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Beilage zur Weiheriy-Zeitung 95. Jahrgang Mittwoch, am 24. April 1929 Nr. 95 Drucksachen aller ArtC. Zehne Chronik des Tages. — Reichspräsident v. Hindenburg empfing den türki schen Außenminister Ruschdi Beh. — Ter Reichstag eröffnete die zweite Lesung des neuen Reichshaushaltsgesetzes. — Die ReparationSkonferenz hat einen Unterausschuß mit der Ausarbeitung eines Schlnßberichtes beauftragt; die Einiguugsberhandlungen- werden daneben fortgesetzt. — In Berlin hat ein ehemaliger Artist, der die Sprache verloren hatte, diese durch Lachen wiedergewonnen. — „Graf Zeppelin" ist am Dienstag 1,32 Uhr zur zweiten Mittelmeerfahrt aufgestiegen. — In Eckertsmühle in Mittelfranten ist die Bronze fabrik Grimm G. m. b. H. in die Luft geflogen. — Die Strafkammer in Hirschberg hat ebenfalls die Haftbeschwerde des Grafen Christian zu Stolberg-Wernigtz- rode abgelehnt. Die Akten gehen nun dem Oberlandesge richt Breslau zu. — Neber Nordamerika und über Japan sind schwere Orkane gezogen. Der Ruhr-Schiedsspruch. krhShung der Löhne um 2 Prozent und Herabsetzung der Persicherungsbeltrage. Lie Schlichtungsverhandlungen im Lohnstreit im Nuhrkohlenbergoau endeten mit der Verkündung eines Schiedsspruchs, über dessen Annahme oder Ablehnung sich die Parteien bis zum 29. April schlüssig werden müssen. Im wesentlichen enthält der Schiedsspruch folgende Bestimmungen: Unter Berücksichtigung der bevorstehenden Er- mäßig««- der knappschastlichen veiträge wird der Loh« für Untertagearbeiter aus 8,52 und der Lohn für Uebertagearbeiter aus 8,36 M. je Schicht festgesetzt. Die Tariflöhne der übrigen Arbeiter erhöhen sich in »em gleichen Verhältnis. Um der Belegschaft die Lohn erhöhung i« vollem Ausmaße zuzuführen, findet eine Abrundung der Pfennlgbetrage nicht mehr statt. Die durch den Schiedsspruch vorgenommene Lohn erhöhung beträgt 2 Prozent; ihre Wirkung verschiebt sich aber durch die von den Regierungsparteien be schlossene Abänderung der lex Brüning» die vorsieht, daß die Summen, um die das jährliche Aufkommen der Lohnsteuer 1300 Millionen Mark überschreitet, bis zur Höhe von 75 Millionen der KnappfchaftSverst- cherung zugeführt werden. Die dadurch ermöglichte Herabsetzung der Bersichcruna-betträo- Unterausschuß für Schlutzberichr. Die Führer der Delegationen solle« die Hauptricht- li»ie« festlegen n«d di« Ausgleichsbemühungen fort setze«. — Paris, den 24. April. Die Reparations-Konferenz hielt gestern ihre ent scheidende Sitzung ab. Die Lage ist nun insofern ge klärt, als die letzten Besprechungen der Delegierten »or der neuen Vollversammlung eine unmittelbare Sinigungsgrundlage nicht ergeben haben. Der Wille, doch noch eine Verständigung herbeizuführen, ist noch nicht erloschen, und die Möglichkeit einer Eini gung besteht nach wie vor, nur ist sie sehr gering. Nach Beendigung der Sitzung wurde der Presse folgende halbamtliche Mitteilung übergeben: Das Komitee der Sachverständigen nahm den Be- kicht des Revelstoke-NnterausschnsseS e«tge-en mit der Feststellung, daß über die Ziffern keine Einigung er zielt werden konnte. Ler Bericht wird z« den Akten »er Konferenz genommen. Einstimmig wurde beschlös se«, ei«en Unterausschuß zu bilde«, der de« Auftrag Imt, die Ha«ptrichtli«ien, di« i« de« Schlutzbericht »ufge«ommen werden solle«, sestz«»egeu. L«m Un terausschuß werde« die erste« Delegierte« angehöre«. Während der Beschäftigung mit de« Kragen, über »ie bereits eine Einigung erzielt werden lonute, sol le« von allen «rappen gleichmäßig Anstrengungen zemacht werden, um a«ch über di« Punkte