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Beilage zur Weiheritz-Jeilung SS. Jahrgang Freitag, am 1. Februar 1929 Nr. 27 Chronik des Tages. — Die Interfraktionelle Koloniale Vereinigung des Reichstags WM im Auswärtigen Amt gegen die englischen Ostasrikepläne Protest erheben. — Die amerikanischen Reparations-Sachverständigen, Owen Doung und Morgan, statteten Coolidge einen Ab schiedsbesuch ab. — In Ciudad Real in Spanien wurden die an der Revolte beteiligten Offiziere verhaftet; drei von ihnen wur den zum Tode verurteilt. — In der Kleiststraße in Berlin drangen Diebe aus unterirdischem Wege in die Stahlkammer der Diskonts-Gesell schaft und raubten sie aus. — In Berlin ist das Warenhaus Tietz in der Chaus- scestraße vollständig ausgebrannt. Bei einem Schlittenunglück im Berner Oberland wur den drei Personen getötet. — Auf einem Gut in Polen hat ein Forstarbeiter vier Personen aus Rache erschossen. — Bei einem Eisenbahnzusammenstoß in Frankreich wurden 60 Personen verletzt. Die Ziele der Reichsbahn. Von Dr. Dorpmüller, Generaldirektor der Deutschen Reichs- bahngesellschaft. Der Generaldirektor der Deutschen Reichsbahn- gesollschaft, Dr. Dorpmüller, machte auf einem Empfangsabend vor Ministern, Parlamentariern und Journalisten Ausführungen über dis Lage der Reichs bahn, die wir nachstehend im Auszug wiedergeben: Die Einnahmen der Reichsbahn haben sich seit 1925 gut entwickelt. Das Kalenderjahr 1925 brachte ^4669 Millionen Reichsmark, 1927 5039 Millionen und 1928 wird voraussichtlich mit 5140 Millionen Reichsmark abschließen. Die Ausgaben sind aber im gleichen Schritt mit den Einnahmen gewachsen. Insge samt stiegen die persönlichen Ausgaben einschließlich der Löhne von 2470 Millionen Reichsmark 1925 auf 2913 Millionen Reichsmark 1928. Obgleich die Kopfzahl in den Jahren 1925 bis 1928 um 32 298 gesunken ist, sind die persönlichen Ausgaben im gleichen Zeit raum demnach um 18 v. H. gestiegen. Das Sachprogramm hat eine Einschränkung erfahren, doch ist dabei zu bedenken, daß noch er hebliche Kriegsschäden nachgeholt werden müssen, von denen der Oberbau noch acht Jahre jährlich 70 Millionen, die Hochbauten und Sicherungsanlagen fünf Jahre lang jährlich 30 Millionen, die Brücken fünf Jahre lang jährlich 50 Millionen, die Verbesserung an Fahrzeugen jährlich 100 Millionen erfordern. Die Hauptverwaltung ist bereit, den Begriff des besonders anstrengenden Dienstes, bei dem die wöchent liche Arbeitszeit 48 Stunden beträgt, weiter zu fassen. Im Loko motivdienst soll auch die wöchentliche Arbeitszeit bei Schnell- und Eilzügen auf 51 Stunden gegen 54 Stunden begrenzt werden. Schließlich beab sichtigen wir, die Höch st zulässige Arbeitszeit von wöchentlich 57 Stunden bei dem im eigentlichen Betriebsdienst auf Hauptbahnen beschäftigten Personal auf 56 Stunden herabzusetzen. Damit ist dann aber die Grenze dessen erreicht, was wir unter den jetzigen Umständen tun können. Gewiß, die Rationalisierung wird niemals auf- hörcn, aber die Zeit ist vorbei, wo eine einzelne Ra- tionalifierungsmaßnahmc Beträge in Höhe von 50 bis 100 Millionen im Jahre einbrachte. Trotzdem kann ich heute noch gewisse Gebiete nennen, aus denen noch viele Millionen gespart werden könnten. Wir haben noch große Werkstätten, die kaum bis zu 40 v. H. ihrer Leistungsfähigkeit ausgenutzt sind; solche Werk stätten können spielend die Arbeit kleinerer Werkstätten -ausnehmen und damit zu großen Ersparnissen bei tragen. Es ist auch nicht zu vertreten, daß wir 30 Reichsbahndirektionen haben, von denen die größte zehnmal so groß ist als die kleinste. Hier ist ein Zusammenwirken mit den Ressorts der Regierungen erforderlich. Denn es geht nicht an, daß die Reichs bahn eine Direktion unterdrückt, die Finanzverwaltung in derselben Stadt das Finanzamt oder zugleich noch die Post aus ihr die Oberpostdirektion oder das Wehr ministerium die Garnison