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Urbeberrscktssckutr: bunk 7?ürme.Verlag, NsUe (sasle) Nachdruck verboten. die Schwingen, ^7 * * i- Sie wenigstens leidlich steno- die ich Ihnen anbieten möchte. Wenn mittelmäßig Maschine schreiben und graphieren können." Hoffnung erwachte in Regina, regte flog auf. Sie erwiderte: Das schneeweiße Bett lockte, der Kopf schmerzte ab scheulich. Sie fiel schwer auf das weiche Lager nieder, und kaum, daß sie das Licht ausgeschaltet und die Decke über sich gezogen hatte, verwirrten sich ihre Gedanken, und sie schlief ein. Schlief fest und traumlos bis zum Morgen. L „Ich glaube ganz gut Maschine zu schreiben und ziem lich schnell zu stenographieren." „Um so besser!" nickte er. Sie tranken und aßen, und es herrschte ein Weilchen Schweigen. Die Hoffnung in Regina aber wurde wieder matt und flügellahm bei dem Gedanken, daß sie der Land gerichtsdirektor kaum irgendwo für eine Stellung Vor schlägen würde, wenn er erfuhr, auf was für ein Aben teuer sie sich eingelassen. Und sie mußte ihm die Wahr heit sagen. Nur nicht darum herumlügen und neue Lügen zu der großen Lüge fügen, um derentwillen sie geflohen war, das Haus verlassen hatte, in dem ein Mann aus- und einging, der die Lüge haßte und verwarf. Die Augen Herrn Freeses schienen sich zu wandeln in die Augen Peter Konstantins, und sahen sie ernst und durchdringend an. Sie konnte mit einem Male nichts mehr essen, die Kehle war ihr wie zugeschnürt. Sie murmelte etwas. Der alte Herr nickte: „Sie sind sehr müde, ich sehe cs Ihnen an. Und wenn Sie satt sind, gehen Sie nur gleich schlafen." Sie erhob sich; sie fieberte nach dem Alleinsein. Er klingelte. Frau Malwine kam. Er sagte zu ihr: „Bitte, bringen Sie das Fräulein auf ihr Zimmer. Sie weiß ja noch nicht Bescheid im Hause." Er reichte Regina mit festem Druck die Hand. „Schlafen Sie wohl, und hoffentlich fühlen Sie sich, morgen recht munter und gesund." Sie wünschte ebenfalls gute Nacht! Befand sich kurz, darauf wieder oben in dem hübschen Zimmer und halte nur den einen einzigen Gedanken: schlafen, schlafen! Sie riegelte sich ein, legte ihLe^Armbanduhr auf den, Rachitisch und warf die Kleider ab. Herr'Fresse "erzm-ne nnmchlrm Maudenütt vsn snm> „Ich bin Witwer seit fünf Jahren. Meine Frau war herzensgut, und sie ging manchmal nur aus, um SuteS zu tun. Sie war so eine mütterliche, besorgte Seele, und hatte doch keine Kinder. Das war ihr Leid. Unsere drei Kinder starben ganz jung. Ein Mädel und zwei Jungen. Ein Kind als eigen anzunehmen, konnte sie sich nicht entschließen. Am Todestage m^ner Frau suche ich nun, um auf die Weise ihr Gedächtnis zu ehren, irgend jemand, dein ich helfen kann. Ich erwähnte das schon. Heute fand ich Sie, halte wenigstens nach kurzer Unterhaltung mit Ihnen das bestimmte Gefühl, Sie brauchen einen Menschen, der sich um Sie kümmert. Sie sind ohne Stellung — das paßt ausgezeichnet. Ich glaube, Ihnen helfen zu können; aber darüber reden wir später. In Ihrem Falle ist übrigens das Wort .helfen' nicht ganz richtig. Ich bin Ihnen Dank schuldig, und wenn ich Ihnen gefällig sein kann, werde ich damit nur meinen Dank abtragen." Er lächelte: „Frau Malwine meinte, Sie wären sehr müde. Schlafen Sie sich heute nacht erst ordentlich aus, und morgen früh sprechen wir über die Stellung, Der neben Regina Sitzende sagte halblaut: „Die Leute hier sind noch immer etwas für uns inter essiert; man unterhält sich noch über das von vorhin, und wir brauchen uns nicht zu wundern, wenn wir in Kürze unser Erlebnis polizeilich zu Protokoll werden geben müssen. Der Kellner ist eben weggegangen, möglicherweise