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" Ausschuß tagt«, mit vergeblichen Verhandlungen hingebracht, die Thier- wacker benutzt; denn durch geschickte Manöver sind mittlerweile manche feindlichen Ele mente brach gelegt und andere gewonnen worden. Was die nächsten Folgen diese- AuögangS de- Turnier- zwischen dem je tzigen StaatSchef und der Rechten sein werden, läßt stch bei der Ehamäleonnatur der Franzosen im Speciellen zwar nicht vorhersagen; doch dürste Thier-' Streben zunächst dahin gerichtet sein, stch einer neuen Kammer zu verstchern, wofür unter Anderen die Reihe von Specialaesetzen spricht, welche er in dem Dreißiger Ausschuß bezüglich der Z rsamm nsehung und des WahlmoduS der künftigen Nationalversammlung und der Zweiten Kammer beantragt hat. Au- Allem aber erhellt mit Gewißheit, daß es Heren Thier- Ernst mit der Her stellung der konservativen Republik ist. Die nächste Frage dürste nun die sein, welche Chancen für diese StaatSlorm in Frankreich zur Zeit vorhanden sind. Sehen wir unS nach den verschiedenen politischen Parteien um, welche gegenwärtig in dem unglücklichen Lande um sie Herrschaft ringen, so finden wir, daß keine-einzige von denen, welche die conservatwe Republik offen oder im Geheimen befehden, für'- Erste einige Aussicht hätte, einen hervorragenden Ein fluß zu gewinnen. Die Uneinigkeit der Bourbonen ist bekannt und geht schon auo den vergeblichen Fusionöbe irebnngen zwischen der jüngeren und älteren Linie diese- Geschlecht- hervor; jede Lime für sich aber ist zu schwach und besitzt za wenig Anhang im Lande. Die Orleaniden machen sich mit jedem Tage unpopulärer und dle Legitimisten sind, wie man weiß, nicht beliebter. Daß die Bonapartisten augenblicklich der Republik ebensowenig gefährlich sind, haben wir bereit- früher au-geführt. Die mächtigste Partei würde immer noch die der radikalen Republik Gambetta'- sein; diese kann der konservativen jedoch erst Gefahr bringen, wenn Thier- durch die monarchischen Parteien gezwungen würbe, sich weiter nach links zu wenden. Dle Befürchtung, zu einer solchen Annäherung schreiten zu müssen, ist auch vielleicht mit ein Grund, warum Thier-, der Voltaireaner, e- nicht ganz mit den Klerikalen verderben will, indem diese ein gewisse- Gegengewicht gegen die Radikalen bilden, welche Letzteren den KlerikaliömuS zu brechen suchen, da sie in der Religion ein mächtige- Werkzeug der Politik sehen; und eine- solchen möchte sich denn auch der schlaue Thier- nicht begeben — lieber läßt er sich Alle- von der Klerisei gefallen. Diese Anschauung de- Präsidenten der Republik möchte inzwischen auf einem Irrthum beruhen; denn wenn er bedenken wollte, daß sämmtliche konservativen Parteien in Frankreich: die Legitimisten, Orleaniden und auch Bonapartisten, mithin alle seine Gegner, wie verschieden sie sonst immer unter einander sein, und wie seh: sie sich gegenseitig hassen mögen, in einer Sache ihren Vereinigung-- punk: haben, nämlich in der blinden Ergebenheir gegen die Doktrinen und Be strebungen der klerikalen Partei, dann würde er zu der Einsicht gelangen, daß ein gänzltcheS Brechen mit dieser ihm und der von ihm vertretenen StaatSform nur zu n Heile gereichen kann. Halte er nur da- Panier der conservativm Republik mit aller Entschieden heit aufrecht, und in Frankreich werden sich genug Elemente der Ordnung finden, um die Extravaganzen uns den Radikalismus eines Gambetta niederzuhalten. Iß Thierö avcr schwach; läßt er sich die monarchischen Parteien und die Klerisei über den Kopf wachsen, so