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lS2. Fortsetzung.) Ach, wenn sie jetzt eine Mutter gehabt, sich an ihrem Herzen hätte ausweinen können! Nie hatte sie eigentlich Mutterliebe gekannt. Tante Helge, ja, die hatte sich Mühe gegeben, ihr die Mutter zu ersetzen. Und auch Mistreß de Chileno. Mit einem Ruck richtete Monika sich auf. Mistreß de Chileno ... Wie eine rasende Flut stürzten sich die Gedanken über die grübelnde Frau. Die Chilenos l Daß sie die hatte vergessen können! Es tonnte die Rettung sein. Vielleicht. Sofort mußte sie schreiben. Sie halten ihr immer so lieb geschrieben; zu ihrer Hochzeit und zur Geburt des Kindes hatten sie ihr kost bare Geschenke geschickt. Und immer wieder hatten sie sie ihrer Liebe versichert und versprochen, recht bald nach Deutschland zu kommen, um das Kind Monikas zu sehen. Im nächsten Augenblick schon saß Monika an ihrem Schreibtisch. Ihre Feder flog über das Papier. Alles schrieb sie, legte die Dinge so dar, wie sie wirklich standen. Viele engbeschriebene Bogen lagen vor ihr, als sie end lich fertig war. Monika machte den Brief fertig. Heimo mußte ihn sofort hinübertrage» zur Poststelle, damit er noch mit der letzten Nachtpost fortging. Dann setzte sich Monika wieder in den tiefen Sessel. Wartete auf ihren Mann. Leise Worte murmelte sie vor sich hin. .Rettung — vielleicht! Barmherziger Gott! Um des Kindes willen hilf uns! Um des lebenden und um das, das kommen wird!* Weit draußen, dort, wo die letzten Oelquellen waren, hatte sich Dietmar West ein kleines Blockhaus bauen lassen. Bert hatte verwundert den Kopf geschüttelt, als er von dem Vorhaben des Bruders erfuhr. Er sei dort am nächsten bei den Bohrungen, hatte Dietmar gesagt und sich das Häuschen bauen lassen. Dietmar verstand viel von den Bohrungen, das stano fest, und Bert ließ ihm gern die Leitung über diesen Zweig des Betriebes. Die Arbeiter hingen sehr an dem jüngeren West, der besser mit ihnen umzugehen verstand als der verschlossene Bert, und auch die Beamten wandten sich an ibn, wo es anging; er war nicht so knauserig wie der Aeltsroz man konnte leichter mit ihm fertig Serben. Später hatte sich Bert über das Blockhaus gefreut, so oft er herübergekommen war. Mit solchen Dingen ver stand Dietmar umzugehen. Ein reizender Garten umgab das kleine HauS, weiße Mullgardinen leuchteten von den 1 Fenstern. ' Am Abend schloffen undurchdringliche Rolläden das s Innere deV Blockhauses von der Außenwelt ab. . Sehr behaglich war es da drinnen; es sah sogar ein j wenig romantisch aus durch die vielen Felle, die überall ; ausgebreitet lagen: am Boden, über der großen Couch und an den Wänden. Die Couch war übersät mit Weichen, bunten Daunenkissen. Gegenüber stand ein großer Schreib tisch, vor der Couch ein ganz flacher, moderner Rauchtisch, daneben noch ein bequemer, niedriger Sessel. Dann noch I ein paar kleine Möbelstücke: Teewagen, Blumentisch, ein n kleiner Bücherschrank. Man mußte es Dietmar kaffen, er hatte Geschmack und wußte, wie man ein Zimmer behag lich gestalten konnte. Niemand durfte ohne seine Einwilligung sein kleines Reich betreten. Man lachte über seine Marotte, nahm sie ihm aber weiter nicht übel. Bert glaubte sogar an Diet mars Ausrede, daß man einen Ort haben müsse, an dem man völlig ungestört sei, und der einem allein gehöre. Er war aber wohl der einzige, der völlig ahnungslos war. Nicht nur Viola, auch die Werksbeamten waren überzeugt davon, daß Dietmar West noch andere Gründe hatte, sein Buen Retiro vor der Außenwelt abzuschließen. Viola nahm ihm das