holt er einen Polizisten. Und sowas ist langweilig. Ich habe ja meine Brieftasche wieder, und der Kerl ist end gültig weg. Ich beabsichtige ebensowenig wie Sie zu ver reisen oder jemand abholen zu wollen, und bitte Sie, mich ein Stückchen zu begleiten, wenn Sie noch etwas Zeit haben. Es wäre mir sehr angenehm, denn ich möchte mich irgendwie dankbar erweisen für den Dienst, den Sie mir geleistet haben." Nicht die Worte: „dankbar erweisen", aber die Worte: „Protokoll" und „Polizist" brachten Regina sofort dazu, ihre» Hut aufzusehen. Sie erklärte: „Ich werde Sie ein Stück Ihres Weges begleiten." Alles in ihr drängte jetzt von hier fort. Bei polizeilichen Fragen hätte sie ja doch wieder lügen müssen. Frau von Stübnitz hatte sie ja als Doralies Wolfram angemeldet. Wenn sie ihren richtigen Namen nannte, konnte sie doch keine Wohnung angeben?! Der alte Herr erhob sich, rief den Kellner. Auch Regina zahlte. Bald befand man sich auf der Straße. Regina atmete tief auf; ihr war zumute, als ob sie einer großen Gefahr entronnen wäre. Es fing schon an zu dämmern, und Regina sah, daß sie sich in einem Stadtviertel befand, das ganz anders war als das, was sie verlassen hatte. Wo Frau von Stäbnitz wohnte, waren sie alle licht, schön und elegant, die alten und die neuen Häuser. Und der nahe Tiergarten spendete immer frische Luft; aber hier standen die Häuser wie große, graue Kasernen. Schlechtgebaut und unfreundlich sahen sie aus, und die Menschen, die vorbeikamen, waren um wittert von dem trostlosen Hauch der Arbeitslosigkeit, von der man im Tiergartenviertel immer nur die Ausläufer sah. Im Norden und Osten Berlins schlugen die Wellen der Arbeitslosigkeit wohl am höchsten, sie verebbten am Tiergarten und Hohcnzollerndamm. Und wenn sie auch dort wohnte, barg sie sich doch, wenn auch noch so mühsam, unter gepflegtem Aeußern. Regina stimmte die Umgebung todestraurig. Der alte Herr an ihrer Seite begann: „Sie antworteten mir vorhin: Nicht jeder hat ein Daheim! Haben Sie keine Eltern?" Regina erwiderte ohne Ueberlegen: „Nein, ich habe keine Eltern. Bin Bürogehilfin und stellungslos! Ich stamme aus einem kleinen Städtchen Württembergs und stehe im Begriff, mir irgendwo ein billiges Zimmer zu mieten, um mich dann hier nach einer Stellung umzusehen." Sie blieb stehen. „Und jetzt muß ich mich mit der Zimmerfrage beschäftigen, der Abend bricht herein." Der alte, sehr gediegen aussehende Herr schüttelte den Kopf. „In diesem Viertel sollten Sie sich nicht einlogieren, bier wohnt schon eine große Armee von Arbeitslosen. Und weil es schon aus den Abend zugeht, nehmen Sie schließ lich das erstbeste Zimmer, nur, um für die Nacht unter zukommen. Das aber sollten Sie nicht tun. Nehmen Sie «ine Einladung von mir an und seien Sie vorläufig bis morgen mein Gast. Ich wohne auch nicht direkt in Berlin, sondern wie man sagen könnte: vor den Toren der Stadt! Haben Sie Vertrauen zu mir, liebes Kind, und begleiten Sie mich in mein Daheim. Ich heiße Jobst Freese, Doktor Jobst Freese, und bin LandgerichtSdirektor a.D. Jedes Jahr feiere ich den Todestag meiner Frau, einer Menschen freundin» wie es wenige gibt, dadurch, daß ich versuche, «in gutes Werk zu tun. Ich ziehe dann jedesmal unter nehmungslustig los, um jemand zu helfen. Heute jährt sich der Sterbetag wieder einmal, und heute fand ich — Sie. Verzeihung, liebes Kind! Aber ich glaube, Sie haben Hilfe nötig. Ob finanziell, das weiß ich nicht; aber Sie sehen zerquält und verstört aus. Kommen Sie mit zu mir! Bei mir ist Frieden, da können Sie ungestört nachdenken und überlegen, bester als in einem Wartesaal." Er