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3. Beilage zu Nr. 303 des AAUsNülÄ Donnerstag 31. Dezember 1908. Bom Landtag«. Die erste Deputation der Ersten Kammer hat gestern ihre erste Lesung des Wahlgesetzentwurfs beendet, und zwar mit dem Ergebnis, daß das Wahlgesetz in der Fassung, wie die Zweite Kammer es zum Beschluß er hoben hat, abgelehnt worden ist. Dagegen sind sowohl das König!. Dekret Nr. 12 als auch der Eventualvorschlag der Regierung, beide in veränderter Gestalt, und außerdem zwei anderweite aus der Mitte der Ersten Kammer hervorgegangene Anträge so weit durchberaten worden, daß die endgültige Entschließung in einer zweiten Lesung in der ersten Hälfte des Januar erwartet werden darf. (Wiederholt.) Eingeqangen ist 1. das König!. Dekret Nr. 65 an die Stände, einen ersten Nachtrag zu dem ordentlichen sowie zu dem außer ordentlichen Staatshaushaltsetat auf die Finanzperiode 1908/09 und einen Nachtrag zu dem Finanzgesetze auf die Jahre 1908 und 1909 betreffend. Darin heißt es: Wir erklären Uns auch mit den von den getreuen Ständen in dem vorgelegten ersten Nachtrage zu dem ordentlichen Staats haushaltsetat beschlossenen Änderungen und Zusätzen einverstanden und genehmigen, daß den ständischen Beschlüssen entsprechend die durch das Finanzgesetz vom 15. Juni 1908 festgestellten Gesamt einnahmen und Gesamtausgaben des ordentlichen Staatshaushalts für jedes der beiden Jahre um die Summe von 841 741 M. und der zu außerordentlichen Staatszwecken für diese beiden Jahre überdies ausgesetzte Gesamtbetrag um die Summe von 8 219 000 M. erhöht werden. Auch wird das demgemäß mit den getreuen Ständen vereinbarte Gesetz, einen Nachtrag zu dem Finanzgesetze auf die Jahre 1908 und 1909 betreffend, unverweilt erlassen werden. In bezug auf die in der Beilage v der Ständischen Schrift verzeichneten, mit ihr zur Kenntnisnahme beziehentlich zur Erwägung überreichten Petitionen werden Wir, soweit nötig, nach vorgängiger Erörterung der Verhältnisse entsprechende Ent schließung fassen. 2. Der Bericht Nr. 470 der vierten Deputation der Ersten Kammer über die Petition des Sanitätsrats vr. A. Schanz in Dresden, betreffend Krüppelnot und Krüppel hilfe, mit besonderer Berücksichtigung der Berhältnisse im Königreiche Sachsen. Sanitätsrat vr. Schanz hat dem Präsidium der Ersten Kammer die von ihm verfaßte Broschüre über Krüppelnot und Krüppelhilfe übersandt mit der Bitte, die Kammer wolle der in der Broschüre behandelten Frage Aufmerksamkeit schenken und wolle die ihr mög lichen Schritte zur Linderung der im Königreiche Sachsen noch vorhandenen Krüppelnot tun. Die Deputation hat in der Urzeugung, daß trotz allem, was erfreulicher weise schon geschieht, dringend eine umfassende, plan mäßig angelegte Krüppelsürsorge zu wünschen und zu erstreben ist, die Anregungen des Ör. Schanz einer sehr eingehenden Würdigung unterzogen. Sie hat das Schreiben in Verbindung mit der ihm beigesügten Bro schüre einer Petition des Inhalts gleich geachtet, daß der Staat eine planmäßige Organisation der Krüppel hilfe in die Wege leiten oder doch unterstützen möge und beantragt, die Petition der König!. Staatsregie- cung zur Erwägung zu überweisen. Der Bericht ist für die Allgemeinheit von außer- ordentlichem Interesse und mag daher etwas ausführlicher behandelt sein: Bevor die Deputation auf die Frage eingeht, nach welcher Richtung hm sich ihre Vorschläge zu bewegen haben, gibt sie ein Bild des gegenwärtigen Standes der Krüppelfürsorge. In der Verordnung vom 5. September 1906, mit der das