zu einer Linigung zu kommen, über die bisher reine Ver ständigung erzielt werden konnte. Man erwartet, daß mit diesem Borgeh«« nicht n«r Zeit g«spart, Mn- »ern daß man durch die Feststellung des Umfangs »er erreichten Verständigung auch die Eudaufgab« des Komitees fördern wird. Die nächste Bollsitzung wird >«««rhalb angemessener Krist angesetzt werde«. Mit anderen Worten: während di« Delegations- führcr mit der Ausarbeitung des Schlußbertchtes be sinnen, werden die Verhandlungen ihren Fortgang nehmen, wobei man darauf Bedacht nehmen wird, alle Möglichkeiten zu einer Einigung auszunutzen. In Ergänzung dieser Mitteilung erfahren wir son gut unterrichteter Seit«, daß der Unterausschuß — und das ist wesentlich — zunächst nur eine Zu sammenstellung der Punkte anfertigen soll, über die man sich bereits einig geworden ist. Man hat näm- üch in den letzten Besprechungen innerhalb der De- kegationen festgestellt, daß man sich über eine Reihe bedeutsamer Fragen bereits einig ist. Di« Ha«pt- schwi«rigkeit«n hänge« mit der Krage des Transfer» and der Sachleistungen zusammen. Hinsichtlich der Ziffer« glaubt «a« schließlich, doch «och z« einer Verständigung kommen z« können. Noch dreiwöchige Konferenzdauer? Die Dauer der Konferenz wird jetzt auf noch 14 Tage oder drei Wochen veranschlagt. Von dem Ge danken einer Zwischenlösung ist man in den letzten Stunden wieder abgekommen; anscheinend wollten die Franzosen ihren Widerstand gegen ein Provisorium nicht aufgeben. Bei den neuen Verhandlungen wird unter anderem auch die Frage der Kommerziali sierung eine Rolle spielen. Selbstverständlich könnte dafür nur ein Teil der ReparatipnSschuld in Frage kommen, vorausgesetzt, daß man sich über die Einzel heiten einer solchen Aktion einig wird. In den den Delegierten nahestehenden Kreisen ist man der Ansicht, daß, wenn die Konferenz doch noch scheitert, sie immerhin wichtige Vorarbeit ge leistet hat. Veröffentlichung der deutschen Denkschrift. — Berlin, 24. April. Die Zeitungen veröffent lichen den Wortlaut der deutschen Reparations-Denk schrift. Inhaltlich decken sich die Ausführungen mit dem von uns vor einigen Tagen veröffentlichten Auszuo Poincarvs Irrtum. Die Zuspitzung der Neparations-Verhandlungen in Paris war begleitet von einer Hausse in poli tischen Reden über das Reparations-Problem. Im Haushaltsausschuß des Reichstags machte Reichswirt schaftsminister Dr. Curtius einige Bemerkungen über den Gang und die Aussichten der Konferenz, im Preu ßischen Landtag fand Ministerpräsident Braun ernste und berechtigte Worte, in Essen erhob der Führer der Zentrumspartei Dr. Kaas warnend seine Stimme, und in Bar-le-Duc wandelte der Chef der franzö sischen Regierung, Poincarö, das gleiche Thema ab. Poincarös Rede, die in der vergangenen Woche angekündigt worden war, sah man mit Unbehagen entgegen. Von früheren Reden her hatte man Bar- le-Duc noch gut in Erinnerung; nur sind die Vor stellungen, die dieser Name wachruft, unerfreulich. Poincarös letzte rednerische Leistung hat diesen Ein druck noch verstärkt. Hat der französische Minister präsident etwa den Ehrgeiz gehabt, in einem Augen blick, in dem man gespannt die Wiederbelebungsver- suche in Paris beobachtete, die Leichenrede auf die Sachverständigen-Konferenz zu halten? Bei seinen Ausführungen hat Poincars sich of fenbar von zwei Gesichtspunkten letten lassen. Er hat nachweisen wollen, daß ein Mißerfolg der Kon ferenz kein Mißerfolg für Frankreich sein wird, und er hat ferner die Verantwortung für das Scheitern der Verhandlungen den Deutschen aufbürden wollen! Zunächst