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ve»>,«»ret«: Für Dresden vierttljährlutz r viert so Pf, bei deuKaffer- tich deutlchcn Poslanstaltcn viertel,Shrlich 3 Mart; außer» halb be< Deutfcheu «eiche« Post- »ad Etearpelzuschlaa. stinielur Nummern: 10 U. Erscheine«: Täglich mit Ausnahme der Sonu- und Feiertage abend« Aeruspr -Anschluß: Nr.L!»»». Dresdner M Murnal. Für den Naum einer aespa!» teue» Zeile Neiner «chntt «0 Pf. Unter „Eingesandt" die Zeile LV Pf. Bei Tabellen- und Ziffrrnsatz entsprechender Aufschlag Hera» «geber: Königliche Expedition de« Dre«dner Journal- Dre«den, Zwmgerftr 20 Fernspr -Anschluß: Nr ir»S. M276 18S6 Freitag, den 27. November, abends. Amtlicher Teil. Dre-de«, 27. November. Se. König!. Hoheit der Prinz Johann Georg, Herzog zu Sachsen, ist heute vormittag 10 Uhr 15 Min. von Wiesbaden hierher zurückgekehrt. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß die Bahnhofrinspektoren 1. Klasse Engemann und Freytag in Dresden- Neustadt den von Sr. Majestät dem Deutschen Kaiser und Könige von Preußen einem Jeden verliehenen Kronenorden 4. Klasse annehmen und tragen. Grue»u»uge«, Versetzungen rc. tm öffentliche« Dienste. Departement der Finanzen. Bei der Poslverwaltung sind ernannt worden: Junghanns, zeilher Postsecretär, al« Ober-Postsecretär in Reichenbach (Vogtl ); Jesch, Bartsch, Kretschmer, Jahn und Haupt, zeithcr Postpraktikanten, alS Postsccretäre im Bezirke der Kaiser! Ober-Postdirection zu Dresden Nichtamtlicher Teil. Ans großer Zeit. I. Wie wir vorgestern an anderer Stelle unseres Blattes angezeigt haben, ist dieser Tage die zweite Abteilung von Moltkes Militärischer Korrespondenz (Aus den Dienstschriften des Krieges 1870/71) ver öffentlicht worden. Sie bezieht sich auf den zweiten Hauptabschnitt des Feldzuges (3. September 1870 bis 27. Januar 187l), also auf den Zeitraum, in welchem die deutsche Heeresleitung mit zwei der schwierigsten Aufgaben beschäftigt war, mit der Be lagerung von Paris und der Vernichtung des Gegners in den Provinzen. Wenn das Bild der ruhmvollen Thätigkeit der obersten Kriegsleitung und insbesondere des Grafen Moltke überhaupt noch zn verschärfen wäre, so würde es im Anschluß an die hier publi zierten Schriftstücke geschehen können, denn diese Korrespondenz bezeugt eine der größten strategischen Leistungen in der Kriegsgeschichte der Welt, die ein heitliche Leitung aller Operationen in den Provinzen Frankreichs von einem festen Mittelpunkte (Versailles) aus, unter gleichzeitigem Bedacht darauf, den Fall von Paris herbeizusühren, und verbunden mit der Kunst, den Kriegshandlungen durchweg den Geist der Offen sive zu bewahren. Bei der immer lebendigen, von Zeit und Gelegen heit unabhängigen Teilnahme jedes Deutschen für alle Entwickelungen und Ereignisse in dem glorreichen Kriege dürfen wir ohne weiteres annehmen, daß unseren Lesern einige Mitteilungen aus dem die leitenden Gesichtspunkte der deutschen Kriegsfuhrung zu einem Gesamtbilde zusammenfügenden Werke, welche die Einschließung von Paris betreffen, sehr willkommen sein werden. Die bevorstehende Einschließung der französischen Hauptstadt veranlaßte den General v Moltke, früh zeitig die Gesichtspunkte hierfür schriftlich nieder zulegen, sowie mit dem Kriegsminister wegen Heran führung des Belagernngsmaterials in Verbindung zu treten: HO Reims, den 8. September 1870 Von der Tritten Armee könne» VI., V und II. Bayerisches Arnicecorps und 2. Landwehrdivision als etwa 7V- dis 80 000 Mann starke Avantgarde in der Gegend von Mcaux am 15. September eintresfen, von