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S2 Emmerich TakLts würde nicht mehr lange auf sich warten lasten, die Zeit seiner Ankunft rückte näher. Er Wollte ihn auf Ehre und Gewissen fragen. Und hatte Emmerich TakLts vielleicht damals auS irgendwelchen selbstsüchtigen Gründen die Unwahrheit gesagt, dann wollte er nach Bebe Milton suchen. Vielleicht lebte sie noch, um ihm Auskunft zu geben, was aus ihr und seinem Kinde geworden war. Ernö Karolanyt ließ die Augen nachdenklich über die Schlummernde gleiten. «Wie, wenn diese sich nun heimgesunden hätte, wenn sie -? . Nein, er spann sich da in einen Gedanken, der unmög- lich wär, nur geboren aus dem heißen Wunsche heraus, daß er Wirklichkeit werden möge. Eben kam Schwester Magdalene über den Kiesweg ge- schritten. Ernö Karolanyt erhob sich und ging ihr entgegen. .Sie schläft", flüsterte er, «heute hat sie auch einige Worte zu mir gesprochen, doch ohne jeden Zusammen hang." .Ein Telegramm, Mister Karolanyi, der Diener bat mich, es Ihnen auSzuhändigen", entgegnete die Pflegerin, ihm eine Depesche reichend. .Ein Telegramms" forschte Karolanyi erstaunt. Sollte es bereits von TakLtS sein? Mit schnellem Gruß ging er davon und öffnete dabei das Telegrammformular. Dann aber blieb er wie erstarrt stehen. .Emmerich TakLts tot, bei einem Automobilunglück ums Leben gekommen", murmelte er erbleichend. Dieser Schlag traf ihn schwer, doppelt schwer, da er noch soeben lebhaft an den Freund gedacht hatte. Emmerich TakLts war tot, und somit blieb die Frage, die er an ihn zu richten hatte, für immer unausgesprochen. Es war am Nachmittag des nächsten Tages. Ernö Karolanyi saß in seinem Arbeitszimmer und er wartete ungeduldig den Bericht des deutschen Arztes, Doktor Platen, der vor einer halben Stunde mit dem Auto aus Kairo eingetrofsen war, und nun bei der Kranken weilte. Endlich betrat er in Begleitung des Dieners das Zimmer. Karolanyi erhob sich etwas schwerfällig, und ging ihm mit sichtlicher Nervosität entgegen. Fürchtete er doch nur zu sehr, daß auch dieser Arzt die Unterbringung der Krön ten in eine Anstalt anordnen würde. Me Dame Ist eine Verwandle von Ihnen?" fragte der junge Arzt nach kurzem Begrüßung. Karolanyi überging die Antwort und entgegnete nach kurzem Zögern: .Sie werden wohl schon von der Pflegerin erfahren haben, Wister Platen, daß die Aermste durch die Schreck- niste des Unterganges der .Margarete' in diesen merk- würdigen Zustand versetzt wurde." .Allerdings", antwortete der Arzt etwas erstaunt. .Ich habe aber daS bestimmte Empfinden, daß das Schisfs- unglück nicht allein diesen absonderlichen Dämmerzustand hervorgerufen haben kann. Nach meinem Ermessen gingen schon ebenso große innere Erregungen voraus, die das Schiffsunglück dann zum Ausbruch einer Nervenkrankheit brachte." .Sie weiß nicht mehr, wer sie ist, wie sie heißt, und be- sinnt sich selbst nicht einmal mehr auf das Schiff selbst", sagte Karolanyi nachdenklich. .Ein sehr bedauerlicher Fall, Mister Karolanyi, der gar nicht ernst genug genommen werden kann Mitunter hält so etwas jahrelang an, ja sogar fürs ganze Leben. Frei- lich kann schon in nächster Stunde eine plötzliche Wendung eintrelen. Ein Schreck, eine große Freude, ein plötzliches Wiedersehen, alles dies gäbe Möglichkeiten dafür. Ich komme in