meinte Poincarö, Frankreich sei daraus bedacht, durch die Einziehung seiner Guthaben bei den Revarationsschuldnern die Mittel für die Erfül lung seiner finanziellen Verpflichtungen und darüber hinaus noch eine runde Summe für Wiedergutmachun gen zu erhalten. Das sei und bleibe Frankreichs Standpunkt; die Deutschen habe man darüber nicht im Zweifel gelassen, und die anderen Gläubiger hätten keine Einwendungen erhoben. Poincarö sprach dann von Hoffnungen aus eine rasche Einigung und fuhr fort: „Für den Augenblick haben leider die Vertre ter Deutschlands diese Hoffnung illusorisch gemacht. Niemand weiß, ob es möglich sein wird, die Verhand lungen mit Aussicht auf Erfolg weiterzuführen. Wenn «S aber einen Mißerfolg gibt, dann wird es kein Miß erfolg für Frankreich sein. Wir würden uns darüber freuen, wenn diese undankbaren Erörterungen über Schulden und Reparationen endlich zur allgemeinen Zufriedenheit geregelt werden, und wir sind uns be wußt, daß wir große Zugeständnisse gemacht haben. Wen« aber unsere Bemühungen vergeblich sind, dann müssen wir uns an den DaweSplan halten, der uns im übrigen durch die Anwendung des Wohlstands- indLH' eine merkbare Erhöhung unserer Einnahmen in Aussicht stellt." Das ist denn doch eine erstaunliche Erklärung! Poincarös Vorwürfe gegen die deutsch« Delegation sind unberechtigt, sie sind aber auch politisch höchst unklug, mußten sie doch unbedingt die Atmosphäre er neut trüben. Daß Poincarö aber so schlecht unter richtet sein sollte, daß er tatsächlich an «ine Erhö hung der jetzigen Daweszahlungen durch das Inkraft treten des Wohlstandsindex glaubt, kann man sich ein fach nicht vorstellen. Man sollte in Paris nicht übersehen, was es be deuten will, wenn der der Sozialdemokratischen Par tei ««gehörende preußische Ministerpräsident Braun Worte findet wie die: „Ich habe bange Zweifel, ob das, was unsere Experten in Paris angeboten haben, jährlich 1650 Millionen Mark 37 Jahre lang, nach dem wir bereits viele Milliarden, überwiegend aus ver Substanz unseres Volksvermögens geleistet haben, mit der Leistungsfähigkeit unseres Volkes noch in Ein klang zu bringen ist. Angesichts des Darniederlieaens unserer Wirtschaft, der furchtbaren Krise in der Land- virtschaft, diesem wichtigen Zweig unserer nationalen Volkswirtschaft, angesichts der zwei Millionen Arbeits losen und der drückenden inneren Kriegslast will es mir schlechterdings unmöglich erscheinen, für ein Menschen- »lter 1650 Millionen jährlich zu leisten, ohne den Lebensstandard und damit die Leistungsfähigkeit der arbeitenden Bevölkerung Deutschlands stark herabzu drücken und große Teile unseres VolkSvermkgenS, die für die Erhaltung unserer wirtschaftlichen Leistungs- Migkeit unentbehrlich sind, an das Ausland abzu- zeben." beträgt 3,45 Prozent für Untertagearbeiter und 1,Tö Prozent für die Uebertagearbeiter; die effektive Lohn-, erhühung beträgt für die Arbeitnehmer also 5,45 reff». 3,25 Prozent. Die Geltungsdauer des Schiedsspruchs läuft do« 1. Mai 1S29 di» zu« 36. September 1930. Beisetzung -es Prinzen Heinrich. Ei« Rachruf deS Reich»w«hrminWerS Gr-euer. Unter Teilnahme einer großen Anzahl Trauer gäste wurde am Mittwoch Prinz Heinrich v. Preußen auf seinem Landsitz in Seunnelmark beigefetzt. Uni» versitätsprofefsor Rerrdtvrff «ad Marinepfarrer Wen gel hielten die Trauerrede. Die Schiffe der deutschen Flotte, soweit sie sich in der Heimat befanden, flagg ten während der Trauerfeierkichketten halbstock. Reichswehrminister Groener veröffentlicht» einen Nachruf für den verstorbenen Großadmiral, in dem es Heißt „Ueber vier