wo Streisparteien gegen das nur zwei Märsche cntsernte Paris und Unterbrechung der Eisen bahnen bei Chantilly und Pontoise. Bon der Armeeabtcilung des Kronprinzen von Sachsen langen IV., Garde-und XII LorpS aus der Linie SenliS Nanteuil. ungefähr 70- bis 80 vvv Mann mit zahlreicher Kavallerie bis zum 20. September an. Beide Armeen, 150- bi- 160 vvo Mann, können in einem Marsche nach der Mitte, in zwei Märschen nach dem Flügel versammelt werden für den unwahrscheinlichen Fall feindlicher Offensive. Die nächste Verstärkung bilden da- X I. und I Bayerische Corp- «oder an besten Stelle Württembergischc Division), etwa 40 000 Mann Cie treffen, wenn die Forlschaffung der Gefangenen noch sechs, der Anmarsch zehn Tage dauert, bi- 25. September hinter der Dritten Armee ein Cs sind dann zum unmittel baren Hcranrücken an Paris 200 000 Mann oerfügbar. Bi- zum 28 September, wo die- geschehen kann, verlausen noch drei Wochen, in welchen die Dinge in Paris eine bestimmte Gestalt annehmen dürsten und welche der Thätigkeit der Diplo matie verbleiben, bevor ein Angriff aus die feindliche Haupt stadt erfolgt. Zur Sicherung aller Kommunikationen und Niederhaltung von Bolksaufständen wird das Armeekorps de« Großheizogs von Mecklenburg von Metz herangezogen werden können, davon eine Division zunächst gegen Toul zu dirigieren fein. Die Landwehrdivision kann in Reims am 20. September eintresfen, sodaß durch das I. Bayerische Corps und die Württcm- bcrgische Division Ende dcs Monats die Armee auf 230- bis 250 0«0 Mann gebracht wird. Bor Metz verbleiben immer noch gegen 200 000 Mann. Den Kriegsminister v. Roon benachrichtigte Moltke in einem Schreiben, in welchem es heißt, daß der ernsthafte Angriff voraussichtlich zwischen dem 25. und 30. September beginnen werde. Für dir Einschließung von Paris machte General v. Moltke folgenden Entwurf: HO. CHLteau Thierry, den 14. September 1870. Das Borrücken gegen Paris hat zunächst den Zweck, jede Bcrbindung dieser Hauptstadt nach außen zu durchschneiden, Zufuhren und Entsatz dcrlhin zu verhindern. Die Armee abtcilung Sr König!. Hoheit de- Kronprinzen von Sachsen wird Stellung nördlich mit dem Vl. Corps bei Argenleuil, XII. zwischen Sarzellcs und Arnonville, Gardecorps zwischen Bonnern! und Le Blanc Mesnil nehmen. Das XI. Corps hat unsere Hauptverbindnng über Meaux zu sichern. ES besetzt Aulnay, Clichy und Chclles. Tas VI und V CorpS stellen sich hinter der Linie Cröteil-Choisy Le Roi-Cceaux auf, da- I. und II. Bayerische Corps besetzen die Höhen westlich bis Meudon Die Württcmbergische Division wird zur Verbindung beider Armeen zwischen Marne und Seine in die Gcgend von Billiers für Marne einrückcn. Die Kavallerie hat die Bcrbind ung zwischen den verschiedenen Stellungen ausrcchtzncrhalten und das Terrain rückwärts derselben, insbesondere im Süden, auf weitere Entfernungen aufznklärcn. Sämtliche Eisenbahnen sind unfahrbar zu machen, jedoch nur durch Aushcben von Schienen an zu besetzenden Punkten Die Telegraphenlinien werden durch Auslösen der Drähte und Fortnehmen der Appa rate aus den Stationen unterbrochen Die Hauptstraßen werden größtenteils genügend dadurch gesperrt, daß die Brücken übcr Seine und Marne militärisch besetzt werden, und sind auch hier größere Zerstörungen zn vermeiden Speziell hat das IV. Corps sich der Übergänge bei Courbevoie, Asni^rcs und, wenn angängig, Et Denis zu bemächtigen Tas XII Corps sperrt die Straßen nach Norden und unterbricht die Eisenbahnen bei Pontoise und Survillicrs Das Garde- und XI CorpS schützen die uns selbst