERT BEETHOVE N-BART OK Dirigent: Kurt Masur Solist: Eric Heidsieck, Frankreich, Klavier Bela Bartok 1881-1945 Zwei Bilder für Orchester op. 10 In voller Blüte (Poco Adagio) Dorftanz (Allegro) Erstaufführung Ludwig van Beethoven 1770-1827 Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 c-Moll op. 37 Allegro con brio Largo Rondo PAUSE Sinfonie Nr. 6 F-Dur op. 68 (Pastorale) Allegro ma non troppo (Erwachen heiterer Gefühle bei der Ankunft auf dem Lande) Andante molto mosso (Szene am Bach) Allegro (Lustiges Zusammensein der Landleute) Allegro (Gewitter und Sturm) Allegretto (Hirtengesang, frohe und dankbare Gefühle nach dem Sturm) ERIC HEIDSIECK wurde 1936 in Reims geboren. Er studierte u. a. am National konservatorium Paris, wo er 1954 mit einem ersten Preis ausgezeichnet wurde, und vervollkommnete sich bei Alfred Cortot und Wilhelm Kempff. Als Neun jähriger gab er seinen ersten Klavierabend, aber erst 1955 begann seine eigent liche Karriere. Nach einem erfolgreichen Konzert in Paris wurde er für Schall plattenaufnahmen und für eine ausgedehnte USA-Tournee verpflichtet. Eric Heidsieck gehört zu jenen Pianisten der jungen Generation, denen eine große internationale Karriere vorausgesagt wurde und dessen Entwicklungsgang es immer mehr bestätigt. Mit der Dresdner Philharmonie musizierte er bereits im Jahre 1967. ZUR EINFÜHRUNG Mit Bela Bartöks „Zwei Bilder für Orchester" op. 10 und Beethovens „Pastorale" bilden zwei Werke den Rahmen unseres heutigen Konzertes, die - aus freilich unterschiedlicher Sicht - ländliche Szenen dar stellen, Natureindrücke mit musikalischen Mitteln wiedergeben. Das Bartöksche Werk, der frühen Schaffensperiode des ungarischen Meisters entstammend, wurde im August 1910 in Budapest komponiert und erlebte am 25. Februar 1913 durch das Orchester der Philharmonischen Gesellschaft Budapest unter Istvän Kerner seine Uraufführung. In den zwei Sätzen dieser Komposition verschmelzen impressionistische und folkloristische Einflüsse zu einer liebenswürdigen Synthese. Besonders gelang dem 29jährigen Komponisten die Orchesterbehand lung: „Sparsamkeit in den Farben, Reinheit und Raffinement der Verdopp lungen, Wechsel zwischen luftigem und vollem Satz, die glückliche Wirkung der Perspektiven — alles verrät den Meister der Instrumentierung" (S. Moreux). Dennoch hat Bartok hier nicht etwa nur mit schillernden Harmonien ein luftiges, unverbindliches Farbenspiel getrieben. Indem er sich an kräftig durchgebildete Melodien und eindeutige literarische Bilder hielt, verlieh er dem Werk unbedingte Wirklichkeitsnähe. „Der erste Satz (Poco Adagio) mit seinem charakteristischen Anfang trägt mit Recht den Titel ,ln voller Blüte'. Er beginnt mit einem Säuseln und Summen, einem Effekt, der bei Bartok der Ausdruck der freien Natur ist und den er damit erreicht, daß er die Streicher (ohne die Violinen) tremolieren läßt. Dieses .Lispeln' erweckt eine eigenartige Stimmung im Zuhörer. Diese Stimmung wird noch erhöht, wenn die Flöte wie Vogelgezwitscher leise ertönt. Der zweite Satz (Allegro), der .attacca' folgt und .Dorftanz' betitelt ist, charakterisiert mit seinem Eingangs thema ein ausgelassenes ländliches Fest. Es ist eine Musik, die eher an rumänische als an ungarische Volkstänze erinnert" (L. Lesznai). Ludwig van Beethoven hat mit seinen fünf Klavierkonzerten, die er zunächst für sein eigenes öffentliches Wirken als Pianist schrieb, Gipfelwerke der virtuosen Konzertliteratur geschaffen. Bereits vor den ersten beiden Klavier konzerten op. 15 und 19 hatte er sich mit der Komposition von Klavierwerken beschäftigt (Trios op. 1, zahlreiche Sonaten) und auf diesem Schaffensgebiet weit eher musikalisches Neuland, neue Klangbezirke erschlossen als in der Sinfonik. Die Klavierkonzerte entstanden etwa parallel zu den ersten sechs Sinfonien. Als ein Gehörleiden den Meister zwang, seine von den Zeitgenossen hochgeschätzte pianistische Tätigkeit aufzugeben, hatte er sein bedeutendstes Klavierkonzert, das fünfte in Es-Dur, bereits geschaffen und die mit dem dritten Konzert einsetzende Entwicklung seines konzertanten Schaffens von aristokra tisch-gesellschaftlicher Unterhaltungskunst zum ideell-schöpferischen Bekenntnis auf den Höhepunkt geführt. Das 3. Klavierkonzert in c-Moll op. 37 stammt in seiner endgültigen Gestaltung aus dem Jahre 1802 (Skizzen dazu entstanden allerdings bereits in früheren Jahren) und wurde mit dem Komponisten als Solisten zusammen mit der 2. Sinfonie und dem Oratorium „Christus am Ölberg" am 5. April 1803 in Wien uraufgeführt. Es ist sicher vor allem von der Zeit der Entstehung dieses Werkes her zu begreifen, wenn Beethoven hier im Vergleich zu den beiden vorhergehenden Klavierkonzerten ganz neue Töne anschlägt, diese Gattung unter ganz neue Gesetze stellt: war doch das Entstehungsjahr 1802, das Jahr des erschütternden „Heiligenstädter Testaments", für ihn durch die menschliche Tragik seiner beginnenden Ertaubung auch in persönlicher Beziehung äußerst krisenreich und bedeutungsvoll. Aus dem c-Moll-Konzert (schon die Wahl dieser Tonart ist charakteristisch) spricht bereits der gereifte Meister zu uns, der sich in großen, leidenschaftlichen Auseinandersetzungen durch die ihn bewegenden