Jahrzehnte hat er der alten Marine angehört und sich um ihren Austan und um ihre Schlagfertigkeit in hervorragenden lungen, zuletzt als Chef der Hochseeflotte, unvergäng liche Verdienste erworben. Im Kriege hatte er abk Oberbefehlshaber der Ostseestreitkräfte an der Verteidi gung des Vaterlandes bedeutenden Anteil. Ein begei sterter Seemann, ein hochverdienter Offizier und «in treuer Kamerad, der bis zuletzt der alten Weffe sich eng verbunden fühlte, ist mit ihm dahingegangen. Ehre seinem Andenken!" Chamberlain zur Kolonialfrage. Ein Mandat für Deutschland airgebltch nicht z« «ne hoffe«. Der englische Außenminister Chamberlain stellt« im Unterhaus die Behauptung auf, die Mandate über die ehemaligen deutsche« Kolonialgebiete, die auf dem Versailler Vertrag und nicht auf dem Völkerbund be ruhten, seien den jetzigen Inhabern endgültig zu geteilt worden. Soviel er wisse, sei niemals zum Ausdruck gebracht worden, daß einer der Mandatare seiner Verantwortung enthoben zu werden wünsche. In dem sehr unwahrscheinlich«« Falle, daß eine Mandatsmacht des BersaMer Vertrages daq Mandat niederlegen würde, würde Deutschland gleich berechtigt mit jedem anderen Mitglied des Völker bundes einen Anspruch darauf haben, Mr eine Ueber- tragung des Mandats zu kandidieren. Wieder Exprostv«e». Explodierender Kohlenstaub. — Bisher 2 Tut«, 11 Schwerverletzt«. Auf der Gewerkschaft Humboldt Braunkvhlengrube und Brikettfabrik in Wallensen im ^treSe Hamed» brach im Ofenhause ein Feuer ans. Wahrend den Lüscharbeiten erfolgte plötzlich eine furchtbare SvLleu- stauo-Explosion, die sich durch fast alle Räume den Brikettfabrik fortpflanzte und gr^e Verwüstungen ver ursachte. Vsn de« i« Ofeuhause b«schiMigtt« Arbeiter« wurde» 13 verletzt, davon di« ««ist«« schm«. w«rd«« sämtlich »ach dr« Kra«r«»ha»» i* Hamel» gebracht, wo zwei bereit» ihre« Verletz»»--» erlegen sind. SS siud die» die Arbeiter Bertram a»S Walle»- sen »»» M»rk a»» Salzemmendorf. Der letzter« halt« «rst in der vorige» Woche geheiratet. An dere Opfer der Katastrophe schwebe« z«r Stm»d« iw Lebe«»g«fahr. Politische Rundschau. — Berlin, den 24. April 1929. — In Stettin traf eine Abordnung finnländilcher Wiclschaftsfiibrer ein; in den Räumen der Börse f«Md Vin offizieller Empfang statt. — Wegen Vorbereitung zum Hochverrat wurde der kommunistische Parteisekretär Dr. Klepper-Berlin vom Reichsgericht zu einem Jahre Festungshaft und 150 Mark Geldstrafe verurteilt. , :: Der türkische Außenminister bei Hindenburg. Reichspräsident von Hindenburg empfing den türki schen Minister des Aeußeren Dr. Tewfik Ruschdi Bey sowie den Generalsekretär des Präsidenten der Tür kischen Republik Tewfik Bey. :: 120 bis 1gO Millionen neue Gold- und De visenverluste. Der in diesen Tagen zur Veröffent lichung kommende Reichsbankausweis wird nach un seren Informationen einen Gold- und Devisenverlust von etwa 120 bis 140 Millionen M. verzeichnen. / u «»laß de» fünften Todestage» Helfferich» hielt die deutschnationale Fraktion im Reichstag eine Gedenkfeier ab. Graf Westarp hielt die Gedächtnis- Rundschau im Auslande. » Die polnische Polizei will in Warschau zwei kom munistische Behetmdruckereten entdeckt Haven; etwa 100 Personen wurden verhaftet. ; Am Mittwoch fanden in Dänemark Neuwahlen zum Reichstag lFokkething) statt. ! Nach einer Mitteilung de» Präsidenten Hoover >verden in den Vereinigten Staaten jährlich rund 9000 Menschen ermordet. , französischer Schritt wegen der Unterrednn« Seeckt- " Mani«. * Der französische Gesandte in Bukarest, Luaux, hat 1m rumänischen Außenamt vorgesprochen und sich übrr di«