dürften bei der unter solchen Umständen «zweifelhaft über das Land hereinbrechenden Anarchie wahrscheinlich der Radi kalismus mit dem Bonapartistenthum um die Palme ringen; und wem diese dam» zufallen würde, — wer vermöchte eS zu sagen?! Deutschland. Berlin, 12. Febr. Wir haben heute wieder ein schwere- Eisenbahn- «glück zu registriren, und zwar diesmal von der Königlichen Ostbahn. Diese Hahn besitzt auf der Strecke von Bromberg bi- Schneidemühl noch immer nicht den gesetzlich vorgeschriebenen doppelten Schienenstrang. Zwischen Osjiek und Rakel bet dem Dorf« Samostrzel ist daher ein Nebengeleis angebracht, da- in einer Curye sich von dem Hauptstrang abzweigt, und dann wieder in denselben einmündet, damit die hier zusammenlreffenden Züge einander ausweichen können. Am Sonntag früh gegen 4 Uhr begegneten sich nun dort 2 Güterzüge, deren «mer, und zwar der von Bromberg kommende, in das Rebengeleise einbog, wäh rend drr von Krcuz nach Bromberg gehende auf dem Hauplstrange blieb. Als aber der erstere kaum zur Hälfte in da- Nebenaeleise eingebogen war, brauste der letztere mit furchtbarer Vehemenz heran und fuhr an dem KreUjUngSpunkte mit de« Bromderger Zuge, von welchem sich noch 17 Wagen auf dem andem Gche de- Hauptstranges befanden, zusammen. Die 800 Centner schwere Ma schine zertrümmerte sofort die ersten Wagen und schleuderte einige andere weit in'S FUd, worauf sie selbst entgleiste und sich in den Sand eingrub. Der in terimistische Zugführer Gottschalk, und die al- Schmierer fungirenden Arbeiter Goldschmidt und Schulz, welche sich in dem Packwagen d.S Bromberger Zuges befanden, wurden auf der Stelle getödtet, 5 andere Personen von dem Dienst personal schwer verletzt. Gottschalk hinterläßt eine Frau und 8 Kinder. Die Unglücköstätte bot einen grauenvollen Anblick dar. Auf und neben dem Geleise bis weithin über daS Feld lagen die Trümmer der Wagen, sowie deren Ladung, welche zu« größten Theile aus Baumwolle bestand, und versperrten allen später kommenden Zügen den Weg, so daß diese sämmtlich umgcladen werden mußten, was bet jedem einen Aufenthalt von 2—3 Stunden verursachte. — Ein großer Theil der Schuld an diesem Unglück tnfft den Zugführer, der den Berliner Train leitete. Derselbe war ein junger unerfahrener Mann, welcher erst am Tage zuvor seine Prüfung bestanden halte und noch nicht einmal im Besitz sei ne- Qualificationö-Attestc- war. Ueberhaupt soll der von uns schon wieder holt constatirte Manzel an geeigneten Zugführern, welcher als eine Folge der unzureichenden Besoldung dieser Leute betrachtet wird, eine tadelnSwenh milde PrariS bet den Prüfungen hervorgerufen haben. Richt ohne Interesse für die finanzielle Lage Preußen- und da- materielle Wohl der Bevölkerung ist der Umstand, daß der Ertrag der im Jahre 1873 zur Staalöetnkommensteuer herangezogenen Personen denjenigen de- Vorjahre- 1872 um den vierten Theil übersteigt. 3« Jahre 1872 find herangezogen 16,500 Personen mit 1,424,000 Thaler. Im Jahre 1873 werden heranzezogm 18,90 - Personen mit 1,775,000 Thaler, also rund mehr 2400 Personen mit 350,000 Thalern mehr. Straßburg, 12. Februar. Auf der Eirecke Altkirch Mühlhausen, un- >«ü der Station Illfurth, sand gestern eine Entgleisung de- PersonenzuaeS statt, in Folge deren ein Packmcistec getödtet, rin Maschinist und mehrere Perionen beschädigt worden. Auch anMaterial ist der verursachte Schaden nicht unbeträchtlich. Schweiz. Pern, 9. Febr. Sämmtliche Regierungen drr Cantone Bem, Solothurn, 146 Aargau, Thurgau und Baselland, welche die Mehrheit