Volltext Seite (XML)
net Mit der „Entführung aus dem Serail“ hat Mozart die An regungen, die ihm das deutsche Singspiel eines Standfuß, Hiller und Benda bot, aufgenommen und auf seine geniale Weise ver tieft. Das zeigt schon gleich die Ouvertüre, die in ihrem poe tischen Gehalt weit über die früheren Singspiel-Ouvertüren hinausgeht. Als Sonatensatz gebaut, enthält sie an Stelle der Durchführung einen langsamen Satz, den man jedoch seiner Kürze wegen besser als Episode bezeichnet. Damit ist die Einheitlichkeit des Stückes gewahrt, die um so mehr in die Augen fällt, als das zweite Thema nicht,,dua listisch“ gemeint ist, sondern sich deutlich als Verwandter des Hauptthemas zu er kennen gibt. Die Ouvertüre macht uns im großen mit dem Inhalt der Oper bekannt, ohne daß sie etwa in Potpourri-Form das ganze Geschehen vorausnimmt. Der Presto-Hauptteil mit seinem Sexten- und Terzenthema, das geheimnisvoll vorüberfliegt, führt uns in die Märchen-Atmosphäre des Stückes, und zwar ist es, wie wir vom achten Takt an mit seinem unvermittelten Forte, seinem Anklang an die türkische Janitscharenmusik erfahren, ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht, ein Märchen aus dem Orient, das sich nun vor uns entrollen soll. Wendungen nach Moll lassen bald erkennen, daß es in diesem Märchen nicht an Schattenseiten fehlt. Wenn dann gar mit dem eingeschobenen Andante ein schwermütiges c-moll vorherrschend wird, scheint das Licht der Sonne gänzlich erloschen zu sein. Es ist die nach Moll gewendete Weise, die Bclmonte gleich in der ersten Nummer der Oper singt: Sehnsucht nach der Geliebten („Hier soll ich dich denn sehen, Constanze“). Immer drängender wird sie, bis sie sich in der zweimaligen Fermate zum wehen Ausruf steigert. Das fast unvermittelte Hereinbrechen des mun teren Tönespiels in dem jetzt verändert wiederholten Hauptteil sagt uns, daß die Trauer sich in Freude verwandeln, daß die Liebe den Sieg davontragen wird. Mozart hat selbst die Ouvertüre folgendermaßen charakterisiert: „Sie ist ganz kurz, wechselt immer mit forte und piano ab, wobey beim forte allzeit die türkische Musik einsetzt, moduliert so durch die Töne fort, und ich glaube, man wird dabey nicht schlafen können, und sollte man eine ganze Nacht durch nicht geschlafen haben.“ Über das Sing spiel als Ganzes hat sich Carl Maria von Weber gelegentlich der ersten Dresdner Auf führung folgendermaßen geäußert: „Merkwürdig zeigt sich in der ,Entführung* die voll kommenste Auffassung dramatischer Wahrheit und charakterisierender Deklamation, vermischt mit dem hin und wieder noch nicht ganz gelungenen Lossagen von dem damals in Form und Schnitt Herkömmlichen, was später in ganz angeschlossener Überzeugung, mit männlicher Kraft und Besonnenheit, bloß der Wahrheit huldigte. Meinem persön lichen Künstlergefühle ist diese heitere, in vollster Jugendkraft lodernde, jungfräulich zart empfindende Schöpfung besonders lieb. Ich glaube in ihr das zu erblicken, was jedem Menschen seine frohen Jünglingsjahre sind, deren Blütezeit er nie wieder so erringen kann, und wo beim Vertilgen der Mängel auch unwiederbringliche Reize fliehen. Ja, ich getraue mir, den Glauben auszusprechen, daß in der ,Entführung* Mozarts Kunst erfahrung ihre Reife erlangt hatte, und dann nur die Welterfahrung weiter schuf. JOpern wie ,Figaro* und ,Don Juan* war die Welt berechtigt, mehrere von ihm zu er warten. Eine ,Entführung* konnte er mit dem besten Willen nicht wieder schreiben.“ Im Musiksommer Dresden 1941, der im Zeichen Mozarts und Webers steht, durfte dieser so warmherzige wie gescheite Ausspruch nicht fehlen. Mozart: Ouvertüre ..Die Entführung aus dem Serail“ Welch ein Unterschied zwischen jener Ouvertüre und dieser Sinfonie. Dort ein leichtgewogenes Spiel, das nicht einmal den Schmerz recht ernstnimmt. Hier letzte, tiefgründige Auseinander setzung mit den Problemen des Lebens und des Sterbens. Es ist auch eine Auseinandersetzung mit den Problemen des musikalischen Seins. Es ist, wie Bruckner selbst sagte, sein „kontrapunktisches Meisterwerk**. Das bezieht sich Bruckner j Fünft« Sinfonie