nötigen Verbindungen nach rückwärts Letzteres versichert sich der Übergänge hei Gournay Die wurttcm bergische Division zerstört die Übergänge bei Brn, Nogent, Jornville und Champigny. Das V , VI und die Bayerischen Corps unterbrechen die übrigen Verbindungen nach dem Süden und dem Westen Frankreichs Sollte von diesen Richtungen her ein Entsatz von Paris durch die Streitkräfte des Feindes versucht werden, welche er an der Loire zu ver sammeln bestrebt ist, so muß die Einschließung der Stadt einst weilen schwächeren Abteilungen überlassen blcibcn, welche des halb die geeigneten Punkte gleich ansangs sorlifikatorlsch her- zurichten haben, und wird die Dritte Aimee mit ihren Haupt- krästen dem anrückendcn Feind, abcr höchstens 2 oder 3 Märsche, enlgegenrücken. um zeitig wieder die Zernierung ausnehmcn zu können Tie Operationen schon jetzt bis zur Loire auszudchncn, erscheint nicht angängig, und wird dniür der Fall der französischen Hauptstadt abzuwarlcn sein Ter vorstehende Entwurf bildete die Grundlage für eine an die Oberkommandos der Dritten Armee und der Armeeabteilung der Maas erlassene Ver fügung, über deren nähere Ausführung General v. Moltke außerdem im Laufe des 15. September mit den Generalstabschefs der beiden Oberkommandos, den Generalen v Blumenthal und Frhrn. v. Schlot heim, mündlich Rücksprache nahm. Nachdem diese Vorbereitungen beendet waren, traf ein Bericht vom Oberkommando der Armee vor Med ein, demzufolge das Oberkommando dem Marschall Bazaine die völlig veränderte Lage Frankreichs nach den Ereignissen bei Sedan mitgeteilt hatte, in der Hoff nung, den französischen General womöglich za Unter handlungen geneigt zu machen, was jedoch nicht ge lungen war. General v. Moltke erwiderte: An drn Generalmajor v E lieh le, Lorny H. O FerrisreS, den 21. September 1870, 12' mittag« Lw. Hock Wohlgeboren danke ich für die gesälliße Mitteilung vom 17. d MtS betreffend die Korrespondenz mit dem Marschall Bazaine Tie Behandlung dieser Angelegenheit duich das Königl. Oberkommando der Arm.e vor Metz erfreut sich der vollkommensten Allerhöchsten Billigung Über die Situation hier teile ich Ew Hochwohlgeboren ergebens! mit, daß die Ein schließung von Paris am 19. d Mts vollendet worden ist Die Dritte Armee hat hierbei am 17., 18. und 19 d MtS südöstlich und südlich von Pari« Gefechte gehabt, welche sämtlich zum Vorteil unserer Truppen ausgefallen sind Das Gesrcht am 19. cbri Licötrr) war das bedeutendste. Tas ncusormierte 14. Französische Corps versuchte das V. ArmeccvrpS in feinem Marsch auf Versailles aufzuhalten, wurde abcr von diesem untcr crsolgreicher Teilnahme des II. Bayer ischen Armeecorps mit Benust von 7 Geschützen zurück- geworsen. Versailles hat uns re Truppen mit offenen Annen ausgenommen. Sovres bittet um Belegung mit Preußiichcn Truppen Gesangcuc französische Offiziere sagen auS, daß in Paris die verschiedenen Truppenteile bereits auseinander schießen und dir Zustände dort unerträglich seien. Vorgestern hat sich Hr. JuleS Favre in außerordentlicher Mission im großen Hauptquartier eingestellt und gestern nachmittag nach Haris zurückkegelen. Weitere Angaben über die Tinge vor und in Paris enthält folgendes Schreiben an den General major v. Stiehle (Generalstabschef bei der Armee des Prinzen Friedrich Karl von Preußen): H Q. Ferneres, den 24. September 1870 Euer Hochwohlgeboren teile ich in Bezug auf die Situation hier mit, daß Hr. Jules Favre die ihm für Bewilligung eines Waffenstillstandes (wilcher übrigens die Lage vor Mey ganz unberührt lassen sollte) gestellten