zwei Lagen wieder, und werde mir inzwischen reiflich überlegen, ob ich nicht vielleicht auch etwas mit Hypnose auszulichten vermag. Vielleicht wäre es sogar gut, wenn sie außer der Pflegerin noch irgendeine junge, heitere Person engagierten, auf die die junge Dame viel leicht eher reagierte." Ernö Karolanyi nickte nur zu allem, und bald darauf verließ Doktor Platen das Zimmer des seltsamen Ein siedlers, von dem er ebenfalls schon mancherlei vernommen hatte. Ernö Karolanyi ging inzwischen, in tiefe Gedanken versunken, auf seiner Hausterrasse auf und ab. Doktor Platen wünschte also eine Gesellschafterin für die Kranke, nun, er würde sich diesem Wunsche fügen müssen Dieser Gedanke war ihm keineswegs angenehm. Hieß es doch damit für ihn, das bisher geführte Leben auf zugeben Die herrliche Stille, die ihn stets umgab, war dann wohl ein für allemal dahin. Schwester Magdalene hatte ihn nie gestört, sie war ja stets bei der Kranken, die er auch nur zweimal des Tages aufsuchte. Eine Gesellschafterin aber legte ihm Pflichten auf. Er würde nicht mehr allein zu Tisch sitzen können, würde manche liebgewonnene kleine Gewohnheit aufgeben müssen, und würde stets und in jeder Weise die Gegenwart dieser Frau als störend empfinden. Nein, dem alten Herrn war es bei diesem Gedanken absolut nicht sehr behaglich zumute. Und dennoch, hatte er nicht vorhin noch bei dem Ge danken gezittert, daß man ihm die Kranke in eine Anstalt entführen könne? Und nun war er nicht einmal bereit, ein Neines Opfer zu bringen? Unten wurde gerade der Rollstuhl mit der Kranken vorübergefahren. Ernö Karolanyi sah einen Moment hinab aus das feine, liebe Gesichtchen, und mit einem Schlage waren alle Bedenken wie sortgewischt. Gut, es sollte so schnell wie möglich eine junge, lebens' lustige Person ins Haus kommen! Wo aber sollte er sie in aller Eile hernehmen? Ernö Karolanyi geriet abermals in Verlegenheit. Mitten in seinen Grübeleien störte ihn der Diener, der ihm auf einem kleinen silbernen Tablett die Nachmittags post überreichte. Karolanyi winkte ihm, daß er gehen könne, und setzte sich in einen Liegestuhl, jeden einzelnen der eingegangencn Briefe betrachtend. Mochten die Geschäftsbriefe für heute ungeöffnet liegen bleiben, er hatte keine Gedanken dafür. Nur ein Schreiben behielt er in Händen, das den Firmenstempel Emmerich TakLts trug. Er erbrach das Kuvert, und entfaltete den darin be findlichen Bogen. Ein-, zwei- und dreimal überflog er die Zeilen, dann sprang er auf, und lief einige Male erregt auf der Terrasse hin und her. Frau Ilona TakLts, die Witwe seines Freundes, schrieb ihm, daß sie sich augenblicklich in Kairo aufhalte und aus ein wichtiges Telegramm seilens des Sekretärs ihres Mannes ihn um eine geschäftliche Besprechung ersuche. Ilona TakLts! Er kannte sie nur von einem Bild, das ihm der Freund einmal gezeigt hatte. Wie war das doch gleich? Sie war wohl dreißig Jahre jünger als ihr Mann, schön, bezaubernd, voll Charme und sprühenden Lebens. Sie weilte also jetzt in Kairo und bat ihn nm eine Unter- redung Welch seltsames Zusammentreffen! Natürlich erwartete sie sicherlich seinen Besuch in Kairo. Aber er könnte doch jetzt, wo er Pflichten gegen seiner. Schützling hatte, keinesfalls die Besitzung auf einige Tag« verlassen. Unmöglich! (Schluß solM >