König!. Ministerium des Innern auf Ersuchen des Deutschen Zentral vereins für Jugendfürsorge eine Erhebung über die Zahl und Alt der in Sachsen vorhandenen Krüppelkinder angeordnet hatte, spricht es aus, daß in Deutschland insgesamt 27 Krüppelheime mit etwa 1500 Plätzen existierten. Diese Ziffern werden beträcht lich überholt durch andere, die auf dem Ende April 1908 in Berlin stattgefundenen Kongreß der deutschen Gesellschaft für orthopädische Chirurgie mitgeteilt worden sind. Dort gab der mit dem Vortrage über Krüppelhilfe betraute Berichterstatter die Zahl der in Deutschland vorhandenen Krüppelheime mit 32, die jenige der darin verfügbaren Betten mit 2826 an. Außerdem wies er darauf hin, daß, wohl ganz besonders durch die Statistik laus dem Herbst 1906) angeregt, man im Begriffe sei, 12 neue Anstalten zu errichten, darunter eine solche in Berlin, die nach Verlauf eines Jahres 100 Betten zur Verfügung habe. Die Differenzen in den angegebenen Zahlen werden sich eben am ein fachsten aus solchen in die jüngste Vergangenheit fallenden Neu gründungen erklären lassen; sind doch, ganz abgesehen von den schon erwähnten zwölf im Bau begriffenen Anstalten, allein in den letzten drei Jahren nicht weniger als vier neue Krüppelheime in verschiedenen Teilen Deutschlands ins Leben gerufen worden. Wie dem aber auch sei, so steht fest, daß das Bedürfnis zur Unterbringung von anstaltsbedürftigen Krüppeln sehr weit über die Zahl der verfügbaren Plätze hinausgeht, daß daher auf ab sehbare Zukunft für menschenfreundliche Betätigung auf diesem Gebiete , noch übergenug Raum verbleibt. Bezeichnend für die Entwickelung der Krüppelsürsorge ist die Tatsache, daß sämtliche in Deutschland vorhandenen An stalten privater Initiative ihre Entstehung verdanken. Be zeichnend ist ferner für die Geschichte der Anstalten, daß sie, bis auf eine einzige Ausnahme, sämtlich im Eigentum und in der Verwaltung von Privaten geblieben sind, daß weder der Staat noch die Gemeinden bisher Veranlassung genommen haben, sich dieses Teiles der Armen- und Krankenfürsorge zu bemächtigen, obschon das hier einschlagende öffentliche Interesse kein geringes ist. Bezeichnend für die Krüppelhilfe endlich ist auch der Um stand, daß die Gründung der meisten Krüppelheime in die neuere Zeit, zum Teil in die jüngste Vergangenheit fällt. Nicht weniger als 14 sind erst in diefem Jahrhundert, also innerhalb der letzten acht Jahre errichtet worden, die große Mehrzahl der übrigen stammt aus den beiden letzten Jahrzehnten des vorigen Jahr hunderts, nur drei aus der ersten Hälfte desselben. ES beweist dies, daß Größe und Umfang des Elends, das es zu bekämpfen gilt, sowie die Erkenntnis, daß eS Pflicht und Bedürfnis sei, hier nach Kräften zu helfen, erst verhältnismäßig spät zum Bewußtsein selbst derjenigen Kreise gelangt ist, bei denen man menschen freundliche« Wirken als Lebensarbeit vorauszusetzen gewohnt ist. Unter den 3 aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts stammenden Srüppelanstalten befindet sich die einzige staatliche Deutschlands, die Königl. Bayerische Zentralanstalt für Erziehung und Bildung krüppelhafter Kinder in München. Die Anstalt er möglicht, daß in der mit ihr verbundenen Klinik krüppelhafte Kinder möglichst frühzeitig von ihren Gebrechen geheilt oder tun- lichster Besserung zugeführt werden; die Anstalt bietet ihren Pfleglingen vom 6. Lebensjahre an vollständigen Schulunterricht, unterrichtet sie in technischen Fertigkeiten und bildet sie für einen passenden Lebensberuf aus; dre Anstalt gewährt