der Baseler Diöcesan- Conserenz au-machen, haben deren Beschlüsse gegen den seines Amtes entsetzte» Bischof Lachat bereits in Vollzug gesetzt. Wie «an vernim nt, find für den Fall, daß ernstliche Ruh stömngen eintreten sollte», die Anordnungen zum noth- wcndiqen Truppenaufgebot getroffen. Dern, 12. Februar. Der BundeSrath hat die Ausweisung deS vom Papste zum Apostolischen Vikar für Genf «mannten Pfarrer- Mermillod an der Schwei, beschlossen. Basel, 11. Febr. Der BundeSrath hat, den „Baseler Nachrichten" zu folge, heute eine außerordentliche Sitzung in der Angelegenheit de- BischofS Mermillod abgehaltm und den Beschluß gefaßt, d.m Päpstlichen Breve, welches den Canton Genf von dessen bisheriger Diöcese abtrennt, seine Anerkennung zu v rsagen, da der Papst nicht berechtigt sei, die Grenzen der Schweizerischen BiSthümer einseitig und ohne vorgängige Verständigung mit den interessieren Eantonen und mit dem BundeSrath« zu bestimmen oder abzuändem. Der Bun deSrath werde demgemäß daS Päpstliche Breve als null und nichtig betrachten. Eine Mittheilung von diesem Beschlusse soll dem Vatikan zugehen. Italien. In Italien lagen stch letzthin Elericale und Liberale vierzehn Tage lang darüber in den Haaren, ob der Papst bei Gelegenheit deS Abl benS Naooleon'S UI. defs-n Wittwe ein Condolen,-Telegramm sendete, wann dasselbe abging und wie eS lautete. Von einem unserer Korrespondenten in Rom erhalten wir in in dieser Angelegenheit heute die folgende Mittheilung, welche geeignet erscheint, die Wider sprüche, in welche die italienischen Blätter der beiden Parteien verfi len, zu er klären. Unser Correspondent schreibt unS: „Dieser Tage hat eS im Vatikan einen großen Skandal gegeben, einen Scandal, über den, so sehr sich gewisse hochwürdlge Herren Mühe gaben, die Geschichte geheim zu halten, doch ziemlich genaue Details bekannt sind. Mir erzählt ein zum Oefreren erprobter Gewährs mann Folgende-: Es ik an acht Tage her, daß Karl Bonaparte, nachdem er der Leichenfeier in Cbiielhurst beigewohnt, hieher zurückkehrte, und einer seiner ersten Besuche hier galt seinem Verwandten, dem Cardinal Bonaparte, für welchen er von Madame Eugenie Aufträqe erhalten hatte. Die Ex Kaiserin bat den Cardinal dringend, bei Sr. Heiligkeit vorzukommen und dem Papste ihre tiefe Bekümmerniß darüber auszudrücken, daß chr er» lange, nachdem der Kaiser gestorben ein Wort der Erinnerung und des Bedauerns von ihm zuginq. Eine große Kränkung sei ihr auch dadurch geworden, daß ein weiteres, am Tage deS Leichenbegängnisse- in Ehiselhurst al- dringend an Se. Heiligkeit aufgegebeneS Telegramm ganz ohne Antwort blieb. Cardinal Bonaparte bat bei dem Papste um Audienz, die ihm auch bewilligt wurde, und in dieser trug er da- Anliegen seiner hohen Verwandten vor. Pius IV Hörle erstaunt zu, und da er erklärte, noch am Tage, an welchem die Todesnachricht in Rom eingeganaen war, der Kaiserin ein Telegramm gesendet, von ihr dagegen kein weitere- Lebenszeichen erhalten zu haben, so ergab sich, daß ein: Unterschlagung stattgefuusm hatte. ES wäre überflüssig, Ihnen die Entrüstung zu schildern, mit welcher der Papst diese Entdeckung vernahm, und wer Pius IT. kennt, wie ihn eine in irgend einem Journale auf ihn gemachte Cancatur tiefer verletzt, al- zehn Artikel gegen die ganze Kirche, der wird gerne glauben, daß sein Zorn die äußersten Grenzen erreichte. Die in der Sache auf gemessenen Befehl deS Papste- angestelltrn Untersuchungen förderten sodann zu Tage, daß die Unterschlagung zwei ange sehenen Personen am