Bedingungen nicht hat accep tiercn wollen. Die Verhandlungen mit ihm sind daher ab gebrochen worden. Pariser Zeitungen vom gestrig,» Tage ge- stehcn die am 19. d. Mts. südlich dieser Stad: erlittene Nieder lage des 14. sranzösischcn Armeccorps in eincr bisher nicht ge wohnten Weise ein Dabei tritt entshicdcn die Terdcnz her vor, die sranzösischen Linientruppcn aus Kosten der Mobil garde hcrabzusetzcn Hr. Rochefort ist zum Direktor sämtlicher Barrikaden ernannt und daS »ouvcrnement üo In ckekense »atro»»)« infolge ciner bewaffnete» Volksversammlung um zwei Personen der sozialistischen Partei verstärkt worden Aus gefangene Briese auS Paris lassen keinen Zweifel darüber zu, daß die Zustände innerhalb dieser Stadt einer volleändigcn Zersetzung eutgegeugehen. Lie Zcrnicrung ist eine vollständige. Ein ferneres Schreiben an den Generalmajor v. Stiehle (aus dem Hauptquartier V-rsaillcs, 9. Ok tober) setzt das Kapitel der Einschließung von Paris fort: „Ihre Klage über Abnahme des Unternchmungsgeistcs bei den Truppcnsührcrn vermag ich sehr wohl nachzuempfinden, seit wir ebensalls vor Paris gebannt sind. Jeder fühlt mehr ober weniger, daß eigentlich der Feldzug zu Ende ist, und wünscht selbst kleinere Verluste zu vermeiden Wahr aber ist, daß in Paris nichts so sehr verdrießt, als daß wir ihre Forts nicht slüimen. X'omi uvon8 er» ck« voir pnruitro Xrminms 6t vou^ ns voxo»« guo LobinclerHunne«, sagt Victor Hugo Übrigens stehen nicht nur unsere Vorposten, sondern selbst in Bereitschaft g,haltene Batterien den ganzen Tag angeschirrt im Feuerbereich der Forts Diese schleudern bei völlig bekannten Entfernungen ihre Riescngeschoffe bis aus 8000 Schritt mit großer Präzision, selbst aus einzelne Leute, wo sic sich zeigen. Auch durch Chassepots verlieren wir täglich Mannschaften Jn- zwiscken hat sich nun auch die viel besprochene Loire Armee in unserem Rücken in Bewegung gesetzt und hat die Kavallcrie- division Prinz Albrecht nach Em-rpes zurückgcdrängt. Jnsolge- dcssen ivurdc das l. Bayerische Corps nach Arpajo» konzentriert, durch die Kavalleriedivision Stolberg und, bei dem Hcranuahcn der 17 Division, auch noch durch die 22. Division ans der ZernierungS- linic vcrstärlt Wenn die sogenannte Loire-Armee nicht etwa von selbst zurückweich», so wird cs irohlheuteindcrGegcndvonAiigcrville zur Entscheidung kommen. Freilich sind wir einstweilen ohne Reserve gegen Paris. Neben der Einschließung wird der abgekürzte sörmliche Angriff auf die cn Platz vorbereitet, indes erfordert die Hcranführung eines sehr bedeutenden Artilleriemaierials aus einer einzigen und »och nicht genügend bctriebssähigen Bahn, welche »och dazu Truppen träne portieren und der Sicherung der Ernährung dienen soll, jedenfalls einige Wochen Zeit Ob zwei Millionen Menschen das letzte Zwangsmittel so lauge abwarten werden, muß die Folge lehren Den bitteren Becher des Zuwartens, den Sic hoffentlich bald gclcert haben, müssen auch wir kosten, so lange jedenfalls, bis eine von Frankreich anerkannte Regierung existier», mit welcher ver handelt werden kann Die Krage an da- Land, ob Republik/ scheint die Republik in Parr- nicht zu wagen. Hr. Crvmieux hatte von Tour- au-Wahlen zur konstituierenden Versammlung aus deu 10 d. Mts ausgeschrieben Aus dcm Boden der Tabakdose eine- Emissär- ist das Original eines von Favre, Gambetta rc. unterzeichneten RcgierunqSerlasses gesunden, welcher nun diese Wahlen abermals ajourniert, sowie ein Schreiben, welches in möglichst schonender Weise das ein seitige Vorgehen des Kollegen in TourS mißbilligt. Mir