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Johann Sebastian Bach „Ich will den Kreuzstab gerne tragen - Kantate BWV 56 Arie Ich will den Kreuzstab gerne tragen, er kommt von Gottes lieber Hand. Der führet mich nach meinen Plagen zu Gott, in das gelobte Land. Da leg’ ich den Kummer auf einmal ins Grab, da wischt mir die Tränen mein Heiland selbst ab. Rezitativ Mein Wandel auf der Welt ist einer Schiffahrt gleich: Betrübnis, Kreuz und Not sind Wellen, welche mich bedecken und auf den Tod mich täglich schrecken. Mein Anker aber, der mich hält, ist die Barmherzigkeit, womit mein Gott mich oft erfreut. Der rufet so zu mir: Ich bin bei dir, ich will dich nicht verlassen noch versäumen! Und wenn das wütenvolle Schäumen sein Ende hat, so tret' ich aus dem Schiff in meine Stadt, die ist das Himmelreich, wohin ich mit den Frommen aus vieler Trübsal werde kommen. Arie Endlich wird mein Joch wieder von mir weichen müssen. Da krieg' ich in dem Herren Kraft, da hab’ ich Adlers Eigenschaft, da fahr' ich auf von dieser Erden und laufe, sonder matt zu werden. O, gescheh’ es heute noch. Rezitativ Ich stehe fertig und bereit, das Erbe meiner Seligkeit mit Sehnen und Verlangen von Jesu Händen zu empfangen. Wie wohl wird mir geschehn, wenn ich den Port der Ruhe werde sehn. Da leg’ ich den Kummer auf einmal ins Grab, da wischt mir die Tränen mein Heiland selbst ab. Choral Komm, o Tod, du Schlafes Bruder, komm und führe mich nur fort; löse meines Schiffleins Ruder, bringe mich an sichern Port. Es mag, wer da will, dich scheuen, du kannst mich vielmehr erfreuen; denn durch dich komm ich hinein zu dem schönsten Jesulein. Georg Friedrich Händel schrie^ seine 12 Concerti grossi op. 6 innerhalb ei^H einzigen Monats, im Oktober 1739. (Im A^^ desselben Jahres, das den Komponisten auf dem Gipfel seiner künstlerischen Laufbahn in England sah, hatte „Israel in Ägypten" seine Uraufführung.) Für Händels Instrumentalmusik boten die ein Vierteljahrhundert vorher von Arcangelo Corelli (1653—1713) geschaffenen 12 Concerti grossi op. 6 eine wichtige Anre gung. Mit ihnen verbreitete sich das Concerto grosso im Europa des 18. Jahrhunderts, das — wie bereits erwähnt — neben der Orchester suite wesentlichster Ausdrucksträger der Musik der Vorklassik und ein Meilenstein auf dem Weg zur Entwicklung des Instrumentalkonzertes wurde. Charakteristisch für das Concerto grosso ist die Gegenüberstellung des vollen Orchesters (Tutti) zu einer daraus hervortre tenden kleinen Orchestergruppe, dem „Con certino", bestehend nach der Art der Trio sonate aus 2 Violinen, Violoncello und Basso continuo (Cembalo). Im Gegensatz zu Vivaldi und Bach, die in ihren Concerti die Dreisätzig- keit verbindlich machen (Bachs „Brandenbur gische Konzerte" gehören dazu), schließt sich Händel der Corellischen Vielsätzigkeit an. Er verbindet bei der Gestaltung der einzel*^^ Sätze undogmatisch verschiedene kompositc^^ sehe Formen wie die Kirchensonate, die fran zösische Ouvertüre sowie auch einzelne Tanz sätze aus der Ouvertürensuite. Es finden sich neben streng kontrapunktisch aufgebauten Fugen lyrisch-liedhafte Sätze voller herrlicher melodischer Einfälle ebenso wie dramatische oder großartig-majestätische Äußerungen. Wohlabgewogen ist die Abwechslung in der Folge der Sätze und der Kontrast des thema tischen Materials. Ganz nach Lullys Ouvertürenmuster gearbeitet ist der prachtvolle erste Satz des Concerto grosso D-Dur op. 6 Nr. 5. Nach Bur- ney scheint dieses Muster „eine gewisse zuk- kende, entschlossene und kriegerische Haltung zu erfordern". Nach dem festlichen Glanz des Einleitungsstückes hat das folgende Allegro, als ein gediegenes Fugato gearbeitet, nicht weniger Schwung. Das Zündende dieses Satzes setzt sich fort im Presto, wie bei Bachs letztem Satz in der 4. Suite ein Vorgriff auf spätere Scherzi. Ein lustiger Tanz von rhythmischer Kraft und Eleganz der