Volltext Seite (XML)
Lop^rigkt 1936 bv ^ukvärts-Verlag, Lerliv 8^V 68 vj Nachdruck verboten. »Dich haut keiner übers L)y». Lu kommst gewappnet tn die Ehe." ,Aber Papa. Wenn dich Kurt hören würde!" »Ach was! Besser bewahrt, als beklagt. Die letzte In stanz für dich bleibe ich. Deine Rente kriegst du in den Haushalt, die Zinsen von deinem Kapital, das im Unter nehmen bleibt, verbrauchst du nicht ganz. Naindorff hat sich übrigens als ein vollkommener Gentleman benommen. Du besprichst natürlich alles mit ihm. Er kann dir nicht widersprechen, weil er nichts versteht. Er will das auch aar nicht. Ich habe das gleich bemerkt. Er langweilt sich, wenn die realen Dinge anmarschieren, findet, daß zu deren Bewältigung wir da sind. Kann er haben. Er ist. wie diese Leute eben sind.' „Bitte, Papa, nenne meinen Verlobten nicht .diese Leute." Er lachte, gab ihr einen Klaps. „Ist schon recht. Ent schuldige. Halte nur auf ihn. Das muß sein Er kann dich manches lehren, was unsereins nicht so wichtig findet und was uns auch nicht liegt. Ich bin jetz> ganz zufrieden, daß du nicht einem eleganten jungen Windhund erlegen bist. Hoffentlich gefällt dir nicht plötzlich so einer, wenn's zu spät ist." Vater und Tochter gingen zusammen spazieren. Muthe trieb dazu. Der Vater mußte sich Bewegung wachen. Sie wanderten landeinwärts, in die Siille der weiten Fläche, vor sich den Horizont, der unermeßlich schien mit seinem Spiel von Licht und Schatten. Herb ist das Gesicht dieser Landschaft, mit etwas Unwandelbarem, Feststehenden, das auch die stillen Menschen charakterisierte, denen man begegnete. Hierher kam Frau Rubertus nie. Sie badete auch nur heiß, wie daheim, machte sich keine Bewegung, faß, jugendlich geschmückt, im Strandkorb, und bewunderte bei den Ausländern das, was sie bei Deutschen „wirtlich, man muß sagen schon unpassend", gefunden hätte. In Rubertus aber regte sich, wenn er die ersten Wider- stände des Schaufelns durch den Sand bewältigt hatte, doch noch anderes. Sein Blick wurde lebendiger, ging verwundert, dann nachdenklich an den Fischergestalten hin, den breithüftigen derben Frauen, den blühenden Kindern, die in der Flut so zu Hause waren, als gehörten sie ins Nixenreich. Die Strenge der Gesichter blieb ihm wühl unbehaglich, aber sie imponierte ihm auch. Man fühlte das. Ein unerhörtes Abgeschlossensein in diesen Nord landsmenschen; wettergeprüft und gehärtet sahen sie aus, aber nicht vergrämt, gebeugt, auch nicht die Aeltesten. Taute einmal einer flüchtig auf, dann war da Witz, ein bißchen Spott über die Umständlichkeit anderer Lebewesen. Mißtrauisch in ihrer W^ise waren sie auch, aber nicht von diesem Mißtrauen erfüllt, das einen Menschen wie Ruber- tus vollkommen beherrschte. Ihnen war nicht der ganze Weg der Existenz mit Warnungstafeln besteckt, künstlichen Hemmungen. Sie schritten gerade, ohne viel nach rechts und links zu schauen. Als die Rubertus' heimkehrten, begann der Hochzeits- trubel, der zu den Torheiten des komplizierten Daseins gehörte. Frau Rubertus verzichtete in dieser Hinsicht auf gar nichts. Mächtig trat sie in Erscheinung, in jeder Hinsicht. Die Braut verschwand neben ihr. Als Raindorff vom Manöver zurück war, braun gebrannt, etwas angestrengt wirkend, manchmal gereizt über Dinge, denen er aber keine Worte lieh, machte das Brautpaar die vorgeschriebene Besuchsrunde, wurde beredet, in den beiden Welten des Mannes und des Mädchens. Es zeigten sich dabei die engen ständischen und gesellschaftlichen Unterschiede, auf- geoaut durch Jahrhunderte. Aber Muthe wurde im ganzen, auch von sehr kritischen Frauen, freundlich aus genommen. Sie kam einfach gekleidet, vollkommen un befangen, sogar munter, was den Bräutigam zuerst ent setzte. Aber als es wohlwollend angenommen wurde, laute auch er aus. Im Kreise RubertuS', der