scheint, daß wir da- Zustandekommen der Wahlen und de» Zu sammentritt, außerhalb Paris, in jeder Weife fördern sollieu Tie gestrige Neichstagösiynng hätte sich, wenn es nach den Wünschen der Herren Sozialdemokraten gegangen wäre, zn einem Fehm gericht über die sächsische Negierung gestalten müssen. Mit welchem Hasse man in den „leitenden" Kreisen der Umsturzpartei unser Vaterland beehrt, ist ja kein Geheimnis. Haben doch die sächsischen Be hörden das Verbrechen begangen, den auf den Um stürz unsrer staatlichen Einrichtungen abzielenden so zialistischen Bestrebungen gegenüber nicht ruhig die Hände in den Schoß zu legen und den Gesetzen anch bei den Sozialisten zur Achtung zu verhelfe». Hat doch der sächsische Landtag erst noch in diesem Frühjahre die unerhörte Kühnheit gehabt, sich bei Ge legenheit der Abänderung des Wahlgesetzes für die Zweite Kammer nicht vor den schrecklichen Drohungen und großen Worten des „Vorwärts" und seiner Hinter männer zu fürchten, und haben doch überhaupt die Anhänger der Ordnungsparteien in Sachsen die thö richte Ansicht, daß man gegen eine Partei, die sich offen als Todfeindin unsrer staatlichen und gesell schaftlichen Verhältnisse bekennt, sich zusammenschließen und sie wieder mit allen gesetzlich erlaubten Mitteln bekämpfen müsse, anstatt vor ihr Komplimente zn machen und ihr als einer „gleichberechtigten politischen Partei" die Hände zu schütteln. Diese sächsischen Ver brechen harrten schon lange einer Sühne und sie sollten eine solche u a. auch gestern finden. Aber die Sache verlief, wie man aus dem Reichs tagsbericht ersehen wird, ganz anders. Zunächst ver sagte durchaus die Hilfe, die man sich auf sozial demokratischer Seite seltsamerweise von der Reichs regierung versprochen hatte. Denn der Vertreter der Reichsregierung, Staatsminister v. Bötticher, wieS wie zu erwarten war, die sozialdemokratische Be Häuptling, daß die Besteuerung der Konsumvereine mit den Reichsgesetzcn nicht in Einklang zu bringen sei, als unzutreffend zurück. Dann ober führte der Vertreter der sächsischen Regierung, geh. Regierungsrat v». Fischer, in ebenso sachlicher als wirksamer Aus führung den Nachweis, daß es dem ganzen sozial demokratischen Gebilde an der thatsächlichen Unler läge gebreche. Es wurde durch die Rede sest- gestellt, daß die sächsische Regierung überyaupt nichts weiter gethan hat, als, einer Anregung der Zweiten Kammer der Ständcversanimlung folgend die Gemeindebehörden davon in Kenntnis zu setzen, daß nach ihrer und der Kammer Ansicht die Belegung der Konsumvereine und ähnlicher Per sonenvereinigungen mit einer Umsatzsteuer den bestehen den gesetzlichen Vorschriften nicht zuwiderlaufe. Von eincr Aufforderung an die Gemeinden zur Einführung ciner solchen Steuer kann keine Rede sein. Und vor allem steht die endgiltiqe Entschließung des Ministeriums des Innern wegen Genehmigung der von einigen Ge meindevertretungen beschlossenen Einführung der Be steuerung der Konsumvereine überhaupt noch aus. Aus dem Hause s.lbst kam den Sozialdemokraten, deren Interpellation durch die Erklärung der beiden Rcgiernngsvertreter der Boden entzogen worden war, ebensalls niemand zn Hilfe außer einem Vertreter Kunst und Wissenschaft. K. Hoftheatcr. — Altstadt. — Ani 26. d. Mts.: „Das Heimchen am Herd." Oper in drei Abteilungen. Frei nach Dickens' gleichnamiger Erzählung von A M. Willner. Musik von Karl Goldmark. Seit Mitte vorigen Monats dem Spielplan der Hof- bähne ferngehalten, ist die Oper gestern mit einem Gast, Hrn. Sommer vom Berliner Hoftheater, wieder ausgeführt