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Für die Wolgadeutsche». Die Wolgadeutschen will man zwingen, fich von allem loszusagen, was ihnen als Christen heilig ist. TaS treibt sie fort. — So heißt es in einem Ausruf, den die evangelischen Verbände soeben ergehen lassen, die sich innerhalb des Hilfswcrks „Brüder in NoN als „Evangelischer Hilfsausschuß" zusammengeschlossen Haden. Der Aufruf betont: „Die starken seelischen Nöte, von denen die Auswanderer bedrückt werden, verpflichten uns als evangelichse Christen, ihre Be- brängnis besonders aufs Herz zu nehmen und ihnen evangelische Bruderhtlfe zu leisten. Geldspenden nehmen die Verbände, Stadtmifsionen, ebenso alle Pfarrämter an. Sachgabeu werden jedoch an die Sam melstellen der Stadtmission in Dresden, Leipzig, Chemnitz, Zwickau und Plauen i. B. erbeten. Will kommen sind vor allem guterhaltene Kleidungsstücke und Schuhe sowie gute Säuglingswäsche.* Saalenstand Anfang Dezember. Befriedigender Stand der Wintersaat. Die Witterung förderte sowohl die Ausführung der landwirtschaftlichen Arbeiten wie die Entwicklung -er Saaten. Die Ernte der Hackfrüchte, insbesondere die der Zuckerrüben, konnte ebenso wie ihre Ab. bcförderung vom Felde unbehindert beendet werden. DK Herbstauss aat ist vollständig zu Ende geführt worden. Das gleiche ist bei -er Herbstbearbeitung bis auf das Pflügen der Schläge, die mit Stallmist ver sehen werden, der Fall, so daß zur Zett bereits Winter- arbeiten, wie Dungfahren, das Räumen der Gräben, das Sortieren der Kartoffeln, Druscharbeiten u. a. zur Ausführung kommen. Der Stand -er Wintersaaten ist befried!, gend. Nur die späten Weisensaaten sind noch nicht ausgelaufen. Wintergerste und Winterroggen haben Sei früher Saat bisweilen infolge kräftiger Be stockung einen zu dichten Stand erhalten. Auf den Kleefeldern macht sich der trockene Sommer noch häufig durch dünne und lückige Bestände bemerkbar. Im Freistaat Sachsen wurden vom Statistischen Lanoesamt folgende Durchschnitts noten des Saatenstandes errechnet ldabei bezeichnet 1 einen sehr guten, 2 einen guten, 3 einen mittleren, 4 einen gerin ge« und 5 einen sehr geringen Stand): Winterweizeu 2L (2^), Winterroggen 2L (2^), Wintergerste 2,3 (2,4), Staps 2H (2F). Die eingeklammerten Zahlen beziehen sich ans Anfang Dezember 1928. Oertliches und Sächsisches. Dippoldiswalde. Gekgentttch -er Hauptversammlung -es B« zirk stan--u n-e s Dippoldiswalde am Sonnabend nach mittag in -er Reichskrone, -er auch -er Vorsitzende -es Sachs. Lan--un-«s, Rittergutsbesitzer Schladebach, M.-. L., beiwohnte, hielt Syndikus Tögel, Lohmanns-ort, einen Vortrag über: „DaS Finanz- un- Steuerproblem in Reich, Ländern und Gemeinden." In -er jetzigen Zeit >des wirtschaftlichen Niodergangs, um nicht zu jagen ^wirtschaftlichen Zusammenbruchs, in Deutschland, waren seine Ausführungen deswegen so außerordentlich interessant, weil sie klar und deutlich -en verfehlten Meg zeigten, -en unsere Steuer- und Wirtschaftspolitik gegangen ist, so .daß wir zu diesem traurigen Ende gekommen sind. Und wenn Syndikus Töget auch hier und -a scharfe Worte fand, so konnte und mutzte man ihm -och nur beipflichten. Daß dies einhellig geschah, bewies -er stark« Beifall am Schluß -er Rede und manches aus -er anschließenden Debatte. Den Ausführungen TögelS entnehmen wir folgendes: Seit -er Revolution können wir in Deutschland scharf getrennt drei Entwicklungsperioden beobachten: -ie erste von 1918 biS zum Ende -er inneren Streitigkeiten, -ie zweite von da bis zumWSH- rungszusammenbruch 1923, -ie Inflationszeit mit -em Zusammen bruch des -rutschen Sparvermögens, und -ie -ritte Periode von -er Aentenmark bis