Faktur. Der feierlich getragene Zwiegesang zwischen erster und zweiter Violine im Largo offenbart die Schön heit Händelscher melodischer Eingebungen. Innere Kraft wohnt den weit ausgesponnenen ^utti - Ri tornel len inne. Dieser etwas schwer mütige Satz wird abgelöst von einem tän- aelnd-koketten Allegro, dem die ständigen Triller der Violinen etwas Buffoneskes verlei hen. Im abschließenden graziösen Menuett ist Händels Variationskunst zu beobachten. Die variierende Figuration legt Händel zunächst in den Baß, dann in die Oberstimme. Wie sich die Formen des Concerto grosso und der Suite in genialer Weise verquicken, zeigt Händels Feuerwerksmusik. Obwohl eine Gelegenheitsarbeit, ist sie als letzte auch die reifste Instrumentalkomposition des 64jäh- rigen Meisters. „Händel war vom englischen Hofe mit der Komposition eines Orchester stückes beauftragt worden, das zur Feier des im Oktober 1748 geschlossenen Aachener Frie dens als Begleitmusik zu einem von Servan- doni entworfenen Feuerwerk am 27. April 1749 im Londoner Green Park aufgeführt werden sollte. Die Vorbereitungen zu dieser Feier überwachte König Georg II. selbst. Händels Riesenorchester — ein würdiges Seitenstück zu Servandonis kolossalem technischen Apparat — bestand aus mindestens 56 (vermutlich aber Iehr) Bläsern und Pauken. Die Vorbereitun- |n, mit denen bereits im November 1748 be- innen worden war, verliefen nicht reibungs los. Im Gegensatz zum ausdrücklichen Wunsch des Königs, bei dieser feierlichen Zeremonie ausschließlich Instrumente militärischen Cha rakters einzusetzen, hatte Händel ursprünglich offenbar eine Kombination von Bläsern und Streichern vorgesehen. Aus den Briefen des Herzogs von Montague vom April 1749 geht hervor, daß sich Händel erst in allerletzter Mi nute dem königlichen Willen gebeugt hat. Eine Probe seiner Komposition fand am 21. April in Vauxhall Gardens mit einem 100 Mann starken Orchester und vor einer Zuhörerschaft von etwa 12 000 Personen statt. Der große Erfolg dieser öffentlichen Probe wiederholte sich einige Tage später bei der ersten Aufführung. .Nach einer großangelegten, von Mr. Händel komponier ten Ouvertüre für Militärinstrumente (wie es in dem offiziellen Festprogramm der Bologne ser Veranstalter des Feuerwerks, Gaetano Rug- gieri und Giuseppe Sarti, heißt) wurde ein Zeichen gegeben, worauf das Feuerwerk mit einem königlichen Salut aus 101 Geschützen seinen Anfang nahm . . .’ Technische Versager verursachten den kläglichen Mißerfolg des Feuerwerks; einzig Händels Musik, die mit den Salutschüssen der Geschütze abwechselte, rettete die Ehre des Tages. Genau einen Mo nat später, am 27. Mai, führte Händel die Feuerwerksmusik in einer Konzertfassung im Foundling Hospital auf. Bei Gelegenheit dieser Zweitaufführung wurde die Feuerwerksmusik in einer Fassung für Bläser und Streicher ge spielt. Damit kehrte Händel bewußt zu seiner ursprünglichen Klangkonzeption zurück." (Hans Ferdinand Redlich) In den feierlich tönenden Bläserharmonien des Ouvertüren-Beginns würdigt der Komponist den Anlaß der Festlichkeit. Im Allegro-Teil ste hen sich in Concerto-grosso-Manier die Blech bläsergruppe einerseits, Violinen und Oboen andererseits in Rede und Gegenrede gegen über. Besinnlichere Stimmung liegt in der schmerzlich-schwermütigen Melodik der Strei cher und Oboen im folgenden Lentement, bis die Ouvertüre mit dem verkürzten glanzvol len Allegro-Teil ausklingt. Wesentlich knapper gehalten als der festliche Prolog ist die Reihe der Einzelsätze: die anmutige Bourree, La Paix (Der Friede) im wiegenden Siciliano-Rhyth mus, der Freudenhymnus der Rejouissance — trompetenüberglänzt wie der gleichnamige Satz in der 4. Suite bei Bach — und die beiden galanten Menuets zum Schluß. Eine großar tige Musik, die durch ihre geistvolle Instru mentation und die Fülle köstlicher musikali scher Einfälle auch den heutigen Hörer für sich einnimmt.