worden Leider wird die Teilnahme des Publikums, die schon bei den letzten Darstellungen des Werkes ziemlich versagte und gestern noch dürftiger war, nicht inehr neu zu beleben sein, auch wenn stärkere Künstler als der Ber liner Gast für diejenige Partie herangezogen werden sollten, deren ungünstige Besetzung (mit Hrn Forchhammer) den Ein druck der Oper von Anfang an beeinträchtigt hat. Hr. Sommer singt und spielt angemessen, man hat über seine Leistung keinen besonderen Tadel aber auch kein rechtes Lob aus zusprechen Seine Helle Tenorstimme klingt intensiv, fast schneidend, sie entbehrt der Fülle und Wärme de« Tons, ein Mangel, der durch Studien wesentlich gehoben werden könnte, wenn eü nur so einem jungen Hofopernsänger, der erste Rollen singt, heutzutage noch gegeben wäre, mit dieser seiner Würde die Pflicht zur Weiterbildung zu verein baren Die Aufführung der Oper verlief im übrigen unter Hrn Schuchs Leitung in der bekannten nahezu vollendeten Weise. Mit der Vereinigung von so vielen schöne» Stimmen (Hr. Scheidemantel, Frau Edel, Frl Bossenberger, Frl Wuschke) und von soviel Lust und Liebe für die Darstellung, die alle unsere Mitwirkenden erfüllt, und nicht zuletzt mit der prächtigen Leistung der Königl Kapelle gewährt sie dem Hörer einen ungewöhnlich hohen Genuß K. Hoftheater. — Neustadt. — Am 26. November „Der Sohn des Kalifen". Dramatisches Märchen in vier Aufzügen von Ludwig Fulda. (Zum ersten Male.) Beinahe sollte man glauben, in die Tage Tiecks und Lehlenschlägers zurttckoersctzt zu sein AladinS Wunder lampe ist neu angesteckt, die Palmen und die Minarcts von Bagdad wehen und schimmern wieder über der Bühne und wie auS dem „Aufzug der Romanze" klingt cs uns abermals entgegen: Jenseits allen», was du denkest, Fühlest, hörest oder schauest, Liegen, die du erst verließest. Deine Vaterland scheu Auen! Sieht man freilich genauer zu, so stellt sich alsbald heraus, daß die Neuromantik der dramatisierten Märchen, der VerSlustspiele, die auf unseren Brettern den schnoddrigen Schwank und die sinnlose Posse des letzten Jahrzehnts verdrängen möchten, durch alle Fegefeuer der modernen Tendenzen und des Pessimismus hindurchgegangen ist und hinter ihrer kindlichen Niaske ein gar altkluges Auge deutlich hervorschaut. Um es kurz zu sagen: es wird nachgerade bedenklich, daß die äußersten Pole dramatischer Dichtung die rohe Karrikatur des platten Alltags auf der einen, die symbolische Handlung in konventionell-idealer Hülle auf der anderen Seite, bebaut werden, während da zwischen das ganze große Gebiet de« lebcnschildernden, die echte Komik der menschlichen Thorheiten und Wider sprüche verkörpernden Lustspiels so gut wie brach liegt. Doch FuldaS neues Märchen will ja auch nicht, wie es „Der TaliSmann" war, ein Lustspiel sein, in dem hell gelacht und heiter gelächelt werden kann, sondern ein Drama mit ein paar komischen Szenen und einem tief ernsten Grundgedanken: die Bekehrung der Mitleid«-, der erbarmungslosen Natur, des harten Übermenschen durch eigenes Leid und eigene Sckmerzen zum Mitleid und zur opferfähigen Liebe, die Überwindung Nietzsche« durch Schopenhauer, wie »in Kritiker spottend gesagt hat In Wahrheit braucht ja dieser Gedanke nicht aus der neuesten Philosophie in den Rahmen von Tausend und einer Nacht hineingetragen zu werden, die Lehre dev Buddha ist älter als die Kalifenherrlichkeit von Bagdad; wenn nur sonst die dramatische Gestaltung der Jvee lebensvoll, überzeugend, hinreißend erfolgt wäre Man muß dem Dichter cin- räumen, daß die Verkörperung seines Motivs im