den Glanz materieller Er folge kräftig ausstrahlte, blieb er der Unsichere, wurde wieder steif, formell. Im Wagen fragte er dann: „Liegt dir an dieser Art Menschen sehr viel?" „Ich habe sie immer gesehen,, aber ich kenne sie gar nicht." Er atmete auf. Die Eigenarten in seinem Wesen er schienen nach der Trennung stärker ausgeprägt. Besonders kostbare Geschenke waren ihm nicht angenehm. Im Sep tember, vier Wochen vor der Hochzeit, wurde er in die kleine Provinzstadt Prachtitz versetzt. Sie lag nicht sehr weit von Gutschlage; das freute ihn. Nun kam noch die Wohnungssuche. Das Städtchen hatte ein herausforderndes Villenviertel, von Indu striellen bewohpt, einen breiten Kern von Arbeiter- und Bürgerquartieren. Dazu gar nicht wenig veraltete Herren häuser, kleine Ansitze in großen verwilderten Gärten, sehr arm an modernen Einrichtungen. Ein solches mietete Raindorff, noch ehe Muthe es besichtigt hatte. „Es paßt sür uns. Man kann uns nicht in die Fenster schauen, liegt nur zehn Minuten vom Zentrum der Stadt, Acht von der Kaserne. Garten und Stall sind soweit ordentlich. Die Zimmer groß, aver verwoynr, lcoocy haben da immer sehr gute Familien gehaust. Man spürt eine gewisse Tradition." Muthe besah -sich alles. Dabei lies ihnen eine Maus über den Weg. „Im Garten kannst du Obst und Gemüse pflegen." Frau Rubertus hörte es entgeistert. „Das kauft man doch besser. Du. verdirbst dir die Hände. Was sür Ge- schäfte sind denn in dem Nest?" „Geschäfte mit Ladenhütern, geführt von Leuten mit bester Gesinnung. Militärsromm, patriarchalisch, sehr er freulich. Nette Provinz. Und mehrere Güter im Um kreise. Kein hitziger, aber ein tadelloser, schlichter Ver kehr." „Schlicht!" sagte Rubertus ernsthaft. „Kenn' ich. Ein- ladung auf Löffel Suppe, keine Toiletten bei den Zu- sammenkünften, das heißt, ich meine — an haben werden sie natürlich etwas." „Du bist schon wieder zerstreut, James." „Also, Sie nehmen diese Rumpelbude, Kurt? Ich kenne diese Art verstorbene Herrschaftshäuser. Hoffentlich wird moderne Dienerschaft darin walten wollen." „Ich nehme nur solche, die pariert. Zuverlässig muß cs bei uns zugehen, und friedlich." Er sah die Braut fast flehend an. Sie nickte ihm zu. Es kam nie vor, daß sic ihn im Stich ließ. Je länger er mit ihr beisammen war, desto mehr kam wieder Lebensfreude in sein Wesen. Er konnte stundenlang von dem Ansitz Altlobenau reden, dessen Einrichtung er auf das liebevollste und umständ lichste betrieb. Daneben schrieben sie Dankbriefe, auch einen feierlichen, dessen Ton er angab, nach Gutschlage. Von dort hatte die- alte Frau, die Raindorff Muhme Beate nannte, ein komisch gepacktes, mit Wappensiegeln bedecktes Ding ge schickt, hoch versichert. Es lag ein Armband darin, aus ganz schwerem Gold, aber mit getrübten Brillanten. Sie bildeten eine Krone. Schön waren sie nicht. Der Schmuck war begleitet von einem Schreiben auf großem gelblichen, pergamentartigen Bogen, die Schrift in matt-violetter Tinte, wurde manchmal fein bis zum Verblassen, dann wieder riesengroß, mit mittelalterlichen Buchstaben. Französische Ausdrücke mischten sich in deutsche Sätze, aber nicht geziert. Gedanklich vollkommen konsequent ent wickelte sich der Inhalt dieses Dokuments. Raindorff las es zuerst allein, mit einer gewissen Nervosität. „Wie sie ist, ist sie eben. Zu ändern ist da nichts. Wir antworten liebevoll, nicht wahr. Mutb-? Darf ich dir vorschreibcn?" „Da bin ich dankbar." „Lesen, weißt du, kannst du oen Attes später, wenn der Trubel vorbei ist." Er seufzte. „Zur Hochzeit kommt meine alte Dame also nicht. Sie verkehrt eigentlich nur mit Pastoren und Adeligen." „Laß sie doch, wie sie ist." Er steckte erleichtert den Brief zu sta,. Die letzten Tage vor ihrer Hochzeit schllr, Muthe wenig. Bei Tage kam sie nicht zu Atem, leitete das