wcgnimmt. Die Tariferhöhung für den Personenverkehr bat sich so ausgewirkt, wie wir es geschätzt haben. Roch im Laufe dieses Jahres werden von den 1000 pro- »isorisch ausgestatteten 11. Klassewagen 750 durch ord nungsgemäß ausgcstattete Wagen ersetzt werden. Voll kommen unklar ist leider das Bild der Tariferhöhung im Güterverkehr. Der Einnahmeausfall, der durch die Arbeit s kämpfe eingetreten ist, beziffert sich etwa ruf 16 Millionen Reichsmark für den gesamten Ncichs- bahnbereich. Man wird nicht fehlgehen, wenn man i >en Verlust der Reichsbahn durch Arbeitskämpfe und i Konjunkturrückgang bis zum Schluß 1928 mit 35 bis >40 Millionen Reichsmark beziffert. Wir schätzen die infolge Wettbewerbes des Kraft wagens verlorenen VerkehrSeinnahmen bereits auf j etwa 250 Millionen im Jahre und fürchten, daß sic i in einigen Jahren 500 Millionen betragen werden! : Die letzte Tariferhöhung wäre nicht notwendig gewesen, wenn wir die Einnahme von 250 Millionen Mark be halten hätten. Das Auto hat^ sich gerade der hoch wertigen Güter bemächtigt. Die Kraftwagenunterneh mer bleiben unter den Tarifen der Reichsbahn und machen damit noch sehr gute Geschäfte. Erfreulicherweise wird die Belastung der Reichs- bahn sich in absehbarer Zeit verringern. Ende 1929 werden wir von der Verpflichtung befreit, in jedem Jahre 100 Millionen gesetzliche Rücklage aus dem Be triebe in Reserve zu nehmen. Die nächsten fünf Jahre sollen uns befreien von den Kriegsschäden der An lagen, die uns zusammen mit iährttch 150 Millionen Mark belasten. Wir werden diese schwere Periode Pberwinden: wenn wir recht bald langfristige An leihen zu erträglichen Bedingungen bekommen, wenn uns die kommenden Reparationsverhandlun gen Erleichterungen gewähren, wenn wir in unseren Rationalisierungsplänen nicht gehemmt wer den, wenn uns der Wettbewerb mit anderen Ver kehrsmitteln unter gleichen Lasten und gleichen Rechten freigegeben wird und wenn Reichstag, Personalvertre tung und Schiedsrichter ihre Forderungen für das Personal den finanziellen Möglichkeiten anpassen. Diebe plündern eine Großbank. Die Fahndungen der Polizei. Alle Werkzeuge mitgenommen. — Hohe Belohnungen ausgesetzt. — Drei leere Kognakflasche» die einzige Hinterlassenschaft! Die Fahndungen der Polizei nach den Dieben ge stalten sich äußerst schwierig. Erschwert werden sie noch dadurch, daß die Diebe einen Vorsprung von zweieinhalb Tagen erlangen konnten. Man glaubt, daß drei oder vier Personen den Einbruch verübt haben. Ihre Werkzeuge haben die Diebe mitgenommen; hinterlassen haben sie lediglich 3 leere Kognakflaschen! Auf die Ergreifung der Täter sind hohe Belohnungen ausgesetzt; von der Bank allein 20 000 Mark. Die Vernehmung des Wächters, der den Außen dienst besorgt, ergab, daß vor etwa vier Wochen eine der Marmorplatten, die unterhalb der Bankfenster eine Stuckverkleidung der Mauer bildeten, sich gelockert hatte und herausgefallen war. Es ist nicht unmöglich, daß schon zu dieser Zeit die Einbrecher am Werke waren, um eine Angriffsstelle zu finden! * Der Wert der Beute. Millionenverluste der Bank wahrschein lich. — Das Urteil der Fachmänner. Der Wert der Beute, die den Dieben in die Hände gefallen ist, läßt sich noch nicht annähernd veranschla gen. Man rechnet mit Millionenverlusten und beziffert allein de» Wert der gestohlene» Edelsteine auf über eine Million Mark! Was die Entschädigungspflicht der Bank betrifft, stellt sie rechtlich ein sehr verwickeltes Problem dar. Die Bank ist nämlich nur dann zum Ersatz des Schadens verpflichtet, wenn der Diebstahl dadurch mög lich geworden ist, daß sie es an der nötigen Sorgfalt hat fehlen lassen. Das ist aber nicht der Fall. Die Fachleute sind sich vielmehr darüber einig, daß der Einbruch auf unerhört raffinierte Art ausgeführt wor den ist und das Tollste darstellt, was sich in der Kriminalgeschichte der letzten Jahre ereignet hat. Hugo Junkers 70 Jahre alt. Am 3. Februar feiert Professor Dr. Hugo Jun kers, der Gründer und Leiter der Junkers-Werke in Dessau, seinen 70. Geburtstag. Professor Junkers hat sich um die Entwicklung der deutschen Flugtechnik große Verdienste erworben und steht als Repräsentant des deutschen Flugwesens an erster Stelle! 