jetzt. Ihr Ende steht bevor, wir können nicht mehr weiter, -ie Verhältnisse zwingen uns, andere Wege zu suchen. Diese -ritte Periode ist -ie -es Zusammenbruchs -er.deut schen Wirtschaft in allen Gliedern. Schachts Rotschrei zeigt -eut- iich, wo wir stehen, -atz wir am Ende sind. Wenn auch noch fort- gewurstelt wird, .die bitter« Not steht vor -er Tür, «S gibt keine Macht, die sie meistern kann. Der amerikanische Austausch professor Caure, mit -em er (Tögel) ein« Aussprach« gehabt habe, habe «in« Frage Poungs, warum das -rutsche Volk nicht offen sage: wir sind am Ende, -ahin beantwortet, es könne -les nicht tun, weil es sich nicht zur Lösung großer Problem« zusammen- sinden kann. Wirtschaftlich gesehen stehe Deutschland jetzt 30 schlechter da als 1928. Auffallend sei -ie verzweifelte Stimmung im Volke. Redner führte auS, diese .verzweifelt« Stimmung unü Resignation liegt darin begründet, daß wir -ies Elend zum -ritten Mal« erleben. Wir haben gearbeitet und sind -och wieder am Ende, und di« innere Auszehrung ist noch viel größer als Mr In flation, diesmal trifft es die ganze Wirtschaft. Der Bauer kämpft schon lange gegen den wirtschaftlichen Niedergang, andere Wirtschaftskreije sind dann ersaßt worden; in der Industrie steht «s jetzt geradezu katastrophal. Im kommenden Frühjahr werden wir merken, w i e schlimm tdi« Katastrophe ist. Ein Winter wie -er letzte, und wir werden drei Millionen Erwerbslose haben. Für >die Reparationen haben wir Auslandanleihen ausgenommen, der Einfluh -es Auslandes in den deutschen Aktienunternehmungen wird immer grötz«r. Die Verzweiflung über den Zusammenbruch ist aber auch deshalb so groß, weil wir selbst Schul- Haben. Nicht nur -ie Reparationen haben uns gedrückt, auch unsere Sünden im Innern. Wir können, wenn wir sechs Milli arden Mark für Arbeitslose zahlen, es dem Ausland« nicht ver denken, daß es so hohe Reparationen fordert, können ihm, wenn wir statt 1913 — 4 Millionen Mark Steuern, 1928 12,4 Mil ¬ lionen Mark Steuern zahlen, nicht unrecht geben, daß «s von einem wachsenden Wohlstan- in Deutschland spricht. Wir haben dem Aust and e vorgelebt, als ob wir reich wären, haben dieses und uns selbst b« logen. Zu einem großen Teile liegt das an der inneren Struktur der steuerlichen Entwicklung. Grotze Teile -eS Volkes zahlen keine Steuern mehr; Grund- uu- Gewerbesteuer aber zahlt jeder Grundbesitzer und Gewerb- treibende, gleichviel ob er Einkommen Hot oder nicht. Wo aber ohne Einkommen Realst«uern gezahlt werden, geht es auf Kosten der Substanz. Ebenso mutz auch vom Unternehmer Einkommen steuer gezahlt werden; wo kein Einkommen nachgewiesen werden kann, wird die Steuer nach Verbrauch veranlagt. Also: Einkom mensteuer wo gar kein Einkommen da ist. Dasselbe hat man bei der Mietzinssteuer, Steuer, wo es niemals Miete gibt. Diese ganz« Steuerpolitik ist nichts anderes wie eine Katte Soziali sierung. Diese Steuern lreff«n immer nur -ie Wirtschaft, den Grund- un- HauSbefitz. Das Ganze zielt hin auf Vernichtung -er Substanz. Ein Hohn auf daS Geschrei der Sozialdemokratie von der Bekämpfung des Kapitalismus ist -ie Anleihe des sozialdemo kratischen Finanzministers Hilferding, bei der die gezeichneten Beträge steuerfrei bleiben. Werden von drei Personen gleich hohe Beträge in einem Fabrikunternehmen, in einer Stadt anleihe, in Hilferding-Anleihe angelegt, so zahlt di« erste bei all ihrer Arbeit Steuern, gleichviel ob ein Einkommen 'da ist, die zweite bei einem festen Zinseinkommen entsprechende Prozente, -i« -ritte aber .... hat hohes ZinSeinkommen und zahlt über haupt keine -Steuern. Und im Todesfall werden den Erben -er beiden ersten hohe Erbschchtssteuern