rief schon eine Taxe an, schob Regina sörmlich hinein, rief dem Chauffeur eine Adresse zu und folgte Regina. Das Auto fuhr sofort an. Er sagte in gütigem Ton: „Sie dürfen sich mir getrost anvertrauen, der alte Freese ist bekannt in Berlin wie ein — na, sagen wir mal wie ein bunter Hund. Meine Wirtschafterin ist eine gute Seele, die wird Sie sicher behüten und für Sie sorgen. Morgen wollen wir dann weiter sehen." Regina hatte jetzt ein Gefühl von Geborgensein. Von dem alten Herrn ging etwas Vertrauenerweckendes ans; sie spürte nicht das geringste Mißtrauen gegen ihn. Viel leicht ergab sich das aus dem Znstand von Stumpfheit, in den sie verfallen war nach der Erregung, die sie seit ihrer Flucht beherrscht und die sie auS dem Hause der liebens- würdigen Frau von Stäbnitz gejagt hatte. Sie saß neben Jobst Freese, und er redete von alltäglichen Dingen. Man konnte zuhören, ohne denken zu brauchen. Nach ziemlich langer Fahrt hielt das Auto vor einem Gartengrundstück. Ein Stückchen zurückgebaut sab Regina ein villenarltgeS Haus, dessen Anstrich in frischem, Luderem Weiß leuchtete. Eine schmiedeeiserne Laterne barg eine elektrische Lampe von hoher Kerzenstärkc, "ie das Haus und ein Stück Garten erleuchtete. Der alte Herr schloß die Gartentür auf, lud Regina freundlich ein: „Treten Sie ein, Fräulein!" Regina durchzuckte es. War es nicht unsagbar leicht sinnig von ihr, mit diesem fremden alten Herrn so ganz selbstverständlich mitzulauscn? Er schien ihr leichtes Zögern richtig aufzufassen. „Kommen Sic nur, Kind! Sie sollen mal sehen, was meine gute Malwine, so beißt nämlich meine Wirtschafterin, sich freuen wird, eine» Gast zu bekommen!" Mechanisch folgte Regina. Sie konnte nicht anders. Wo wollte sie denn auch hin? Ohne Gepäck. Sie hatte sich noch ein billiges Köfferchen und ein wenig Wäsche kaufen wollen. Jetzt aber kam sie doch nicht mehr dazu. Die Haustür ging auf; hell und mollfg sah es in der kleinen Diele aus, die in altdeutschem Stil eingerichtet war. Eine behäbige Frau in den Vierzigern stand vor Regina, grüßte freundlich, tat, als hätte man hier nur auf sie gewartet, als wäre so ein plötzlich hereingeschneites Mädel zu schon abendlicher Stunde gar nichts Besonderes. In einem kurzen seitlichen Gang nahm sie ihr Mantel und Hut ab. Regina sah sich einem Spiegel gegenüber, erschrak vor der geisterhaften Blässe ihres eigenen Gesichts. Die Wirtschafterin lächelte: „Wollen Sie mir folgen, bitte! Der Herr sagt mir, das Fräulein bleibt die Nacht hier." Regina nickte stumm, sie konnte jetzt nicht sprechen. Ihr Kopf schmerzte stärker, und sie spürte Herzklopfen. » Es ging eine Treppe hoch. Ueberall waren Helle und Freundlichkeit. Ein Zimmer öffnete sich vor Regina, und sie sah gediegene, hübsche Möbel, sah ein blütenweiß über zogenes Bett. Beim Anblick des Bettes überstel Regina jähe Müdigkeit. Die Aufregung ihrer Flucht, däs Selt same ihres Hierseins lastete plötzlich auf ihr mit stumpfer, drückender Schwere. Das hübsche, Helle und saubere Zimmer tat ihr wohl wie tröstende, ermutigende Worte. Sie sagte leise: „Ich bin schrecklich müde!" Frau Malwine lächelte: „Erst müssen Sie etwas essen, Fräulein, nachher dürfen Sie schlafen. Machen Sie sich ein bißchen frisch, kaltes Wasser vertreibt den Schlaf; ich hole Sie in zehn Minuten zum Tee hinunter." Regina wagte der sicheren Art der Wirtschafterin gegen über keinen Widerstand und nickte. Gleich darauf befand sie sich allein. Sie ließ sich auf einen mit hellem Samt überzogenen Sessel fallen, schaute sich um. Ganz anders sah es hier aus als in ihrem Schlafzimmer bei Frau von Stäbnitz. Einfacher, aber