jenen Zöglingen, welche durch ihr Gebrechen an der Erlangung einer Stelle ge hindert sind, oder welche sich ohne ihr Verschulden in zeitweiser Arbeitslosigkeit befinden, in einem eigenen Versorgungsheim ein bescheidenes Unterkommen und beschäftigt sie hier nach dem Grade ihrer Arbeitsfähigkeit. Aus einer Übersicht über diejenigen Be rufe, die von früheren Zöglingen der Münchner Anstalt ergriffen worden sind, geht hervor, daß 90 Proz. aller durch die Anstalt hindurchgegangenen Krüppel erwerbsfähig geworden, knapp 10 Proz. dagegen ohne Beruf geblieben und zum Teil in ein Armenhaus »der Asyl ausgenommen sind. „Zwar üben" — so äußert sich der Leiter der Münchner Anstalt hierzu — „nicht alle ehemaligen Zöglinge jenen Beruf aus, den sie einst gelernt haben, aber das gewonnene Selbstvertrauen hat sie gekräftigt, sie sind arbeitsfähig geworden und sie verdienen!" In Sachsen existieren zurzeit, außer der wohl nur ambulanter Behandlung dienenden orthopädischen Universitäts klinik zu Leipzig, 3 Krüppelheime. Zunächst das von Ihrer Majestät der hochseligen Königin Carola 1893 ins Leben gerufene Sächsische Krüppelheim (Königin-Carola-Stiftung). Nach dem für diese Anstalt von vornherein aufgestellten Plane sollte sie aus drei Abteilungen sich zusammensetzen: einmal aus einer Erziehungs- und Bildungsschule ür verkrüppelte Kinder, die neben dem Internat auch Tages chüler aufnehmen, Volksschul- und Fachunterricht gewähren, owie mit einer orthopädischen Turnanstalt verbunden werden ollte, sodann aus einer Beschäftigungsanstalt, wiederum mit Internat und Externat für ausgelernte hilfsbedürftige Krüppel, welche ihren Unterhalt nur teilweise selbst zu verdienen ver möchten, endlich aus einer Bersorganstalt für völlig arbeits unfähige. Der großzügige, von weitem Blick und edler Mensch lichkeit eingegebene Plan ist nur zum Teil ausgeführt worden. Im Jahre 1896 erfolgte die Einweihung des ersten bescheidenen Hauses, einige Jahre später wurde daneben ein zweites errichtet und mit dem ersten baulich verbunden, so daß von da an in beiden Häusern zusammen 36 Kinder beiderlei Geschlechts unter gebracht werden konnten. In dieser Aufnahmefähigkeit ist das Sächsische Krüppelheim bisher verblieben; immerhin hat es, wenn auch nicht allen von Anfang an ins Auge gefaßten Zwecken, so doch deren ersten und wichtigsten mit gutem Erfolge dienen können: Heilung oder doch Besserung, Erziehung und Ausbildung sind planmäßig nebeneinander gewährt worden mit dem Ergebnis, daß, wo nur immer der Zustand des Kindes sich dazu eignete, aus hilflosen Krüppeln leidlich brauchbare und erwerbsfähige Personen gemacht wurden. Die Anstalt entläßt aber die auf solche Weise ausgebildeten Zög linge nicht ohne weiteres, sondern unternimmt es, ihnen geeignete Arbeit und Unterkunft zu vermitteln. Sofort nach dem Sächsischen Krüppclheim ist seine erst wenige Jahre zählende Schwesteranstalt in Zwickau zu nennen, eine Schöpfung des auf die Regierungsbezirke Chemnitz und Zwickau sich erstreckenden Vereins zur Fürsorge für bildungsfähige Krüppel. Schon der Name des Vereins ist ein Programm und dieses Pro gramm ist in der inzwischen in einem stattlichen und praktischen Neubau untergebrachten Anstalt nach Kosten verwirklicht worden. Fortgesetzte orthopädische und sonstige ärztliche Behandlung, all gemeiner Schulunterricht und Anlernung zu praktischer Erwerbs tätigkeit werden nebeneinander angewendet und haben in der kurzen Zeit seit Eröffnung der Anstalt schon zu recht befriedigen den Ergebnisfen geführt. Die Anstalt ist