1928 nahm die ganze Nation an dem Erfolg der Junkers-Werke teil, als die von Junkers gebaute „Bremen" als erstes Flugzeug den Ozean von Europa nach Amerika überauerte. Hugo Junkers wurde 1859 in Rheydt als Sohn eines Webereibesitzers geboren; nach längeren Studien jahren bestand er in Aachen das Regierungs-Bauführer- Examen. 1890 errichtete er in Dessau eine Ver suchsstation für Gaskraftmaschinen, 1895 erfolgte die ! Gründung der Firma „Junkers u. Co.", die sich mit ' der Herstellung von Heizapparaten befaßte, Reiche Er folge waren Junkers in der Zeit beschieden, in der er als Professor an der Technischen Hochschule Aachen und al« Motorenkonstrukteur wirkte. 1915 konnte das erste Ganzmetall-Flugzeug Junkers an die Front gehen; 1919 brachte die Gründung der nun mehr weltberühmt gewordenen Junkers-Flugzeng-Werke A. G. in Dessau. Anerkennung verdienen auch die erfolgreichen Be mühungen des Gründers der Junkers-Werke, die ver schiedenen Luftfahrtgesellschaften einander näher zu dringen. Später wurden die Gesellschaften dann von son der Deutschen Lufthansa übernommen. Erschwert vurde die Entwicklung der Junkers-Werke durch die Politik der ehemaligen Feindstaaten, die zeitweise sogar jeden Bau deutscher Flugzeuge verboten hatten! Welche Bedeutung den Junkers-Werken zukcmmt, zeht schon daraus hervor, daß von dem jetzt etwa 8000 Kilometer betragenden Weltluftnetz mehr als ;in Drittel mit Junkers-Flugzeugen beflogen vird! Politische Rundschau. — Berlin, den 1. Februar 192r>. — In Berlin wurde die Neuköllner Bezirksverordneten- »ersammlung durch Tribünenbesucher gesprengt, die gemein- km mit den kommunistischen Abgeordneten die Jnternatio- »ale anstimmten. , :: Haas Vorsitzender der demokratischen Reichs- tagsfraktion. Die Reichstagsfraktion der Deutschen De mokratischen Partei hat an Stelle des Reichsjustiz ministers Koch-Weser, der mit Arbeit überlastet ist, den Abg. Dr. Haas zum Fraktionsvorsitzcnden ge wählt. Dem Fraktionsvorstand gehören noch an: Frau Getrud Bäumer, Dr. Fischer, Schneider und Dr. Meyer. :: Kranzspenden der Reichsbchörbe» müssen Schlei fen in Ncichssarbcn trage;,. Amtlich wird mitaeteilt: Boden und Pflanzen-Ernährung. (Von unserem landwirtschaftlichen Son derberichterstatter.) — Berlin, 31. Januar. Pflanzen müssen „ernährt" werden, wie jedes Le bewesen, und das, woraus sie bestehen, muß sich im Boden befinden, sonst können sie sich nicht „aufbauen". Aus dieser Erkenntnis heraus hat man den Kunst dünger geschaffen, nach Liebig's Entdeckungen. Weil, wie bei allem auf unserer Erde, auch bei den Pflanzen der Kalk von grundlegender Wichtigkeit ist, auch an vielen, aber leider nicht allen Stellen der Erde vor- kommt, rechnet man ihn nicht zu den eigentlichen Dün gemitteln, setzt seine Anwesenheit vielmehr als selbst verständlich voraus und beschränkt damit den Kreis der ersatzbedürftigen Pflanzen-Nährstvffe auf Stickstoff, das Antriebsmittel, Kali, den Lieferer des Zellenaufbaues in der Pflanze, und Phosphorsäure zur Entwicklung der Frucht des Kornes. ' Die Dünger beizugeben, hat man seit Liebig aus giebig gelernt. Eine große Industrie hat sich dafür eingerichtet, und eine gewaltige Propaganda treibt deren Benutzung immer höher. Bis zum Kriege hatte man damit eine ständige Steigerung der Ernten herbei geführt. In der Zeit des Kunstdüngermangels im Kriege schlugen diese Ernten aber rapide zurück, und nach dem Kriege ist zwar unter dem Einflüsse der „Jntensiv"-Propaganda der Gebrauch des Kunstdüngers wieder gewaltig angestiegen, aber die Ernten wollen noch nicht wieder mit. Ergebnis: