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Sein Egmont ist nicht der zärtliche Liebhaber des Klärchens, der beim ko senden Geplauder alle Sorgen der Politik leichtsinnig vergißt. Beethovens Egmont ist die Personifizierung des leidenden, unterdrückten Volkes. Sein Tod ist mehr als der Tod eines Einzelnen. Er ist der Tod aller freiheitlich Gesinnten. So wächst auch sein Triumph weit hinaus über den eines heldenhaften Vorgängers zum Triumph aller Unterdrückten. Beethovens Egmont-Figur fehlen alle individuellen Züge. Sie ist das heroische Symbol der durch brutale Gewalt geknebelten Menschheit überhaupt, die - äußerlich besiegt - im Tode von einer strahlenden Glorie gekrönt wird. Das Klavierkonzert in b-moll opus 23 von Peter Tschaikowski gehört zu den Standard-Werken seiner Gattung, vereinigt glanzvolle Pianistik mit sym phonischen Schwung, der durch die Verwendung russischer (ukrainischer) Volkslieder im ersten und dritten Saß eine besondere nationale Note be kommt. Das Wort «Konzert» kommt vom lateinisch-italienischen «concertare» d. h. Wettstreiten. Tatsächlich wechseln Orchester und das Solo-Instrument mit allen klavieristisch-technischen Raffinement geformt. Die Aufführungsgeschichte des b-moll-Konzerts ist voll dramatisdier Episoden. Tschaikowski hatte es im Hinblick auf Nikolai-Rubinstein geschrieben, dem es zunächst auch gewidmet wurde. Doch Nikolaus Rubinstein, obwohl nur fünf Jahre älter als Tschaikowski, unterließ seine Bevormundungsversuche niemals, selbst dann nicht, als Tschaikowski längst seine Selbständigkeit erwiesen hatte (selbst noch, als Tschaikowski zusammen mit Max Bruch, mit dem französischen Komponisten Saint-Saens, mit dem italienischen Dichter und Komponisten Arrigo Boito zum Ehrendoktor der englischen Universität Cambridge ernannt wurde). Er unterließ es natürlich nicht, auch diesmal an dem Klavierkonzert herumzunörgeln - Tschaikowski hielt es für eines seiner besten Werke. Rubinstein hielt es für unspielbar und ver langte Änderungen. Der verärgerte Tschaikowski schrieb damals an seine Freundin Frau von Meck; «Nikolaus Rubinstein hat, wie Sie richtig be merkten, keine heroische Natur. Er ist ungewöhnlich begabt, klug, energisch und geschickt, jedoch wenig gebildet. Seine Sucht, immer angebetet zu werden, seine kindliche Schwäche für alle Zeichen der Unterwürfigkeit schaden ihm sehr ... ich ärgere mich oft über Rubinstein!» Dabei war dieser Moskauer Nikolaus Rubinstein Tschaikowski viel mehr verbunden als Anton Rubinstein, der Begründer des Petersburger Konser vatorium, bei dem Tschaikowski sein Studium begann. In einem anderen Brief an Frau von Meck äußerte sich Tschaikowski ausführlich über seinen Besuch bei Nikolai Rubinstein: «Im Dezember 1874 hatte ich mein Klavier konzert beendet. Da ich kein Pianist bin, wollte ich meine Komposition einem Klaviervirtuosen zeigen, damit er mir sagte, ob alles ausführbar, effekt voll, dankbar sei. Ich wußte, daß Nikolai Rubinstein nicht verfehlen wird, seine Launen spielen zu lassen. Da er aber der größte Pianist von Mos kau ist, entschloß ich mich, ihn zu bitten, mein Konzert anzuhören. Er wäre auch sehr beleidigt gewesen, wenn ich einen anderen Pianisten auf gesucht hätte. Ich spielte ihm den ersten Saß vor. Kein Wort, keine Be merkung! Wenn Sie wüßten, wie dumm man sich fühlt, wenn der Freund die für ihn zubereitete Speise einfach verzehrt und - schweigt! Sag doch, Freundchen, irgend etwas, schimpfe meinetwegen, doch schweige nicht! Ich nahm mich zusammen und spielte bis zu Ende. Abermals Schweigen! Ich stand auf und fragte: Nun, was denn ? Rubinstein fing an zu reden, zu nächst leise, dann immer lauter werdend bis zum Jupiterton! Er sagte, mein Konzert sei schlecht, unspielbar, die Läufe abgedroschen, die Erfindung schwach, gestohlen habe ich auch hie und dort. Ich war erstaunt und be leidigt Schweigend ging ich hinaus. Ich war wütend. Später sagte er mir,