Packen, sah eine Menge Menschen, redete alles Belanglose, das der Brauch erforderte. Der Bräutigam, der sechs Wochen Urlaub für die Hochzeitsreise erhalten, machte noch be. sonders eifrig Dienst, ließ sich feiern bei Junggesellen- festen, von denen er etwas fadenscheinig aussehend zurück kam. Ein paarmal schrieb er, er müsse ausschlafen. Hast war alles, Ueberstürzung. Da nahm sich Muthe fest in die Hand, erzwang sich Stunden des Alleinseins, ging frühmorgens durch den herbstlichen Park, atmete die feuchte Frische ein, schaute das langsame vielfarbige Sterben, das Fröhlichkeit ausströmte, gerade wie der Geruch des Bodens. Sie konnte sich kaum losreißen von diesen Stätten, stand und saß herum, lockte die Eichhörn chen, sah sie zum letzten Male Vorräte in ihre Baumlöcher abschleppen; schlau — etwas unverschämt schauten sie, Tiere — die Rätsel deS Lebens. Leuchtende Buchenblätter knisterten auf ihr Haar herab. Neue Gedanken kamen. plötzlich. Aber nicht Träume. Von was denn träumen? Irgend etwas fehlte ihr zum Jungmädchentraum. Was war das wohl? Daß sie ja gar nicht ein voll erblühendes junges Mädchen geworden war, bisher nur Kind gewesen. Gestern noch, heute noch Kind, morgen schon würde sie Frau sein. Es packte sie diese Tatsache, die mit einem Male unerbittlich vor ihr aufstand, überwältigend, daß sie — wie erschöpft — auf die Moosbank niedersank. Zwischen dem knospenden Mädchen und der Gattin des kommenden Tages mit seinen Bindungen klaffte eine Lücke, die nicht mehr überbrückt werden konnte. Es fehlte das Fest des Lebens, das nur einmal kommt, das lang same köstliche Erwachen zum echten Gefühl, zu dem der Weg führt mit den Spielen des Herzens, Kämpfen der Seele, Scherz und Ernst. Aus denen erst entwickelt sich der Mensch. Sie hörte vom Hause her ihren Namen rufen. Erst erklang der Miß Hygi immer etwas verzagte, zugleich mahnende und begütigende Stimme, dann die der Mutter, zweimal, dreimal — immer herrischer. Eine solche Flut von Abwehr stieg tn Muthe empor, daß sie gleich darauf > vor ihr erschrak. „Bin ich verrückt, hysterisch? ES warte» ! auf mich ein treues Herz. Alle sind sie sehr gut »u mir Was will ich denn noch?" Sie haßte sich plötzlich, rannt« heim, ließ sich Vorwürfe machen, blieb sanft. Von dem Verlobten war der letzte der täglichen Braut sträuße gekommen. Gr bestand aus glühend roten Rosen denen morgen die schneeweißen folgen sollten, mit der blühenden Myrtenzweigen. Ihr Zimmer sah aus wie eine Ausstellung. Der groß« Polterabend stand bevor. Frau Rubertus war in den Betrieb die Hauptperson. Aber man mußte sich auch mi> der Daisy-Grete befassen, die mit einem Male einen un geheuren Abschiedsschmerz entwickelte, zugleich voll Auf regung war, wie sie als Brautjungfer aussehen würde Der Vater sagte ihr phlegmatisch: „Wie eine Fliege in de: Milch." Sie erklärte schluchzend der Braut, daß sie ein Enge« sei und sie selbst ein Satan gewesen. Muthe widersprach nicht gerade und verzieh. Die Hochzeit nahm dann de» üblichen Verlauf, pom pöse Auffahrt an der Kirche, bei der sich eine Schar von Müßiggängern mit kritischen Zungen ihre Bemerkungen mitteilte, von Witzbolden kräftig unterstützt. Das Weiber volk aller Kreise überwog. Photographen lauerten an allen Ecken. Schöne feierliche Musik, reicher Altarschmuck, dekora tives Priestertum, sehr wohlwollend, schmucke Kameraden aus verschiedenen Regimentern mit ihren Damen. Unter oen vornehmen Leuten prächtige Herrenerscheinungen, an ziehende Frauen, gewollt schlicht, die mit ihrem alten Familienschmuck, der einfachen Haartracht unter dem Repräsentantenium des Geldes ausfielen. Dazu hübschc junge Mädchen, blasierte Herrchen, auch Vertreter des Auslandes. Der Bräutigam hatte fast keinen Anhang Es erschien nur der Chef des Hauses, ein Junggeselle in hoher