noch viel behaglicher. O wie das Bett lockte! Schade, daß sie sich nicht gleich darin verkriechen durfte, um auszuruhen und wenigstens für Stunden zu vergessen, was sie Unrechtes getan hatte. Sie trat vor den Waschtisch hin. Neue Seife und ein paar saubere Handtücher sah sie. Auch Kamm und Bürste. Regina hatte plötzlich das Gefühl, schmutzig zu sein. Sie wusch sich Gesicht und Hände, kämmte ihr Haar. Täte ihr nur der Kopf nicht so weh! Der Kerl hatte roh zugeschlagen. Kaum war sie fertig mit dem Zurechtmachen, klopfte di« Wirtschafterin. Sie lächelte noch freundlicher qlS vorher, bestellte: „Herr Freese bittet, zum Tee herunterzüronMsn." Regina neigte befangen den Kopf. Ihr war es pein lich, dem alten Herrn entgegenzutreten; aber ihr blieb doch keine Wahl. In einem ungemein behaglichen Zimmer war der Tee tisch gedeckt. Herr Freese kam Regina ein paar Schritte entgegen und fragte: „Wie ist's mit dem Kopf? Spüren Sie von dem bösen Schlag deS Halunken irgendwelche Folgen?" Sie antwortete: „Ja, der Kopf tut mir Weh; aber ich glaube, daß ich den Schmerz verschlafen werde." Er sah sie forschend an, sagte aber nichts, bat nur, Platz zu nehmen. Regina war es gewöhnt gewesen, den Kaffee- und Teetisch bei Frau von Stäbnitz zu versorgen. Sie über nahm das gewohnheitsmäßig auch hier. Und der alte Herr, der ihr ganz straff aufgerichtet gegenübersaß, meinte lächelnd: „Es tut gut, wieder einmal bedient zu werden. Seit meine liebe Frau starb, muß ich mich selbst bedienen." Regina tat der heiße Tee gut, und da sie seit Mittag fast gar nichts gegessen hatte, schmeckten ihr auch die Eier und der Schinken, die feine Wurst und die knusperigen Plätzchsst. Als Regina erwachte, war es Heller Tag. Sie war sich im Augenblick darüber klar, wo sie sich befand, und sprang auS dem Bett. Die Ereignisse des vorherigen .Tages standen ganz deutlich vor ihr, und sie kam zu dem Ent schluß, das Haus wieder zu verlassen, ohne zu erzählen» was hinter thr lag. Wenn der alte Herr erst wußte, was für eine Schwindlerin sie war, konnte er doch nichts mehr für sie tun und keinen Mut haben, sie jemand zu empfehlen. Also wozu erst bekennen?! Sie mußte sich heimlich fortschleichen. Ihr Mantel und Hut befanden sich noch unten, hingen am Garderobeständer. Wenn sie also niemand begegnen würde, wäre es gut, sofort lautlos fortzugehen. Doch als sie die Tür ihres Zimmers öffnete, sah sie sich Frau Malwine gegenüber, die Blumentöpfe begoß, die auf den breiten Fensterbrettern deLFlures standen. Die Wirtschafterin nickt? ihr freundlich zu. „Der Herr Landgerichtsdirektor wartet schon mit dem Frühstück. Kommen Sie,.ich führe Sie zu ihm." Regina mußte sich fügen. Was blieb thr weiter übrig? Aber ihre Füße hoben und senkten sich, als wären sie mir Blei beschwert. Unten war alles beinah wie abends zuvor. Nur an Stelle des Tees gab eS Kaffee und weniger Sorten Auf schnitt. Der alte Herr fragte nach Reginas Befinden. Sie antwortete wahrheitsgemäß, das Kopfweh hätte sie sich fortgeschlafen. Er lächelte zufrieden. „Also dürfte das unangenehme Erlebnis keine böse» Folgen bet Ihnen hinterlassen haben. Gut ist das." Er plauderte dann harmlos und vergnügt, bat Regina nach dem Frühstück, ihm in sein Arbeitszimmer zu folgen. Regina gehorchte und befand sich ein paar Minuten später in einem mit dunklen Möbeln eingerichteten großen Zimmer. Ein Frauenvildnis beherrschte den ganzen Raum. Es stellte eine Frau dar in mittleren Jahren, von klugem und gütigem Aussehen. Ihr Lächeln war be strickend, eS drückte ihr ein Grübchen in die rechte Wange, und das gab dem Gesicht einen eigenen Reiz. (Fortsetzung solqt.>