päpstlichen Hofe, deren eine ei» Italiener, die andere ein Ausländer und die Beide zu den Jesuiten in sehr intimen Beziehungen stehen, zur Last fällt." (v. Z.) England. ES war, schreibt der Pariser „Flgaro", nicht unbemerkt geblieben, daß der Prinz Peter Bonaparte dem Begräbnisse Napoleon'S lll. nicht beiwohnte. Die- beruhte aber lediglich darauf, daß der Prinz durch ein heftiges rheumatische- Leisen auf dem Landsitz- zurückgehalten war, den er in der Näh- von Lüttich bewohnt. Seine Gemalin, welche bekanntlich in London ein Modegeschäzt etablirt hat, besucht ihn mit den beiden Kindern jeden Monat; er selbst kann das eng lische Klima schlechterdings nicht vertragen. Die Prinzessin war zu der Trauer feierlichkeit in Camde.. House erschienen und fand dort, wie gewöhnlich, die wohlwollendste Aufnahme. Prinz Peter, der unter dem Kaiserreich eine jähr liche Aponage von 100,000 Francs bezog, besitzt zur Zeit gar kein Vermögen und lebt von dem Geschäfte seiner Frau. Dieses letztere, Neu-Bond-Street 91 gelegen, trägt das Schild: Madame N. P. Bonaparte und erfreut sich trotz der Anfeindung, welche eS in der ersten Z it gerade von bonapartistischer Seite erfuhr, einer zahlreichen und vornehmen Kundschaft. Die Prinzessin beschäftigt zwanzig Arbeiterinnen; deS Abend- kehrt sie nach ihrem kleinen Hause in Pan- Lane zurück und widmet sich der Erziehung ihrer beiden Kinder, eines vierzehn jährigen Knaben Namen- Roland und eine- jüngeren Mädchen- Namen- Jeanne. Spanien. Die Verwirr» >g in Spanien muß ihren Höhepunkt jetzt so ziemlich er reicht haben, wenn die telegraphischen Miltheilungen sich bestätigen, daß König Amadeo beschlossen, die Flinte ins Korn zu werfen, weil er nachgerade die.Last der vielen 'hm gewordenen Enttäuschungen nicht mehr tragen kann. Unter den Schwierigkeiten, die dem Könige, der schon al- üu-länder auf eine unüberwind liche Abneigung bei der großen Masse deö Volkes stieß, erwuchsen, steht wohl in erster Reche der Carlistische Aufstand, dessen Lebensfähigkeit irotz der seit Jahr und Tag foriwährend gemeldeten Siege der RcgierungStruppen über die Insurgenten Nicht mehr zu bezweifeln ist. In dem GebirgSlande gehorcht den Carlistifchen Chefs Alles, mit Ausnahme der spärlichen Städte, und während sie m Norden ganze Distrikte beherrschen und den öffentlichen Verkehr durch Zerstörung von Eisenbahnen und Telegraphen, durch Brandschatzungen der Dör fer und kieme Städte empfindlich stören, werden die ReglcrungSlruppen in dem Guerillakriege äußerst ermüdet, ohne stch eine- nachhaltigen Erfolges rühmen zu können. Daß dem so ist, läßt stch nur aus der Haltung, wenn nicht au- einer gewissen Theilnahme deS Spanische». Volke- erklären. Selbstverständlich schüren die Pfaffen den Aufstand in jeder Weise, die dabei die Parole von Rom empfangen. Erst jüngst wurde gemeldet, daß gegenüber der feindseligen Haltung vieler Spanischen Priester beim Carlistenausstande die Spanisch: Re gierung ein Circular an die Bischöfe gerichtet habe, in welchem fie dieselben auffordrrte, die Theilnahme an der Jnsurrection zu tadeln. Da die Bischöfe die- verweigerten, so wandte ste stch an dm Papst; die Spanischen Bischöfe thaten aber gleichzeitia dasselbe und selbstverständlich gab ihnen der Papst voll ständig Recht So findet denn jetzt der PeterSpfennig in Navarra und Cata- lonim Tausende von dankbarm Abnehmern. Die Nachhaltigkeit de- Aufstande- ist auch zum großm Theil de« UnterwerfungS-Vtrlraae zu dank«, welchm Serrano vor längerer Zeit mit dm Shef- der Earlisttschen Band« abschloß.