Volltext Seite (XML)
,Apokalyptischen Reiter“ denken. Bleibt das dritte Stück, dessen Grundmoment dem entspricht, was ich bei ,Michaels Kampf mit dem Bösen“ oder dem .Engels sturz“ empfinde, aber mehr nach der dynamischen als nach der inhaltlichen Seite.“ Der Komponist empfiehlt, sich in erster Linie an die Bezeichnungen zu halten, die jeden einzelnen Satz charakterisieren: i. risoluto (entschlossen), 2. sensibile (empfind sam), 3.eccitato (erregt, aufgeregt) 4. sviscerato (innig), 5.affettuoso (leidenschaftlich). In Buttings filigranhaft durchgearbeiteter Partitur beeindrucken neben dem wunder bar transparenten Klangbild die handwerkliche Liebe zum Kleinen: Wie behutsam werden die Details koloriert, mit welch sparsamen Mitteln wird Atmosphäre geschaf fen, so daß ein geistiger Eindruck entsteht, wie ihn auch der aufmerksame Betrachter beim Studium der Dürerschen Bilder empfängt. Ludwig van Beethovens 6. Sinfonie, die „Pastorale“ (Hirtensinfonie), erschien zusammen mit der 5. Sinfonie im April 1809. Beethoven schrieb selbst erläuternde Worte zu den ungewöhnlichen Überschriften der einzelnen Sätze. In einem seiner aufschlußreichen Skizzenbücher lesen wir: „Man überläßt es dem Zuhörer, die Situationen auszufinden. Eine Erinnerung an das Landleben. Jede Malerei, nachdem sie in der Instrumentalmusik zu weit getrieben, verliert. Sympho- nia pastorale. Wer auch nur eine Idee vom Landleben erhalten, kann sich ohne viele Überschriften denken, was der Autor will. Auch ohne Beschreibung wird man das Ganze, welches mehr Empfindung als Tongemälde, erkennen.“ Von Beethovens Freund Schindler erfahren wir, daß des Meisters Liebe zur Natur nicht nur eineVorliebe für schöne Landschaften gewesen ist. Für Beethoven bedeutete der Drang, sich im Freien zu bewegen, die Schönheiten der Landschaft in sich auf zunehmen, so etwas Ähnliches wie die Kunst, „in dem großen Buche der Natur lesen und diese in jeder ihrer Erscheinungen verstehen zu können“. • Wir wissen, daß eines der meistgelesenen Bücher Beethovens eine Abhandlung „Die Natur als eine Schule fürs Herz“ (der Verfasser hieß Sturm) war. Darin wären einige Stellen mehrfach unterstrichen, die als Ergänzung zur Musik der „Pastorale“ von größter Wichtigkeit sind. Wir zitieren: „Man kann die Natur mit Recht eine Schule für das Herz nennen, weil sie uns auf sehr einleuchtende Art die Pflichten lehrt, welche wir uns selbst und unsere Nebenmenschen ausüben, schuldig sind. Wohlan, ich will ein Schüler in dieser Schule sein und ein lernbegieriges Herz zu ihrem Unterrichte darbringen.“ Wer wollte dabei nicht an den zweiten Satz denken, an die „Szene am Bach“? Schindler berichtet uns: „Die Sonne schien sommerlich, und die Landschaft prangte bereits im schönsten Frühlingskleide. In dieser Stimmung sagte Beethoven nachdenk lich und sich erinnernd: ,Hier habeich die Szene am Bach geschrieben, und die Gold ammern da oben, die Wachteln, Nachtigallen und Kuckucks ringsum haben mit komponiert.““ Wir wissen, daß sich Beethoven oft mit der Volksmusik seiner Heimat auseinander gesetzt hat. Aber auch für das Volksliedschaffen anderer Länder interessierte er sich und viele Bearbeitungen dieser Volkslieder hat er veröffentlicht. Von ganz beson derem Interesse dürfte es jedoch sein (Dr. Karl Schönewolf hat zum erstenmal darauf hingewiesen), daß der kroatische Volksliedforscher Franjo Ksaverije Huhac aus Zagreb als erster Wissenschaftler eindeutig nachgewiesen hat, daß sich Beethoven bei seiner „Sechsten“ nicht nur von kroatischen Volksliedern anregen ließ, sondern daß die gesamte Sinfonie von kroatischer Volksmusik durchzogen ist. Beethoven ist nicht nur der Meister der 3., 5., 7. und 9. Sinfonie. Beethoven ist im gleichen Maße genialer Schöpfer der 2., 4., 6. und 8. Sinfonie. Beide Gruppen gehören zusammen, und erst ihr Zusammenklang ergibt den ganzen Menschen und Künstler Beethoven. Textliche Mitarbeit und Einführungsvorträge: Gottfried Schmiedel Literaturhinweis: Schönewolf: Beethoven in der Zeitenwende Vorankündigung: Mittwoch, 5. Juni, und Donnerstag, 6. Juni, 19.30 Uhr 9. Außerordentliches Konzert Dirigent: Prof. Heinz Bongartz • Solistin: Branka Musulin, Stuttgart, Klavier 6328 Ro lll-t»-*) 557 1.5 II G 009, 57