abgezogen, denen der letzten Person bleibt daS ganze Kapital erhalten. Reale Arbeit ln der Wirtschaft wird in Deutschland bestraft, vor dem Kapitalisten wer den Bücklinge gemacht. Das gleiche Trauerspiel fleht man in der Sozialpolitik. Wir haben -ie höchsten Löhne; je höher -er Lohn, umso höher die sozialen Lasten. Die BankziNsen sind nirgends so hoch wie in Deutschland und Polen. Ueberhaupt nähern wir uns s«hr polnischen Verhältnissen <Gklar«k). Unser« Sozialpolitik ist im Kern jaul, weil sie -er Rot nicht abhtlft, sondern sie steigert. Wir haben Arbeitsminister un- Arbeitsämter, aber Arbeit haben wir nicht. WaS nutzt unsere hohe Lohnpolitik, die wir verfolgt haben, wenn eS -dafür für den Arbeiter nur ft« Jahr Lohn gibt. Wir -haben die Arbeit verhunzt. Die Sozialpolitik ist faul, weit sie nicht Hilst und weil sie sich- selbst auffritzt. Sie wird bald nicht . mehr M bezahlen sein, ganz unabhängig vom guten oder schlechten - Willen. Nun will man sparen und beginnt ausgerechnet damit, i -atz man die Kapitalisierung -er Renten -er Kriegsbeschädigten f abgeschaffi hat. Man kürzt -denen die Einnahmen, -I« zuletzt an ; -ie Reche kommen müßten, statt bei Faulenzern anzusangen. Der kürzlich erlassene Notschrei -er BezirkSverbände fordert vom s Landtage Uebernahmo von 3,8 Millionen ArbeitSlosenfürsorge i aufs Land, aber -er Finanzminister hat -och- auch nichts. Oben- k drein ist -er ganze Apparat höchst komzliziert aufgezogen. Am Ende -der zweiten Periode stand gleich wie j«ht ein Mann dem Reichsfinanzministerium vor, -essen Name vom „Helfen" kommt. Helfferich half, er schuf die Rentenmark, Hilferding aber kann nicht helfen. Di« L«x Brüning entzieht -en Ländern wesent liche Einnahmen aus -er Einkommensteuer, die 500 Millionen aus dem neugeschaffenen Zündholzmonopol sind schon ausgebraucht, «he sie überhaupt gezahlt wurden. Die Ersparnisse aus dem Noungplon, gegenüber dem DaweSplan, sind längst ausgegeben. Daher auch -die Angst -er Regierung- vor einem Scheitern -es ToungSplans. Jetzt spricht man von ft« 26 Erhöhung -er Beiträge zur Arbeitslosenversicherung; ist -as Steuer-Erleichterung? Frei tals Oberbürgermeister Klimpel sagte bei einem Vortrage in Dresden- (Sachs. Gemeindetag): An -er Not der Gemeinden ist nur -as Reich schuld, -darum muß es helfen, und er schlug- vor: Erhöhung -er Einkommen-, Körperschafls-, Vermögens-Steuer, Beseitigung -er Höchstgrenze bei der Grund- und Gewerbesteuer usw. Es kommt aber doch darauf an, datz -le Leute auch -as Geld haben, -ie Steuern zu bezahlen. Da s R eich Kan n ni cht , helfen; Hilferding verpfändet -noch -as letzte -er -deutschen - Wirtschaft; will er doch -letzt -em Zündholzmonopol -ie Telephon- ! anleihe folgen taffen. Unsere Wirtschaftslage ist auch darum so katstrophal geworden, weil unsere Steuerpolitik das immobile - Vermögen belastet und -as mobil« entlastet hat. Man-Kann ! nicht unterscheiden zwischen Unternehmer und Kapitalist, die Folg« i ist, datz jedermann mit Sachwerten, ob er nun Einkommen hat oder nicht, Kapitalist -ist; wer aber zinsfreies Einkommen hat, ist steuerlich außerordentlich entlastet worden. Hier ist zu fordern, -atz di« Substanz bei einer Finanz- und Steuerreform von-Steuern befreit wird. Die Wirtschaftslage ist 2. so -katastrophal, weit -ie privat« Wirtschaft belastet und die öffentliche Wirt- j -schäft ent lastet, steuerlich weitestgehend begünstigt wurde, -so -atz : -erstere letzterer nicht mehr Paroli bieten kann. Wozu ist in Frei- s ta-l «ine städtische Tischlerei, ein stäidttscher Bauhof, «in« städtische < Wäscherei nölig, als ob es kein Privatunternehmen solcher Art gäbe. Die städtischen Betriebe arbeiten mit