so wenig übel wie alles andere, was sie von ihrem Manne wußte. Viel los war ohne dies nicht mehr mit ihrer Ehe, das wußte sie. Sie richtete sich danach und kümmerte sich nicht mehr um das, was Dietmar tat. Es störte sie auch weiter nicht, daß Dietmar manche Nacht nicht nach Hause kam, sondern in der Blockhütte übernachtete. Auch jetzt schien er sich häuslich hier niederaelassen zu haben. Die Fensterläden waren dicht verhängt, die schweren Gardinen zugezogen. Drinnen sah es sehr üppig aus. Der kleine Tisch war besetzt mit Leckereien: Sand wiches, ketits kours, feinen Pralinen, kandierten Früchten, I Mokka, Likör — alle diese Dinge, die die schöne Gisa so sehr liebte. Sie war es, für die das Blockhaus eigentlich gebaut worden war. Sie war es, der Dietmars Liebe jetzt ganz gehörte. Um ihretwillen hatte er alle anderen Liebes- ! genüsse aufgegeben; sie hielt ihn ganz in ihrem Banne, ! außer ihr gab es für ihn jetzt keine Frau mehr. „Hex, süße — paß auf, was ich dir jetzt sage! Morgen . fährst du nach Hannover, ohne Aufsehen zu machen. Dorr treffen wir uns. Wir wollen heimlich ausrücken. Weit, sehr weit. Bis nach Afrika. Aber kein Mensch darf ein Sterbenswörtchen davon erfahren — hörst du?* „Ja, Dietmar? Du heißtia, daß du AWauf mich ver lassen kannst. Nur —° kannst du depst.W schnell fortß. Deine Frau ... das Werks* . - - „Du bist meine Frau, di« andere kümmert Mich nicht, sie nicht und auch das Werk nicht. Dafür ist ja Bert! da/' „Oh, Dietmar, ich freu' mich ja so! Und was soll ich mitnehmens Alle die Sachen, die ich im Sommer in Norderney mit hatte s* - „Nichts, gar nicht«! Dein kleines Köfferchen mit dem Loilettenzeug — sonst nichts. Wir nehmen das Flugzeug, Visa, da können wir kein Gepäck brauchen! Wenn wir erst unten sind, in Italien, dann kaufe ich dir alles, waS du brauchst. Du brauchst dir nur zu wünschen, süß« Gisa .. Ein hartes Klopfen an der Tür unterbrach Dietmar- Liebesgeflüster. Man hörte, wie an der Klinke gerüttelt wurde. Die beiden fuhren entsetzt auseinander, verhielten sich aber mäuschenstill. Ein abermaliges Klopfen. Gleich zeitig hörte man Berts Stimme: „Dietmar! Oeffne, sofort!* Mit finsterer Stirn starrte Dietmar auf die Tür, ohni^ sich zu rühren. „Oeffne, Dietmar! Oder ich lasse die Tür mit Gewalt einschlagen!* n „Bleib!* flüsterte Dietmar. Dann ging er zur Tür, öffnete sie mit einem Ruck. Ein trotziger Ausdruck lag auf seinem schönen Gesicht. „Was willst du von mir, jetzt, um diese Zeit?* fragte er den Bruder, ohne ihn zu begrüßen. „Ich habe mit dir zu reden.* „Bitte!* sagte Dietmar zu ihm und ließ Bert nunmehr" eintreten. ! Bert stand jetzt im Zimmer. Plötzlich stutzte er, sah das Mädchen, das zitternd am Bücherschrank lehnte. Sein Blick überflog das Zimmer, sah den gedeckten Tisch und ven geöffneten Schrank, dessen Einrichtung vermuten ließ, daß hier wohl öfters solche kleinen Gelage abgehalten wurden. , Jetzt wußte er mit einem Male, was es mit dem Block-. Hause Dietmars auf sich hatte. „Also — was willst du von mir. Bertl?* r „Was ich mit dir zu reden Habs, geht nur uns beide an. Veranlasse, bitte, diese Person dort, das Zimmer zu ver lassen. Sonst müßte ich selbst etwas deutlicher mit der Person reden.* „Was fällt dir ein, Bertl? Ich möchte dich bitten, Gisa gegenüber einen anderen Ton anzuschlagen. Sie ist die Frau, die ich liebe. Ich lasse sie nicht schmähen, auch von meinem Bruder nicht.* „Schämst du dich nicht, Dietmar? Denkst du nicht an die Frau, die deinen Namen trägt? Der du vor dem Altar Treue geschworen hast?* .Fortsetzung folgt r