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stark bildhafte Musik schreibt, so erkennen wir darin die Tendenz zu Franz Liszts Forderungen, die er seinen sinfonischen Dichtungen voranstellte (wobei es in dem Falls bedeutungslos ist, daß Beethoven vor Liszt lebte!): „Das Programm hat ledig lich den Zweck, jene inneren Beweggründe anzudeuten, die den Komponisten dazu ge trieben haben, sein Werk zu schaffen, und die er in diesem Werke niederlegen wollte.“ OTTMAR GERSTER, 1897 geboren, studierte zusammen mit Paul Hindemith bei Bernhard Sekles an der Musikhochschule Frankfurt/Main. Beide waren zuerst nicht nur als Komponisten tätig, sondern als Bratscher, und zwar gleichermaßen als Solisten, Streichquartettler und Orchestermusiker. Gerster beispielsweise arbeitete als Violaspieler zeitweilig im Lenzewski-Quartett, später war er Konzertmeister am Frankfurter Sinfonie-Orchester. Für sein „Divertimento für Geige und Bratsche“ wurde ihm 1924 bei einem Preisausschreiben des Verlages Schott (Mainz) der erste Preis zuerkannt. Der Ruhm des Komponisten Gerster wuchs von Jahr zu Jahr. Bereits vor 1933 komponierte Gerster zahlreiche Werke für den Arbeitersängerbund, u. a. „Das Lied vom Arbeitsmann“, ein sozialistisches Festspiel und die Kantate „Der geheimnisvolle Trompeter“ (nach Walt Whitman). Nach 1945 setzte Gerster die Tendenz, Musik fürs Volk zu schreiben, für breite Hörerkreise, mit Erfolg fort. Zahlreiche Auftragswerke entstanden, Gebrauchsmusik im besten Sinne des Wortes. Das Klavierkonzert wurde im April 195s in Leipzig beendet. Das dreisätzige Werk bekennt sich inhaltlich und formal zu den großen klassischen Vorbildern. Frisch und musikantisch leitet das Orchester den ersten Satz ein. Der Solist beginnt in klarer Zweistimmigkeit. Das Intervall der Quinte spielt eine dominierende Rolle, doch auch die Quarte gewinnt im Laufe der Verarbeitung große Bedeutung. Der vorwärtsdrängende Rhythmus wird durch Synkopierungen verschärft. Ein Thema — in leeren Quinten, aufsteigend — nimmt Form an. Mit diesem Material arbeitet der Komponist. Die rhythmisch-melodischen Kontraste ergeben eine Fülle der viel fältigsten Veränderungen. Bei aller Betonung der Virtuosität wahrt Gerster stets ein durchsichtiges Klangbild. Das handwerkliche Können des Komponisten drängt sich nie in den Vordergrund, sondern steht ganz im Dienste der musikalischen Aus sage. Nach einer kanonischen Episode (Pauke, Klavier, Cello) folgt ein fragendes Ritardando des Solisten, und dann beginnt das gesamte Orchester eine kurze zehn- taktige Coda. Rauschende Akkordpassagen bestätigen die Grundtonart a-Moll. Ein triolisches Auftaktmotiv eröffnet das Largo. Das Klavier antwortet, entwickelt und steigert das Motiv, das durch ausgeprägte Quartenharmonisierüng einen herben Farbton erhält. Flöte und Klarinette beginnen kanonisch eine fließende Liedweise. Auch die spielerischen Melodielinien des Klaviers werden von Quartintervallen beherrscht. Noch einmal klingt das erste Motiv auf. Das Klavier ist maßgeblich beteiligt. Eine Steigerung, und leise verklingt der Satz. Ohne Pause schließt das Finale an. Der punktierte Rhythmus des fanfarenhaft ein leitenden Themas bestimmt den Charakter des Vivace-Satzes, der dem Solisten reiche Möglichkeiten bietet, sein virtuoses Können zu entfalten. Turbulentes und Besinnliches ergänzt sich in schönster Weise, wobei das frohe Spiel ausgelassener Freude überwiegt. Auch in diesem wirkungsvollen Finale ist Gersters Bemühen spürbar, eine musikalische Aussage zu finden, die von allen Menschen verstanden wird. Gerster schreibt eine Musik für den Menschen, eine Musik, die die lichten Seiten unseres Lebens betont. MAX BUTTING, geboren am 6. Oktober 1888, sollte ursprünglich Kaufmann werden, setzte später aber seinen Wunsch durch, Musik zu studieren. Nach 1919 erklangen seine ersten Kompositionen auf den Donaueschinger Musikfesten. 1933 wurden Buttings Werke und sein Wirken für die Musik als „unerwünscht“ bezeich net, und der Meister schrieb in diesem Jahr — bedingt durch die zahlreichen persön lichen Schwierigkeiten — nur sehr wenige Werke. Von Max Butting erfahren wir: „Erst seit 1945 widmete ich mich endlich ganz und ausschließlich der Musik. In den Jahren nach Kriegsende habe ich mehr geschaffen, als in meinem ganzen Leben vordem. Und ich habe noch mancherlei Pläne. Aber was ich sagen will, kann ich nach meinem eigenen Empfinden am besten und klarsten in der Musik ausdrücken.“