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SIEBTER GESANG Und dann! — Jetzt Herz sing Dein: Und dann! Schlagendes! Fang zu tanzen an! Harrendes! Lobsing das Erharrte! Starrendes! Lös Dich aus Wintereis! Hebt Euch zum Leben — Zerstampfte, Verscharrte, von den Lügen der Angst Genarrte, und den Nächten des Schreckens weiß! Seht! Ein Komet aus riesigem Feuer flammt Moskaus Dezember ungeheuer und hellt die Himmel von Rand zu Rand! Die Moskau zu zwingen ausgesandt, sie zahlen teuer das Abenteuer! Es lebt der Wald. Es knackt in den Büschen, die Bäume heulen blütenbesprüht, feurige Blüten, die summen und zischen, Katjuscha singt ihr Feuerlied, and die Äcker, die gestern verdarben sind voller feuriger, fliegender Garben, schenken und schenken ohne zu geizen den eisernen zehrenden nährenden Weizen den Säern der Qual! Aus dem Dunkel der Nacht, aus der Morgenkühle, aus Dezemberfrost und aus Julischwüle bricht es mit unsagbarer Gewalt. Ach Panzer! Es rollt das unsterbliche Leben über die Maulwurfsgänge und Gräben des Todes in eherner Panzergestalt! O Partisanen! Dem Dunkel entsprossene liebende, tötende Falter der Nacht! Frau'n in Fabriken! Männer im Schacht! Helden der Leben gewährenden Schlacht! Ihr in Leningrad Eingeschlossene! Ihr von Stalingrads Glorie Umflossene! Ihr Rote Flieger! Ihr Rotarmisten! Seefahrer Ihr und Ihr Wächter der Küsten! Ihr von der Flamme des Opfers Ver zehrten! Hassende Ihr, die uns Liebe lehrten! Träger des Lichts in der dunkelsten Nacht! Ewige Heiden Ihr und Gefährten! Oh, noch einmal vom Tode zu singen, wo es den Tod des Todes gilt! Schließt Eure Augen, Ihr Kommenden! Fühlt, wie Menschen das gehetzte Wild um seinen leichten Tod beneideten! Singt den Granaten und singt dem Stahl und dem Tode der Bestie millionenmal, der Bestie, der als Menschen Ver kleideten! Singt dem Bezwinger, der ihr erstand, dem menschlichsten Menschen, dem menschlichsten Land! Aus: „Die Spanische Hochzeit" von Louis Fürnberg DR. MORGENSTERN (ENSEMBLE PAWEL KORTSCHAGIN): Einige Bemerkungen zum Problem Stu dienarbeit — Ensemblearbeit. Jeder Stu dent, der freiwillig einem Ensemble bei tritt, wird schon nach kurzer Zeit merken, wie wichtig für ihn' die kontinuierliche Studienarbeit ist. Andererseits muß die Ensembleleitung sehr sorgfältig die Ent wicklung der einzelnen Mitglieder verfol gen und rechtzeitig eingreifen, wenn sich Studienpannen anzudeuten beginnen. Über die Funktion der Ensembles exi stieren meines Erachtens verschiedene Goldene Worte Aufgelesen Aufgeschrieben VON DER FIKTION UZ-Gespräch mit Hans Thomas, Leiter des Kulturzentrums der Karl-Marx-Universität ZUR REALITÄT UZ: Seit einem Jahr besteht an unserer Universität die Einrichtung des Kulturzen trums. Ist es schon zu dem operativ ar beitenden. kulturell-organisatorischen Zen trum geworden, über dessen Notwendig keit es keine Diskussionen mehr geben dürfte? Hans Thomas: Die Frage stellen, bedeu tet hier, sie verneinen. Die Arbeit im ver gangenen Jahr litt daran, daß wohl die Stelle des Leiters des Kulturzentrums ge schaffen wurde, aber keine anderen Vor aussetzungen, die ein Wirksamwerden erst bedingen. Dazu muß man u. a. auch Vor aussetzungen technischer Natur zählen. So ist in der Struktur unserer Ensembles eigentlich alles beim alten geblieben. Ich denke jedoch, daß sich diese Situation jetzt rasch ändern wird. Es liegen kon krete Vorschläge vor. UZ: Können Sie uns diese nennen? Hans Thomas: Ich möchte zunächst von organisatorischen Aspekten ausgehen. Die Struktur des Kulturzentrums baut künftig vor allem auf zwei Bereiche auf: 1. den Bereich Universitätstheater; 2. den musi kalischen Sektor (instrumental und vokal). Für