Fortgesetzte hohe Ein fuhr aus dem Auslande. Also wieder mal umstellen! Denn wenn der Kunst dünger es nicht mehr tut, dann muß irgend ein anderes Hilfsmittel herhalten. Man studiert also das Ver halten des Bodens, seine Zusammenhänge und Zu stände» kommt dann zu dem Ergebnis, daß nicht bloß die Anwesenheit von Nährstoffen im Boden notwendig ist, sondern auch deren richtige Zubereitung; und diese Zubereitung müssen die Kleinlebewesen, also die unsichtbaren „Bakterien" besorgen. Also muß man deren Anwesenheit sichern, ihr Wohlbefinden, ihre Be fähigung zu kräftigster Verdauungs- und Lösungsarbeit fördern. Neben Pflanzennährstoffen, somit noch Bakterien-Futter, besonders bei leichten Böden, und außerdem Schaffung bequemster Wohnung im Boden, durch Lockerung zur Lüftung und schnellen Erwärmung. Und diese Kom bination von Pflanzennährstoffen und Bakterienfutter findet man im Stallmist und im Kompost, überhaupt in Mem, was Humus bildet, also auch im Gründünger, oie in allen Pflanzenresten. Das Zusammenleben bei der Kräfte in das richtige Verhältnis jedes Ackers für jedes Wetter, bei jeder Bodenart und für die Beson derheit jeder einzelnen Frucht zu bringen, war in den Beratungen der D. L. G. immer und auch dieses Jahr ' wieder ein wichtiges Kapitel. „Das Auge ves Herrn dünkt de» Acker". Der Landwirt muß bei jedem Wetter und i» jedem Entwick» luugsstadium der Pflanzen den Boden studieren, indem »r ihn betritt, ihn »nd das Wachstnm beobachtet, mit »e» Schuhsohlen schon fühlt, ob er in der richtigen Ber- lassuug ist. Luft und möglichst auch Licht müssen hinein kommen. Dann können die Bakterien lebe»» und die Nährstoffe für die zarte« Wurzeln „mundgerecht" nachcn. Die Erreichung dieses „Gare"-Zustandes des Bodens ist das große Problem alle»» Ackerbaues, des alten sowohl als auch des nene». Mechanisch alleir» läßt cS sich nicht erreichen. Das würde zuviel Kräfte < erfordern. Die allgemeine Einführung der motorischen Bo denbearbeitung macht einige Fortschritte, — nachdem sich die Industrie auf einer einheitliche»» Stärke der Traktoren von etwa 22 bis 30 PS. fcstgclcgt hat —, zwar Fortschritte, aber die betriebswirtschaftlichen Schwierigkeiten dauern fort, da die Zahl der Betriebe mit der für die gewinnbringende Ausnutzung dieser teuren Kraftmaschinen erforderlichen gleichmäßigen Ar beitsgelegenheit doch zu gering ist, die Steuerbehörden aber krampfhaft daran festhalten, daß auch diese Ma schinen, die angesichts ihres Gewichtes hohe Auto- Steuern zahle,» müssen, sobald sie, wenn auch nur aus nahmsweise, zum Ziehen von Wagen, wenn auch nur auf dem Hof selber, benutzt werden. Das Gute hat aber die Erörterung über die Trecker auch für die kleineren Betriebe gehabt, daß deren Leiter und Besitzer über die mannigfaltigen Mög lichkeiten und ihren Auswirkungen bei der Bodew- DaS Reichskabinett hat beschlossen, daß Kranzspende^ der Neichsbehörden und Reichsstellen zu Ehren ver storbener Beamter, Angestellter und Arbeiter oder nk Erfüllung sonstiger repräsentativer Pflichten mit einen Schleife in den Reichsfarben zu versehen sind. Rundschau im Auslands. . * Der Auswärtige Ausschuß der französischen Kammetz ^sich einstimmig^für die Bestätigung des Kriegsächtungsq * In Krakau wurde der Generalsekretär des linken Flügels der polnischen Sozialisten, Szuma, verhaftet. Amerika benötigt den Schutz einer erstklassigen Flotte^ ; Im Washingtoner Senat nahm während der Aus sprache über die Flottenvorlage der Demokrat Reed das Wort. Er erklärte u .a., daß sich die Welt im mechani schen Zeitalter befinde, in dem in einem Kriege unvorbe reitete Nationen unterliegen müßten. Daran änderten auch alle Friedenspakte nichts. Reed wies dann auf angebliche Kriegsvorbereitungen auswärtiger Mächte hin und erklärte, die Tapferkeit würde den Amerikanern im nächsten Kriege nichts nützen; Amerika benötigte Schub durch eine erst klassige Flotte.