für 80 Kinder beiderlei Geschlechts eingerichtet und voll besetzt, wenn nicht gar schon überfüllt. Die baldige Erweiterung ist daher dringendes Bedürfnis und dieses wieder erklärt sich aus dem Umstande, daß man aus zwei großen, dicht bevölkerten Kreishauptmannschaften aus die einzige Zwickauer Anstalt angewiesen ist. Die Mittel zum Bau und zur inneren Ausstattung sind lediglich aus freiwilligen, teilweise sehr ansehnlichen Spenden von Gemeinden, anderen Korporationen und Privaten aufgebracht worden. Ist auch reichlich gegeben worden, so hat der Verein doch noch erhebliche Schulden zu ver zinsen, ein Umstand, der den Betrieb nicht erleichtert. Bei letzterem ist er zur Deckung der immer steigenden Ausgaben in der Hauptsache nur auf die mehr oder minder unsicheren Mit gliederbeiträge angewiesen. In einem im Mai d. I. an die Ge meinden und sonstigen öffentlichen Körperschaften beider Re gierungsbezirke verschickten Zirkulare bittet deshalb der Verein um Extrazuwendungen, indem er zur Begründung seine wenig günstige finanzielle Lage klarlegt und dartut, daß ihm zum Haushalt des Jahres 1908 noch mindestens 5000 M. fehlten, daß die Anstalt voll besetzt sei und daß nicht weniger als 12 weitere Kinder, deren Aufnahme dringend verlangt werde, vorgemerkt worden seien. Als drittes Krüppelheim wirkt in Sachsen das Kinderheim des Siechenhauses Bethesda in Niederlößnitz. Es ist gegründet am 6. September 1882 als Filiale der Diakonissenanstalt zu Dresden, also der Zeit nach die älteste Krüppelanstalt im engeren Vaterlande, gewährt ärztliche Behandlung, Schulunterricht, Arbeits unterricht, Pflege der Unheilbaren, sucht also die großen Zwecke der Krüppelhilfe sämtlich zu erfüllen, wie man gern zugestehen mag, mit Erfolg und Segen! Die Anstalt ist in einem besonders dazu erbauten Hause untergebracht und hat 60 Plätze, 30 für Knaben, 30 für Mädchen. Ausgenommen werden verkrüppelte (und sieche) Kinder im Alter bis zu 17 Jahren. Das Verpfleg geld ist nach dem Lebensalter gestaffelt; von 1—10 Jahren 288, von 10—^14 Jahren 360, über 14 Jahre 504 M. jährlich. Doch tritt nicht selten Ermäßigung ein, auch existieren 6 Freistellen. Seit Bestehen des Heims bis zum 1. Januar 1907 sind 601 Pfleg linge durch das Kinderheim hindurchgegangen. Daß die große Frage der Krüppelhilfe dem Wohlwollen und der tatkräftigen Unterstützung der Königl. Staatsregierung dringend zu empfehlen sei, darüber war man sich in der Deputation einig. Nur über die Frage, nach welcher Richtung sich dieses Wohl wollen und diese Unterstützung betätigen sollten, erschien der Deputation eine gewisse Klärung der möglichen verschiedenen Anfchauungen zweckmäßig. Die Deputation war der Ansicht, daß die private Wohltätigkeit, die private Initiative, selten aus einem Gebiete so Umfassendes und Ersprießliches geleistet habe, -wie auf dem der Krüppelhilfe, daß man sich daher hüten müsse, diese private Tätigkeit durch Überleitung der von ihr zu lösenden Aus gaben an den Staat zum Stillstand oder auch nur zu einer ge wissen Erlahmung zu bringen. Die Deputation einigte sich daher in dem Wunsche, daß eine Empfehlung der Petition die Wirkung haben möge, daß der Staat durch Wort und Tat ermunternd und fördernd zu allen die Krüppelhilfe betreffenden Bestrebungen sich stelle. Es wird hier in erster Linie die Gewährung finanzieller Unterstützungen in Frage kommen. Sie erscheinen recht wünschenswert da, wo die Unter nehmer bestehender Krüppelheime trotz sparsamer Wirtschaft (die wohl überall angenommen wbrden darf) mit ständigem Defizit