jeden Bereich wird eine verantwort liche Leitung geschaffen. Sinn und Zweck ist die Vereinheitlichung der Anstrengun gen und Bemühungen, die Überwindung der noch vorhandenen unglücklichen Zer splitterung der Kräfte, die rationelle Aus nutzung der geistig-kulturellen Potenzen. Wenn es auch heute noch Zukunftsmusik zu sein scheint, so wird z. B. die Entwick lung im 1. Bereich dahingehen, ein Uni versitätstheater in der Messestadt zu schaffen. Wir versprechen uns von dieser Struk turänderung sehr viel. Wir hoffen, im Herbst soweit zu sein, diese Struktur ver wirklichen zu können. Personelle Fragen möchte ich zunächst noch ausklammern. UZ: Würden Sie bitte nochmals die Funktion des Kulturzentrums präzisieren hinsichtlich der kulturellen Aufgaben an ¬ derer Institutionen und Organisationen an der Karl-Marx-Universität? Hans Thomas: Das Kulturzentrum soll nicht Zentrum für alles und jedes sein. Es kann z. B. nicht die Aufgabe sein, die Verantwortung von FDJ. Gewerkschaft usw. zu annullieren. Auch geht es nicht primär um die Organisation der Kultur arbeit im Universitätsbereich. Als Zen trum der selbstschöpferischen künstleri schen Tätigkeit an der Universität wird es zunächst Fragen der Konzeption, der Per spektive der einzelnen Ensembles und ihres Zusammenwirkens klären. Später sehe ich eine besondere Aufgabe in der Entwicklung der künstlerischen Talente an der Universität. Das schließt Talent suche mit ein, das Erkennen vielfältiger Begabungen für die einzelnen Ensembles. Ich möchte auch betonen, daß es im Sinne des Bitterfelder Weges nicht nur um Studentenensembles geht, sondern daß alle interessierten und veranlagten Men schen der Universität herangezogen wer den. Das Kulturzentrum wird sich weiter das Zusammenwirken mit den Instituten an gelegen sein lassen, die schon von ihrem Profil her der geistig-kulturellen Sphäre verbunden sind. Als besonders wichtig empfinde ich die theoretische Verall gemeinerung künstlerischer Schaffenspro bleme durch das Kulturzentrum, die Be handlung von Problemkreisen der mora lisch-ästhetischen Erziehung unserer Stu denten. UZ: Eine in letzter Zeit viel diskutierte Frage ist, wie werden die Ensembles als Faktoren des geistigen Lebens mehr an der Universität wirksam. Wie könnte das Kulturzentrum dabei wirken? Hans Thomas: Um zunächst einem Vor urteil entgegenzutreten, es ist keineswegs so, daß es in den Ensembles etwa keine Bereitschaft dazu gäbe. Ganz im Gegen teil. Aber man kann, glaube ich, nicht er warten, daß die einzelnen Ensembles immer selbst die Organisatoren dabei sein sollten. Andererseits dringen die z. B. von der Senatskulturkommission gegebenen Emp fehlungen nicht bis nach unten. Die Mög lichkeiten. die bestehen, werden ungenü gend genützt. Ohne jemandem nun den Schwarzen Peter allein zuschieben zu wol len, so ist es doch eine betrübliche Tat sache, daß die FDJ die Arbeit der Senats kulturkommission im letzten Jahr ignorierte. Unter anderem liegt darin eine Ursache. Es sollte mit Aufgabe des Zentrums sein, politische und methodische Hinweise für das Wirksamwerden innerhalb der Uni versität zu geben. Es wird sich jedoch da bei sehr bald zeigen, daß es notwendig ist, über bewegliche, kleine Gruppen zu verfügen, die in Institute, Seminargrup pen usw. gehen können. Hier sollten die Überlegungen bei den Ensembles einset zen. UZ: Man hörte, daß das Kulturzentrum auch äußerlich keine Fiktion mehr dar stellen wird? Hans Thomas: Es werden in nächster Zeit Räumlichkeiten im Beyer-Haus zur Verfügung stehen. Gleichzeitig wird dann ein Textilfundus, ein Fundus technischen Bedarfs sowie die erste Stufe eines zen tralen Musikarchivs (Noten. Bänder, Kata