Verlust, gedeckt wird ' dieser -gleich wie bei -den anderen öffentlichen Betrieben ander- s wärts aus den Steuern -der privaten Betriebe, -denen sie Konkur- > renz machen. Die für-le Industrie aller drei Jahr« vorgeschriebene Inspizierung durch -en Buch- un- BetriebS-Prüfungs-Ienst möchte auch -da einmal nachprüfen, w ie hoch die Verlust« da sind. Auch -ie von vielen Gemeinden betriebene Boden-vorrotswirtschaft ist unsinnig, wenn nicht bar bezahlt werden kann. Der Zinfendiensl überschreitet -dann immer -die Pachtelnnahmen. Wenn solche Ge meinden über finanzielle Not sich beklagen, sollen sie ihre Grund stücke wieder zum Einkaufspreis verkaufen und die Zinsen fürs geborgte Geld sparen, lind 3. ist -ie Wirtschaftslage -katastrophal geworden, weil die -deutsche Steuer-Entwicklung -i-e Erzeu gung stark belastet und die Verteilung entlastet. Ein typisches Schulbeispiel- -ist di« deutsche Landwirtschaft. Die steuer liche Begünstigung -es Großkapitals, -der Konsumvereine und Warenhäus-er ist ganz unerhört. Hier mutz eine gleich stark« steuer liche Belastung gefordert werden. DI« R-elnhol-sche Gteuer- s-enkunghat nur diesen geholfen, nicht -er Privatwirtschaft. — Di« große Mass« -hat nicht -das Gefühl, -aß sie Steuern zahlt, sie for dert nur immer, , bezahlen mögen -ie Großen". Di« Steuern müssen reformiert werden; -ie Belastung muß mit dem Ertrag in Einklang gebracht werden. Wer Kein« Einnahmen hat, kann keine -Steuern zahlen. — Wir -müssen auch verlangen, -atz gespart wird, es kann gespart werden in Reich, -Ländern und Gemein den. Anerkannt mutz werden, daß dank -eS bürgerlichen Ein flusses -in -er Regierung die sächsische Finanzwirts-chaft relativ noch gut -dasteht. Gefordert muß werden (wle -das Sybel in einem Vor trag« unlängst getan hat), eine gerechtere Verteilung -er steuer lichen Einkünfte zwischen- Großstadt und flachem Land. Die Schullasten -rücken die Landgemeinden weit schlimmer wie die I Großstädte, ebenso die Wegebaulasten. Zerfahren werden die Straßen aber nicht -von den -landwirtschaftlichen Geschirren. Auch -ie Wohnungsbau-Beihilfen sollten gerechter verteilt werden. Der Lastenausgleich sollte nicht 30, sondern 50 A betragen. Die hohen Mietzinssteuern aus hohen 'Lodenmieten in -er Großstadt können - nicht gezahlt werden, wenn nur Bewohner -er betr. Stadt in die- ( sen Läden -kauften. Die Bewohner -es platten Landes geben di« i hohen Einnahmen jener Ladeninhaber. Eine Erhöhung der Um- , saUteuer hält Tögel für falsch, sie würde nur ein« Preissteigerung . bringen, für richtig aber eine Belastung -er ei ngeführ t« n ' Waren mit Umsatzsteuer -und eine Erhöhung -er Kraftfahrzeug- j steuer bei allen den Fahrzeugen, durch die die Straßen besonders - leiden (Lastkraftwagen, Omnibusse, besonders auch die der SKV.). > Eine Kopf steuer ist an sich gut, aber nur dann, wenn sie wirk- > lich jeder bezahlt und wenn -sie vollstreckbar ist in Lohn, Rente > und Erwerbsl-os-enunt-erstützung. — Vom Vors., Oekonomi-erat , Welde, -daraus aufmerksam gemacht, daß die Zeit bereits weit vor- ; geschritten, erklärt« Redner, -er auch noch anderwärts sprechen ! mußte, daß er zum Parlamentarismus von heute keine Hoffnung i mehr habe. Hilfe komme von ihm gewiß nicht; Hilft komme nur - von einem großen Mann, -dem wir daun aber auch all und jeder j folgen müßten. Möchte er recht bald kommen. Mppoldlsroalde. Dor kurzer Zeit schon einmal waren in einem Quaseschen Schaufenster schöne Heimatbilder aus- i gestellt, photographische Aufnahmen vom Lehrer Götzel, die! Dippoldiswalde von seinen schönsten Seilen zeigen, sogar i „von oben" gesehen, zu verschiedenen Jahreszeiten. Die Aus» j wähl ist noch gröher