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des zweiten Satzes). Parallelen da zu bietet die anspielungsreiche 15. Sinfonie. Die ersten beiden Sätze sind von einem strengen, linearen, fast aske tischen Klangbild geprägt. Im er sten Satz übernimmt das Soloinstru ment in der Kadenz den gesamten Beginn der Reprise mit Hauptthe ma und Kontrapunkt und rückt da mit den gedanklichen Ernst des Sat zes in die Nähe einer Bachschen Solo-Partita. Der als Moderato be zeichnete erste Satz entwickelt sich aus einer grüblerisch klingenden Achtelbewegung in den tiefen Streichern und einem expressiven Thema in der Solo-Violine, das bald auch in den Holzbläsern und in den Streichern, im Ausdruck ge steigert, auftaucht. Eine Auflich tung des Satzbildes bringt ein von Motorik und tänzerischer Rhythmik bestimmter Piö-mosso-Teil, der in ein spritziges, virtuoses Allegretto übergeht. Ein großer, leidenschaftlich gestei gerter „Sologesang" der Violine ist das folgende Adagio, der zweite Satz, dessen elegischer Ernst nur von einer kurzen dramatischen Epi sode unterbrochen wird. Mit einem einprägsamen Horn-Solo klingt der Satz beschaulich aus. Dem unmittelbar anschließenden Finalsatz geht eine kurze Adagio- Einleitung voraus, die - im Tempo des langsamen Satzes - motivisch thematisch zum folgenden Allegro überleitet, das sich burlesk, musi zierfreudig und rhythmisch überaus differenziert präsentiert und nach einer großen Solo-Kadenz, die zu einem selbständigen Teil ausgewei tet ist, in einer temperamentvoll ge steigerten, humoristisch pointierten Stretta gipfelt. Gustav Mahlers am 15. Dezember 1901 in München uraufgeführte Sinfonie Nr. 4 G-Dur, deren Partitur im Sommer 1900 abgeschlossen wurde, unterscheidet sich in Anla ge und Charakter wesentlich von den vorangegangenen sinfoni schen Werken des Komponisten. Bereits rein äußerlich zeigt sich das in der kleineren Besetzung des Orchesters, der Rückkehr zur klas sischen Viersätzigkeit und der kür zeren Spieldauer. „Gemessen an den bisherigen Dimensionen könn te man sie beinahe als ,Sinfonietta' bezeichnen", schrieb der Musik schriftsteller Walter Abendroth über die G-Dur-Sinfonie, und Mah ler selbst äußerte einmal dazu: „Ei gentlich wollte ich nur eine sinfoni sche Humoreske schreiben, und da ist mir das normale Maß einer Sin fonie daraus geworden - während früher, als ich dachte, daß es eine Sinfonie werden sollte, es mir zur dreifachen Dauer - in meiner 2. und 3. - wurde ..." Bemerkenswert erscheint bei die sem Werk der scheinbare Verzicht auf eine belastende Problematik, die betont helle, idyllische Grund stimmung. Aufgelockerter, durch sichtiger Klang, Streben nach Schlichtheit und Leichtigkeit sind charakteristisch für die von Heiter keit, Lyrik, Poesie und Humor er-