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den Vorschlag einer gemeinsamen Okkupation der verschie denen Plätze in Egypten unterbreiten lassen. Freycinet hat aber abgelehnt. Italien. Rom, 1. Juli. In der gestrigen Sitzung des Senat- erklärte anläßlich der Berathung des Budgets des Auswär tigen der Minister des Auswärtigen, Mancini, auf die An fragen Caraccido'S und Pantaloni'S: Er könne über die Arbeiten der Konferenz sich nicht aussprechen und nur sagen, daß das Uneigennütz'gkeitsprotokoll einstimmig unterzeichnet wurde, daß ferner auf Anregung Corti'S alle Mächte eine tsolirte militärische Aktion ausschloflen, außer zum Schutze der Nationalen. Er verspreche sich Gutes von diesen beiden Beschlüssen, Italien wünsche die Aufrechterhaltung der eu- , ropäischen Verträge und daß eine ernstliche Garantie für die normale Situation Egyptens zukünftig unter Aus schluß jeder Antheilnahme Europas an der inneren Ver waltung des Landes gegeben werde. Man müsse die Türkei verhindern, Egypten auf die Stellung anderer türkischer Provinzen herabzudrüSen und die durchqeführten Reformen zu vernichten; man müsse ferner eine militärische Okkupation oder Intervention, sowie die ausschließliche Oberhand, was immer für einer Macht hintanhalten. Caraccido gegenüber lehnte Minister Mancini inopportune Erörterungen der heiklen KaMfrage ab; er werde blos sagen, wenn England kommerziell an der Politik der freien Kanalschifffahrt in- teressirt sei, so sei dies kommerzielle Interesse allen übrigen Staaten gemeinsam, hauptsächlich aber Italien, welches in geographischer Beziehung wieder zur natürlichen Straße der Vermittlerin des Handels Europas mit dem Orient ge- geworden sei: wenn man ferner die Abneigung Englands gegen die Neutralisirung des Kanals sich daraus erklären könne, daß es eintretenden Falls Truppen nach Indien auf diesem Wege transportiren will, so dürfe man die Frage nicht mit derjenigen der freien Kanalschifffahrt verwechseln. Die Interessen Englands gegenüber den Mächten und der Pforte würden in Egypten nicht beeinträchtigt, sondern ge stärkt. Der Minister schloß mit der Versicherung, daß Ita lien auf der Konferenz, wie bei jedem andern Anlasse, sich nicht von egoistischen Erwägungen, sondern von allgemeinen europäischen Interessen leiten lassen werde. Kein Anerbieten könnte es dahinbringen, auf die Mission, im praktischen Sinne ein Element der Ordnung und des Friedens zu sein, zu verzichten. Die Interessen Italiens würden am besten dadurch gewahrt, daß es von dem europäischen Konzert un trennbar bleibt. Diese Politik sei loyal, edel und in ihren Zielen Italiens würdig. (Lebhafter Beifall). Pantaloni und Oaracciolo erklärten sich durch diese Antwort des Mi nisters zufriedengestellt. Rußland. Petersburg. Bezugnehmend auf das Pfortencircu lar vom 26. Juni sagt das „Journal de St. Petersburg": Die vorliegenden Depeschen geben ein ganz anderes Bild über die Lage Egyptens, als die Pfortenberichte. Die Pforte müsse doch endlich begreifen, daß die Mächte die ernstesten Gründe haben, um über die Lage "Egyptens zu berathen. Das eigene Interesse der Pforte erheische, daß die Pforte sich den Berathungen anschließe, damit das zweifellos noth wendige Einschreiten nicht ohne ihre Mitwirkung erfolge. Türkei Konstantinopel. Die halbofficielle „Vakit" schreibt: Ungeachtet des einmüthigen Bedauerns der Botschafter über das Fernbleiben der Pforte von der Conferenz, trotz den formellen Versicherungen, daß die Conferenz die Interessen der Türkei nicht präjudiciren werde, müsse die Pforte dabei bleiben, zu thun was ihre