schwer zu kämpfen haben, oder wo die dringend notwendige, einem Bedürfnisse der Bevölkerung entsprechende Betriebs- crweiterung nur mit Rücksicht auf die fehlenden Mittel ungern unterlassen werden muß. Solche Unterstützungen müßten daher als fortlaufende gewährt werden, dergestalt, daß die Unternehmer mit ihnen rechnen und das Anstaltsbudget danach einrichten können, sie würden an Erfüllung gewisser sich von lelbstverstehcnder Bedingungen zu knüpfen sein, z. B. an die Bedingung steter spezialärztlicher Überwachung, aber auch an die weitere, daß die staatlich unterstützten Anstalten denjenigen, die mittellose Krüppel dort einliefern, ermäßigte Berpflegsähe zubilligen. Gegenwärtig geschieht das schon, indem von diesen insbesondere den Armen- verdänden anstatt der Selbstkosten, die auf mindestens 400 M. pro Jahr und Kopf sich belaufen, gewöhnlich nur der Betrag von 200 M. abgefordert wird. Neben solchen laufenden Beihilfen zum Betriebe von Krüppel heimen kann eine Unterstützung des Staates in Frage komme», wenn eS sich um Errichtung neuer Anstalten handeln sollte. Nicht immer braucht sie in barem Gelbe zu bestehen, man kann beispiels weise auch an Überlassung geeigneter Grundstücke denken. Jeden falls möchte auch dann, wenn eine neue Anstalt mit finanzieller Unterstützung des Staates errichtet werden soll, letztere nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Ein schwieriger Punkt ist nach Ansicht der Deputation die Versorgung mittelloser, arbeitsunfähiger Krüppel. Sie finden sich vielfach in unseren örtlichen oder Bezirksarmenhäusern vor und haben dort, selbst wenn die Verwaltung des Haufes eine ganz einwandfreie ist, nicht immer ein zufriedenstellendes Los; dies schon deshalb, weil sie mit ihnen fremden, gesunden Personen zu- fammenzuleben genötigt sind, die ihren körperlichen und seelischen Zustand nicht zu würdigen wissen. Hier wird ein direktes Ein greifen des Staates nicht tunlich sein, hier kann es nur belehrend nnd verständigend wirken. Eine umfassende und sicher nicht undankbare Ausgabe kann sich aber der Staat noch stellen, die, durch planmäßige, vorbeugende Maßnahmen dazu zu helfen, daß die bei vielen Kindern vorhandene Anlage zum Krüppeltum im Keime erstickt werde. Es handelt sich hier darum, daß vielfach belehrend, ermahnend, warnend ein gegriffen wird, daß geeignete Organe, wie beispielsweise die Schule und die Schulärzte benutzt werden, daß die rechtzeitige Unterbringung zur Verkrüppelung neigender Kinder in Sana torien, Seehospizen, Solbädern oder anderen geeigneten An stalten erleichtert wird, nicht zuletzt daß das Publikum auf die Benutzung orthopädischer Polikliniken hingewiesen und deren Aufsuchung ihm ebenfalls tunlichst leicht gemacht wird. Die Deputation erbat sich in der Folge zur weiteren Beratung die Mitwirkung der Königl. Staatsregierung, deren Vertreter bemerkte, daß gegen Gründung einer staatlichen Anstalt zurzeit, wo man noch genug andere Anstalten zu bauen habe, finanzielle Bedenken beständen, daß aber auch sachlich es richtig erscheine, die in der Krüppelhilfe trefflich sich bewährende private Wohltätigkeit nicht durch den Bau und die Unterhaltung einer oder mehrerer Staatsanstalten zu gefährden. Die Königl. Staatsregierung werde bereit sein, im Staatshaushalte Unterstützungen einzusetzen zur Förderung der bestehenden Krüppelheime; ob Beihilfen bei etwaiger Gründung neuer Anstalten bewilligt werden würden, sei zukünftig im einzelnen Falle zu entscheiden. Jedenfalls wünsche die Königl. Staatsregierung, daß die Krüppelhilfe nicht verstaatlicht werde, sondern der freien Liebestätigkeit überlassen bleibe, ferner, daß eine Organisation zu planmäßiger Betreibung dieser Liebestätigkeit, gleichsam eine Zentralstelle über das ganze Land und für das ganze Land errichtet werde. Diese Zentralstelle werde über die gerechte und zweckmäßige Verteilung der staatlichen Unterstützungen zu befinden haben, auch werde sie zur Einleitung und Anordnung vorbeugender Maßnahmen als sehr geeignetes Organ benutzt werden können. 