Gewände des Märchens leichter zu bewirken war, als in einer Er findung, die auf dem Boden unseres Lebens, unserer Sitten und Zustände spielte, verdienstvoller und eindring licher wäre die letztere in dein Maße gewesen, al« sie schwerer auszuführen ist. Die Beseitigung von allem Beiwerk realistischer Sitten schilderung, das Zurücktreten auf den Boden einfachster ursprünglichster Empfindung scheint dem Lichter volle Freiheit zu geben; die überlieferten Typen dcs orientalischen Märchens vom Kalifen bis zum Sklaven erlauben die willkürlichste Gegenüberstellung und Zusammcnsügung, die phantasievollste Situationskunst, die Kostümpracht kommt der letzteren ohnehin zu Hilfe. Fulda hätte von dieser Freiheit durch eine reich gegliederte aber rasch verlausende, die Charakteristik und Empfindung im knappen Vers schlagend und nachdrücklich aussprechende Handlung wirkungs volleren Gebrauch machen können, al« er es gethan hat. Die Anlage seines Märchendramas „Der Sohn de« Kalifen" ist nicht ohne tieferen Sinn, durch das Ganze geht ein Zug feinerer Anmut, in manchen Szenen, namentlich vom dritten Akt an, zeigt sich die Fähigkeit, im Einzelzug der Charakteristik wie im poetischen Bild ein tieferes Seelenleben zu offenbaren. Aber den alten Ge fahren des VerSlustspiels: die Situationen unnötig zu ver breitern, das lebendige, doch den Fuß nicht vorwärts setzende Spiel de« Verse« mit dem lebendigen rasch vorschreitenden Spiel der dramatischen Handlung zu verwechseln, da« matte und flach Alltägliche durch den Klang de« Reimes veredeln zu wollen, ist „Der Sohn de« Kalifen" nicht entgangen Um die Hälfte kürzer, würde er um da« doppelte ivertvoller und wirksamer sein. Natürlich meinen wir nicht, daß das Stück, wie es nun liegt, zur Hälfte gestrichen werden könnte; die größer. Knappheit, der schnellere Wechsel, die glücklichere Steigerung müßten eben vom Dichter selbst in der Ausführung seiner Idee, in der Verknüpfung dcs Ganzen erreicht sein, ohne alle Schwierigkeiten iväre, was in diesen vier Akten geschieht, in drei Akten erschöpfend und klar zu verlebendigen ge wesen Kein Vorzug, den Erfindung und Charakteristik haben, würde dabei mangeln, der matte schleppende Gang großer Partien des Stückes, der gelegentliche Stillstand der äußern und inncrn Handlung unter dem Anhauch allzu wohlgefälliger Betrachtung vermieden worden sei» Das Theater hat am „Sohn des Kalifen" ein spielbares und das Publikum flüchtig fesselnde» Stück, aber schwerlich eine bleibende Bereicherung erhalten. — Tie Ausstattung zeigte, daß man sich von dem neuen Märchendrama viel versprochen hat Die Ausführung ist keiner Absicht des Dichters etwas schuldig geblieben Hr Wiecke (Prinz Assad) gab den erbarmungslosen, vom Fluch des grauen Derwisches getroffenen und vom eigenen Schmerz bekehrten Kalisensohn mit Feuer, Frische und lebendiger Beseel ung namentlich der allmählich eintretcnden Gefühlswand lung Die Morgiane des Fü Politz war eine an mutige und edle, aber durch einen freilich vom Dichter nahegelegten hohlen Klageton beeinträchtigte Gestalt Mit besonderem Glück wurden die humoristisch und satirisch gehaltenen Rollen de« Stückes durch Fr. Bastö (Amine), die Herren Wiene (Mustapha), Swoboda (Kalif Mohamed Alhadi), Bauer (Kairam), Müller (Solim) und Huff (Duban) dargestellt. Hr Dettmer (Vezier Schehriar) und Frl. Diacono (Selmira) thaten ihr Beste«, da« unklare Geschwisterpaar zu lebensvollen Ge stalten durchzubilden Ad Stern " Es wurde seinerzeit gemeldet, daß Se Majestät der Kaiser den diesjährigen Festfpielaufsührungrn in Bayreuth