Interessen gebieten und werde keinen Moment zögern, dementsprechend zu handeln. Egypten. Kairo, 30. Juni. Gerüchtweise verlautet, Arabi Pascha hätte sich entschieden, nach Konstantinopel zu gehen und bereite eine Proklamation an die Armee vor, in wel cher derselben auseinandergesetzt werden solle, daß er nach Konstantinopel gehe, um dem Sultan für die ihm zu Theil gewordenen Auszeichnungen zu danken. Gngland. London, 1. Juli. Das „Bureau Reuter" meldet aus Kairo: Da das britische Geschwader gestern Manöver aus- führte und die kleineren Kriegsschiffe sich dabei außerhalb des Hafens begaben, beklagte sich Arabi Bey bei Derwisch -Pascha hierüber, darauf hinweisend, daß auf Befehl des Sultans die Errichtung von Erdwerken sistirt worden sei, und beantragte, daß ein egyptischer Kontreadmiral an Bord des englischen Admiralschiffes gesendet werde, um Auf schlüsse über die Schiffsbewegungen zu verlangen. Alle Minister werden heut Abend hier erwartet. Blum Pascha ist gestern Abend hier angekommen. Amerika. Washington. In Iowa ist der Vorschlag, die Staatsverfassung durch ein den Verschleiß berauschender Se- träwke verbietendes Gesetz zu ergänzen, durch ein PlebiScit mit einer Mehrheit von 40,000 Stimmen angenommen worden. Washington, 30. Juni. Der Mörder des Präsiden ten Garfield, Guiteau ist heute Mittag halb 1 Uhr hinge richtet worden, der Tod erfolgte sofort. Sächsische ««d -rttiche Aagele-entzeiten. Schneeberg, den 3. Juli 1882. Hartenstein. Im Heiligthume des Herrn, im Got- teShause, ist gewiß für jeden Kirchenbesucher Ruhe die erste Christenpflicht; jedoch am gestrigen Sonntage war in un serem Gotteshause ein Gast anwesend, der stets während der Predigt sein Wörtchen dazu geben mußte und wer war denn dieser Unartige? — ein Canarienvögelchen, welches sich hauptsächlich in einem der gläsernen Kronleuchter po- stirte und durch sein Gezwitscher auf die andächtig versam melte Gemeinde einwirkte. Kirchberg, 2. Juli. Freitags, den 30. Juni, stürzte auf einem hiesigen Neubau der Handlanger Wilhelm Reu ter, 54 Jahre alt, verheirathet und Vater von zwei er wachsenen Kindern vom Sparrenwerk herab in'S Parterre, schlug mit dem Kopf auf eine steinerne Stufe und war aus der Stelle todt. — Bet dem starken Gewitter, das am 1. Juli mehre Stunden lang über Kirchberg stand und arg tolle, schlug der Blitz in das hochgelegene Wohnhaus der Wittwe Wolf und zündete. Trotz der sofort herbeigeeilten Feuerwehr brannte das Haus vollständig nieder. Zwickau. Wie aus zuverlässiger Quelle mitgetheilt wird, sind die Mitglieder der hiesigen Turngemeinde Herr Oberturn lehrer Frank und Herr Kaufmann Theodor Paulus als Preis richter zu dem am 15., 16. und 17. Juli in Chemnitz statt findenden 1. Sächs. Kreisturnfest gewählt worden. — Bei den zahlreichen Uebelständen der schwarzen Schiefertafeln, welche nach den Untersuchungen des Bres lauer Professors Hermann Cohn als Hauptursache der in unseren Schulen überhand nehmenden Kurzsichtigkeit anzu sehen sind, ist eine neue Schulschreibtafel, welche diese Nach theile ziemlich beseitigt, von Lehrern und Schülern als ein willkommener Ersatz für die Schiefertafel begrüßt worden. Die neue Tafel ist weiß und kann mit jeder Art von Bleistift so gut und leicht wie Papier beschrieben werden, und das Geschriebene läßt sich eben so leicht wie auf der Schiefertafel mittels eines feuchten Lappens oder Schwammes wieder aus löschen. Die Schrift ist nicht ein Eingraviren, sondern ent steht durch das Abfärben des Stiftes. Die Tafel ist aus einem weißen, harten, steinartigen Material hergestellt, in der