geworden durch Aufnahmen des Lehrers j Ander«, von denen jetzt einige ausgestellt sind. Frappierend ist die Bahnhofstratzenbrücke. Bon allen Seiten festgehalten > wurde das sicher älteste Wohnhaus unserer Stadt, das in s nicht ferner Zeit nicht mehr sein wird, die „Strohvilla". Fast ! scheint es, als wollte „alte gute Mär" Wirklichkeit werden j und als müsse der Stern von Bethlehem über dem ver witterten Strohdach aufgehen, denn es ist ja Weihnachtszeit. Und da kommen die Bilder gerade zurecht als sinnige und wirklich schöne Weihnachtsgabe von bleibendem Wert. Dresden. Der Landtag wird sich morgen mit einer An frage den Wirtschaftspartei über die finanzielle Beteiligung der Sächsischen Wohlfahrtshilfe beim Konkurs der Seidemann- Unternehmungen zu beschäftigen haben. Der von der Regie rung eingesetzte Ausschutz mit dem Präsidenten Schiek an der Spitze hat nunmehr nach Durchsicht der Akten ein längeres Gutachten erstattet. Danach beginnen, wie die „Dr. N." be- richten, die Kredite an Seidemann am 2. Oktober 1924. Ein halbes Jahr später betrugen seine Verpflichtungen bereits 324 4Sl RM. und erreichten Mehlich die Höhe von 2,48 Millionen RM. Wie der Ausschutz festgestellt hat, befindet sich in den Asien weder ein Vermerk, ob und wie der wirk liche Wert der Seidemannschen Sicherheiten geprüft worden ist, noch darüber, ob man die Kreditwürdigkeit der Person Seidemanns festgestellt oder ein« sachverständige Ta« über den Wert der Grundstücke, der Maschinen usw. herbeigezogen habe. Es findet sich auch kein Anhalt dafür, datz die Kredit hilfe auf die Beschäftigung von Kriegsbeschädigten Wert ge legt habe. Die Kredite wurden auf Zukunftshoffnungen auf gebaut. Die Bilanz der Seidemann-Rödertal-Werke von Ende 1925 weist rund eine Million RM. Verlust auf. Ms die Kredithilfe endlich ein Gutachten und Auskünfte über Seide mann einholte, stellte sich heraus, datz sein Unternehmen bereits 1924 finanziell vollständig fertig war. Am 30. November 1925 hatte Direktor Hast von der Rödertal-AG. an die Säch sische Wohlsahrtshilfe geschrieben, datz die Seidemann-Röder- tal-EmbH. keine geordnete Buchführung besitze und datz Seide mann in Geschäftskreisen einen Ruf habe, der es nicht recht- fertige, ihm vertrauen entgegenzubringen. Der Ausschutz bericht stellt dann fest, datz nicht das Arbeits-, sondem das Innenministerium für diese Geldverschwendung verantwortlich ist. Ein Beamter dieses Ministeriums, Reg.-Rat vr. Böhme, führte die Korrespondenz. Sie trug die Bezeichnung „Mini sterium des Innern, sächsische Kredithilfe". Die Verluste, die der Staat bzw. die Kredithilfe endgüsiig erleiden werden, werden voraussichtlich 1,5—1,8 Millionen NM. betragen. Der Ausschutz kommt zu folgenden Schlüssen: Die Wohlfahrts hilfe ist keine Bank, die fremde Gelder zur Verwaltung über nimmt oder bankmätzige Geschäfte zu betreiben hat, sondern ein Institut, das die vom Reiche und sonstigen dritten Per sonen zu Wohlfahrtszwecken bereitgestellten Gelder zu ver walten und den bestimmten Zwecken zuzuführen hat. Um die Einhaltung des genau fistgelegten Aufgabenkreises der Sächsischen Wohlfahrtshilfe zu gewährleisten, möchte bestimmt werden, datz a) die besondere Kasse der Wohlfahrtshilfe auf gelöst und das gesamte Geld einer der Ministerialkassen über tragen werde; b) Zuwendungen und Darlehen aus Mitteln der Wohlfahrtshilfe der Zustimmung eines Ausschusses des Berwaltungsrates bedürfen, in dem ein Vertreter des Finanz- Ministeriums oder der Staatsbank mitwirtt; c) die gesamte Geschäftsführung der Sächsischen Wohlfahrtshilfe der Prüfung und Ueberwachung durch den Staatsrechnungshof in derselben Weise unterstellt wird, wie das bei