3. Der Antrag Nr. 477 zum mündlichen Berichte der vierten Deputation der Ersten Kammer über dre Petition Hermann Edwin Möckels in Wernesgrün um Gewährung einer Entschädigung: Die Kammer wolle beschließen, die Petition auf sich beruhen zu lassen. 4. Ter Antrag Nr. 478 zum mündlichen Berichte derselben Deputation über die Beschwerde des Oswin Gelbhaar in Weißig, das Wegebaugesetz vom 12. Januar 1870 betreffend: Die Kammer wolle beschließen, die Beschwerde auf sich be ruhen zu lassen. 5. Der Antrag Nr. 607 vr. Zöphel und Gen. : Die Kammer wolle beschließen, die Königl. Staatsregierung zu ersuchen, daß sie dem Landtage sobald als möglich einen Ge setzentwurf vorlege, durch den die aus den Arbeiterversicherungen stammenden Bezüge nur zu V» überall da in Anschlag zu bringen find, wo Gemeindesteuern nach dem Maßstabe des Einkommens erhoben werden, die Erste Kammer zum Beitritt zu diesem Be schlusse einzuladen. 6. Ter Antrag Nr. 608 zum mündlichen Berichte der Beschwerde- und Petitionsdeputation der Zweiten Kammer über die Petition des Kaufmanns Ernst August Fundmann in Meerane um Gewährung einer Ent schädigung aus Staatsmitteln: Die Kammer wolle beschließen, die Petition aus sich beruhen zu lassen. Döbeln, 30. Dezember. Bei der Ersatzwahl eines Abgeordneten zur Zweiten Ständekammer für den 9. städtischen Wahlkreis, die heute mittag im Hotel zum Bahnhof Ost hier stattfand, wurde Fabrik besitzer vr. jur. Konrad Niethammer-Wald heim (natlib.) mit 53 von 75 abgegebenen Stimmen gewählt. Die übrigen 22 Stimmen erhielt Stadtverord neter Mehnert-Chemnitz (soz.) Mannigfaltiges Dresden, 31. Dezember. -- Mit Allerhöchster Genehmigung Sr. Majestät des Königs treten nachfolgende Änderungen in der Be zeichnung von Titeln im Bereich der Militär verwaltung in Kraft: Es treten an die Stelle der bis herigen Titel „Geh. Kriegsrat" und „Geh. Baurat" die Titel „Wirkl. Geh. Kriegsrat" und „Geh. Oberbaurat", an die Stelle der bisherigen Titel „Oberkriegsrat" und „Oberbaurat" die Titel „Geh. Kriegsrat" und „Geh. Bau rat". Der Dienstbezeichnung des Kanzleidirektors und der Kanzleidiener des Kriegsministeriums tritt künftig die Benennung „Geheimer" hmzu. Se. Majestät der König hat Sich Vorbehalten, den künftigen Wirkl. Geh. Kriegs räten und Geh. Oberbauräten den Rang eines General majors, sowie den Rechnungsräten auch den Charakter als Geh. Rechnungsrat persönlich zu verleihen. * Ihre König!. Hoheiten der Prinz und die Frau Prinzessin Johann Georg besuchten gestern nach- mittag in der Königl. Kunstgewerbeschule die volkskund liche Ausstellung, die bestimmt ist, Sachsen auf der Internationalen Ausstellung für Volkskunst in Berlin zu vertreten. * Se. Königl. Hoheit der Prinz Ernst Heinrich besuchte in Begleitung des Militärgouverneurs Hrn Major Baron O'Byrn das Geschäft von Woldemar Türk, Königl. Sächs. Hoflieferant. * Die Königl. Staatsregierung hat für die in der Zeit vom 9. bis 14. Januar 1909 in Dresden statt findende Ausstellung für deutsche Kochkunst und verwandte Gewerbe sechs silberne StaatSmedaWen