äußeren Form den üblichen Schiefertafeln ähnlich, mit Holzrahmen versehen und überdies unzerbrechlich. Man kann sie aus ziemlicher Höhe zu Boden fallen lassen, ohne das sie Schaden nimmt. Die Schreibfläche ist mit blauen, unaus löschlichen Linien, auf der einen Seite für Schreib-, auf der anderen Seite für Rechen-Uebungen versehen; am Ramen ist ein kleines Eisenstück mit fellenartig etngeritzter Fläche zum Herstellen der Spitze am Stifte angebracht. In zahl reichen pädagogischen Zeitschriften ist die neue Schultafel sehr günstig beurtheilt worden. ' Der Raubmörder des 72 jähr. Gutsbesitzers Jähn aus Meinersdorf wurde in dem 19 jährigen Strumpfwirker Emil Walther aus Adorf ermittelt. Er gab an, die That des halb verübt zu haben, um ein Defizit, das in der von ihm verwalteten Kaffe des Turnvereins zu Adorf durch sein Ver schulden entstanden, zu decken. Die Hälfte der geraubten 290 Mk. fand man noch bei.ihm in einer Schürze eingenäht. Penig, 1. Juli. Der 12 Uhr 46 Min. von Glauchau hier eintreffende Personenzug ist heute beim Einfahren in den Bahnhof in Folge falscher Weichenstellung auf den dort haltenden Bauzug aufgefahren. Die Maschine des Per sonenzuges entgleiste und wühlte in Folge dessen in das Erdreich ein. Dieselbe, sowie mehrere Lowrys des Bau zuges sind demolirt. Glücklicherweise sind Passagiere nicht verletzt, dagegen wurden vom Zugpersonal vier Personen leicht verwundet. Stollberg, 30. Juni. In vergangener Nacht starb ganz unerwartet an einem Schlaganfall einer der beliebtesten Männer der Stadt, Rechtsanwalt Schmidt. Derselbe hat in früheren Jahren als Mitglied der städtischen Vertre tungen mit regem Interesse das Wohl der Stadt gefördert, besonders aber bis in die jüngste Zeit der Erforschung der Geschichte Stollbergs eingehende Studien gewidmet. Plauen. Nach einem hier eingelaufenen Gerücht hat sich in der Nacht vom 30. Juni zum 1. Juli auf der Hal testelle Lehndorf bei Gößnitz ein schreckliches Unglück zuge tragen. Darnach ist vom Courierzug, welcher früh 2 Uhr 56 Min. in Plauen eintrifft, ein mit Pferden bespannter Wagen, in welchem eine Frau saß, in dem Augenblick über fahren worden, als derselbe den Bahnübergang passirte. Die im Wagen sitzende Frau ist tödtlich verwundet wor den. Kutscher und Pferde sind unversehrt geblieben, trotz dem der Wagen total zertrümmert ist. Die verunglückte Frau hat schlafend im Hintertheil des Wagens gesessen. Der Lokomotivführer merkte die Gefahr und gab ein laug- tönendes Achtungssignal, konnte aber den Zug bei der Schnelligkeit, mit welcher ein Courierzug fährt, vor der Unglücksstätte nicht zum Stehen bringen. Die Barriere soll nicht geschloffen gewesen sein. Die Locomotive hat zwar eine Beschädigung erlitten, doch ist dieselbe zum größten Glück nicht entgleist. Die Unglückliche soll eine Handelsfrau aus Zwickau sein und wollte nach Altenburg fahren, um Einkäufe zu machen. Auf derselben Stelle ist vor einigen Jahren schon einmal ein Geschirr aus Zwickau überfahren worden, wobei ebenfalls eine Frauensperson tödtlich ver unglückte. Plauen, 1. Juli. Bezüglich des heutigen Gemöse marktes verdienen in erster Beziehung Erwähnung größere Quantitäten Blumenkohl, ä Stück 30—60 Pfg. Egerer Gartensalat war nochmals in mehreren Fudern vorhanden, wahrscheinlich in dieser Saison zum letzten Male. Gurken, frisch und schön, L Stück 30—70 Pfg. Die naßkalte Wit terung der letzten Zeit hat den Gurken, wie die Gärtner erzählen, viel geschadet. Zwiebeln, Kohlrabi, Möhren, Scho ten rc. gab es in Auswahl. Die Kirschen kosteten immer noch ä Liter 20 Pfg. und 25 Pfg.; der