jeder Staatskasse selbst verständlich ist. — In der Nacht zum Sonnabend wurde in Niederau eingebrochen, die Täter mutzten aber flüchten. Um sich die Verfolger vom Halse zu halten, gaben die Flüchtlinge auf die Polizeibeamten mehrere scharfe Schüsse ab, die ihrer seits daraufhin gleichfalls von der Schutzwaffe Gebrauch machten, Am Bahnhof Niederau konnte der eine festgenommen werden. Auch die Festnahme des vorläufig entkommenen Komplizen glückte bereits in der 7. Morgenstunde des Sonnabend. Ge- troffen wurde bei der nächtlichen Schieherei niemand. Die von ihnen benutzte und dann weggeworfene Schutzwaffe, in der noch einige scharfe Patronen enthalten waren, fand man ans der Staatsstraße bei Niederau. Man glaubt mit der Verhaftung einen guten Fang gemacht und Spitzbuben er- griffen zu haben, auf deren Konto ähnliche, bezüglich der Täterschaft noch ungeklärte Einbruchdiebstähle kommen. Drüben. Von der Nachrichtenstelle der Staatskanzlei wird geschrieben: Seit Wochen steht unsre Bevölkerung unter dem Einflutz einer Vertrauenskrise, die sich zu einer ernsten Gefahr für unser Wirtschaftsleben zu entwickeln droht. Ausgehend von vereinzelten Zusammenbrüchen sind weite Kreise von einer Unsicherheit ergriffen worden, aus der heraus die bei den Geldinstituten arbeitenden Guthaben weit über den wirklichen Bedarf hinaus abgerufen werden. Durch die Umwandlung der Guthaben in Zahlungsmittel, die an vielen Stellen ver zettelt aufgehoben werden, verliert nicht nur der Sparer den Zins, sondern der ganzen Wirtschaft wird dadurch der Zahlungs mittelvorrat unnötig verknappt. Für die Geldinstitute, die von plötzlichen und über das normale Matz hinausgehenden Abhebungen betroffen sind, entsteht überdies leicht die Gefahr einer Unflüssigkeit, die so weit gehen kann, datz auch eine mit reichlichen Reserven versehene Bank sich die zur plötzlichen Auszahlung aller Einlagen benötigten Mittel nickt mehr zu beschaffen vermag. Die Gefahren, die der Allgemeinheit hier aus entstehen, müssen sich alle vor Augen halten, die auf bloße Gerüchte hin eine -solche Unruhe in -die Wirtschaft tra gen und von angesehenen Instituten, die über ihre Verhält nisse ausreichende Aufklärungen abgeben können, Gelber über -den Bedarf abheben und damit auch andere veranlassen, dies zu tun. Die allgemeine Nervosität, die in letzter Zeit um sich gegriffen hat, hat auch dazu geführt, -daß Ersparnisse ins Ausland geschafft und in ausländischen Werten angelegt wer den, eine Erscheinung, die sich nur aus einer bedauerlichen Unwissenheit mancher Bevölkerungskreise m Währungs- fragen erklären läßt. Die Besorgnisse um den Bestand der -deutschen Währung sind durchaus unbegründet. Die Wäh rung ist durch die seit fünf Zähren bewährten Währungs gesetze unter dem Schutz Ler Reichsbank, die ein unab hängiges Institut ist, fest verankert und auch international voll anerkannt; denn die Währungsgesetze stehen, da sie als Anlage des Londoner Protokolls Bestandteile eines völker rechtlichen Vertrages geworden sind, unter internationaler Bindung, können also vom Reichstag nicht ohne weiteres aufgehoben oder abgeändert werden. Mit Recht hat der Reparationsagent selbst in einem seiner Berichte auf die durch die Währungsgesetze gesicherte starke Stellung der Reichsbank hingewiesen und dabei wörtlich folgendes ausge führt: .Die Reichsbank als der Wächter der deutschen Wäh rung hat weitgehende Mittel und Ermächtigungen, und Lie Stabilität der deutschen Währung bleibt völlig gesichert." Wer gleichwohl den haltlosen Gerüchten über eine Mäh- rungsgefährdung Raum gibt und seine Ersparnisse ins Aus land bringt, sei sich darüber klar, daß er damit dazu beiträgt.