Repräsentationsstellung, der über Fraucu hinwcg- schaute, und die Oberin eines evangelischen Schwestern- Hauses, sehr höflich, vollkommen unnahbar, im doppelten Sinne, des religiösen und des Standesbewußtseins. Die Tafel, die dann Rubertus gab, war glällzend. Eine große Summe hatte er angelegt, viel mehr, als diese Leute essen und trinken tonnten. Das freute ihn. Es war eine schnöde Freude. Er empfand es selber, unv irgend etwas in ihm schien aus seiner Ordnung gekommen Er starrte immer wieder auf die junge Braut, dann aus den Verlobten, der sehr gu» aussah. Es schien, als mache er eine Rechnung, zöge eine Bilanz, und diese stimmte dann nicht. Ein Höhepunkt waren die Telegramme hervorragende: Persönlichkeiten, auch' von Uebersee. Die Musik, die end losen Reden machten müde. Einen lustigen Tanztehraus gab es nicht. Der Abschied von den Eltern wurde zu etwas Kurzem, belanglos Wirkenden. Die Hochzeitsreise ging nach Italien, nach altem Brauch. Der Bräutigam war noch sehr wenig gereist. Herr Rubertus verschwand gleich nach dem Fest für ein paar Tage ganz in seine Fabrik. Seine Frau bereitete sich zu einer Pilgerfahrt nach Karls bad vor. Es war notw-nvio Kurt Raindorff hatte in einem kargen und engen Leben noch wenig von der Welt gesehen. Nur sein Vaterland kannte er gut. Dazu hatten M-.?.överwochen, Märsche und Uebungen beigetragen. Reisegewandt war er gar nicht, hielt aber darauf, erster Klaffe zu fahren, wie es ihm bei- gebracht worden: es mußte sein, wenn man auch anderes dafür zu entbehren hatte. Und dann nur in ersten Hotels absteigen. Muthe sand das unnötig, obschon sie es ge wöhnt war. Im tiefsten Wesen bescheiden, erfüllte sie der Gedanke an Freiheit und Wanderfreude, auch an Aben teuer. Ihr Gatte hatte nur Sinn für gebahnte Wege. Da für aber hatte er sich für dte geplante Reise ebenso gründ- lich vorbereitet wie auf ein schwieriges Manöver, arbeitete selbst mühsam Bahnverbindungen aus. Innerhalb der Reichsgreuzen nahm er alles übel, im Ausland aber wurde er sofort milde und nachsichtig, lachte über die undeutschen Schlampereien eines sonst „recht hübschen Landes". Immer gab es Lärm über irgend etwas, Lärm in zwei Sprachen, wobei er eine Grammatik in der Hand hielt. Mit diesen Büchern bewaffnet, korrigierte er sogar das Idiom der Fremden. Dann lachte Muthe und diese lachten auch, „vn 8iL»ore molto curioro." Es kam vor, daß er sich bei seiner Frau entschuldigte, aber auch, daß er ihr die Schuld an Verwirrungen zu schrieb, im übrigen betreute er sie liebevoll. Es war un möglich, ihm gram zu sein. Seine Aussprache des Italie nischen war viel besser wie die ihre. Sprachen lagen ihm. Wenn sie etwas an ihm anerkannte, strahlte er. ES tat ihr manchmal weh, wie karg er Liebe und Anerkennung ge wöhnt war. Es mußte sich nie jemand mit dem Herzen mit ihm besaßt haben. Sie sagte sich: das alles muß ich nachholen. „Wie lieb und warm du schauen kannst." Er sprach das oft plötzlich aus. „Du jüngste Raindorfferin, Frühling im alten Geschlecht." Einmal sagte er noch dazu: „Frisches rotes Blut." Dieser Gedanke schien ihn zu Überwältigen. Es war auf einem Spaziergang im Süden, an grau grünen Olivenwäldern hin, die die Felswände bestrichen. Er blieb stehen, mitten in diesem wandellosen Grünen und Blühen. Darin stand sie, ein lichtes Geschöpf, mit sonnigen Augen. Es war, als nähme er den ganzen Eindruck davon tn sich auf, sauge sich an ihm fest, würde dadurch selber strammer, trotziger. Etwas, wie eine rätselhafte Heraus forderung an irgendeine unbekannte drohende Macht loderte auf in seinen Augen, gab ihnen einen Augenblick lang Kampffeuer. „kreckemptrice", sprach er vor sich hin, zog ihren Arn» mit eisernem Griff durch den seinen. „Immer mub» >»- da sein, immer neben mir." -Wie sollte ich nicht?" fragte sie harmlos. (Fortsetzung folgt)