Kirschenbau soll in diesem Jahre nicht bedeutend sein. Neue Kartoffeln aus der Erfurter, Leipziger und Bamberger Gegend kosteten L 1-Litermaß 20 Pfg., » 5-Litermaß 70 Pfg. Auf dem Buttermarkte gab es diesmal gute Auswahl in jungen Hähnchen, doch waren die Preise dafür hoch, L Stück 70 und 80 Pfg., ferner Walderdbeeren, t ; Liter 24—30 Pf., gelbe Schwämmchen L Liter 20—30 Pf. Steinpilze fehlten ganz, Kuhpilze waren nur einige Exemplare vorhanden. Die Butter kostete wiederum das Stück — Pfund 50 Pfg. Auf dem Altmarkte war wenig Leben. Es fehlten die Verkäufer, welche gegenwärtig mit der Heuernte be schäftigt sind. Alte Kartoffeln hatten hohe Preise. Es ko steten große Sorten 1 Hectoliter 4 Mk. 80 Pf., mittlere Sorten (Kocherdäpfel) 1 Hectoliter 4 Mk. Aus der Oberlausitz. Der jüngst durch Selbstmord aus der Welt geschiedene Gericht-schreiber Eckhardt in Seif hennersdorf befaßte sich seit Jahren mit der nutzweisen Un terbringung von Ersparnissen auf Hypotheken. Eckardt genoß in dieser Richtung bei den kleinen Leuten so unbegrenztes Vertrauen, daß ihm die Gelder von allen Seiten zuflossen, ohne daß ihm in vielen Fällen auch nur eine gewöhnliche Empfangsbestätigung abverlangt worden wäre. In nächster Zeit sollte über die größeren Summen beim Obergerichte in Bautzen verhandelt werden, und Eckhhardt mochte wohl die Unmöglichkeit vor Augen sehen, seine Gläubiger zu befriedi gen und dem strafenden Arme der irdischen Gerechtigkeit sich zu entwinden, der ihn auch eines falschen Eides wegen zu umklammern drohte. Er nahm den Revolver zur Land und jagte sich bei dem Schiebstand eine Kugel durch den Kopf. Die Ordnung seines Nachlasses wird wochenlanger angestreng ter Arbeit bedürfen, denn Eckhardt hatte keine ordnungsmä ßigen Bücher geführt, und über viele Posten soll alle und jede Ausschreibung fehlen. Feuilleton. Die Macht der Welt. Roman von Theodor Ballerstedt. (37. Fortsetzung.) Zweiter Theil. Victor Dalberg war in das gräfliche Haus auf Birken zurückgekehrt. Zufrieden mit sich selbst, daß es ihm gelungen war, den Zwiespalt im elterlichen Hause beizulegen, wurde er dennoch von einer nicht zu besiegenden Unruhe gequält, die zu verbannen er sich vergebens bemühte. Die Prophezeiung der alten Zigeunerin lastete wie ein Alp auf ihm, der sich selbst durch die vernünftigsten Gründe nicht bannen ließ. Sollte er denn wirklich möglich sein, aus den Linien der Menschenhand die Zukunft zu pro- phezeihen? Dann wäre ja die alte magisch-mantische Lehre von der Signatur der Dinge wahr, und die Schwärmer der früheren Zeit, die durch die aufleuchtende Wissenschaft längst in die Flucht geschlagen waren, hätten sich doch nicht geirrt! „Unmöglich! Es ist Thorheit, daran zu glauben", sagte er sich zwar immer wieder, aber er fühlte doch, daß ein etwas von diesem Glauben geblieben war. Hatten doch selbst auf seinen Vater, diesen vom Aberglauben völlig freien Mann, jene prophetischen Worte einen sichtbaren Eindruck gemacht und die übrigen waren davon ziemlich ergriffen. Sollte da- Erscheinen jener Frau' nur durch den Zu fall herbeigeführt sein, so wäre das gerade in jenem Mo ment mehr als merkwürdig gewesen. Ihn selbst hatte sie: „Sohn des Glückes" genannt, und: „Treu ist ihm das Grafenkind", sagte sie damals, als der Kreis seiner Freunde die alte Prophetin lachend umstand. Sollte er die pythischen Worte in Beziehung mit ei ner Dame bringen, nach deren Treue er nie getrachtet, deren Besitz er selbst in seinen kühnsten Träumen nie ge hofft hatte? Er schüttelte den Kopf, denn er fühlte, daß er in ei nen Zauberkreis gebannt war, den