loge, methodische Hinweise usw.) dort aufgebaut werden. Es wäre zweifellos richtig, Räumlichkeiten für Proben und Aufführungen im Beyer-Haus einzurich ten. Darüber wird gegenwärtig noch be raten. UZ: Wir danken für das Gespräch. Auffassungen. Die eine ist von der Furcht vor der Entfernung von der Universitäts praxis bestimmt, die andere sieht im Wirken nach außen das Heil. Ich denke, daß eine wohlgelungene Synthese zwischen Befruchtung des kulturellen Lebens in den Instituten und der Wahrnehmung der Aufgaben anderswo das Richtigste ist. Man darf jedoch die Ensembles nicht in die Rolle der Ausgestaltung jeder kleinen Veranstaltung drängen. Die Zeit der iso lierten Arbeit, der Zersplitterung der Kräfte sollte vorbei sein. Ohne konzen trierten Einsatz der Kader und Mittel kommen wir in den nächsten Jahren nicht weiter. HARRY MÖLLER (UGL): Wir sind in der UGL in Fragen der kul turellen Arbeit nicht weitergekommen, so lange wir sie nicht zu echten Leitungs problemen gemacht haben. Ich schlage vor, daß sich die UGL mit den Ensembles zu einer Aussprache zusammenfindet, in der über die Perspektive beraten wird und -welche Hilfe wir den Ensembles ge ben Können. Mir geht es nicht darum, wie kann die Gewerkschaft als Rangfüller wirken. Mir geht es darum, wie können wir Begabungen den Ensembles zuführen. DR. FÖRSTER (AKADEMISCHES ORCHESTER): Unser Hauptgebiet als Akademisches Orchester sollte die Beschäftigung mit der sinfonischen Musik bleiben. Hier ist viel Boden aufzuholen. Ich kann mir nicht vor stellen, daß wir nur Begleitaufgaben lö sen. Die andere Frage ist natürlich: Wie unterstützen wir die anderen Gruppen. Es ist keine Lösung, daß das Ensemble Pawel Kortschagin ein Berufsorchester ver pflichten mußte... Der Aufbau zweier Besetzungen soll einen Ausweg bringen. Die eine Besetzung soll dann vorrangig Begleitaufgaben über nehmen. Wie kommen wir zu diesem Stand der Besetzung? Nur dann, wenn konsequent mit der Zersplitterung der Begabunger Schluß gemacht wird und wirklich alle in das Orchester kommen. D as Studienjahr 1963'64 war wie selten zuvor für die Ensembles der Karl- Marx-Universität ein gutes Jahr. Das er reichte beachtliche künstlerische Niveau fand nicht zuletzt bei den Arbeiterfestspie len besondere Würdigung. Zwei Gold medaillen und eine Silbermedaille brach ten die Ensembles nach Leipzig zurück. Ein Resultat, das uns froh stimmt, das die Arbeit und Mühen des einzelnen En Perspektivisches semblemitgliedes aufwiegt und belohnt und zugleich für die Zukunft hoffen läßt- Um die Zukunft, die Perspektive der Ensembles ging es auch bei einem zwang losen Tafelgespräch, zu dem die Senats- ktilturkommission die Ensembleleitungen eingeladen hatte. Der erreichte kulturelle Standard wirft neue Fragen auf, die einer Lösung harren. Probleme auf der Ebene der jetzigen künstlerischen Qualität. So be grüßenswert die Profilierung der verschie denen Ensembles ist, so notwendig das Prägen des eigenen Gesichts, so akut wird damit auch eine klare Konzeption für das Zusammenwirken und gemeinsame Lösen von Grundaufgaben an der Universität. Kaderfragen, die Problematik des rationel len Ausnutzens der vorhandenen Möglich keiten erlangen besondere Bedeutung. Das bisher vielfach nur auf dem Papier ste hende Kulturzentrum sieht sich einer Reihe von Anforderungen gegenüber, die sein Funktionieren bedingen. UZ gibt heute ein erstes Echo der zur Debatte stehenden Fragen wider. Unserer Ansicht nach kommt es in den nächsten Wochen darauf an, gute, kluge Konzeptionen für die Per spektive der einzelnen Ensembles zu ent wickeln, um darauf aufbauend den Per spektivplan der IcuÜurel'en Arbeit an un serer Universität ausarbeiten