er trotz aller Bernunft- gründe nicht zu durchbrechen vermochte. Nachdenkend stand er am Fenster und sah hinaus auf den Park, dessen Blätterschmuck sich bereits in die Farben des Herbstes zu kleiden begann und jetzt von den Strahlen der Morgensonne beleuchtet wurde. Der Nebel, kaum ver schwunden, bedeckte nur noch wie ein leichter Schleier die Gegend und schuf im Verein mit dem Sonnenlichte jene Farbentöne, die eben nur dem Herbst eigen sind. Da er hielt das Bild eine reizende Staffage, die dem jungen Mann das Herz schneller schlagen machte. Die Comtefle war es, die an der Seite ihrer Mutter den breiten Kiesweg Hinab spazierle. Ein weißes Muffelingewand mit rosa Schleifen gar- nirt umfloß in weiten bauschigen Falten ihre elastische Ge stalt, und wurde um die zarte Taille durch einen den Schleifen gleichfarbigen Gürtel zusammengehalten. Dunkles Haar umwallte in üppigen Locken ihr schönes Haupt und hob das Weiß ihrer tadellos schönen Stirn nur noch mehr hervor, während ein zartes Jncarnat diesem Gesichte einen unendlichen Reiz verlieh. „Wer will mit ihr um den Preis der Schönheit wer- >en?" seufzte Victor, als er ihr mit dem Auge sinnend olgte. „Sie will den Morgen ihres Geburtstages im Freien eiern, — ob ich es wage?" Do wurde er in seinem Gedankengange durch ein Geräusch neben sich unterbrochen und sein Hund richtete sich empor, ihm die breiten Pfoten auf die Schultern legend. „Du hier?" fragte er. „Es muß ein glücklicher Zu- äll sein, wenn es Dir einmal einfällt, mich aufzusuchen. Hast du sie denn schon beglückwünscht?" In diesem Augenblicke kam ihm ein origineller Gedanke. Er veranlaßte das Thier, sich aufzurichten und zeigte ihm vom Fenster aus die Comteffe. Die Freudenbezeigungen, die der Hund sofort zu erkennen gab, zeigten, daß er sie erkannt hatte und zu ihr zu gelangen strebe. Der junge Mann nahm nun ein Etui, da- er in eine Enveloppe wickelte und reichte es seinem stummen Gefährten, der damit eilig davon lief. Victor sah vom Fenster aus, wie der Hund bei ihr ankam und sein Packetchen übergab. „Bringst du mir das? fragte die Dame mit einiger Ueberraschung. „Ein sonderbarer Geburtstagsgratulant!" lächelte sie dann ihrer Mutter zu. Sie hatte unterdessen das Etui geöffnet und erstaunte nicht wenig, als ihr eigenes Porträt ihr entgegenbltckte, da mit künstlerischer Fertigkeit en miniswi-e gemalt war. War da- Jncarnat, daß jetzt in dunklerer Gluth auf ihren Wangen flammte, ein Zeichen der Ueberraschung? War es Bewunderung für den Schöpfer des Bildes oder der Stolz eine- weiblichen Triumphe-, daß ein Mann sich ihre Züge so genau eingeprägt hatte, daß er ohne ihre Ge genwart sie porträtiren tonnte? — Sie war keinen Augen blick zweifelhaft über den Künstler und versenkte sich in stille Bewunderung über die vollendete Ausführung seines Werkes. Die Gräfin heftete den forschenden Blick auf die Toch ter, die durch kein Wort ihre Bewegung verrieth. „ES ist tadellos schön", sagte ste endlich, indem sie das Etui schloß. „Dieser Herr Dalberg scheint ein Muster von Voll kommenheit zu sein," bemerkte die Gräfin endlich. „Er scheint es nicht allein, er ist eS auch!" entgegnete die Comteffe lebhaft, indem sie sich niederbeugte und den neben ihr stehenden Hund liebkoste. Plötzlich richtete sie sich auf und sah die Mutter heiter lächelnd an. „Wie alt werde ich heute?" fragte sie mit reizender Naivetät, „zwanzig Jahre, nicht wahr?" „Du fragst mich? Ich dächte, ein Mädchen zählte bt» zu einem gewissen Zeitpunkte ihre Jahre mit ziemlicher Ge wissenhaftigkeit." , „Weshalb? Wir können die Zahl derselben so wenig