zu können. Die 3. Unive-sitätsfestspiele sollten dafür schon beredter Ausdruck sein. Kammerkonzert des Instituts für Musik wissenschaft Das zweite Kammerkonzert des In stituts für Musikwissenschaft im Frühjahrssemester 1964 bot „Eng lische Kammermusik des 17. Jahr hunderts“ und war damit als Shake speare-Ehrung des Instituts gedacht. Am deutlichsten dürfte dies im Willow-Song zum Ausdruck gekom men sein, dem Lied eines unbekann ten Komponisten, das Shakespeare im 5. Akt des „Othello“ der Desdemona in den Mund legt. Shakespeares Zeitgenosse Ben Jon son ist der Textdichter der Four-note Pavan: Hear me o God. Die Pavane, ein gravitätischer Schreittanz, der sich zu einer symphonisch überhöhten Form entwickelt, tritt hier in einer formal besonders interessanten Aus prägung auf: über vier imitierende Stimmen ist eine Liedmelodie gelegt, die aus ständiger Wiederholung eines viertönigen Motivs in verschiedenen Transponierungen besteht. Komplizierte kompositorische Faktur zeigt auch die sogenannte Hexachord- Fantasie von Alfonso Ferrabosco, deren Cantus firmus ein achtmal um einen Halbtonschritt transponierter Tonleiterausschnitt ist. In diesem Stück wird somit der gesamte chro matische Tonvorrat verwendet. Diesen auch formal erstaunlichen Leistungen gegenüber stehen die schlichten tief- ausdrucksvollen oder keck-witzigen Lieder John Dowlands, wohl der stärksten Musikerpersönlichkeit der Shakespeare-Zeit. Von Dowland waren auch zwei instrumentale Pavanen zu hören. Neben ihm fällt Thomas Tom kins auf, der die Tanzsätze Pavane und Gailiarde mit sehr ausgesparter Kontrapunktik zu füllen versteht. Hauptträger des Konzerts war das Viola-da-Gamba-Ensemble des Insti tuts für Musikwissenschaft, dessen Mitglieder Peter Klug; Hans-Peter Linde und Friedemann Starke Angehörige des Rundfunksinfonie- bzw. des Gewandhausorchesters sind. Trotz hoher beruflicher Belastung wenden diese Musiker ein sehr großes Maß Arbeitszeit und Energie an die Beherrschung historischer Musizier praxis. Diese Einsatzbereitschaft ver dient hohe Anerkennung. Wegen der Erkrankung des Laute nisten Roland Zimmer mußten leider einige Umbesetzungen vorgenommen werden, für die Walter Heinz Bern stein an Cembalo und Positiv mit gewohnter Souveränität sich zur Ver fügung stellte. Erfreulich, daß auch Stu denten mitwirkten: Erhard Franke und Christoph Rüger (Institut für Musikwissenschaft) am Doppelvirginal und Peter Findeisen (Kunsthisto risches Institut) als Gambist. Sehr lebendig und mit großer Ein fühlung sangen Ulrike Taube und Wolf Reinhold begeisternd das Lied auf den Tabak von Captain Tobias Hume. Sie wurden von ver schiedenen Instrumentengruppen be gleitet, wie es der zeitgenössischen geselligen Aufführungspraxis ent spricht. Thekla Waldbaur musi zierte mit bewundernswertem Ge schick auf Flauto piccolo, Alt- und Tenorblockflöte. Zusammenstellung und Leitung des gesamten Programms lag in den Hän den von Dr. Hans Grüß, der als primus inter pares die Baßgamba spielte. Ihm vor allem ist es zu dan ken, daß sich das Gamben-Ensemble in jahrelanger intensiver und ziel bewußter Probenarbeit zu einem Klangkörper von außergewöhnlichem Rang entwickelt hat. Der historischen Spielpraxis des Ensembles entsprachen die im Kam merkonzert verwendeten historischen Musikinstrumente aus den Beständen des Musikinstrumenten-Museums. Si cher wäre ein derartiger Hinweis dankbar entgegengenommen worden, so zum Beispiel, daß sich unter den gespielten Gamben höchst wertvolle Instrumente von Thomas Edlinger und Johann Christian Hoffmann be fanden und daß es sich beim Doppel virginal um ein Werk Andreas Ruckers’ d. Ä. von außerordentlichem Seltenheitswert handelt.